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kxprd. u. Redaktion rre4-e».Ue«fta»t N. Meißner Gasse 4. Die Zeitung erscheint Ttenftag, Konuerfta, und rannaben- früh. AHonnement-« Pret». vierteljährl. Mk 1,50. Zu beziehen durch die kaiserlichen Post- anstalten und durch unsere Boten. Bei freier Lieferung in» HauS erhebt die Post noch eine Ge bühr »on 25 Pfg. Sächsische DochnluM Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Amtsblatt für die tgl. Lmtthauptmannschaftm Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaft« de« kgl. Amtsgericht« Dresden, sowie für dir tgl. Forstrentümter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrmann Müller in Dresden. Inserate werden bi» Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag angenommen und kosten : die1spalt.Zeiie15Pfg. Unter Eingesandt: SO Pfg. Inseraten- Annahmeftelen: Die Arnoldische Buchhandlung, Jnvalidendank, Hassenstein LBogier, Rudolf Mosse, G. L. Daube L Co. in Dresden, Leivjig, