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Bruchs 1. Violinkonzert, dos als einziges seiner Werke die Zeiten zu überdauern vermochte, wurde zwischen 1857 und 1866 komponiert und 1866 in Koblenz unter Leitung des Komponisten uraufgeführt. Der Solist der Uraufführung war der große Geiger Joseph Joachim, dem das Werk (wie Brahms' Violinkonzert) auch gewidmet ist. Die dankbare und wirkungsvolle, echt geigerisch konzipierte Kom position hat durch ihre formale Ausgewogenheit, ihre jugendlich-musikantische Frische, ihre eingängige Melodik und die Substanz und Brillanz insbesondere des Soioparts, der dem Solisten in reichem Maße Gelegenheit gibt, Virtuosität und gestalterische Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, bis heute noch nichts von ihrer Beliebtheit bei Interpreten und Hörern eingebüßt. Die Bezeichnung des ersten Satzes mit „Vorspiel" deutet darauf hin, daß das Hauptgewicht des Konzertes im zweiten und dritten Satz liegt. Im knapp ge haltenen Anfangssatz, der mit einem Paukenwirbel und einer kleinen Kadenz des Soloinstrumentes einsetzt, wechseln lyrisch-elegische Momente mit stürmisch leidenschaftlichen Partien, wobei rhapsodische Deklamationen und zahlreiche kadenzartige Wendungen und Einwürfe der Solovioline den präludierenden Charakter betonen. Wie im Mendelssohnschen Violinkonzert führt eine modulierende Überleitung zum zweiten Satz, einem Adagio, das sich pausenlos anschließt. Dieser langsame Es-Dur-Satz, eine echte Romanze von schwelgerischer, einschmeichelnder Renta bilität, läßt das Soloinstrument die ganze Süße seines Tones entfalten. Neben dem empfindsamen Hauptthema wird ein von den Hörnern vorgetragenes und von solistischen Arabesken umranktes Seitenthema bedeutsam. Rassig-kapriziös und voller Schwung gibt sich das besonders wirkungsvolle, in Rondoform angelegte Finale. Der zum Teil etwas ungarisch gefärbte Schluß satz ist wieder außerordentlich virtuos und stellt ein Musterbeispiel für Bruchs effektvolle Verwendung melodischer und rhythmischer Mittel dar. Anton Bruckners 6. Sinfonie A-Dur wurde in den Jahren 1879—1881 komponiert. Das Werk erlebte seine vollständige Uraufführung erst nach dem Tode des Komponisten in einem Philharmonischen Konzert in Wien am 26. Februar 1899 unter der Leitung Gustav Mahlers, nachdem schon 1883 die beiden Mittelsätze des Werkes von den Wiener Philharmonikern unter Wilhelm Jahn erstmalig zum Klingen gebracht worden waren. Die Sinfonie, ein Lobgesang auf die Schönheit der Erde, wird gern, entsprechend Beethovens Sechster, Bruckners „Pastorale” genannt. An der Spitze der Exposition des ersten Satzes (Maestoso) steht das aus dem Quintfall machtvoll und männlich ausschwingende Hauptthema der Celli und Bässe, das aus dämmerndem Zwielicht des Anfangs herauswächst und im vollen Orchesterglanz „einer der strahlendsten Sonnenaufgänge der Musik" wird. Freundliche Gedanken spricht nach elegischem Beginn auch das sangliche zweite Thema aus. Eine einsame Flöte leitet dazu über. Charakteristisch sind besonders die spielerische Quintoie und der volksliedhafte Ausklang. Ein drittes rhythmi sches Thema, von fast allen Instrumenten unisono kräftig vorgetragen, besitzt eine abschließende Haltung. Die Durchführung und Reprise werden hauptsäch lich vom Kernthema bestimmt. Das verhältnismäßig kurze, sehr feierliche F-Dur-Adagio weist eine durchfüh rungslose Sonatenform mit wiederum drei Themengruppen auf. Es kündet von überschwenglichem Glück (zweites Thema in den Violinen), aber auch von schmerzlichem Verzicht. Liebesleid (erstes Thema in den ersten Violinen mit ele gischen Klagerufen der Oboe; drittes Thema, das ernst, dunkel, im langsamen Marschschritt einer Trauerprozession erklingt, Celli und Bässe zupfen eine ein tönige Begleitung). Die drei Themen werden nacheinander sehr stimmungsvoll verarbeitet. Der Scherzosatz ist einer der schönsten, den Bruckner geschrieben hat. Er ist kein derber, bäurischer Tanz, sondern die feingliedrige Darstellung eines phantasti schen, gespenstischen Spuks, einer impressionistischen Nachtstimmung. Das Ganze besitzt infolge ständiger Durchsetzung mit Trioien etwas „geisterhaft Huschen des". über dem Klopfen der tiefen Streicher und einem Motiv der zweiten Violinen und Bratschen bildet sich im dritten Takt — in Holzbläsern und Violinen — das Thema des Hauptteiles. Idyllisches Gepräge besitzt das zarte Trio. Eine plastische, thematische Sprache und ein einfacher, klarer, nichtsdestoweniger imponierender Aufbau kennzeichnet das kraftvolle, sieghafte Finale. Dem sich breit in den Violinen entfaltenden Hauptthema über dem Pizzicato der tiefen Streicher und leisem Tremolo der Bratschen folgt das zweite, strahlend auf gipfelnde Thema (zuerst in den Hörnern) und schließlich das sangliche dritte Thema in den Streichern. Choralhaftes erinnert an den religiösen Untergrund des Brucknerschen Schaffens. In wechselnden farbigen und klangprächtigen Bil dern zieht der Satz vorüber und krönt mit seinem lebensfreudigen, hellen Aus klang die Sinfonie, indem neben dem strahlenden zweiten Finalthema das Hauptthema des ersten Satzes in den Posaunen glanzvoll aufleuchtet. Dr. habil. Dieter Härtwig VORANKÜNDIGUNGEN : Donnerstag, den 28., und Freitog, den 29. November 1974, jeweils 20.00 Uhr, Kulturpalast 3. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Henryk Czyz, VR Polen Solistin: Shizuka Ishikawa, Japan, Violine Werke von Schoslakowitsch, Tschaikowski und Strawinsky Freier Kartenverkauf Mittwoch, den 11., und Donnerstag, den 12. Dezember 1974, jeweils 20.00 Uhr, Kulturpalast Einführungsvorträge jeweils 19.00 Uhr Dr. Wolfgang Reich 4. KONZERT IM ANRECHT C UND 4. ZYKLUS-KONZERT Dirigent: Hans Swarowsky, Österreich Bruckner: Sinfonie Nr. 8 c-Moll Anrecht C und B Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1974/75 - Chefdirigent: Günther Herbig Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Druck: GGV, Produktionsstätte Pirna - 111-25-12 2,85 ItG 009-84-74 »Inilhiarnnonio 3. KONZERT IM ANRECHTC UND 3. ZYKLUS-KONZERT 1974/75