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Weißnitz-Aitms Amtsblatt / Verantwortlicher Redacteur: Psul Jehne in Dippoldiswalde. 55. Jahrgang. Donnerstag, den 5. September 1889 Nr. 105 8-' M i bürden hätte, muß entschieden zurückgewiesen werden, Fürst Bismarck selbst hat ja seiner Zeit erklärt, daß Reich könne die Emin-Pascha-Expedition trotz ihres hochherzigen Zwecks« nicht unterstützen, da derselbe sich mit den deutschen Kolonialinteressen nicht im Geringsten decke. Sollte jedoch, wie neuerdings verlautet, Herr vr. Peters mit der Aufsuchung Emin Paschas noch ganz andere Pläne durch Festsetzung in Gebieten ver binden, die außerhalb der deutschen Interessensphäre in Ostafrika liegen, so würde er hierbei noch viel weniger auf einen Rückhalt beim Reiche zählen dürfen; die jüngsten Erklärungen der „Nordd. Allg. Ztg." lassen hieran nicht den geringsten Zweifel übrig. Welches aber das Schicksal einer deutschen handels politischen Gesellschaft wäre, die in den fast unerforsch ten Gebieten westlich von dem Kenia-Gebirge ihre Unternehmungen betreiben wollte und hierbei mit der Gegnerschaft feindlicher Stämme wie der Engländer rechnen müßte, wenn ihr nicht der mindeste Schutz des Reiches zur Seite stünde, das bedarf wohl kaum einer näheren Darlegung. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 1. September. Die gestern statt gefundene Versammlung des Bezirkslehrervereins Dippoldiswalde, die leider ungemein schwach be sucht war, beschäftigte sich besonders mit nochmaliger Besprechung des der Delegirtenversammlung in Chem nitz vorgelegten Antrags, die Erweiterung des Vor standes des Allgemeinen sächs. Lehreroereins um zwei Mitglieder betreffend, von denen je eins aus den Lehrern in Städten unter 5000 Einwohnern und denen des platten Landes zu wählen sei. Ferner lag ein vom BezirkSuerein Wilsdruff eingebrachter Antrag beinahe gleichen Inhalts vor, der, durch den dies seitigen völlig gedeckt, abgelehnt wurde, indem man der Hoffnung auf eine Vereinigung beider Anträge oder auf ein Zurückziehen des jenseitigen späteren An trags Ausdruck gab. Die Anmeldungen zur Chemnitzer Lehrerversammlung (den 29., 30. September und 1. Oktober) erfolgten sehr spärlich; nur 6 Kollegen mel deten sich an. Schließlich einigte man sich, das pro- jektirte Concert zum Besten des Pestalozzivereins in Verbindung mit der jedenfalls im Oktober stattfinden- den Hauptversammlung der Lehrer des Bezirks ab zuhalten und den Vorstand mit den nöthigen Vor bereitungen zu beauftragen. — Zu den rührigsten hiesigen Vereinen gehört der Arends'sche Stenographenverein, der Freitag, den 30. August, sein erstes Stiftungsfest im tannen geschmückten Saale des Gasthofs zum goldnen Stern abhielt. Aus dem Jahresbericht des Herrn Ingenieur Blank, dem Gründer, Vorstand und Lehrer des Ver eins, erfuhr man, daß im vergangenen Jahre 3 Kurse in Arends'scher Kurzschrift von 72 Mann besucht wur den und daß auch ein Damenkursus eingerichtet worden ist. Um Herrn Blank theilweise zu entlasten, hat der Verein auf Veranlassung des Genannten Herrn Stein bruchbesitzer Liebel zum Vorstand gewählt und wurde derselbe im Festaktus als neuer Vorstand von Herrn Blank begrübt, während letzterer als Lehrer der Steno graphie auch weiter thälig bleibt. Nach einfacher Abendtafel wurden die Damen von den Mitgliedern zum fröhlichen Reigen geführt. — „Glück zu!" Am Sonnabend hielt Herr Dienst, Müllerschüler, einen sehr gewandt ausgearbei- telen Vortrag unter der Aufschrift: „Allgemeines über den Handel". Verursacht durch Arbeitstheilung und gefördert durch die Steigerung der Bedürfnisse, wie sie klimatische und gesellschaftliche Verhältnisse oder Ver feinerung der Sitten erheischten, Hal der Handel in folge der Entdeckungen und Erfindungen in seiner Art, in seinen Wegen und Mitteln und in seiner Ausdeh nung vielerlei Veränderungen erfahren. Jetzt kann es vorkommen, daß z. B. ein Kleidungsstück in seinen Rohprodukten und bei deren Verarbeitung mehrere Erdtheile und Länder gesehen hat, ehe es uns kleidet, um sich dann als Papier wieder in alle Welt zu zer streuen. Hochinteressant machte den Vortrag auch die Anführung