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Mittwoch. Er-e Ausgabe. Vormittags 11 Uhr. n. Februar 1862. O«U„tg. Die Ztwmg er- E schemr mit Ausnahme »el «onntag« täglich zwei mal «bmd« r Mkelt für da« Vierteljahr t'^THlr.; jede einzelne Num mer I Ngr. jy««tschla«d. "Berlin, 10. Febr. Zn der heutigen Sitzung der II. Kammer er folgt die Berathung deS Berichts der Commission über die geschäftliche Behandlung des AnttagS von Abg. v. Vincke und Genossen (Nr. 46); der Referent Abg. v. Holzbrinck begründet den Antrag der Commis, sion, dahin gehend, der Commission zu überlassen, die Tagesordnung in Beziehung auf die gedachten Anträge nach tz. 31 der Geschäftsordnung selbst zu regeln. Abg. Bürgers begründet daS von ihm eingebrachte Amende ment, der Commission für Gemeindewesen aufzugeben, sich der Berathung und Berichterstattung über die Anträge des Abg. v. Vincke und Genossen über Zusammenberufung der Kreis- und Provinziallandtage zu unterziehen, ohne abzuwarten, bis die von der Regierung in der I. Kammer eingebrach- ten Vorlagen über die Gemeindeordnung in die II. Kammer gelangen. Bei der Abstimmung wird der Antrag von Bürgers abgelehnt und dagegen einer deS Abg. v. Eynern: „die Kammer wolle sich damit einverstanden er klären, daß die Commission für das Gemeindewesen im Hinblick auf die be vorstehende Berathung über die von der Staatsregierung in der I. Kammer eingebrachten, die Gemeindeordnung betreffenden Vorlagen die Berichterstat tung über die Anträge des Abg. v. Vincke aussetze", mit 151 gegen 129 Stimmen angenommen. — Der Schneiderlehrling Haube ist in der Sitzung des Schwurgerichts am 9. Febr. wegen der seinerzeit von uns gemeldeten vorsätzlichen Tödtung seines Meisters, des Schneidermeisters Nolte, und schweren Diebstahls zu lebenSwierigem Zuchthaus verurtheilt worden. N München, 8. Febr. Ich habe Ihnen bereits über das Resultat der gestrigen Sitzung der Abgeordnetenkammer in Betreff der Prell'schen Be- fchwerde Bericht erstattet; es erübrigt mir noch Einiges aus dem Gange der Verhandlungen und über denselben mitzuthcilen. Bor allem ist nicht zu vergessen, daß die eingebrachte Beschwerde und insbesondere der Antrag, den Stadtcommissar in Nürnberg in Anklagestand zu versetzen, auf ziemlich schwachen Füßen stand, da nicht wegen einer vollzogenen, sondern wegen einer blos angedrohten polizeilichen Maßregel die Beschwerde erhoben wurde. Noch weniger begründet war aber der damit verbundene Antrag der Jn- anklagestandversetzung, da versassungsgemäß ein solcher nur gegen Staats- Minister und höhere Staatsbeamte, nicht aber gegen einen untergeordneten Polizeibeamten, wie der Nürnberger Stadtcommissar ist, stattfinden kann. Gänzlich verfehlt war auch diese Beschwerde über die geschehene Verletzung deS Preßedicts schon darum, weil der Beschwerdeführer aus der Masse der gegen die Presse von der Verwaltung aügeotdneten Maßregeln der Unter drückung «up eine vereinzelte, nicht zur Ausführung gebrachte Drohung her- auSgerjonzmen hatte. Im Verlaufe der Debatte wurden freilich noch ganz andere Mittel und Wege bekannt gegeben, welche die Regierung benützt, um die Oppositlonspresse zu vernichten. Das Ministerium konnte oder wollte diese Thatsachen nicht in Abrede stellen und gab sich alle Mühe, darin auf das lebhafteste vom zweiten Präsidenten Weis unterstützt, den Kampf von dem materiellen Gebiete auf das formelle hinüberzuleiten. Denn nicht nur, daß die Presse stumm und todt sein solle, es soll auch