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Tageblatt für Unterhaltung «nd Geschäftsverkehr. Ritredact««: L-r-dnr -rAttfch. üu Unffsch äh Rnich»rvt. — vaemnerMchn »«derttnrr I»li»s RrkchsDt. »tt ftNWD Durch dt» dtirUljUhrttch Mf Uiszch»» 1 «M. »NftM zsNsM Wir »«, sefyciltinin I «W!. DM- stxbt- dt. 3» , . r«nr. U D»e<d««, dm 23. April: — Utber das Attentat auf dm Kaiser von Rußland möchte folgende Ueberstyung aus dem Briefe eine» hochgestellten <Nv wahrheitsliebenden Russen, datirt St. PeterSbnrg, den V !17. Ihrril, nicht ohne Interesse sein: „Gestern ereignete sich in Petersburg eine furchtbare Begebenheit. Als der Kaiser nach einem Spaziergänge sich in seine Kalesche setzte, schoß man auf ihn aus einer Pistole, doch die Kugel ging fehl, weil in demselben Moment, als der Hahn abgedrückt wurde, der Rostroma'sche Bauer Oship Komissarof dem Mord« einen Hieb unter dm Ellbogen versetzte. Das Volk bemächtigte flch de» Letzterm, und hätte ihn beinahe zerrissen, wenn ihm nicht der Kaiser selbst da» Leben gerettet, indem er Polizeisol datm dm Befehl ettheiltes, den Verbrecher auf die 3te Abtheil-r nng der Polizei zu führen. Petersburg wußte nicht, wie es .feiner Freude über die Erhaltung des Kaisers Ausdruck geben sollte. Bis in die Nacht wurdm vom Volke, dm Beamten, de« Militär Dankgebete in dm Kirchen abgehalten; Abends -mar die ganze Stadt illuminirt, wer keine Lampen hatte, setzte -einfach Lichter auf die Fenster, an vielm Orten hörte man Musik, in dm Theatern verlangte das Publikum statt der Vor- >stellung unzählige Male die Wiederholung der Volkshymne. Die Börse ging heute wegen eines offiziellen ll'v Vvum's schon um uhr «Meinander. Weder Name noch Stand des Verbre chers Ist bis jetzt bekannt. — Unter der Breterhülle, die dm Unterbau des auf dem Neumarkt zu errichtenden König Friedrich August-Monummts Lderdeckt, arbeitet man rüstig an der Herstellung des Sockels, ' ^ dem die Statue nebst den vier symbolischen Figuren sich soll; gebe der Himmel, daß die friedlichen Aussichten, » Mn noch immer hegm dach bis zutn Tage der Enthüllung, «lS welcher vorläufig der 18. Diai noch seststeht, sich zur Ge- wißheit der Friedenserhaltung ausklärm und wir das Abbild de» unvergeßlichen Königs in ungetrübter Freude unserer Herzen -ouS der fallenden Hülle hervortreten sehen können. — Sonnabend Nachts 12 Uhr brach auf der alten Elb- Lrücke ein mit Kalk beladener Wagm zusammm. Die Wagen- Passage wurde dadurch gehemmt, so daß die Droschken ein Stück Mlf dem Trottoir fahren mußten. — Eine gewisse Klasse Leute in der Stadt hat längst stillschweigend da» Privilegium sich angceignet, die Passage auf dem Trottoir zu erschweren. Es sind dies vor allen die im §,Eugenimkreisel" langsam nebeneinander einherschwänzelnden Damm, die eine Wulst Kleid in den Händm tragmd, die an dere lässig nachschleppmd; dann aber kommen Arm in Arm die Müssiggänger gedankenlosen Schritts, dm Kopf vornehm zurückgeworfm, das Auge horizontal nach dm ersten Etagen ge richtet. Diese Leute von der wohlstudirtm Angewohnheit ab zubringen, hat bisjetzt weder das Mitleid mit den sich an die Häuser anschmiegenden Gebrechlichen und Altersschwachen, noch Her die Zeit benützende und daher mit seiner Eile in den Rinnstein gewiesene Geschäftsmann und Arbeiter vermocht; wohl -aber gelang dirß zur Heiterkeit eines Volkstheils vorgestern Vormittag auf dem Altmarkt einem jedenfalls im Rauchfang sich verspätet habenden klemm Rußteufel, welcher auf dein Ikrottoir der Seeflraße entlang stolzirte. ohne daß diese Gesetz widrigkeit gerade ein Gendarm bemerkte. Sämmtliche Damm drückten sich, die Reifröcke mg zusammennehmend,, nach der Wand zu. Der kleine