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MOmsserÄMblati Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das »Wilsdruffer Tageblatt- erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung irr der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 NM. im Monat, bei Austeilung durch die Bote,- 2,3"RM., bei Postbestellung zuzüglich Abtrog- . gebühr. Einzelnummern 15Rpfg.AllePostansta ten Wochenblatt für Wllsdruff u. Umaeaend Postboten und unsereAus. lragerund Geschäftsstellen _ —" - nehmen zu jeder Zeit Be- stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Nückjendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für LürgertuM/ Beamte/ Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: Lie 8 gespaltene Raumzeile 2V Rxsg., die < gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs« Pfennig, die sgespaltene Reklame,-eile im tcrllichen Teile 1 Reichsmark. Nachmcisungsgebühr 2V Reichspsenntge. 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Es ist, wie wenn jemand in ein stehendes Gewässer einen Stein geworfen hätte, einen großen und schweren zumal, — plötzlich kommt Bewegung in das nasse Element, die Wellen pflanzen sich fort bis an die Ufer, dis auf den Grund, und man braucht dann nur noch etwas nachzuhelfen, um wenigstens für eine Zeitlang den Eindruck eines lebendigen Wassers zu erhalten. Für und gegen den Young-Plan war, so heftio auch um ihn seit Monaten und zuletzt im Zusammenhang mit dem Volksbegehren gekämpft worden ist, kaum noch von irgendeiner Seite etwas Neues mehr gesagt worden Die beiden feindlichen Lager standen sich unversöhnlich gegenüber. Für die Regierungsparteien war die Ent scheidung, obwohl die zweite Haager Konferenz und namentlich die Beendigung der Pariser Saarbesprechun gen noch bevorstehen, schon so gut wie gefallen, während die Gegenseite kaum noch Hoffnungen haben konnte. Dc stößt der Reichsbankpräsident Dr. Schacht ir die Alarmtrompete! Er will sein Gewissen wahren, das die Verantwortung für die geplante Neugestaltung unserer Neparationsverpflichtungen nach Inhalt, Umfang und Dauer mit in erster Reihe zu tragen hat. Man weiß, daß er sich schwer entschloß, seine Zustimmung zu dem Haager Abkommen zu geben. Man weiß aber auch, was in zwischen alles an neuen Belastungen hinzukommen solU hier ein paar Dutzend — siehe Belgien —, da ein paar hundert Millionen — siohe Polen und siehe England, wc sogar unzweifelhafte deutsche Rechts- und Eigentums ansprüche im Werte von rund 300 Millionen von der Ne gierung kassiert werden. Uno ähnlich steht es in Deutschland selbst, wo mar fort und fort von der Notwendigkeit einer sparsamer Wirtschaft, einer grundlegenden Vereinfachung der ganzer Verwaltung, einer durchgreifenden Senkung der Steuer lasten redet und doch noch nicht erreicht hat, daß dies! Umkehr aus allen Gebieten des öffentlichen Lebens auck durchgesetzt wird. Herr Schacht nennt das alles, was siü seit der ersten Haager Konferenz so zugeiragen hat, ein: Verfälschung des Young-Planes, insofern e- die selbstverständlichen Voraussetzungen für die dort ge troffenen Vereinbarungen zerstören müßte. Er legt Ver Wahrung ein gegen die Nichtachtung aller der mühsam auf gestellten .Empfehlungen und Vorschriften", mit denen die Möglichkeit für die Durchführung des Young-Planec hätte geschaffen werden sollen und die schon jetzt, nock ehe er in Gang gebracht worden ist, in Paris und ir London und in Warschauso behandelt würden, als wären damit lediglich unverbindliche fromme Wünsche ge äußert worden. Und nicht minder bringt der Reichsbank Präsident der deutschen