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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.04.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-04-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980416028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898041602
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898041602
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-04
- Tag 1898-04-16
-
Monat
1898-04
-
Jahr
1898
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Die vtorgeu»L«»gab« erscheint um '/,? Uhr, die Abrud-Au-gabe Wochentag» nm b Uhr. Filiale«: Ltt« Klemm'» Sorttm. (Alfretz UniversitätSstraße 3 (Paulwum), Laut» Lösche. Kathariurnstr. 14. Part, «d KSnigsplnhi 2. Nedaction und Erve-Mim: Johanne»»afie 8. Die Expedition ist Wochentag» onnnterbroche» ströffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. VezugS'PreiA M hm Hanptexpeditiou oder den t» Gtaidt. bmirt und den Vororte« errichteten Ao»» aaorstelleu abgeholt: vierteljährliche4.50, hei »w«tmaliger täglicher gustellnug in» Han» e KEO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertestährlich e 6.—. Lirea« tägliche Krenzbaadienduug dch Anbland: monatlich e 7L0. Abend-Ausgabe. MpMerTlUMM Anzeiger. Amts Klatt -es Königlichen Land- und Änttsgerichles Leipzig, des Nathes und Nolizei-Änttes der Ltadt Leipzig. Nnzetgen-Pret- Vie S gespaltene Petitzeile 20 Pf^ Maelame» «ater de« RrdactionSstrich (4a«» Walte«) bO>a, vor de« Oamiliennachrichte» (6 gespalten) '40>ch. Größere Schriften laut unserem Prek». verzrichniß. Tabellarischer und Zifsrrnsatz nach höherem Tarif. Extra» Beilagen (gefalzt), anr mit dm Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderun^ SO.—, mit Postbesörderung 70.—. —— Ännahmeschlub für Anzeigen: Ab eud-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Vstorgen-AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. vei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» a« die Exprditia» zu richte«. Druck a»d Verlag von E. Polz tu Leipzig 190. Sonnabend den 16. April 1898. 92. Jahrgang. Das Zögern -er Vereinigten Staaten. —p Gestern Abend wurde in dem spanisch-ameri kanischen Conflict der Beschluß des Washingtoner Senats und damit, da allgemein angenommen wurde, daß er dem Beschluß des Repräsentantenhauses conform sei» würde, die Einleitung des Krieges erwartet. Dieser Be schluß ist bis jetzt auSgeblieben. Man berichtet uns darüber: * Washington, 15. April. Wie cs heißt, wird der Senat auch heute noch nicht über Len Bericht der Commission für aus wärtige Angelegenheiten abstiminen. Voraussichtlich wird eine Nachtsitzung stattfinden. Ob morgen die Abstimmung erfolgen wird, ist noch nicht sicher, obwohl man versuchen wird, die Entscheidung herbeizusühre». Der brutale tollwüthige Chauvinismus der amerikanischen Jingos scheint sich also doch etwas überpurzelt zu baden. Anscheinend mehren sich die zur Bernunft rathenden Stimme» und lassen die Kriegöschreier sich durch die feste Haltung Spaniens imponiren. Vielleicht tragen dazu auch die aus Cuba cintreffenden Nachrichten bei, nach denen einerseits ent gegen den gestern vorliegenden Telegrammen, die Insurgenten weiter opcriren und dabei eine empfindliche Niederlage er litten haben, andererseits, wie das Madrider Organ der Gesellschaft Jesu, das „Diario Catalon" sich kabeln läßt, Maximo Gomez und die übrigen Führer der Aufständischen entschlossen sein sollen, die Waffen zu strecken, wenn Nordamerika nicht vor der Kriegserklärung die Unabhängig keit. Cubas feierlich anerkenne. Diese Meldung hat zweifellos etwas für sich, da die Insurgenten bei einem Wechsel der Herrschaft zwischen Spanien und der Union aus dem Regen in die Traufe zu kommen fürchten. Mac Kinley hat