Schornsteinfeger ging unbelästigt und Hriumphirend seinen Weg, bis er endlich in eine Seiten- Haffe verschwand. — Vergangenen Dienstag stürzte zu Freiberg ein Knabe V0« 8 Jahren in dm dortig« Kreuzteich. Auf dm Hilferuf Meier Frau« eilte sofort der Sohn des MühlmbesitzerS Siegelt Herbei und rettete dm Knaben, der schon tief unter das Wasser km war. Fast dem Tode nahe lag der Knabe da und erst nach ttniger Zeit in'S Lebm zurück. Allgemeine Betrachtung. sr§ Die Lage hat im Allgemeinen eine sehr friedliche Physiognomie angenommen, die Kriegsgefahr ist, wenn auch nicht t—«ommm befestigt, so doch vor der Hand verschoben. Trost- M zw-r trotzdem nicht der Blick in die nächste Zukunft, en sogar eine endgiltige Entscheidung durch einm meidenden Krieg dem ewigen Hangen und Bangm Kriegsgefahr v r, indeß trägt da» jetzige Stadium der Handlungen, wenn nicht Alle» trügt, nicht blo« dm An einer Veränderung, sondern dm Keim einer wirklich« l, konnte e» nicht weiter da» österreichische und strafen, Haß und Cr- 'gefchrläSt zu sehen. ^ daß hlhabenden und gut ve» an sich. Wie ns sei r.»—. yter wie waltet m deutschen Lande», Baden, eine vierprocentige Anleihe i nicht unterbringen konnte bei dm Bankiers, es sei denn gegen s wucherische Zinsen. Und doch sollte das Geld nicht zu mili tärisch« Spielerei«, zu FestungSbauteN, zur Anschaffung Mn» derischer Feuerschlünde verwendet, sondern M productiv« Zwecken^ in Eisenbahnbauten angelegt werden, wozu ddch sonst Kapitalien stet» flott zu mach« sind. Der badische Finanzchef bat die Kammern um Erlaubniß, 3,s Million Gulden neuen Papier geldes zu emittir«, sonst müßten binnm acht Tagen alle Eisen» bahnarbeitm eingestellt «erden. Wenn das am grün« Ho'ze geschieht, wie mag es da an dürr« Stämmm aussehm! Solch' eine Lähmung aller Geschäfte muß aber endlich eine Besserung erfahren, entweder indirekt im Umwege durch die blutig« Opfer eine« Krieges, der schließlich einm dauer est« Frieden bringt, oder noch besser direct durch staatsmän- nisch geführte Unterhandlungen, durch ehrenwerthes Nachgeben des schuldigen Theiles, durch festes, nachdrückliches Auftreten de» Volks. Letzterer Weg scheint jetzt beschritten zu werden — hoffentlich führt er zum Ziele: der wirklichen Beruhigung des tiefaufgeregten Vaterlandes. ES war allerdings ein starker Tybak, den in letzter Woche die Kabinete zu Wim und Berlin rauchten, dm sie sich gegen seitig in dick« Wolken in» Gesicht bliesen. Die Not«, welche Beide nxchselten, gehören , zu dem Stärksten, was die sonst so höfliche Sprache der Diplomaten dis jetzt hervorgebracht hat. Auch der Umstand, daß sie sofort nach ihrem Erlasse in den Zeitung« veröffentlicht wurdm; sticht gewaltig gegen die son stige Geheimnißthuexei der Diplomatie ab, trug äbcr wesentlich dazu bei, die ganze Scene dramatisch belebter zu mach«. Schlag folgte auf Schlag und der Grundsatz: Auf einen groben Klotz rcr konnte sowohl von dem Grafen Mensdorff, als dem. Grafm Bismarck als Motto vor ihre Expektorationen gesetzt «crom. Diese Depeschen glichen mehr fulminanten Leitartikeln der Zei tung«, als ruhigen diplomatischen Aktenstücken, sie wendet« sich .auch mehr an die Ueberzeugung der Völker, wenn sie gleich an die Negierungen adressirt waren. Sonst schrieben sich die Staatslenker ihre Depeschen und zogen in dm Krieg, ohne den Völkern Rechenschaft zu geben, heutzutage muss« die Fürst«, um sich der Mitwirkung der Völker zu versichern, auf den Markt des Lebens treten und offen auseinandersetzen, um was es sich handelt, sonst steht das Volk nicht hinter ihnen. Das einzige Tröstliche war hierbei die von beiden Grafm ganz bestimmt ausgesprochene Versicherung daß weder der