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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration»- Preis 22 i Sgr. (^ Thlr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für Las ganze Jahr, ohne Er- hödung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumcrirr aus dieser Literatur-Dlatt in Berlin in der Ervcdition der Allg. Pr. Ttaats-geitung (FricdrichSfir. Rr. 72); in der Provinz so wie im Auslände bei den Wohllöbl. Post-Aemiern. Literatur des Auslandes. 44. Berlin, Dienstag den 13. April 1841 China. Sechs Monate bei der Expedition gegen China. Bon Lord Jocelyn. °) Lord Jocelyn begleitete den Theil der Chinesischen Erpcdition, der von Kalkutta absegelte, und fungirte als Kriegs-Secretair bis zur Ankunft des Chefs, durch den er in seinem Amte bestätigt wurde. Er wohnte der Einnahme von Tschusan bei und begleitete die Flotte auf ihrer diplomatischen Mission nach Norden. Bon den Ufern des Pei-Ho zurückgekehrt, ließ man ihn, da seine Gesundheit gelitten hatte, mit den Depeschen nach England abgehen, und Lord Jocelyn vertrieb sich die Langeweile der Fahrt durch Nicderschreibung seiner Erlebnisse während der Expedition. Der Bersasscr bctheuert in der Vorrede, daß das Britische Gou vernement an seinen Notizen keinen Theil habe, und wir glauben ihm Vies unbedenklich; denn seine schlichte und schmucklose (obwohl in Beschreibungen etwas nachlässige und verworrene) Erzählung stellt den Opium-Krieg noch viel gehässiger dar, als er bis setzt erschienen, und es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß das Gouvernement so gegen sein eigenes Interesse schreiben sollte. Lord Jocelyn hat wenig von China gesehen, und doch waren ihm zur Auffassung des Charakters der Chinesen die Umstände sehr günstig, da er sie in Noth, in Gefahren und in ungewohnten Ver hältnissen beobachten konnte. Sein Bericht ist für die so oft und bitter geschmähte Ration in jeder Hinsicht vortheilhaft. Die Chine sischen Offiziere in Tschusan entschlossen sich, obwohl sie das Ver zweifelte ihrer Lage einsahen, zum Widerstande, da er nun einmal pflichtmäßig war; und sie thaten Vies mit einer Hingebung, wie sie nur jemals die Entschlossenheit Europäischer Soldaten charaktcrisirt hat. Die Befehlshaber und mit weniger Ausnahme das ganze Volk wußten den offiziellen Charakter der zur Expedition gehörenden In dividuen von ihrem Privat-Charakter sehr wohl zu unterscheiden. Obschon der Englische Angriff ihnen als eine Art Freibeuterei er scheinen mußte, behandelten sie doch solche Engländer, die ihnen in die Hände fielen, eben so menschlich, wie Europäische Nationen ihre Gefangenen behandeln; und im Ganzen zeigten sie nichts von jener wilden barbarischen Feindseligkeit, die selbst unserem hochgcsittctcn Welttheil bisweilen anklebt. Der Hausrath, die Kleidung, die häus liche Oekonomie und die bürgerlichen Einrichtungen der Chinesen von Tschusan gaben den Britischen Offizieren einen weit höheren Begriff von der Chinesischen Civilisation, als sie bis dahin gehabt. Wir heben nur Eine Thatsache hervor, welche die sorgfältige Verbreitung des Schul-Unterrichts in diesem Reiche beweist: Als die Expedition der Insel Tschusan sich näherte, kamen einige arme Fischer an Bord; da aber das provinziale Patois den Dolmetschern unverständlich war, so bediente man sich der Schrift zur gegenseitigen Vcrstän- digung. Es waren nur zwei vernünftige Kriegs-Pläne gegen China denkbar, die aber beide nicht gefaßt oder nicht ausgesührt wurden. Die Erpcdition konntc Canton angreiscn, als dcn Ort, von welchem die Beleidigung ausging, oder die Kaiserliche Residenz, vor deren Mauern der Kricg am schnellsten beendigt worden wäre. Statt dieser Alternative wählten die Behörden das unschuldige und doch in gewissem Sinne unheilvolle Tschusan zum Angriffspunkte. Die Besitznahme dieser Insel ist einigermaßen mit der Französischen Besitz nahme von Algier zu vergleichen; denn Krankheiten Haden dort den Engländern schon mehr Leute geraubt, als der Kricg den Chinesen. Dennoch ist die Niederlage, die den Chinesen beigebracht wurde, das Empörendste von Allem; denn sie war vergeblich und nutzlos — sie verschaffte den Engländern keine Bortheile und führte zu keinem Er gebniß. Wir theilen nun einige Bruchstücke aus Lord Jocelyn's Er zählung mit. Erste Begegnung mit den Chinesischen Behörden. „Am Nachmittag des 4. Juli begleitete ich Capitain Fletcher, dcn Commandeur des Schiffes „Wcllcslcy", an Bord der Chinesischen Admirals-Dschonke, die wir an ihren zahlreichen Fähnchen und an den drei auf ihren Stern gemalten Tigerköpfen erkannten. Unserer Ordre gemäß sollten wir Stadt und Insel auffordern, sich binnen sechs Stunden zu ergeben." „Als wir bei der Admirals-Dschonke anlegten, schob man die ') 8!» Rooill» «!»