Regierung in Erinnerung, daß su Gefahr laufe, unerfüllbare Verpflichtungen einzugehen wenn sie nicht endlich die übertriebene Ausgabenwirtschaff stoppen, die Kapitalneubildung fördern und Handel und Gewerbe wieder aufatmen ließe, ihnen mehr Bewegungs freiheit ,,nd auch Selbstverantwortung für die Aufrecht erhaltung ihrer Betriebe und Geschäfte ermögliche. Reichsbankpräsident Dr. Schacht. Ob Denkschrift des Reichsbankpräsioenten wird es sicherlich Vorwürfe hageln gegen ihn, von links und von rechts, wie wenn es ihm darum zu tun gewesen wäre, einen neuen Zankapfel unter das deutsche Volk zu werfen, und nicht um seine Überzeugung, daß es so wie bisher uichi weitergehen könne, wenn wir weiterkommen wollen besonders die R e i ch s r e g i e r u n g ist von ihrem ersten Vertrauensmann bei den Sachverständigenverhandlungen '"Varis, von dem obersten .Hüter unserer Finanz- und Währungswirtschaft, gewarnt worden, die Dinge nicht w weitertreiben und -laufen zu lassen wie bisher. Ihr fällt damit die Aufgabe zu, das Volk aus dem Gezänk und dem selbstmörderischen Streit der Parteien herauszu- führcn zur Erkenntnis der Notwendigkeiten, die un- w e i g e r l i ch vor uns liegen, und damit dann auch die auswärtigen Regierungen über die Verpflichtungen zu be- lchrcn, die ""Üchland gegenüber bei der Annahme des Young-Planes emgegangen sind. AntMt der RWregieriUW SWt Ergebnis eines Kabinettsrates Vertrauensfrage im Reichstage Die Neichsfinauzreform Die so unerwartet veröffentlichte Denkschrift des Rcichsbankpräsidenten Dr. Schacht Uber die bei ihm auf- gcsticgenen Bedenken betr. die Ausführung des Young- Plans hat nicht allein bei der Regierung, iandern auch in allen politischen Kreisen äußerste Überraschung hervor gerufen. Die Reichsregierung soll zwar über die Absicht Dr. Schachts, seincBesorgnisse bekanntzugeben, unterrichtet gewesen sein, nicht aber über den Termin und die Art, in welcher die Veröffentlichung geschah Schon vorher war der Zusammentritt des R e i ch s k a b i n e 1 t s für den Freitag bestimmt und es sollte über dieNeichsfinanz- reform beraten werden. Das Erscheinen der Darlegun gen Schachts gab natürlich der Sitzung ihre besondere Note, da eine sofortige Stellungnahme zu diesem Vorstoß nun in den Vordergrund treten mutzte In der Kabinettssitzung, die morgens um 1l Uhr begann und um Uhr unterbrochen wurde, legten die einzelnen Reichsminister ihre Auffassung über die Aktion Dr. Schachts dar und betonten die Notwendigkeit einer un verzüglichen Gegenäußerung. Gegen Abend trat das Kabinett erneut zusammen, um endgültige Beschlüsse zu kaffen, die auch die Zuständigkeit des Reichsbankpräsi denten in dieser Sache klarzustellen geeignet sind. Außer dem soll der Reichstag sofort nach seinem Wieder- zusammentritt Gelegenheit zur Meinungsäußerung er halten. * Der Kabinettsbeschlutz In der am Freitag abend abgeschlossenen Sitzung des Reichskabinetts wurde zur Denkschrift Dr. Schachts über den Young-Plan folgender Beschluß gefaßt: „Der Herr Reichsbankpräsident Dr. Schacht hat der Reichsregierung ein Memorandum zu den in Gang be findlichen Verhandlungen über den Young-Plan und zu den Fragen über Finanzpolitik zugeleitet. Die Veröffentlichung fällt mitten in Besprechungen, die über diese Frage mit ihm gepflogen worden sind. Dir Reichsregierung muß ihr Befremden über dir Veröffentlichung aussprechen. Die Voreiligkeit, mit der die Stellungnahme des Herrn Rcichsbanlprüsidcntcn erfolgt ist, gefährdet die einheitliche Staatsführung. Der Herr Reichs- lmnkprüsidenl hat zwar im Lause der Besprechungen an- gekündigt, daß