be kanntlich die Proklamirung der Unabhängigkeit Cubas als zur Zeit unopportun verweigert, während das Repräsentanten haus sich für die Unabhängigkeitserklärung ausgesprochen hat. Ausführliche Berichte über die Senatssitzungen liegen nicht vor, aber man darf annehmen, daß die Frage der Un abhängigkeit in denselben eine Rolle spielt. Wie dem auch sei, jedenfalls ist die Kriegsgefahr auch heute noch acut und die Unions-Regierung trifft Vorkehrungen für den ersten Zusammenstoß. Man berichtet uns darüber: * Washington, 15. April. Die Regierung charterte die Dampfer „St. Louis", „New Dort" und „Paris". Der ge lammten Armee wird heute Abend der Befehl zugehen, sich an den Küsten, hauptsächlich an der von Florida, zu sammeln. * New Dort, 15. April. Ein Armeebefehl ist erlassen worden, durch den acht Regimenter Infanterie nach New Orleans, sieben nach Mobile und sieben nach Tampa, ferner sechs Regimenter Cavallerie, sowie alle leichten Batterien und alle Artillericrcgimenter bis auf zwei nach Chickamanga beordert werden. Durch Len Befehl werden etwa 20000 Mann in Marsch gesetzt. * Hampton-Roads (Virginien), 15. April. Das fliegende Geschwader ist zurückgekehrt. In Spanien wird die Subscription für die Vermehrung der Flotte eifrig fortgesetzt und hat, wie man unS meldet, bereits den Betrag von 3 Millionen Pesetas (1 Peseta — 80 ^s) erreicht. Der „Gothaische Hofkalenver" giebt die Stärken der beiden in Betracht kommenden Flotten für Juni 1897, wie folgt an: Nordamerika: 82 Fahrzeuge mit 236 443 t, 322 107 Hk, 556 Geschützen und 20 802 Mann Bemannung. Spanien: 46 Fahrzeuge mit 125 340 t» 220 464 ttk, 682 Geschützen und 134 Torpedolancirrobren. Auf beiden Seiten sind seitdem noch verschiedene Kriegsfabrzeuge angekauft worden. Nordamerika ist nach dieser Ausstellung Spanien zwar an Zahl seiner Schiffe, bedeutend überlegen, aber zu Gunsten Spaniens fällt sehr ins Gewicht, daß es über 8 Torpedo- Kanonenboote, 6 Torpedobootsjäger und 13 Torpedoboote verfügt, während den Vereinigten Staaten ein Torpedo- Geschwader überhaupt nicht zur Verfügung steht. Dieser Umstand dürfte, wie der telegraphisch schon angekündigte Artikel des „Militairwochenblattes" auSfübrt, zu empfindlichen Schlägen für die amerikanische Flotte, wenigstens im Beginn des Krieges, führen. Dazu kommt, daß die Bemannung der spanischen Flotte die der amerikanischen weit hinter sich läßt. An Personal zählt die Vereinigte Staaten-Flotte: sechs Contreadmirale, 10 Coinmodores, 45 Capitaine, 85 Commandeure, 74 Lieutenaiit-Commodores, 325 Lieutenants und Unterlieutenanls zur See, sowie rund 10 000 Mannfchasten, einschließlich Chargen; die spanische Flotte weist dagegen aus: 1 Admiral, 21 Vice- und Contreadmirale, 148 Capitaine und Commandeure, 357 Lieute nants und 247 llnterlieutenants zur See, 257 Malrosenartillerie- und-Jnfanterieosficiere, 13 950 ausgebildete Mannschaften, ein schließlich Chargen, 7010 Marineinsanteristen und 1498 Marine artilleristen. Ein Vergleich der Landtruppen beider Staaten fällt sehr zu Ungunst en der Union aus, nicht nur hinsichtlich der Zahl, sondern auch bezüglich der Qualität. Die nordamerikanische Landarmee besteht nach den neuesten Quellen aus 1775 Ossicieren, 23 359 Unterofficieren und Mannschaften, 6006 Reitpferden und 40 bespannten Geschützen; dazu kommen allerdings organisirte Milizen 9376 Officiere und rund 106000 Mann, sowie unorganisirte Milizen 10149 l84 Mann. Tas Landhcer dient größtentkeils Polizeizwecken und ist über das weile Gebiet der Union vertheilt, wo cs zumeist nur schwer zu entbehren ist, kommt also im Kriegsfall wenig oder gar nicht in Betracht. Welchen Werth die Milizen haben, muß die Zeit lehren, ihre militairische Ausbildung berechtigt jedenfalls