> tbo t?bine«c Lipeäitioo «to. T-onäon, 1S4l. Kanonen des Schiff-Ganges heraus. Aber noch ehe der Feind irgend Anstalten zum Widerstand getroffen hatte (wenn er diesen bezweckte), sprangen wir mit unserem Dolmetsch an Bord, und gleich nmring- te» uns ganze Schaaren der Mannschaft. Auch von der Küste kamen Viele herbeigewatet, sobald man uns von der Stadt aus erblickt hatte." „Der ganze Haufe gab übrigens kein Zeichen von Feindseligkeit; sic sagten uns, der Admiral befinde sich mit den übrigen höheren Beamten des Distrikts am Ufer, und man habe ihm schon unsere Ankunft melden lassen. Es wurde uns Thee gereicht, aber kein solcher, wie Englische Damen ihn goutiren würden, denn die Chinesen trinken ihn immer (?) so schwach, daß das Wasser kaum gefärbt wird; und die Blätter der Staude bilden einen nothwendigen (?) Bestandtheil des ekelhaften Getränkes. °) Eine halbe Stunde nach unserer Ankunft erschien der Tschung-pina nebst Gefolge an Bord; er war ein alter Mann, mit Oplum-Spuren im Gesichte, und seine Mütze zierte ein rother Knopf. Die Mützenknöpfe der übrigen Offiziere waren blau oder weiß, je nach ihren verschiedenen Graden." Die Aufforderung. „Wlr öffneten das Papier, das unsere Aufforderung an die Bewohner enthielt, und verlasen es vor allen Versammelten. Die tiefen Seufzer und der immer stärkere Andrang des Volkes überzeugten uns, daß wir unter Feinden waren; und seit jenem Augenblick habe ich das in Ostindien ausgcsprcngte Gerücht, als haßten China's Eingeborne ihre Tatarischen Beherrscher, für völlig grundlos gehalten." °°) „Unsere Aufforderung besagte, wir wollten ihnen kein Leides an- thun; wir seyen nur gekommen, um mit ihren Beherrschern wegm ihrer Ungerechtigkeiten Krieg zu führen. Diese Ungerechtigkeiten schienen sie wohl einzusehen; aber ihre zusammengedrücktcn Hände und angstvollen Gesichter bewiesen uns, wie fälschlich wir angenom men halten, daß wir zu einem Volke gekommen seyen, welches nur eine sremde Armee erwartet, um ein verhaßtes und tyrannisches Joch abzuschütteln." „Rach kurzem Hin- und Herreden kamen sie überein, uns auf das Flaggen-Schiff zu begleiten. Wir erboten uns, am Bord ihrer Dschonke als Geißeln zu bleiben; allein sie wiesen dieses Anerbieten zurück und drangen in uns so lange und freundlich, daß wir ihr Boot mit ihnen besteigen möchten, bis wir nachgaben." „Auf unserem Admiralschiffe wiederholte man ihnen Alles, was sie schon wußten, und erklärte ihnen den Zweck dieser feindlichen Demonstration. Sie beschwerten sich darüber, daß sie für Unbilden, die wir in Canton erlitten hatten, verantwortlich seyn sollten, und setzten ganz vernünftig hinzu: „Gegen Jene (die Behörden in Can ton) solltet Ihr Krieg führen, und nicht gegen uns, die wir Euch nie ein Leid angethan. Wir sehen Eure Macht und wissen, daß unser Widerstand eine Tollheit seyn wird; allein es liegt uns ob, unsere Schuldigkeit zu thun, sollte» wir auch dabei das Leben einbüßen." „Sir Gordon Bremer ersuchte sie, doch ja mit sich selbst zu Rathe zu gehen, ehe sie Etwas versuchten, was nach ihrem eigenen Geständnisse keine Bürgschaft des Gelingens in sich trüge. Sie ver sprachen dies, und er gestattete ihnen Bedenkzeit bis zum nächsten Morgen. Ihre letzten Worte, ehe sie das Schiff verließen, waren: „Wenn Ihr vor Sonnenaufgang nichts von uns hört, so mögen die Folgen davon über unsere Häupter kommen." „So lange die Chinesischen Ofsizicrc sich am Bord befanden, äußerten sie über nichts auf dem Schiffe Verwunderung, einen Ein zigen ausgenommen, dessen tragisches Schicksal der Leser bald ersah, rcn wird. Auch wollten sie während der Konferenz keine andere Erfrischungen annehmen, als einige Schluck süßen Weins, mit dem sie wohlbekannt zu seyn schienen." Der Angriff aus Tschusan. „Als der Tag graute, wurden auf dem Hügel vor der Stadt einige Kanonen montirt, und man sah die Chinesischen Offiziere geschäftig ab- und zugehen. Bald nach her nahmen sie ihre Stellungen bei dcn Truppen ein; besonders erkcnn- 'i Die Behauptung, daß man dcn Thee in China immer schwach trinke, ist sehr varador, indem alle übrige Europäer, die in China Thee geschlürft, das gerade Gcgentheil versichern; und man möchte beinahe argwöhnen, daß wenigstens die Bewirtbung mit schlechtem Thee ein Zeichen von Feindselig keit gewesen se». Was übrigens die ausgekochten Blätter betrifft, so steht es Jedem frei, ob er sie verschlucken will oder nicht. ") Diese Behauptung ist selber beinahe grundlos, denn sie basirt sich nur auf die Gesinnung der Bewohner eines Eilands, das, im Bergleiche mit der ganzen Monarchie, ein verschwindender Punkt ist. Und waren diese armen Insulaner, die so gut als nicht» von den Europäern wußten, nicht zu furch ten berechtigt, daß sic aus dem gewohnten Regen in eine ungewohnte Traufe kommen würden?