keiü Klageruf über ihre Vernichtung au« dem Ständehausr in das Land hinaus ertönen. Sie soll ohne Sang und Klang zu Grabe gebracht werden. Erst als die Mitglieder der Opposition die formellen Bedenken als Das behandelten, was sie im Grunde waren, und sich dadurch nicht weiter abhalten ließen, auf das Wesen der Sache zurückzükoMmen, trat der Ministerpräsident v.d. Pfordten ohne Scheu — „legal" nannte eS Hr. v. Laffaulx — mit seiner Ansicht über den Zu stand der bairischen Presse und über die Unmöglichkeit des Bestehens eines geordneten Staat« neben derselben heraus und rechtfertigte durch seine An schauung das Benehmen der untergeordneten Beamten vollständig, indem er die ganze Verantwortung auf seine Schultern übernahm. Um diesem Verfahren einen gesetzlichen Schein zu verleihen, mußte er in der Kunst, klaren, unzweideutigen Artikeln der Verfassung eine irrige Bedeutung zu unterlegen, weiter gehen al« selbst der in dieser Kunst hochbetühmte Hr. v. Abel; wo aber diese? Manveuvre nicht Mehr ausreichte, mußte er in alten, durch dir Verfassung längst aufgrhübenen Verordnungen und Jnstructidnen Hülfe suchen zur Beweisführung ferner gesetzmäßigen Handhabung der Ge setze. Er lasst aUSWeisen, bemerkte er, Zn- und Ausländer, wegen ihrer Betheiligung in der Presse, weil eine polizeiliche Instruction vom Jahre 1808 eS ihm gestatte, unbekümmert darum> daß die Verfassung jedes Einschreiten der Verwaltung gegen die Presse untersagt. Er werde die Verfassung nicht verletzen, bemerkte er dann weiter, aber er werde bei der Unzu- reichrnheit der gegenwärtigen Preßgesetzgebung auf Abänderung dringen, d. h. die Aburtheilung den Schwurgerichten — der Bauernjury, wie sich Hr. Heine später ausdrückte — entziehen. Betrachtet man aber die ganze bairische Op- Zu beziehen durch alle Post ämter de« 3n- und Autlaxde«, sowie durch die Srpeditio- nen in Leipzig (Querstraße Nr. S) und »retten lbet E. Höckner, Neustadt, An der Brücke, Nr. Wahrheit und Recht, Freiheit und Beseh!» positionspreffe, neben welcher der Staat nicht bestehen oder, vielleicht rich tiger bezeichnet, Hr. v. d. Pfordten nicht ungestört ruhen kann, so findet man von liberaler Seite nur noch ein einziges Organ im diesseitigen, den Nürnberger Kurier, und eines im jenseitigen Baiern, die Speierer Zeitung, die noch zähen Widerstand leisten, insoweit sie nicht durch die strengen Be stimmungen des Preßstrafgesetzes behindert werden. Die andern demokrati- schen Journale, und so namentlich daS vorzugsweise von der Demokratie be vorzugt gewesene, der Fränkische Kurier, um dessen Beschwerden es sich heute handelte, enthalten sich so sehr der Kritik der Handlungen der Regierung, daß sie gar nicht mehr als Organe der Opposition angesehen werden können. Andere, wie z. B. die Volksbötin, sind nun gar ins Heerlager der Regie rung übcrgegangen und plänkeln höchstens noch gegen den UltramontaniS- mus. Das gegenwärtige Ministerium muß sich aber unendlich schwach fühlen, wenn es glaubt, daß die Ordnung im Staate nicht aufrecht erhalten wer den kann, wenn der Nürnberger Kurier fortfährt, in geistreicher Weise und in der gemäßigtsten Form daS Staatsleben zu beleuchten. Noch weiter als der Ministerpräsident ging der Referent Laffaulx, der in der demokratischen Presse nichts als Gift sieht, das naturgemäß allein durch das Gegengift po lizeilicher Gewaltmaßregeln bekämpft werden kann. Zehntausend BerfaffungS- bestimmungen dürften das verhindern wollen, das Gegengift würde doch