Volltext Seite (XML)
rMgerWyeiG und Tag Matt. Amtsblatt für die kömglichea uud stMischcn Behörden zu Freiberg und Brand. BerantwortUcher Redakteur: Julius Brauu in Freiberg. rrfcheintteden Wochcrrmg Nachmttt. ü Uhr für den !! Jahrgang. Jnferalr werden btS tvormMag I I Uhr angenom-8 ^F»F»4» E l Somit«», den 14. Februar. 1«»« Die Woche. Wenn die innere Politik derdeutschcn Rcichsregierung deren Gegnern zuweilen zahlreiche Angriffspunkte bietet und selbst den Freunden wenig verständlich erscheint, sollte man niemals vergessen, daß diese Politik ganz wesentlich von den Beziehungen des Deutschen Reiches zu dem Auslande be einflußt wird, über welche aus naheliegenden Gründen nicht immer volle Aufklärung gegeben werden kann. Die an scheinend wenig humanen Ausweisung der Polen aus den östlichen Provinzen, die Forderung einer fünfjährigen Ver längerung des Sozialistengesetzes und manches Andere mag im Augenblick Befremden erregen: alles dies erscheint aber in ganz anderem Lichte, wenn man die Zwangslage erwägt, in welche die systematische Opposition der ultramontancn und Sozialdemokraten auf der einen Seite und das Spähen böswilliger Nachbarn nach unseren Bertheidigungsmitteln auf der anderen Seite die deutsche Rcichsregierung dauernd versetzt. Aus dem Beweismaterial der vor dein Reichs gericht in Leipzig verhandelten Landcsverraths - Prozesse Kraszewski-Hentsch, Jansen uud Sarauw-Nöttger ließ sich ein erschöpfendes Bild von der speziellen Organisation des französischen Spionirsystems gewinnen. Ist auch manche wcrthlose und veraltete Mittheilung den Agenten der fran zösischen Regierung verkauft worden, so steht doch fest, daß es leider den Landesvcrräthcrn doch auch in manchen Fällen gelungen ist, wichtige Instruktionen und namentlich für den Mobilmachungsfall werthvolle Angaben dem Auslande zu gänglich zu machen. Die Bestrebungen des neuen franzö sischen Kriegsministers auf dem Gebiete der Heeresreorga nisation sind der deutschen Neichsregierung ebensowenig entgangen, wie der Umstand, daß es der Pole Kraszewski und der Däne Sarauw waren, welche von Frankreich dazu benutzt wurden, die deutschen Armeevcrhältnisse auszukund schaften, sowie daß die dänischen und polnischen Nationali täten fortwährend auf einen neuen Bruch zwischen Deutsch land und Frankreich spckulircn. Die Germanisirung der östlichen Provinzen Preußens erscheint gerade deshalb als eine dringende Nothwendigkeit. Ob dazu der dem preußi schen Landtage zugcgangene Gesetzentwurf das geeignete Mittel ist, bedarf ernster Erwägung. Die Zumuthung, der preußischen Negierung hundert Millionen zur Verfügung zu stellen, mit welchen dieselbe mittelst der Kommission in den Ostprovinzen wirthschaften kann, setzt einen hohen Grad von Vertrauen voraus, umsomehr, als der Betrag durch die Kaufgclder bez. Pachtzahlungen für die den Polen ab genommenen Parzellen sich immer wieder erneuern würde, ohne daß dem Landtage ein wesentlicher Einfluß auf die spätere Verwendung dieser Summen zustündc. Auf ebenso große Bedenken stieß bisher die dem Reichstage zugcmuthete fünfjährige Verlängerung des Sozialistengesetzes, die bei der bisherigen Stimmung der Reichstagsmehrheit erst ganz aussichtslos erschien, nach den beunruhigenden Vor gängen in London und der dabei von den Sozialdemokraten gespielten sehr bedenklichen Nolle aber eine ganz andere Be- nrlheilung erfahren dürfte. Ein Umschwung in den Partei- Verhältnissen