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L^ped. u. Rcdak^».. Lre-den-Leuftatzt I. Mechner Gasse 4. Tic Zeitung erscheint Ttenftag, Tviinerftag und rvunabend srLH. A»aune«eut»- Prets: viertelfihrl. M. 1M. Zu beziehen durch die Göttlichen Post anstalten und durch andere Boten. Bet freier Lieferung in- Haus erhebt die noch eine Ge- vShr van 2b Pf. Mr. 8. Sächsische Vorßeitung. <Li»t unterhaltendes Blatt für den Bürger und (andmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forftrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrman» Müller in Dresden. Inserate «erd« bi» Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag angenommen und kost«: diel spalt. Zeile 20Pf. Unter Eingesandt: 40 Pf. Jnseraten- Annahmeftelen «. L. Daube L So. in Dresd«, Leipzig, Frankfurt a/M., G. Kohl, Kesselsdorf, Hugo Müchlci, Potzschenbrrcha u. s. w. _ . —- Donnerstag, den 17. Januar 19ü1. 63. Jahrgang. Die Zweihundertjahrfeier des König reichs Preußen. Am 18. Januar werden eS zweihundert Jahre, daß in Königsberg Friedrich I. sich die Krone eine» Königs in Preußen auf das Haupt setzte und damit eine lange, zielbewußte Politik zum vorläufigen Ab schluß brachte, der auf das HohenzollernhauS, nachdem eS fast dreihundert Jahre lang die Kurfürstenwürde inne gehabt hatte, den Glanz der König-würde nieder- senkte. Man hat dem ersten preußischen Könige Friedrich I. zum Vorwurfe gemacht, daß sein rastlose», unermüd liches Streben nach dem königlichen Hermelin nur der Ausfluß persönlicher Pracht- und Pruuklirbe gewesen sei und allerdings verzeichnet die Geschichte bei seinem Charakter auch diese Eigenschaften. Selbst der große Friedrich, der Enkel de» KursürstenkönigS, vermochte in der Annahme der König-würde nichts weiter zu er blicken, al- eine leere Ttteländerung. Aber die neuere Geschichte hat gelehrt, daß eS damit doch eine andere Bewandtniß hatte. Da- kleine Brandenburg erhielt damit eine Geltung und ein Ansehen nach Außen, die fernem inneren Werthe entsprachen und die e» in den Stand setzten, die weitreichenden Pläne zu fassen, die durch die Fügung Gotte- zum Heile de- deutschen Volkes au-schlugen und dessen lange getrennte Glieder zu einem unlösbaren Ganzen zusammen schmiedeten, da- Dank dem Hochflnne aller deutscher BundeSsürsten trotzig ge rüstet dasteht gegen Jedermann, der eS wagen sollte, es anzutasten und seinen Frieden zu stören. Die Zeiten find längst vergessen, in denen ein scharfer Schnitt die Völker Deutschlands so unheilvoll in verschiedene Theile zerlegte; da- Blut, da- ge meinsam von allen Söhnen deutscher Erde auf den Schlachtfeldern Frankreichs vergossen worden ist, hat da- Andenken an da- Blut verwischt, das erst in bitterem Bruderkriege fließen mußte, um die heiß ersehnte Reichs- einhett zu ermöglichen. Die Vergangenheit ist ver sunken und wird nimmermehr zurückkehren. Eine Reihe mehr oder minder großer Inhaber der König-würde folgte in Preußen auf deren Be gründer. Sie Alle arbeiteten für die Größe ihre- Hauses und ihre- Volke- und ihre gesegnete Arbeit ward zum Grundsteine de- neuen Reiche-. An dessen größten Staat fiel naturgemäß auch die führende Rolle und eS ist ein gute- Zeichen de- fürstlichen GemeinfinneS sowohl, wie der weisen Beschränkung, mit der Preußen die ihm gewordene Macht zu brauchen wußte, daß kein dauernder