nicht zu großen Er wartungen. — Die Friedensstärke des spanischen Heeres wurde für das lausende Finanzjahr, 1. Juli 1897 bis 30. Juni 1898, auf 100140 Mann festgestellt; nach dem neuesten „^nnuario militar <io U>i>ana" standen jedoch aus Anlaß der Unruhen in Cuba und auf Len Philippinen 16 115 Officiere und 333 297 Mann unter den Waffen, davon allein auf der Insel Cuba 5704 Osficiere und 163180 Mann, auf Portorico 263 Osficiere und 5575 Mann; außerdem sind, Zeitungsnachrichten zufolge, sieben weitere Jäger bataillone zu je rund 1000 Mann nebst zwei Artilleriecompagnien zur Ueberfahrt von Cadiz nach Cuba bereit. Sollten aber weitere Nach- schübe an Truppen zur Vertheidigung der Colonie aus dem Mutter lande nöthig werden, so stehen außer den Garnisonen des Reiches noch rund 200000 militairisch ausgebildete Reservisten 1. und 2. Classe zu diesem Zwecke zur Verfügung. Trotz alledem dürfte ein Krieg zwischen den beiden streitenden Mächten, von denen die eine, Spanien, finanziell gänzlich erschöpft ist, die andere über ungeheure Capitalien und kolossale sonstige Hilfskräfte gebietet, wohl für Spanien am letzten Ende ungünstig verlausen. Die Sorge, welche der deutschen Politik für den Fall des Krieges obliegt, geht lediglich dahin, baß die großen Seehandelsbeziehungen zwischen dem Reiche und den beiden Mächten nicht zu schaden kommen. Die Güter, die zwischen dem Reiche und Spanien hin und hergehen, haben einen Werth von nahezu 60 Millionen Mark; der deutsch amerikanische Specialhandel hat einen Werth von nahezu 900 Millionen Mark. Dieser Umstand legt eS nahe, daran zu erinnern, wie wohl der Reichstag daran gethan, mit der Regierung sich für den zielbewnßlen Ausbau der Marine zu vereinigen und dadurch dem deutschen Seehandel für solche Zeiten die nöthige Rechtssicherheit zu garantiren. Politische Tagesschau. * Leipzig, 16. April. Ter preußische Cultusminisier bat bekanntlich die Ge nehmigung zur Errichtung eines Mäöchcn-GymnasiumS in Breslau versagt. Wenn sich die preußische Regierung der Frauenbewegung gegenüber kühl verhält, so kann dies nicht befremden, denn die Bewegung schießt vielfach über daS Ziel hinaus — mau denke nur an den von Frau Cauer und Fräulein Or. Anita Augspurg kürzlich veröffentlichten Aufruf zur Wahlbewegung — woran nicht zum Wenigsten die Führerinnen die Schuld tragen, von denen manche durch ihre Eitelkeit, ihre Schauspielerei und ihr Kokettiren mit der Socialdemokratie geradezu ab stoßen. Gerade der letzte Punct, daS Liebäugeln mit ter Socialdemokratie, muß die Regierungen naturgemäß un freundlich stimmen und stößt auch vaterländisch gesinnte Frauen ab. Aus diesem Grunde muß mau sich aber auch hüten, die Frauen zur Gegnerschaft gegen den Staat zu bringen und auch die guten Elemente in das radicale Lager hinüberzusühren. Das geschieht, wenn man grundsätzlich Alles ablehnt, was von den Frauen zum Zwecke ihrer geistigen und materiellen Hebung verlangt wirb; das ge schieht, wenn man auch da ablehnt, wo das Staatsinterefse die Verweigerung nicht erheischt. Und darum kann die Nicbtgestattuug der Errichtung eines Mädchengymnasiums nicht gutgeheißen werben. Es ist nicht wohl abzusehen, woourch ein solches Gymnasium das Staatswohl ge fährden könnte. Au Bedenken sittlicher Art feblt es, da die Anstalt ja nur von Mädchen besucht werden, sich also in der Form von Töchterschulen nicht unterscheiden würde. Der Staat har ferner auch keinen Schaden dadurch, wenn eine Anzahl von Mädchen sich eine höhere Bildung aneignet, als sie jetzt in den Mädchenschulen zugänglich gemacht wird. Schließlich übernähme der preußische Staat bei der Gestattung eines Mädchengymnasinms keineswegs die Verpflichtung, die aus dieser Anstalt hervorgehenben Zöglinge in