des Reichstages steht um so mehr zu erwarten, als es dem Fürsten Bismarck thatsächlich gelungen ist, den Vatikan durch eine nahe bevorstehende neue Kirchengesetz novelle zufrieden zu stellen und zur Besetzung des erz bischöflichen Stuhles von Gnescn und Posen durch einen deutschen Geistlichen zu bewegen. Papst Leo hat demnach die Gründe gewürdigt, welche die preußische Regierung zwingen, der polnischen Agitation eines Theils der Geist lichkeit in den östlichen Provinzen einen Riegel vorzu- schicben. Nach der „Nordd. Allg. Ztg." hat in den katho lischen Kreisen Berlins die Acußcrung eines hohen Kirchcn- fürsten, mit welcher derselbe die Besorgnis; wegen neuer Friedensstörungen durch das Zentrum abwies, großen Ein druck gemacht: „Bleiben Sie nur dessen eingedenk" — so lautete im Wesentlichen die Bemerkung des Prälaten — „daß das Zentrum nicht die Kirche ist". — So sehr im In teresse der sächsischen Silbcrbcrgwerke eine Ausbesserung der Silberpreise zu wünschen wäre, dürste die Hoffnung, dies durch eine Beseitigung der Goldwährung zu erzielen, auf- gegeben werden müssen. Der Finanzminister von Scholz erläuterte erst vor Kurzem den preußischen Abgeordneten gegenüber die Unmöglichkeit der Rückkehr zu den früheren Währungsverhältnissen durch triftige Gründe. Der Antrag der bimetallistischen Reichstagsabgcordneten, die deutsche Rcichsregierung zu Verhandlungen mit England und an deren Ländern wegen Einführung der internationalen Doppelwährung aufzufordcrn, mußte darauf wegen unge nügender Unterstützung unterbleiben. Dagegen genehmigte der Reichstag mit 145 gegen 119 Stimmen einen ziemlich bedeutungslosen Antrag, welcher die Regierung zu an dauernder fleißiger Beschäftigung mit der Währungsfrage ermahnt. Dieser anscheinende Erfolg der Bimetallisten wurde aber reichlich durch die Strafrede ausgeglichen, welche der Abg. von Kardorff für seinen vergeblich wiederholten Versuch über sich ergehen lassen mußte, den Reichskanzler zur Desavouirung des Finanzministers von Scholz zu zwingen. Unverkennbar hat die österreichische Regierung durch das energische Auftreten deS Fürsten Bismarck gegen das slavische Element in Deutschland die Ueberzeugung ge wonnen, daß ihr selbst die Polen und Czechen auf die Dauer keine zuverlässige Stütze bieten können. Der Mi nisterpräsident Graf Taaffe gab im Budgetausschusse des österreichischen Abgeordnetenhauses die Erklärung ab, daß der bekannte Erlaß an die BezirkShauptmannschasten in Betreff des deutschen Schulvereins nur bezweckte, sich über die Thätigkeit dieses Vereins ein sicheres Urtheil zu bilden, keineswegs aber denselben den Bestimmungen der politischen Vereine zu unterwerfen. Noch auffallender sind die wohl wollenden Urtheile, welche die Organe des Grafen Taaffe über den neuen Sprachcnantrag der Linken des österreichischen Abgeordnetenhauses fällen. Dieser von dem Baron Schar- schmid eingcbrachte Antrag verlangt einen Gesetzentwurf, durch welchen der Besitzstand der Vreschen Sprache um fassend fcstgestellt, die deutsche Staatssprache mit entsprechen den Ausnahmen für Galizien und die italienischen Landes theile normirt und der Begriff der landesüblichen Sprache nach dem Grundsätze der Bezirksüblichkeit erläutert wird Achnliche Forderungen sind früher von dem Minister Gra Taaffe entschieden zurückgewicscn worden. Daß jetzt die selben von den ministeriellen Blättern als berechtigt an erkannt werden, erfüllt