her vorsprießen und Plaß greifen. Er würde unbedingt für eine Jndemnitäts- bill stimmen, wenn nicht die Beschwerde schon der formellen Frage erliegen würde. Bei dieser Anschauung erscheint übrigens das Wirken der Kammern selbst als überflüssig -, wenn man die Regierung selbst zur Gewalt auffodert, wozu sie in andern Dingen an die Zustimmung ver Volksvertreter binden wollen? Interessant war das Benehmen des Centrums. Hr. v. Lerchen- fcld misbilligte die Art, wie man gegen die Presse verfahre, misbilligte die Art, wie man klare Verfassungsbestimmungen auslegt, misbilligte das Schwei gen des Ministeriums zu all den Vorwürfen über Verfassungsverlctzung — und stimmte endlich für die Verwerfung der Beschwerde als nicht begrün det. Doch geht wenigstens das Tröstliche aus der heutigen Discussion her vor, daß ein Versuch, das Preßedict im Sinne der herrschenden Reaktion abzuändern, auf unbesiegbaren Widerstand stoßen werde. Wer weiß, ob nicht diese Vorlage zu einer Auflösung der Kammer führt. — Der Schwurgerichtshos in Ludwigsburg fällte am 7. Febr. da« Contumacialerkenntniß gegen die flüchtig abwesenden Angeklagten im Proceß von Becher und Genossen, womit derselbe nun gänzlich erledigt ist. Dieses von rechtsgelehrten Richtern gefällte Urtel bietet ganz andere Resul- täte als das aus dem Wahrspruche von Geschworenen erlassene Urtel. Es wurden von 32 Angeklagten verurtheilt: 7 zu lebenslänglichem Zuchthaus, 1 zu 25 Jahren Zuchthaus, 1 zu 22 Jahren Zuchthaus, 2 zu 21 Iah- ren, 2 zu 20 Jahren, 4 zu 18 Jahren, 1 zu 16 Jahren, 4 zu 15 Iah- ren, 1 zu 14 Jahren, 1 zu 12 Jahren, 2 zu 8 Jahren, 1 zu 6 Jahren, 5 zu 5 Jahren. — Aus Mainz vom 8. Febr. schreibt man dem Frankfurter Journal: Von einer Seite, deren Autorität nicht den mindesten Zweifel zuläßt, er fahren wir augenblicklich, daß unser Bericht von vorgestern über das un glückliche Ende eines österreichischen MineurS durchaus alles Grun- des entbehre und die seit acht Tagen hier circulirenden Erzählungen eine« solchen Vorfalls nur die Erfindung eines müßigen oder gar böswilligen Kopfes waren, der den Umstand, daß in dieser Zeit ein österreichischer Mi neur mit allen Ehren begraben wurde, zu einer so schauerhasten, hier all gemein geglaubten Erfindung benutzte. — Der Herzog von Nassau hat untcrm 7. Febr. verordnet: ,,h. 1. Der obersten Centralverwaltungsbehörde unsers Herzogthums steht ein Staats minister vor. §. 2. Wir bestimmen für unsern Staatsminister als Dienst gehalt 6000 Fl. und als Functionsgchalt 4000 Fl. in vierteljähriger Vor ausbezahlung aus unserer Staatskasse. H. 3. Gegenwärtige Verordnung soll durch das Verordnungsblatt verkündigt werden." Prinz August zu Sayn- Wittgenstein-Berleburg ist zum Staatsminister ernannt und demsel ben der Charakter als Generallieutenant und Gencraladjutant «rtheilt worden. — Die Oberpostamts-Zcitung meldet aus Frankfurt vom 10. Febr.: Der Bischof von Limburg ist gestern in Begleitung des geistlichen Raths Klein hier eingetroffen und reiste heute nach Freiburg weiter zu den Conferenzen, welche die Bischöfe der oberrheinischen Kirchenprovinz daselbst abzuhalten beschlossen haben. Wie man hört, dürsten in denselben Beschlüsse gefaßt und veröffentlicht werden, um die Grundsätze der den betheiligten Re gierungen vor Jahr und Tag bereits mitgttheilten Denkschrift zur Geltung zu bringen. — Aus Kassel vom 6. Febr. berichtet das Frankfurter Journal: Dit gegen die HH. Alsberg, Winkelblcch und Wallach «ingcleitete Untersu-