gelehrten Berufen oder als Beamte anzustellen. Fehlt cs sonach an triftige» Grünbcn für die Verweigerung, so feblt eS keineswegs an Gründen für die Gestattung. Es sei nur daran erinnert, daß der am Ostersonntag veröffentlichte socialdemokratische Wahlaufruf sich nachdrücklichst an die Frauen gcwenvet hat mit der Behauptung, daß die Socialdemokratie die einzige Partei sei, die für die Rechte der Frauen eintrete. Diese Behauptung ist nun, was die Parteien anlangt, falsch; es sei daran erinnert, daß z. B. gerade der Todfeind der Socialdemokratie, Freiherr v. Stumm, für eine bessere civilrechtliche Stellung der Frauen eingetreten ist. Der preußischen Regierung gegenüber ist die Behaup tung richtig, wenn die Regierung in der Weise verfährt, wie in dem Breslauer Falle. Dann werden die Frauen zwar nicht in einen Gegensatz zu den bürgerlichen Parteien ge bracht, aber in einen solchen zum Staate, und es ist mensch lich sehr begreiflich, daß sie sich dann Denen zuwenden, die den entschiedensten Gegensatz zum Staate bilden. Es wird wahrlich nicht verlangt, daß die Regierung etwa aus Furcht davor, daß die Frauen den Socialislcn zuneigen könnten, alle Forderungen der Frauenrechtlerinnen bewillige, aber es wird verlangt, daß sie nicht ohne triftigen Grunb versage. Im nächsten Jahre schließt das Jahrzehnt, seitdem Deutschland dem Vertrage zugestimmt hat, durch welchen die Samoa-Inseln unter das Protectorat der drei Mächte Deutschland, England und Vereinigte Staaten von Amerika gestellt wurden und jeder dieser drei Mächte der gleiche Antheil an der Verwaltung der Inselgruppe zugewiesen wurde. Wenn jemals eine Erwartung getäuscht worden ist, so ist es die, daß durch dieses Condominium die ruhige und stere Entwickelung der zwar kleinen, aber durch ihre Lage und culturelle Beschaffenheit wichtigen Inselgruppe gewähr leistet werden würde. Das Gegentheil ist der Fall gewesen. Zu den Streitigkeiten der Parteien der samoanischen Ve völkerung sind die Eifersüchteleien und Reibungen der an der Verwaltung betheiligten Mächte bezw. ihrer Vertreter auf Samoa gekommen, und man gebt nicht zu weit, wenn man gerade in der Fortdauer des CondominiumS die Quelle der fortgesetzten Unruhen auf der Inselgruppe sucht. Auch jetzl wieder ist nach zuverlässigen Nachrichten die Erregung innerhalb der samoanischen Bevölkerung auf einen Grad gestiegen, daß die Nachricht von dem Ausbruch neuer Unruhen täglich erwartet werden muß. Damit werden aber von Neuem die Inter essen Deutschlands auf der Inselgruppe in Frage gestellt, Interessen, die vom wirthschaftlichen wie vom maritime» Gesichtspuncte aus als schwerwiegende bezeichnet werden müssen. Selbstverständlich wird sich das deutsche Reich der Verpflichtung weder entzieben können noch entziehen wollen, was an ihm liegt, zur Aufrechterhaltung bezw. Wiederherstellung der Ruhe und Ordnung in Samoa beizutragen, und von gut unterrichteter Seite wird der „Nat.-Lib. Corr." versichert, daß an maßgebender Stelle bereits die Eventualität einer stärkeren Machtenfaltung ins Auge gefaßt wird. Daneben aber dürfte auch der Er wägung Raum gegeben werden, auf welchem Wege dem jetzigen, auf die Dauer absolut unhaltbaren Zustande ein Enke gemacht werken kann. Nicht mit Unrecht wird die Meinung laut, daß sich aller Wahrscheinlichkeit nach jetzt eine politische Constellation ergeben werde, welche der Er füllung berechtigter Ansprüche Deutschlands in der Samoafragc bessere Aussichten eröffnet, da einerseits der Conflict zwischen Spanien und Nordamerika, andererseits daS Engagement Englands in den verschiedensten Fragen von weittragender Bedeutung sind und den beiden mit Deutschland an der Ver waltung der Inselgruppe betheiligten Mächten den Wunsch nahelegen