die Czechen und Polen mit einer fast grenzenlosen Bestürzung und Entrüstung. lieber die Theilnahme Italiens an der Flotten- demvnstration gegen Griechenland ist der italienische Minister Graf Robilant im Senat durch Delfico und in der De- putirtenkammcr durch Marcona interpellier worden. Die von Robilant ertheillen Antworten waren weder kalt noch warm und haben deshalb Niemand befriedigt. Der „Diritto" meint, daß Graf Robilant, obgleich er erklärte, er könne aus diplomatischen Rücksichten nichts Näheres mitthcilcn, eigentlich schon zu viel gesagt hätte. Aus seiner Rede gehe hervor, daß Italien zwar nicht isolirt, aber auch nicht frei in seiner Politik sei und sich nach den anderen Mächten richten müsse. Das Erste sei recht gut, aber das Zweite sicher sehr beklagenswcrth. Durch den Baron Soubcyran ist am Miontag die Währungsfrage auch in der französischen Depuiirten- kammer zur Sprache gekommen, wobei sich ebenfalls die Unmöglichkeit ergab, in nächster Zeit an den Münzverhält nissen etwas Wesentliches zu ändern. Weit mehr beschäftigte die Kammer die Hartnäckigkeit, mit welcher die äußerste Linke auf Berathung des Antrages wegen Ausweisung der Prinzen besteht, trotzdem der Minister Freycinet eine solche Maßregel für nicht zeitgemäß erachtet. Während der frühere Kriegsminister General Campenon für das Heeresbudget pro 1887 beinahe drei Millionen Franks mehr verlangte, als für 1886, hat General Boulanger Ermäßigungen in Höhe von 16 Millionen Franks bewerkstelligt. Die Ersparnisse rcsultiren aber nur ans der möglichsten Beschränkung der auswärtigen Unternehmungen, da der neue Kriegsminister die Hccresrcorganisation in Frankreich selbst mit weit größerer Energie als sein Vorgänger betreibt. Die Zeitungsnachricht, daß die Negierung die Waffenfabrik zu St. Etienne an gewiesen habe, sich zur Umwandlung der Grasgewehre in Nepetirgewehre vorzubereiten, erwies sich jedoch als un begründet. lieber das neue englische Kabinet sind unmittelbar nach der Konstituirung harte Prüfungen hereingebrochen. Die Irländer, welche Gladstone zum Siege über Salysbury verhalfen, sind von dem Manifest des ersteren an seine Wähler in Midlothian sehr wenig befriedigt. Sie sehen ein, daß sie zunächst nichts zu erhoffen haben als eine theoretische Untersuchung der irischen Frage, und stehen deshalis auf «m Punkte, sich wieder zur Opposition zu schlagen. In Bezug auf die Behandlungen der griechischen Angelegenheit scheint das neue Ministerium ebenso rathlos, da Lord Roseberry darüber keine andere Aufklärung gab, als daß er zunächst die von Salisbury ertheilten Weisungen gelten lassen werde. Noch verhäng- nißvoller erscheinen die ernsten Ruhestörungen uud Plünderungs-Szenen, welche am Montag und Dienstag die Sozialdemokraten in London angezettelt haben und die in verschiedenen englischen Provinzialstädten an den folgen den Tagen noch fortgesetzt wurden. Die Unruhen sind zwar mit Polizeigewalt wieder gedämpft worden, aber damit sind die Gefahren nicht endgiltig beseitigt, welche England aus der großen Zahl der beschäftigungslosen Arbeiter erwachsen. Der industrielle Nothstand ist so groß, daß neue Verzweiflungsausbrüche unvermeidlich sind, wenn sich nicht die englische Regierung entschließt, im Verein mit den größeren Stadtgemeinden Beschäftigung für die Arbeits losen und umfangreiche Unterstützungen für die des Bei standes Bedürftigen zu fchaffen. Die dänische Regierung