der mannigfachen Handelsgebräuche ver schiedener Völker. — In den Vormittagsstunden der letzten Tage war hier ziemlich deutlich Kanonendonner und Gewehr geknatter der bei Wilsdruff beginnenden Manöver übungen zu hören. — 3. Septbr. Die gestrige Feier des National festtages verlief bei uns diesmal einfacher als früher, wurde aber durch wunderbar schönes, d. h. Helles und warmes Wetter wesentlich begünstigt. Früh wurde die Reveille durch das von einer Sektion des Militär vereins begleitete Stadtmusikchor ausgesührt, wobei zugleich die Bekränzung der Gedenktafel der Gefallenen stattfand. Um '/,10 Uhr begann in der festlich ge schmückten Turnhalle der recht gut besuchte SchulaktuS, bei welchem Herr Schuldirektor Engelmann die Fest rede hielt. Er sprach von der Treue, welche die Ge sinnung sei, die der Feier aller vaterländischer Gedenk tage dieses Jahres (Königsgeburtstag, Wettinfeft, Nationalfest,) zu Grunde liege. An leichtfaßlichen Bei spielen erläuternd, was Treue sei und wie sie zeige und in der Geschichte gezeigt habe, beantwortete der Redner den Kindern die Frage, ob wir berechtigt seien, auch von Sachsentreue zu reden und wies dann nach, wie wir auch künftig Treue üben könnten und sollten. Die Geschichte des Jahres 1870 bildete theilweise die Grundlage der dem Verständnisse der Schüler glücklich angepaßten Ausführung. Von den Klängen des neuen Harmoniums begleiteter Chorgesang rahmte die Festrede entsprechend ein. — Nachmittags unternahm die I. Mädchenklasse unter Führung des Herrn Kantor Hell riegel einen Spaziergang über Edle Krone nach Tharand und von da nach Hainsberg, um dann von dort aus per Bahn heimzukehren. — Das von Hrn. Musikdirektor Hoppe zum Besten der Milchkurkaffe in der Reichskrone veranstaltete Concert war leider sehr schwach besucht. Der Abend war viel zu schön, als daß man gern den Genuß der freien Luft mit der des Concertsaales ver tauscht hätte. Jedenfalls ist die Gesinnung des Herrn Hoppe anzuerkennen, wenn auch der Ersatz den ge hegten Wünschen und Erwartungen nicht entsprochen hat. — Auffällig war das äußerst seltene Vorkommen von Flaggenschmuck. Wie wir in Erfahrung gebracht haben, sind viele Flaggen zur Feuerwehrversammlung nach Reichstädt verborgt gewesen. Sehr schön, solche Gefälligkeit, aber es wäre angezeigt gewesen, die Ent lehne! zu verpflichten, die Flaggen am Morgen des 2. September wieder hereinzubringen. — Zur Umwandlung des hiesigen Vorschuß- Vereins in eine Genossenschaft mit beschränkter Haft pflicht. Auch der hiesige Vorschuß-Verein hat in den letzten 10 Jahren, wenn auch nicht eine bedeutende Abnahme seiner Mitgliederzahl, so doch auch kein Wachsen derselben, wie man es bei einem für Stadt und Land so nothwendigen Institut erwarten konnte, zu bemerken gehabt. Der Grund hierfür dürfte die von allen Bevölkerungsschichten arg gefürchtete Solidar- hast gewesen sein, das heißt: die Haft, welche jedes Mitglied verpflichtet, im Nothfall mit seinem ganzen Vermögen für die Verluste und sonstigen Verbindlich keiten des Vereins einzutreten; die Furcht vor dieser Haft hat Viele, und ganz besonders die Wohlhabenden, vom Beitritt abgehalten, und haben dieselben lieber als Nichtmitglieder mit dem Verein gearbeitet, um dieser Solibarhaft auszuweichen. Deshalb ist schon seit Jahren die Leitung des Vereins der Frage näher getreten, ob eS nicht zeitgemäß und von Vortheil sei, die Solibarhaft aufzuheben, und, da dies dem Verein als solchen nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht möglich war, denselben in eine Aktiengesellschaft um zuwandeln. Zwei Gründe sprachen jedoch hiergegen: zunächst die bedeutenden Kosten der Umwandlung selbst Jnjerale, welche bei der bedeutenden Auflage del Blattes eine sehr wirk same Verbreitung finden, «erden mit 10 Pfg. di« Spaltenzeile oder veren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirt« Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, nn redaktionellen Theile, die Spaltenzeil« A> Pfg. Dle „Meißerih-Zeitung" ' «scheint wöchentlich drei ¬ mal: Dienstag, Donners ¬ tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 25 Pfg., zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42 Pfa. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan ¬ stalten, Postboten, sowie di« Agenten nehmen Be ¬ stellungen an. für die Königliche Amtshauptmannschafi Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Das deutsche Emn-Mchu-Wternehmen. Seit einiger Zeit wird in einem Theile der deut schen Tagespreise eine ziemlich heftige Polemik über die Aussichten und Zweckmäßigkeit der von vr. Peters geleiteten deutschen Expedition zur Aufsuchung unseres berühmten Landsmannes Emin Pascha (vr. Schnitzler) geführt, an welchem Streite sich hervorragend auch die „Nordd. Allg. Ztg." betheiligt und zwar charakteristischer Weise in einem dein Unternehmen des Herrn Peters entschieden ungünstigen Sinne. Mag man aber nun ein unbedingter Gegner der Expedition sein oder aber derselben freundlich gegenüber stehen, so wird doch jeder unbefangen Urtheilende zugeben, daß es sich bei dem Peters'schen Vorhaben ursprünglich wenigstens um ein nationales Unternehmen handelte und die tief gehende Theilnahme, welche man in weiten Kreisen unseres Volkes dem Plane der Befreiung Emin Paschas durch deutsches Kapital und deutsche That- krast entgegenbrachte, rechtfertigt jene Bezeichnung. Der Gedanke, dem letzten tapferen, deutschem Stamme entsprossenen, Vertheidiger der egyptischen Herrschaft, zugleich aber auch christlicher Kultur und Gesittung auf seinem verlorenen Posten im Herzen Afrikas Unter stützung zuzusühren, ihn womöglich durch all' seine fanatischen Feinde nach den rettenden Gestaden Ost- asrikas zurückzugeleiten, durste allerdings auf die sympathische Theilnahme aller Gebildeten unserer Nation rechnen und in der That fand der Plan bei der öffentlichen Meinung Deutschlands eine im All gemeinen freundliche Aufnahme. Von allen Seiten strömten dem Emin-Pascha-Komitee nicht unbeträcht liche Geldmittel für seine Zwecke zu und so wurde es trotz der immer deutlicher hervortrelenden Passivität der Reichsregierung in der Sache möglich, eine größere Expedition auszurüsten und nach Ostafrika abgehen zu .7, lassen, wo sie indessen erst nach Ueberwindung vieler und theilweise ganz unerwarteter Schwierigkeiten sich in Marsch nach dem Inneren des Landes zu setzen ver mochte, was vor etwa Monatsfrist geschah. Unter dessen sind nun aber bezüglich der Erreichung des End zweckes des Peters'schen Unternehmens doch immer ernstere Bedenken aufgetaucht. Vor Allem herrscht völlige Ungewißheit darüber, wo sich Emin Pascha zur Zeit aufhält, nachdem es kaum mehr einem Zweifel unterliegt, daß er von seiner Residenz Wadelai am oberen Nil nach dem Zusammentreffen mit Stanley ausgebrochen ist, um sich nach der Küste durchzuschlagen. Selbst wenn jedoch Emin noch in Wadelai weilte, so erhellt doch aus allen Berichten, die über die Zustände und ganzen Verhältnisse im ostafrikanischen Seengebiete — welches vr. Peters durchziehen muß — nach Europa gelangt sind, welch' unendliche Hindernisse für ihn noch zu überwinden sind. Es gilt nicht nur, dem mörde rischen Klima jener Gebiete Stand zu halten, es handelt sich nicht nur darum, viele Meilen lange Urwälder mit Sümpfen, Morästen und fast undurchdringlichen Dickichten mit einer größeren Kolonne von Menschen, Pack- und Zugthieren zu durchziehen und nicht nur um Verprooiantirungs- und Verpflegungsschwierig keiten für die Expedition, sondern dieselbe muß auch darauf gefaßt sein, ganzen Stämmen feindlicher Ein geborener entgegenzutreten, die Tausende und Aber tausende von Kriegern zählen und vor deren Wider stand schon andere ostafrikanische Expeditionen, die viel leicht noch stärker und bester ausgerüstet waren, als die des vr. Peters, zurückweichen mußten. Bis jetzt lauten die Meldungen über den Verlaus der Expedition allerdings nicht ungünstig, alle die angedeuteten Schwierigkeiten liegen aber auch noch vor der Expedition und so lebhaft man wünschen muß, daß sie ihre Auf gabe erfolgreich durchführen möge, so dürfte dies doch in Anbetracht der gegenüber den zu überwindenden Hindernissen beschränkten Mittel zu bezweifeln sein. Daß man der Reichsregierung die Mitschuld an dem zu befürchtenden Scheitern des Unternehmens auf,»-