Schatten den nun dreißigjährigen Bestand de- Reiche zu trüben vermochte. Auch da- Letztere feiert ja am 18. Januar ein Jubiläum, den Tag seine- 30jährigen Bestände- und es wird unter all dem Jubel, der in ganz Preußen bei der Zweihundertjahrfeier de» Königreichs herrschen wird, ficher nicht vergeßen werden, daß größer als der 18. Januar 1701 noch der 18. Januar 1871 war, der Tag, an dem Deutschland- Fürsten in freiwilliger Selbstbeschränkung ihrer Rechte den Ersten unter sich als ihren Führer au-erkoren, zum Wohle de- deutschen Vaterlandes! Politische Weltschau. Deutsches Reich. Bei einer Anwesenheit von nur etwa 30 Mitgliedern setzte der Reichstag in seiner 25. Sitzung vom 14. Januar die zweite Lesung de- Etats fort. Immer noch drehten sich die Reden um die 12,000 Mark-Angelegenheit, obwohl Abg. Hitze > (Ctr) meinte, man könne nach den bestimmten Er klärungen des Reichskanzler- die Sache nunmehr auf sich beruhen lassen. Abg. Hoch (Soc.) zog gegen die j ! Gewerbeausficht in'S Feld, die im Reiche, besonder- > ! aber in Sachsen, viel zu wünschen übrig lasse. Die § Forderungen der Arbeiter würden, wie die Uebelstände , im Baugewerbe nicht verstanden, die Erhebungen über Frauen- und Kinderarbeit stellten vielfach unklare Fragen und überhaupt ziehe fich durch alle Untersuchungen der Kampf gegen die Socialdemokratie und die organifirten Arbeiter wie ein rother Faden hindurch. Der Aus druck, daß man die soctaldemokrattschen Arbeiter zu Menschen zweiter Klaffe hinab zu drücken versuche, zog dem Redner einen Ordnungsruf zu. Staatssekretär Posadowsky vertrat die Maaßnahmen und Absichten der Regierung und äußerte: „Ganz ehrlich gesagt: wenn man Tag für Tag nur immer diese Borwürse und Anklagen hört, daß Alle- schlecht, ungeschickt ge- macht werde, beim besten Willen, dann stumpfe : ! ich nicht nur ab, sondern auch meine Beamten und ! die verbündeten Regierungen. Wenn wir ruhig die z Sachen erörterten, dann würde die- unsere Arbeit mehr fördern. Das zeigen die Arbeiten in den Kommtffionen, wo wir auch mit der. Herren Socialdemokraten ganz ruhige, sachliche Erörterungen pflegen und trotz ihre- Widerspruches durch gemeinsame Arbeit Manche- er reichen." Der sächfische BundeSra'.hSbevollmüchtigte vr. Fischer ging auf zwei Punkte au- den Vorwürfen gegen die sächfische Regierung ein. Bon der Etn- sührung weiblicher Fabriktnspektoren habe diese nach reif licher Prüfung infolge der nicht gleich günstigen Er fahrungen. die man bet den bereit- bestehenden derartigen Einrichtungen gemacht habe, abgesehen. Da- Miß trauen der Arbeiter gegen die Gewerbeinspektoren erkläre fich aber daraus, daß die Arbeiter von den In spektoren geflissentlich fern gebalten werden. Die Ge- werbeinspektoren haben fich in Arbeiterversammlungen den Arbeitern zu nähern gesucht. ES ist aber häufig vorgekommen, daß sie in öffentlichen Versammlungen beleidigt und beschimpft und den Maaßnahmen der Staatsbehörde die unlautersten Abfichten untergeschoben wurden. Keinesfalls ist aber da» unerfreuliche Ber- hältntß zwischen Gewerbeinspektoren in einem solchen Umfange vorhanden, wie eS von den Abgg. Wurm und Hoch behauptet worden ist. Soweit es unerfreulich ist, haben nicht die Gewerbeinspektoren Schuld daran, sondern diejenigen, die die Arbeiter geflissentlich von diesen Beamten fern halten. Bei oer