er sich Vorbehalten müsse, seine Aufsassung über die Beurteilung der schwebenden Fragen darzulegen Er hat dabei aber ausdrücklich betont, daß dies in einer Form geschehen würde, die keinen Schaden anrichten könne. Art und Inhalt des Memorandums sowie der Zeitpunkt seiner Veröffentlichung stehen hierzu in schroffem Widerspruch. Die Reichsrcgierung betont, sich im gegen wärtigen Zeitpunkt aus eine Auseinandersetzung mit den Darlegungen des Memorandums nicht einlassen zu kön- nen. Die Reichsrcgierung hat sich bereits in den letzten Tagen dahin schlüssig gemacht, dem Reichstag im Laufe der kommenden Woche die Grundzüge ihres Finanz programms zu unterbreiten. Das Programm wird Maßnahmen zur Sanie rung der deutschen Finanzen, eine umfassende Steuerreform und die Entlastung der Kaffenlage insbesondere auch von den Zuschüssen für die A r b e i t s - losenversicherung durch Verstärkung der Ein nahmen der Anstalt umfassen. Den Fraktionsführern, der an der Regierung betei ligten Parteien ist schon vor Tagen eine Einladung zur Erörterung dieses Programms für den Anfang der kom menden Woche zugegangen. Der Reichskanzler wird am nächsten Mittwoch dem Reichstag, dem die Regierung allein verantwortlich ist, dieses Programm der Rcichsregierung in einer Re gierungserklärung vorlegen und hierfür, sowie für die Gesamlpolitik der Reichsrcgierung die Vertrauenfrage stellen." * Wie sich die Berliner presse äußert. Von rechts bis links. Die Deutsche Allgemeine Zeitung sagt: In Kreisen der Reichsregierung Hut dieser Schritt des Reichsbank präsidenten außerordentlich überrascht, um so mehr, da das Kabinett gerade in den nächsten Tagen die Grundzüge der Finanzresorm verabschieden wolle. Unsere eigene Stellung nahme behalten wir uns vor, können aber nicht verschweigen, daß sich die Gedankengänge Dr. Schachts, wie unsere Leser be merken werden, vielfach mit den Auftastungen decken, die auch die D. A. Z. in den letzten Wochen und Monaten ständig ver treten hat.. Der Berliner Lokalanzeiger nennt die Denk schrift einen schweren Schlag aeaen das BeichLkabinett und fährt fort, die Bedeutung von Schachts Stellungnahme gegen die hemmungslose amtliche Erfüllungs- und Unterwersungs- politik sei groß. Sie bedeute einen Schlag gegen das Kabinett Müller, Curtius, Hilferding, dessen Wirkungen man noch in keiner Weise absehen könne. Die Germania sührt aus: „Die unerwartete Denkschrift des Präsidenten der Reichsbank dürfte in erster Linie aufzu fassen sein als ein Versuch des Führers der deutschen Sachver ständigendelegation, allen in- und ausländischen Kreisen die Schwierigkeiten der gegenwärtigen Lage, in der sich Deutsch land augenblicklich befindet, klarzumachen und gerade das beteiligte Ausland darauf hinzuweisen, daß über den Young- Plan von deutscher Seile wenigstens noch keineswegs das letzte Wort gesprochen ist." Das Berliner Tageblatt ist der Ansichi, Schach: habe eine Aktion übernommen, die ihm als ein Versuch aus- gelegt werden könnte, der Regierung ihre Arbeit zu erschweren, eine Aktion, die nnter Umständen, nicht wie er es wünscht, nutzen, sondern schaden könnte. Die Ansichten Schachts über die Notwendigkeit, den Reichshaushall schleunigst in Ordnung zu bringen und sür eine weitgehende Entlastung der Wirlschas: auf dem Wege der Finauzresorm so schnell wie nur möglich zu sorgen, erscheine durchaus begründet. Die Vos fische Zeitung betont, der größte Teil der zusätzlichen Lasten, deren Übernahme Schacht angreift, rühre daher, daß es ihm selbst als Delcgalionssührer nicht gelang, bessere Bedingungen für Deutschland heranszuholen. „Nie