Kaiser von Oester reich, noch der König von Preußen daran denke, dm Friedm zu brechen. Das ist unter dem Wirrwarr von Beschuldigungen, Ausrcd.n und schönen oder bitterbösen Worten der positive Kem, welcher sich greif« läßt, an welchen wir unsere besten Hoff nungen knüpfen. Wmn Beide dasselbe wollen, wozu sollen Beide noch länger Etwas thun, das gerade zum Gegmtheil von dem führt, was sie wollen? Hier ist nun der Punkt, wo die Mittelstaaten, Baiern voran, thätlich eingreifen können. Erleich tert wird ihnen diese fricdenstiftmde Mission durch die gleichen Vorstellung« Englands und Rußlands in Wim und Berlin, durch die zwar noch neutrale Haltung Napoleons, aus welcher man aber leicht erkennt, daß er in einem Kriege sofort seine egoistisch« Zwecke verfolgen würde. Baiern hat seinm Einfluß aufgebot«, Oesterreich und Preußen dazu zu bringen, bis zu einem bestimmten Tage zn demobilisirm und auch die letzte österreichische Antwort soll friedlich lauten, sie soll die Feststellung den 2ü. April als Termin zu beiderseitiger Abrüstung Vorschlag«. Da» ist in der Thal der erste Schritt zum Friedm. Wmn Baiern hierbei in Berlin nicht glücklich sein sollte, nun, so ist zum letzten Mal bewies«, wo der gute Wille zum Frieden fehlt. Wir glaub« aber nicht daran, daß ein solcher wohlgemeinter Vorschlag nicht md ich doch gcneigie Ohren in Berlin finden werde. Ist doch der König von Preußen schon sehr verstimmt gewesen gegm Bismarck, daß ihm dieser die Friedensmahnung Englands so entstellt und verdreht vorgetragm hat, daß sie der König zurückwies. Als er nun nachttäglich die richtige englische Botschaft Hütte, soll er sich in e ner Weise geäußert habm, daß die viellachen Gerüchte von dem Rücktritte Bismarcks, die durch dessen Krankheit veranlaßt wurdm, neue Nahrung erhielt«. Hierzu kommt, daß der schlaue Versuch Bismarcks, die Mittel- staatm dadurch zu spreng«, daß er Baiern eine ähnliche Rolle des AnnettirenS in Süddeutschland zutheilen wollte, wie er sie im Norden spielt, total gescheitert ist. Im Gegmtheil herrscht zwischen den Mittelstaatm vollständige« Einvernehmen und ge genwärtig tagen in Augsburg ihre Minister über ein gemein sames Vorgehen, ein neues AugSburgische» Bekmntniß abzu« fass«. An ihrer Klugheit, Entschlossenheit und deutschem Sinne hängt der Friede. Ihr nächster Schritt wird die Forderung an die Großmächte, gleichzeitig zu entwaffnen, sein, dann erst könnten sie sich auf eine. ' Da» ist auch der natur Ersprießliche« erreicht « von dm deutsch«*, MW fem eine deutsch« Halttmg, keine Con- cession an die Annexionslust Preußen», als auch Kitt'' geben an die habsburgischen Kaiserträume und da» eines volksthümlichen WegcS, der schließlich zum deutsch« lammt führt. , Was da» BiSmarKfcheHarkcMwnt anlangt, so ist «I s> sam, daß dieses seine erbittertsten Gegner in Preußen selbst" man weiß dort am Bestm aus eigener Erfahrung, «a» zu halt« ist, während die Nationalvereinspartei ihre Urteilslosigkeit damit besiegelt, daß sie, statt dem BdTe stl sag«, was es davon zu halten hat, anräth, abzuwarS«, «O daraus werden wird. Das ist freilich für die phrastnrelch« i Politiker das Bequemste. Nur die Arbeiter begrüben da» Pro jekt mit Freude, ihnen ist es aber weniger um das Paulamatth als um das von Bismarck proclamirte allgemeine gleich« uu!d directe Wahlrecht zu thun. Die Negierung« aber, ans der« Urtheil es zunächst ankommt, geberden sich nicht, wie man in Berlin erwartete, wie der Schwarze, der sich vor dem W " wasser fürchtet, sie werdm auf. die Sache eingehm, aber nachdem Garantie gebot« ist, daß der Friede inzwischen «l tm bleibt. Diesen Friedm verlangen ohne Ausnahme äst» j Volksversammlungen, so viele