Berathung über eine Interpellation de- CentrumS wegen eines Vorfälle- in Köln, wo prinzipielle Duellgegner bei der Wahl zum Reserveofsicier durch gefallen waren, erklärte der preußische Krieg-minister v. Goßler in der 26. Sitzung de- Reichstage- vom 15. Januar, daß die Sache nicht dem allerhöchsten Er lasse entspreche. Was die Wahl betrifft, so ist sie eine völlig geheime, eS darf bei ihr natürlich keine Be sprechung über die Duellfrage stattfinden. Durch das Nachsuchen um Aufnahme in das Osstcierkorp- unter werfen fich aber die Aspiranten dem allerhöchsten Erlaß über die Ehrengerichte. Sollte die Wahl nicht ordnung». mäßig vor fich gegangen sein, so müßte die Minder heit der Osficiere höheren Ort- Beschwerde einlegen. In der fich anschließenden Debatte sprachen fich national- liberale und freifinnige Redner in scharf tadelnden Worten über die Angelegenheit au-. Luch Abgeordneter vr. v. Levetzow (kons.) fand sie tadelSwerth und in korrekt, wollte aber doch dem OfficierkorpS gewisse Eigenheiten gewahrt wissen und lehnte einen Vergleich mit dem englischen Heere ab. Weiter sührte Abg. Lieber (Ctr.) au-, daß nicht die Armee der Sitz de- Duellübels sei, sondern die studentischen Korps, deren Mitglieder doch beim Eintritte in da- preußische Officier- korpS ihre studentischen Gebräuche draußen lassen möchten. Nach dem Schluffe der Besprechung wurde die EtatS- berathung fortgesetzt, wobei Abg. Bebel (Soz.) über die Arrangements der deutschen Abtheiluna auf der Pariser Weltausstellung durch die staatlichen Kommissare Klage sührte und verschiedene Maaßnahmen der Re gierung kritifirte, die Staatssekretär Graf Posadowsky vertheidigte. Im preußischen Abgeordnetenhause, dessen Verhandlungen jetzt, wo eS sich bei der Erörterung der Kanalvorlage um eine Frage von allgemeinem Reichs- intrreffe handelt, besonders wichtig find, führte bei der Be rathung de- ersten Etat- Abg. Fritzen au»: „Während wir durchaus einen günstigen Etat haben, find die Verhältnisse im Lande im Absteigen begriffen und eS ist gut, daß wir in günstigen Jahren Vorsorge getroffen haben." Keuilleton. Kalliope Mavros. Erzählung von Adolf Flachs. (Nachdruck verbot« ) (7. Fortsetzung.) Der Engel hauchte mich an und ich fühlte mich gott- ähnlich frei, wußte nichts mehr von weinen Pflichten und Sorgen. Dann drang mir ein Strahl au- ihren Augen ins Herz und entzündete darin Helles Freuden- licht. „Komm empor", flüsterte hierauf mein Engel mit silberner Stimme und schritt voran, einen Pfad hinan, der zu lichten Höhen führte. Bei jedem Schritte verlor ich etwa» von meinem körperlichen Bewußtsein. Als wir auf dem Gipfel eine- mächtigen Berge» anlangten, spürte ich nicht- Physische» mehr in und an mir. Ich war im Paradies. Rosig schimmernde Wolken schwam men um deu Gipfel; aus einem goldglänzenden FelS- spalt sprudelte ein Silberquell hervor, der fich durch die Wolken schlängelte und sich dann in da» blaue HimmrlSmeer ergoß. Die Lust war von zartem veil, chendust erfüllt, beraufchend und ein wonnige» Gefühl in der Seele hervorrufend. Blaßblaue, hellgraue und duvkelrothe Vögel von zarter Gestalt fchwebten in langen, weichen Linien auf und nieder und zwilfcherten mit ihren glockenreinen Sümmchen ein wundersame» Konzert . . . „Ich danke Dir, süßer Engel, daß Du mich de» Much,n Erdevgetriebe entrückt