mand macht Schacht einen Vorwurf daraus; aber man kann verlangen, daß er auch der Regierung zubilligt, daß sie nun die Zugeständnisse macht, zu denen sie gezwungen ist." Der Vorwärts wendet sich entschieden gegen Schacht. Mil solchen Ausführungen diene man weder dem Staat noch der deutschen Wirtschaft, noch dem deutschen Kredit im Aus lande. Es wäre nicht das erstemal, daß Dr. Schacht Gelüste gezeigt hätte, sich in die innenpolitischen Verhältnisse um die Regierung einzumischen. Es sei nicht seine Aufgabe, sich in ausgesprochene Regierungsfunktionen einzumischen. Pariser Pressestimmen Paris, 6. Dezember. Die Denkschrift Dr. Schachts Hot in Frankreich außerordentliches Aufsehen erregt. Abgesehen von ausführlichen Berichten der Berliner Vertreter der französischen Blätter nehmen bisher nur drei Abendblätter, der „Temps", die „Liberte" und das „Journal des Dekalo" dazu Stellung. Der „Temps" neigt zu der Auffassung, daß der Schritt Dr, Schachts wohl nichts anderes als innerpolitisches Manöver sei. Nachdem das Volksbegehren keine Aussicht mehr auf Erfolg habe, erscheine Dr. Schacht als Retter der Rechtsparteien, nicht um zu retten, was nicht mehr zu retten gehe, sondern mit der Absicht, zu verhindern, daß das Volksbegehren sich zu einer völligen Kata strophe auswirke. Wenn es ihm auch nicht gelingen werde, 21 Millionen Stimmen zu sammeln, so würden doch einige weitere Millionen Unterschriften Deutschland eine bessere Stellung aus der zweiten Haager Konferenz geben. Die Aufsassung Dr. Schachts über die Haltung der Reichsregierung den Gläubigerregierungen gegenüber teilt der ,/Temps" keineswegs, hält es jedoch für möglich, daß Schacht mit seiner Kritik der deutschen Finanz politik recht habe. Doch sei das eine Frage, die in keiner Weise auf den Young-Plan Einfluß hätte. Die „Liberte" findet sehr anerkennende Worte für Dr. Schachts Memorandum, das ihn als außerordentlich geschickten Gechäftsmann zeige. Er hätte recht mit der Behauptung, daß die Festsetzung der deutschen Schuld nicht genüge. Deutschland müsse auch in der Lage sein, sie zu bezahlen. In dieser Richtung decke sich Schachts Auffassung mit der Poincarös, der kürzlich in der argentinischen Zeitung „Nacion" die Aufmerksamkeit auf die Fi nanzlage Deutschlands gelenkt habe, die durch demagogische Ver schwendungssucht bedingt sei. Das Memorandum Dr. Schachts tresse die sozialistische Regierung nur zu gut. Das „Journal des Debats" erinnert an den berühmten Aus spruch Dr. Schachts in Pyrmont, der seinerzeit von der Weltbühne wiedergegeben wurde: „Deutschland muß eine Finanzpolitik trei ben, die zur Zahlungsunfähigkeit führt, weil wir nicht zahlen wollen." Die Vermutung liege nahe, daß Dr. Schacht sein Me morandum nicht im Gegensatz zum Einverständnis der Regierung veröffentlicht habe. In dem Augenblick, in dem in Paris die Saar verhandlungen stattsänden, und die zweite Haager Konferenz be vorstehe, habe die Reichsregierung ein Interesse daran, daß in keiner einzigen Frage noch weiter nachgegeben und versucht werde, von dem, was bereits zugestanden wurde, noch abzuhandeln. Dr. Schacht treibe aber ein doppeltes Spiel, indem er gleichzeitig der Regierung Schwierigkeiten machen wolle. Die Börse beunruhigt. Infolge der Schachtschcn Erklärungen herrschte ziem liche Beunruhigung an der Berliner Börse. Die in den letzten Tagen zustande gekommene teilweise Erholung wich abermaliger Erregung und eine Tendenz zum Weichen der Kurse machte sich bemerkbar. Einzelne Papiere verloren bis zu zehn Prozent, namentlich auch der Stand der Reichsbankanteile erfuhr Gefährdung.