ihrer in ganz Deutschland jetzt gehaltm wurden. Das Einzige, worin die preußischen BcÄS» Versammlung« zum groß« Theil leider Götte» abwicheh ist. die Beschränkung, -aß „unter dem jetzig« Ministerium" d«k Bruderkrieg zu verwerfen sei. Ach! Man erkennt es in Den land allmählig, daß die Annexionsidee nicht blos in BiSq wurzelt, sondern hauptsächlich in der Fortschrittspartei. Wo s die gefeierten Groß«, Grabow, Virchow, Waldrck, Gneist? Keiner von ihn« belehrt das Volk, wie man dieses wohl von he» Führe« erwarten könnte, über das Entsetzliche eine» Brüden» «iqes. Ja, Twesten und Schulze gehen so weit, off« auB» zrtsprechen, daß unter einem liberalen Ministerium ein krieg für die deutschen Zwecke Preußens, d. h. für die nothwendig sei. Diese kleinen Bismärcker find viel gefäht! als Bismarck selbst, dieser macht sich wenigstens nicht schlimmer, wie er ist, jene aber führen die Freiheit auf dm Lippen, Sela» verei und Bruderkrieg im Herzen. Doch auch ihre Stunde schlägt noch und jetzt schon verlassen die nationalvereinerlich« Ratten in Sachsen, Hessen und Thüringm das Annexionsschiff derselben. Inzwischen, während sich so allseitig in Deutschland eine friedlichere Lösung vorbereitete, waren die Donaufürstmthümer der Schauplatz blutiger Excesse, bis endlich ein preußischer Ober leutnant, Prinz Karl von Hohenzollern als Fürst von Rumä nien gewählt wurde. Der Herr ist der Mitwelt bisher gM unbekannt, er wird sich vielleicht auch nicht schlechter zum Re gieren eignen, als mancher seiner Vettern; spaßhast aber iste», daß die Rumänen ihn deshalb vorzüglich für geeignet haWn^ weil er in einem Lande geboren sei, wo die Donau, der ström Rumäniens, entspringe! Man hat bereit» in 10,000 Photographiecn von Karl 1. bestellt, wa» man Leuten gar nicht verdenken kann; denn nassem sie so tayge die finstere Herrschaft Kusa's erduldet habm, wollen sie auch einmal ein „Lichtbild" von ihrem Fürsten besitzen. Königliches Hoftheater. —r. Am Sonnabmd dm 21. April gastitte Herr Hst» vom Stadttheater in Breslau als „Raoul" in dm „Hugenottm* von Meyerbeer. Wenn unseres C. Ni. v. Weber Ausspruch richtig ist, daß von den hundert Eigenschaften, die von ein«» guten Opernsänger zu verlangen sind, neunundneunzig sich nur auf den Besitz von Stimmmitteln beziehen, so ist H«r UW möglicher Weise eine Persönlichkeit, die den Mangel eine« Me» Spieltmors an unserer Hofbühne ersetzen kann. Der Gast Heck heute reichlich Gelegenheit gehabt, dm bedeutmden Umfang, Hie Stärke und dm sympathisch« Klang seiner Stimme, wie «h» nicht ungefällige Persönlichkeit zu producirm und sich d-tv« auch einer recht freundlichen Aufnahme von Seiten des Publikum» erfreut; im Ganzen aber allerdings sehr deutlich bemerken lasses daß er früher keinen ganz guten oder wenigstms konsequenten Unterricht genossen, daß er aber dabei glücklicher Weise »öch den Fehler hat, ziemlich jung, also noch in der Lage zu sebch die ihm anhaftmdm Mängel bei guter Anleitung abzuletzk» Für einm Mann, der sich dem Vernehmen nach erst seit etwa achtzehn Monatm der Bühne gewidmet, war die gesanglich» wie dramatische Charakterisirung der so ganz »erschiedenW Si tuationen im ersten, zweit« ttNd viert« Akt recht an« werlh. Die Ausführung der beivm groß« Düetttz sin Akte mit „Valentine" zeigten guten Geschmack und künf Begabung, ohne jedoch vollständig befriedigen zu köv Uedrigens wurde die Oper wieder in bekannter vorttesflAßr Weise ausgefühtt. Fräulein Alvsleben sang die „Margarethe* mit großer Lieblichkeit und wußte besonders da» schönen mit „Raoul" im zweiten Akt zur voll« Geltung M «ährend Frau Bürde-Ney als „Valentine", dem hoc Charakter ihrer Parthie getreu, wahrhaft imposant