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WichmMch »rschemen drei Nummern. Pcünumeraiion»-Preil 22H SUbergr. (j Thlr.) vierieljShrllch, Z THIr. fül das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jedor Buchhandlung (in Berlin bei Dell u. Eomo., Jägerstraße Nr. 2Ü), so wie von allen König!. Post-Sennern, angenommen. Literatur des Auslandes. .1/ 77. Berlin, Donnerstag den 27. Juni 1844. ^Ostindien. Die englische Regierung in Ostindien. Unsere Leser werden sich vermuthlich noch der Schrift des Grafen von Warren über Ostindien erinnern, von der das Magazin eine Uebcrsicht mit- theilte und die so heftige Angriffe auf die britische Verwaltung jenes Landes enthielt. Wie eS scheint, hat dieses Werk auch in England einige Aufmerk samkeit erregt, und wir finden in der koreixn yuarterl) Uevierv einen län geren Artikel zur Widerlegung der darin aufgestellten Behauptungen. Es ist nicht zu bezweifeln, daß der französische Reisende sein Gemälde mit zu grellen Farben entworfen hat, und obgleich es sogar aus englischen Quellen, z. B. aus den Memoiren des Obersten Davidson"), hervorgeht, daß die Ver waltung Hindustans an mancherlei Gebrechen leidet, daß Mißbräuche statt finden, und daß die Eingebornen oft mit Härte behandelt werden, so ist der jetzige Zustand des Landes doch in jedem Falle den Zeiten seiner einheimischen Despoten, eines Aureng-Zebc oder, Tippu Sahib, vorzuziehen, und noch weniger dürfte cs Ursach haben, sich nach den nordischen Befreiern zu sehnen, deren Erscheinen am Ufer des Indus, wie Herr von Warren ver sichert, das Signal zum Umsturz der britischen Herrschaft geben würde. Zn dem erwähnten Artikel bemüht sich der Reviewer — wie uns scheint, mit Glück — die Beschuldigungen des französischen Reisenden zu entkräften, und wir theilen daher den Haupt-Inhalt desselben mit, indem wir seine Recrimi- nationen und Ausfälle gegen Frankreich und die französische Regierung, als nicht zur Sache gehörig, bei Seite lassen. Eines der untrüglichsten Zeichen der Unterdrückung und der Rechtlosigkeit, die sich in dem gesellschaftlichen Zustande eines Landes kundgeben, ist eS, wenn Vie Reichen gezwungen werden, den Schein der Armuth anzunchmcn, um ihren Wohlstand zu verheimlichen. Dieses fand zu jeder Periode der Mogul-Herrschaft statt, wie auch der oberflächlichste Kenner der Geschichte Hindustans wissen muß; reiche Leute hatten dort stets die Gewohnheit, ihre Schätze zu verbergen oder sie größtcntheils in Juwelen anzulegcn, um sie leichter sortschaffen zu können, wenn die Nothwendigkcit eintrat, aus dcm Lande zu flüchten. Aus eben dieser Ursache haben auch Schikarpur und an dere muselmännische Städte das ärmliche und widerliche Ansehen, das sie noch heutzutage charaktcrisirt. Eine dumpfe Steinmauer wird vor den Häusern aufgesührt, um den Eindruck hcrvorzubringcn, daß auch inwendig Alles traurig und elend scy; der erste Vorhof trägt denselben Charakter an sich — so wie man aber tiefer in das Gebäude eindringt, wird das Auge durch Anzeichen des Lurus und des Glanzes betroffen, bis sich endlich in den geheiligten Räumen der Zenana die volle Pracht des Orients entfaltet. Die Engländer waren aber nicht lange im Besitz von Ostindien, als dieser Geschmack allmälig zu verschwinden begann. Anfangs noch mißtrauisch, brachten die Hindus nur furchtsam und stufenmäßig ihre Reichthümcr ans Tageslicht. Sic konntcn sich nicht gleich überzeugen, daß die alte Ordnung der Dinge wirklich vorüber seh; als sie aber zuletzt entdeckten, daß die britische Regierung ihnen die Steuern nur nach gerechten und festen Prinzipien auferlegte und der Reich thum nicht länger als Verbrechen galt, so ließen sie ihrem natürlichen Hange freien Lauf und umgaben sich öffentlich mit aller Pracht und allen Annehmlich keiten des Lebens, die ihnen zu Gebot standen. Von der Erbauung groß artiger und geräumiger Häuser schritten die Eingebornen zur Anlegung von Gärten und Meiereien; sie wurden leidenschaftliche Blumen. Liebhaber, zogen die schönsten ausländischen Gewächse, schufen Parks und Plantagen und er götzten sich an dcm üppigen Wuchs ihrer grasreichen Ebenen. Demzufolge giebt es jetzt in Bengalen Tausende der lieblichsten Gärten, zu deren Aus schmückung die Compagnie durch unentgeltliche Verabreichung kostbarer Pflanzen und blühender Gesträuche aus ihren Treibhäusern und Baumschulen in Kalkutta beigetragen hat. Bei genauerer Erkundigung würde auch Herr von Warren gefunden haben, daß die Zucht der Hausthierc sich j« Indien außerordentlich verbessert, und daß die Eingebornen nunmehr mit ungewöhnlichem Fleiß und Erfolg die höheren und kostspieligeren Zweige des Ackerbaus betreiben — cin Stand der Dinge, der sich mit dcm allgemeinen Elend und der Noth, die, seiner Meinung nach, in ganz Indien herrschen sollen, durchaus nicht verträgt. Seine Darstellung der zuweilen stattfindcnden HungcrSnoth zeugt entweder ') Man vergl. die »u-züge in Nr. Al de« Magazins. von einer groben Unwissenheit oder einer gänzlichen Entstellung der Thatsachcn. Unter der Regierung des Groß-Moguls und der cingebornen Radschahs waren die Brod-Theuerungen ein stehendes Uebel; die Aerndten fielen schlecht aus, bas Volk, durch Armuth und Despotismus cntmuthigt, hatte keine Mittel, sich gegen einen Mißwachs zu schützen, und Tausende wurden daher bei solchen Gelegenheiten durch einen frühzeitigen Tod hingcrafft. Unglücksfälle dieser Art fallen aber jetzt nur selten vor. Erstens wird das Land besser und in größerer Ausdehnung «»gebaut. zweitens wachen die Behörden eifriger über dir Wohlfahrt des Volks, und drittens wird der Handel icyt richtiger ver. standen und durch geeignete Maßregeln befördert, so daß der Mangel in einer Provinz durch den Ueberftuß eincr anderen gedeckt wird. Hätte sich Herr von Warren auf seinen Reisen nur umgcsehcn, so würde er die wcitläuftigen, der Compagnie gehörigen Getraidc-Magazine erblickt haben, die nur zu dem Zweck errichtet wurden, um die Wiederkehr der schrecklichen Scenen zu verhüten, die sich unter den Kaisern, deren Freigebigkeit er so rühmt, zu ereignen pflegten. Der beschränkte Raum dieses Aufsatzes verbietet uns, die Wohlthatcn aus zuzählen, welche Indien der britischen Regierung zu verdanken hat: auch ist dieses nicht der Ort, sich in Details einzulassen. Wir wollen indessen einige Umstände anführcn, die unseren Neidern einen richtigeren Begriff davon geben können, was wir zum Besten der Hindus getban haben und in welchem Lichte wir demzufolge von ihnen betrachtet werden. Die eingebornen Regierungen, sie mögen Hindus oder Muhammedaner seyn, haben nie dazu beigetragen, das Leben oder das Eigenthum ihrer Untcrthane» zu sicher». Dessenungeachtet ist das Volk geneigt, seine stammvcrwandtcn Herrscher, die denselben Propheten verehren oder sich vor denselben Götzen beugen, mit größerer Ehrfurcht zu be trachten, als die fremden Eroberer; cs ist dieses eine der eingewurzelten Schwächen der menschlichen Natur, wenn man es überhaupt eine Schwäche nennen will. Aber die Zeit und mit ihr die Erfahrung hat die Bekenner des Islam sowohl als des Brahmanismus allmälig zu dem Schluffe gebracht, daß Gerechtigkeit und gutes Regiment, wenn auch unter einem Christen, besser sep, als das Grgentheil unter der Herrschaft cines wahren Gläubigen. Einer solchen Ueberzengung folgend, wandern die Bewohner der unabhängigen Gränzstaatcn eincr nach dem anderen aus und kommen in unser Gebiet her über — nicht, wie man nach Warren'S Schilderung meinen sollte, um die Tyrannei aufzusuchen, sondern um ihr zu entgehen. Durch die in ihrem Bater- lande herrschende Anarchie verscheucht, überschreiten sie truppweise ihre Gränze und bestürmen die englische Regierung mit Bitten, das Laüd ihrer Geburt von der Zuchtrnthe seiner Despoten zu befreien. Ich spreche hier natürlich nur von dem ehrlichen und fleißigen Theile der Bevölkerung; die Horden kriegs lustiger Abenteurer, welche Indien überschwemmen, find freilich anderer Mei nung. Da sie ein müßiges Leben führen und sich nur vom Raube nähren, so ziehen sie begreiflicher Weise die sozialen Einrichtungen vor, die ihr Gewerbe am meisten begünstigen, und wenden sich daher in Haufen nach jenen Unglück- lichen Theilen Hindustans, in welchen durch Vie unverzeihliche Mäßigung der Compagnie noch Vie alte despotische Rczierungsform besteht. Wir können den Staat Gwalior als Beispiel anführeu, der sich noch der Wohlthatcn einer angestammten Herrschaft erfreut und den folglich Herr von Warren zu den glücklichen und zufriedenen Gemeinwesen zählen würde. Man gewahrt dort einen Fürsten, der unter der herabwürvigendsten Vormundschaft schmach tet; eine Frau als Regentin, die von einem anmaßenden und raubgierigen Minister beherrscht wird; Truppen, deren Sold unbezahlt bleibt und die sich nur durch Plünderung der Landleute ernähren; fortwährende Zwistigkeiten unter den Häuptlingen, Aufruhr unter den Soldaten, Unzufriedenheit unv Armuth im Volk, Besorgniß vor einer feindlichen Invasion und das Bewußt- seyn, derselben nicht widerstehen zu können. Das sind die Bortheile, deren sich die Einwohner von Gwalior zu rühmen habend In einer ähnlichen Lage be fand sich früher die Provinz Zutsch, bis die Engländer dort einen vor herrschenden Einfluß gewannen, obgleich sie nicht selbst die Negierung über nahmen. Mit ihrem Erscheinen hörte die Anarchie auf, die Willkür verschwand, das Gleichgewicht zwischen der Einnahme und Ausgabe wurde hergcstelli, Handel und Gewerbfleiß blühten unter dem Schutze der Regierung in jeder Stadt und jedem Dorfe empor, und bald wurde Vas ganze Land der Sitz des Ueberfluffes und der Zufriedenheit. Beispiele dieser Art könnte man zu Hun derten anführen, und zwischen den Staaten der Compagnie und denen der cin gebornen Fürsten ist derselbe Unterschied zu bemerken, der sich im Nilthale zwischen dem angebauten Boden und der Wüste kundgiebt. ES muß den Engländern als kein geringes Verdienst angerechnet werden, daß fi« durch ihre unermüdlichen Anstrengungen dcm empörenden System des