host, «ich die har«ouische Schönheit d«S Jenseits genießen zu lasse»*, dachte ich. Madonna Glück hatte »eine Ge ¬ danken vernommen und nickte mir lächelnd zu. Daun dachte sie tovlo» und ich hörte eS: „Willst Du einen Blick auf die Erde und die Menschen werfen? In dieser Entfernung gesehen, ist e» unten ganz hübsch!" Ich sagte mit dem Blick „Ja". Sie btteS leise vor sich hin; eilig zerstoben die Wolken und ließen mich ! die kleine Erve mit Allem, wa» darauf sich bewegte und rührte, deutlich sehen — ein niedlicher Anblick. Madonna Glück bückte sich nach einer schneeweißen Blume und warf sie hinab in die Donau. Die Blume schwamm in» schwarze Meer, dann in den Bosporus. „Da ist ja Konstantinopel, die Stadt de» Geheimnisse»", rief e» laut in meiner Seele. „Ja, dort liegt eS", erwiederte Madonna Glück, ohne auch nur die Lippen zu bewegen. „Und da» Geheimniß sollst Du erfahren. Höre! Al» ..." Da rüttelte mich Jemand an der Schulter. Ich drehte wich um, ein irdische» Wesen mit schwarzem Schnurrbart stand vor mir und schrie: „Herr Doktor, die Frau de» Herrn Gerichtspräsidenten hat sich den Magen verdorben, Sie sollen gleich kommen." — Welch prosaische» Ende mein herrlicher Traum ge nommen hat!" Es war kein Zweifel für Kalliope: damit wollte er ihr sagen, daß er sie liebt und daß er nicht Farbe bekennen will. . . wegen Zappa in Konstantinopel. Sie wußte ihm herzlichen Dank für seine Zart heit. Eie billigte e» jetzt vollkommen, daß ec nicht mündlich an sie heran getreten war und schriftlich auch nm «gedeutet hatte, wa» er dachte und fühlte. In welche peinliche Verlegenheit wäre sie gekommen, wen« er ander» gehandelt hätte! Sie mußte doch erst lange, lange erwäge», ob sie auch da» Recht habe, ihn in da- Geheimniß einzuweihen. Dieser liebe vortreffliche Doktor Kärnthner hat sie also nicht überrumpeln wollen, hat ihr eine unangenehme Situation erspart. Und deshalb soll er auch Antwort haben, obgleich er die Hoffnung nicht ausgesprochen hat, daß sie erwiedern wird. Aber der Brief, obgleich sie ihn i» der ihr sehr geläufigen französischen Sprache enssßarf, bereitete ihr Schwierigkeiten. Sie hatte schon mindesten» zwanzig Briesbogen verdorben; sie wollte nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel sagen. Endlich hatte sie eine Fassung gesunden, die ihr recht war: „Verehrter Herr Doktor! Mein geliebter Vater hat mir vor seinem Abschiede gesagt: Schweigen, dulden und warten können, bringt Erfolg. Dieses Wort ist meine Devise geworden, e» mag Ihnen erklären, we-halb ich selbst dann schweige, wenn e» zu reden mich drängt, we-halb ich so manche» ertrage ohne zu murren und ohne davon zu lause». Ich warte auf den Tag, ich erwarte ihn nicht ohne eine gewisse Ungeduld, an dem ich bewährten lieben Freunden gegenüber nicht mehr heimlich thun muß, da» fällt mir ichmera, al» Sie glauben, aber e» ist heute Nothwendigkert Wie schade, daß die häßliche Wirklichkeit Ihren schönen Traum plötzlich zerstört hat! Wer mag wisse», vielleicht sviuut dafür einmal die Wirklichkeit den Traum fort . . . Ich würde Ihnen da» von Herzen gönne», »am unter de» vielen Menschen, die ich kenuen ae- lernt habe, gehöre» auch Sie mit zu den wenigen, oie ich aufrichtig schätzen getaut habe. E» würde mir große Freud« bereite», wen« Sie gelegentlich »ir wieder ei»«al schreiben wollte» . , .