müßten, mit den samoanischen Angelegenheiten nicht näher befaßt zu werden. Wenn diese Annahme auch vorläufig nur eine ziemlich naheliegende Combination ist, so darf doch schon der Umstand, daß in der englischen Presse diesmal jene Stimmen nicht laut werden, die noch vor zwei Jahren die ganze Inselgruppe so ungestüm für die englisch-austra lischen Colonien reclamirten, als ein günstiges Zeichen be trachtet werden. Wie immer aber die Dinge sich gestalten werden: daran wird unter allen Umständen festzuhalten sein, daß eine Aenderung der bestehenden Abmachungen nur in dem Sinne und in der Richtung denkbar sei, daß Deutsch land die Alleinherrschaft auf der Inselgruppe über nimmt. Das spanische Bevölkerungselement in Mittcl- und Südamerika nimmt in dem schwebenden Conflict wegen Cubas mit Leib und Seele Partei für Spanien und gegen die Vereinigten Staaten. Maßgebend für diese Stimmung im rnittlern und südlichen Theil der Neuen Welt sind weniger politische Erwägungen als das Gefühl der StammcSverwandiscbaft und die instinctive Abneigung der romanischen Staaten Amerikas, ganz und gar unter die Botmäßigkeit der großeu Republik des Nordens zu gerathen. In Mexiko, in den Staaten deS Isthmus, in Peru, Chile rc. sind Sammlungen zu Gunsten der spanischen Sache im Ser Kampf mit -em Schicksal. 12j Roman von Hermann Heinrich. Nachdruck verbot-». „Ah! Ja, darin bin ich ihm über. Ich stehe zur Ver fügung, gnädige Frau." Wenn der Amtsrath glaubte, daß lediglich die Neugierde die Baronin trieb, seinen'Betrieb kennen zu lernen, so hatte er sich geirrt. Diese Besichtigung glich mehr einem Unterrichtscursus als einem flüchtigen Spaziergang. Alles unterzog sie einer ge nauen Besichtigung, Alles ließ sie sich erklären, ja es schien zu weilen, als ob sie in Gedanken eine Zeichnung aufnähme. Die Thongrubc mit ihren Einrichtungen, den Brennofen, die Schwemmanstalt, die Formerei, Alles sah sie sich genau an. Und dabei war sie durchaus nicht zimperlich. Als sie den Trocken platz betrat, auf welchem Tausende von frischgeformten Steinen lagen, nahm sie mit der Linken das seidene Kleid ein wenig zu sammen und schritt rüstig vorwärts. Was für einen zierlichen Fuß sie hatte! Hier und da wechselte sie einige freundliche Worte mit den Arbeitern in so natürlicher und liebenswürdiger Art, daß sie für einen Augenblick auf die gebräunten und schmu tzigen Gesichter Sonnenglanz zauberte. Sie schien überhaupt sonnige Heiterkeit des Gemüths mit einem eminent praktischen Sinn zu verbinden. Ganz beiläufig fragte sie nach den Be triebskosten, dem Arbeitslohn, den Steinpreisen, und sie nahm die Antwort mit einem so verständig überlegenden Gesicht auf, daß man förmlich sah, wie ihr Gehirn rechnete. Die Arbeiter begegneten der Dame zunächst mit einer ehrfurchtsvollen Scheu. Nach und nach wurden sie zutraulicher, sie gaben sich einander Zeichen, und auf einmal fühlte die Baronin einen Strick um ihren Arm. Sie war gebunden, und als sie sich umwandte, sah sie in das grinsende Gesicht eines alten Mannes. „Die Frau Baronin lebe hoch!" „Aber da soll doch gleich ein Donnerwetter dreinschlagen! Wollt Ihr die Frau Baronin mit Euren Dummheiten ver schonen!" Richard erklärte der Baronin den Brauch. „Das ist ja reizend!" sagte sie. Sie nahm ein zierliches Portemonnaie aus der Tasche, und mit bezauberndem Lächeln reichte sie dem Ar beiter ein Goldstück. Kaum hatten die Arbeiter von der reichen Gabe Kenntnih erhalten, als sie aufs Neue in jubelnde Hochrufe «»»brachen. Die Besichtigung hatte lange Zeit gedauert. Jetzt reichte sie dem Amtsrath die zierliche Hand und sagte: „Herzlichen Dank, Herr Amtsrath. Wenn ich meinen Besuch über Gebühr aus dehnte, so ist Ihre entgegenkommende Liebenswürdigkeit daran schuld. Auch