steht ebenfalls der Noth wendigkeit gegenüber, für die zahlreichen feiernden Arbeiter Dänemarks Beschäftigung zu schaffen. Die dazu erforder liche Ermächtigung wurde dem dänischen Ministerium durch einen königlichen Erlaß crtheilt, da man in Kopenhagen nach der Verwerfung des Budgets durch die Volksvertre tung sich mit einem provisorisch erlassenen Finanzgesetz behelfen muß. In Rußland erweckt das Hinscheiden Aksakows, des Führers der Panslavisten in Moskau allgemeine Theik- nahme. Das Organ dieser Partei „Nuß" soll unter der Redaktion eines gewissen Demetrius Samarin weiter er scheinen. Das Verhalten Rußlands in der griechischen Frage erscheint sehr zweideutig, da die russischen Schiffe, welche an der Flottendemonstration theilnehmen sollten, Gegenordre erhielten. Hingegen soll die russische Negierung erklärt haben, daß sie sich dem Abkommen zwischen der Pforte und Bulgarien nicht widersetzen werde, wenn die übrigen Mächte demselben ihre Zustimmung ertheilen. Zwischen der Pforte, Bulgarien und Serbien ist es bisher trotz längerer Verhandlungen in Bukarest zu keinem Abschluß gekommen, da Serbien in keinem Falle eine Kriegsentschädigung zahlen will. Griechenland setzte seine Rüstungen fort, vermied aber bisher ernstere Konflikte, da sowohl der neue englische Minister Lord Roseberry wie der französische Minister Frcyciiiet die griechische Regierung vor jedem kriegerischen Schritte ernstlich warnen ließen. Zunächst werden sich die Griechen hüten, die türkischen Truppen anzugreifen, die in großer Zahl die Nordgrenzen besetzt halten. Tagesschau. Freiberg, den 12. Februar. Der deutsche Reichstag beschäftigte sich gestern mit dem Extraordinarium der Post- und Telegraphen verwaltung. Der Antrag des Abg. von Heydebrand, die ür die Herstellung des Dienstgebäudes in Brieg geforderte erste Baurate, die bei der zweiten Lesung gestrichen worden war, in der dritten Lesung zu bewilligen, wurde abgelehnt; im klebrigen wurde das Extraordinarium debattelos erledigt. Es folgte sodann der Militäretat. Der Kriegsminister Bronssrt v. Schellendorff hob das Bedenkliche der in der zweiten Lesung vorgennmmenen Abstriche hervor und bemerkte, wenn man künftig die Militärverwaltung so be- chränke, so werde das schwere Schäden für das Reich zur Holge haben. Die Abgg. v. Huene und v. Maltzahn- Gültz führten aus, daß für den vorliegenden Etat die ein zelnen Forderungen unter Beobachtung der größten Sparsam leit zu prüfen seien, in Zukunft sei vielleicht eine feste Norm ür Militärbauten aufzustellen. Abg. Richter meinte, daß )ie Festsetzung einer solchen Norm auf die unzulässige Be willigung eines Pauschale hiuauslaufe. Der Kriegsminlster Bronsart v. Schellendorff erwiderte, er werde nach wie vor für jede einzelne Forderung den Beweis der Noth- wcndigkcit führen. Beim Titel „Magazinverwaltungswesen und Neubau eines Magazinetablissements in Berlin" wünschte Abg. Barth, daß die Militärverwaltung das Mehl von leistungsfähigen Privatmühlen beziehe. Der Kriegsminister Bronsart v. Schellendorff antwortete, es sei nament lich mit Bezug auf einen etwaigen Kriegsfall nöthig, besondere Einrichtungen zu treffen, um stets die erforderlichen Vorräihe zur Hand zu haben. Der Titel wurde hierauf bewtlligt, ebenso der Rest des Ordinariums. Das Extraordinarium des Militär etats wurde ohne erhebliche Debatte nach der zweiten Lesung bewilligt. Es folgte sodann der Marineetat. Bei der Po-