Ihnen besten Dank, Herr Kähne." „Sie haben uns eine glückliche Stunde bereitet, gnädige Frau. Die Schuld des Dankes ist auf unserer Seite." Die Herren begleiteten die Baronin zum Wagen. Die Pferde zogen an, noch einmal neigte sie graziös den schönen Kopf, und der Wagen jagte der Ferne zu. „Eine scharmante Frau!" rief der Amtsrath begeistert. „Sie hat in der That etwas Bezauberndes", bestätigte Ri chard. „Und bei aller Liebenswürdigkeit doch immer die stolze, vornehme Frau. Selbst die Lehmspritzel haben ihr nichts an- thun können." „Besonders angenehm berührt mich die Natürlichkeit ihres Wesens. Da ist nichts erkünstelt und gemacht. Uebrigens der materielle Zweck ihres Hierseins, der vorläufig noch Geheimniß bleiben soll, ist mir klar. Sie will zweifellos die Steinfabrika tion studiren. Wer weiß, ob sie auf ihren ungarischen Gütern nicht Thonlager hat, die sie zweckentsprechend verwerthen möchte. Ihr praktischer Sinn ist phänomenal. Das ist etwas Anderes, als unsere Salondamen. Donnerwetter!" Die klangvolle Stimme der Baronin, verbunden mit dem transleithanischen Dialekt, tönte noch lange im Ohre Richards nach. Wo hatte er doch eine ähnliche Stimme in derselben cha rakteristischen Sprechweise schon einmal gehört? Er brauchte in seiner Erinnerung nicht lange zu suchen. Das Cabinet der Sibylle in der Behrenstraßc in Berlin stellte sich mit allen Einzelheiten treu vor seine Seele, und wieder hörte er die Worte: „Flüssig wie Wasser ist das Schicksal der Menschen." Welcher Unterschied zwischen jener alten Gauklerin und der edlen Ge stalt der Baronin! Merkwürdig war es nur, daß das Gemeinste und Edelste etwas gemein haben konnten, und wäre es auch nur die Stimme. Das Wohlbehagen, welches der Besuch der Baronin erregt hatte, wirkte auch in dem Amtsrath nach. Als er zufällig an dem Hause des Ziegelmeisters vorüberkam, lief ihm wieder Gret chen entgegen. „Deichen Löhne, Deichen Löhne!" rief sie und wollte davon laufen. Der Amtsrath aber faßte sie. „Warte, Du Racker!" sagte er scherzend und drückte ihr einen Kuß auf den Mund. Gretchen sah ihn mit großen verwunderten Augen an, mit jenem tiefen, seelenvollen Blick, der gemüthvoll angelegten Kindern eigenthümlich ist und uns auch aus den Engelsgestalten der Sixtinischen Madonna entgegenstrahlt. „Fast wie die Ba ronin", dachte der Amtsrath und ging mit einem glücklichen Lächeln auf dem sonst so ernsten Gesicht weiter. Richard hatte die Scene aus der Ferne bobachtet. Der Vater küßte sein Kind! Das war ja ein glückverheißendes Zei chen. So vermag die bloße Berührung mit einem edelgesinnten Menschen ein hartes Gemüth zu erweichen. Richard war der Baronin von Herzen dankbar und nahm sich vor, den Umgang mit ihr soviel als möglich zu pflegen. Die neue Sonne, welche am Horizont der Brunower Gesell schaft aufgegangen war, erleuchtete und erwärmte alle Herzen. Die Baronin war in ihrer Erscheinung und der Wirkung ihres Wesens in-der That dem Himmclsgestirn vergleichbar, und sie unterschied sich von diesem nur darin, daß man keinen Flecken an ihr entdecken konnte. Ihre Besuche wurden gern erwidert. Die reiche und vornehme Fülle ihres Hauses that sich den Besuchern auf und vertiefte den Eindruck, den sie selbst gemacht hatte. Die Baronin war nach allen Rücksichten eine gediegene Erscheinung, das stand fest. Eines Tages fuhr auch der Wagen des Amtsraths vor. Das elegante Gefährt mit den spiegelgatten Braunen im silber beschlagenen Geschirr sah höchst stattlich aus. Bis zur gold- knöpfigen LivrSe des strammen Kutschers verrieth Alles den Wohlstand des Besitzers, und man konnte über den noblen Ge- sammteindruck das fehlende Wappen wohl vergessen. Die Ba ronin empfing Vater und Sohn mit vornehmer Würde. Hier in ihrem Heim erschien sie noch stattlicher und vornehmer als draußen auf Krahnepuhl, da ihr die überaus kostbare und ge schmackvolle Umgebung einen ihrer Erscheinung entsprechenden Hintergrund gab. Es machte sich sogar etwas wie aristokratische Abgeschlossenheit bemerkbar. Aber der graciöse Plauderton der Dame und ihre natürliche Liebenswürdigkeit wußten schnell die Kluft zu überbrücken, und nicht lange dauerte es, so war das zwanglos herzliche Vcrhältniß in seiner bezaubernden Wirkung wiederhergestellt. Der Amtsrath war ganz Feuer und Flamme, und aus Richards Augen leuchtete innige Verehrung und unver hohlene Bewunderung. Am Schluß der sehr angeregten Unter haltung sagte der AmtSrath: „Nun, meine gnädigste Frau, seien Sie großmüthig und vergelten Sie Gleiches mit Gleichem! Ich bin so neugierig oder so wissen-durstig, Ihren Landsitz etwas näher kennen zu lernen." Bereitwillig führte die Baronin ihren Besuch durch die Räume der Villa. Ueberall hatten Reichthum und Geschmack ihren blendenden Glanz entfaltet. Die Baronin schien besonders eine Freundin kostbarer Gemälde zu sein, denn von allen Wän den sahen die Kunstwerke, bald ernst und idyllisch, bald humo ristisch und realistisch, auf den Beschauer herab. Die Baronin schlug eine Portiöre zurück und sagte: „Mein Arbeitszimmer." „Gnädige Frau haben auch ein Arbeitszimmer?" fragte der Amtsrath verwundert. „Bei unseren Damen findet man höchstens ein Boudoir." Aber seine Verwunderung stieg, als er eintrat. Das Zimmer war überaus einfach gehalten und bildete dadurch zu der reichen Ausstattung der übrigen Zimmer einen wirksamen Contrast. Ein gediegener Schreibtisch aus Eichen holz war mit Büchern, Mappen und Schriftstücken bedeckt. Ein Bibliothekschrank zeigte eine glänzende Sammlung von Werken, die offenbar nicht nur der leichten Unterhaltungsliteratur ange hörten. Ein feiner Duft, der von keinem Parfüm herrührtc, sondern zweifellos mit dem Tabakkasten zusammenhing, der auf dem Schreibtisch stand, erfüllte das Zimmer. „Ein wahrhaftiges Arbeitszimmer!" rief der Amtsrath er staunt. „Trauen Sie mir nicht zu, daß ich arbeite?" fragte lächelnd die Dame. „Bedenken Sie gütigst, daß ich Wittwe bin und meine drei Güter von hier aus bewirthschaften muß. Sehe» Sie, meine Herren, da sind sie!" An der Wand hingen drei Aquarellbilder, welche stattliche Schlösser in reizendster Umgebung darstellten. „Dies ist Sce- gedin, der Stammsitz meiner Eltern, dies Pultawek und dies Lasckarzi. Diese beiden Güter sind die Hinterlassenschaft meines verstorbenen Gemahls." „Donnerwetter!" dachte der Amtsrath. „Was für armselige Kossätbcu sind wir dagegen!" „Sie haben natürlich die nöthigen Verwalter," sagte Richard. „Gewiß, aber das Auge der Herrin muß sich auch aus der Ferne geltend machen. Unsere ungarischen Beamten verlangen eine strenge Aufsicht. Sie mögen hier in Deutschland mit Ihren blauäugigen Germanen besser daran sein." „Das, Frau Baronin, ist überall gleich. Aber was ist das? Technische Zeichnungen? Landwirthschaftliche Maschinen? Habe ich's doch gleich gesagt, gnädige Frau sind in Allem Praktikus!" Die Baronin lachte, und dieses leichte, silberhelle Lachen legte sich mit bestrickendem Reiz um das Herz deS Amtsraths. „Ja, Herr Amtsrath, landwirthschaftliche Maschinen, und denken Sie, ich habe mich sogar aufS Erfinden gelegt und manche Verbesserungen ausgeklügelt. Wie unweiblich, nicht ivahr?" „Gnädige Frau reißen mich zur Bewunderung hin." „Und sehen Sie hier! Da Sie doch nun einmal Alles wissen, will ich auch dies nicht geheim halten." Sie übergab dem Amtsrath einen Bogen, der mit Notizen und Zeichnungen be deckt war. Jetzt lachte der AmtSrath. „Krahnepuhl mit der Ziegelei!
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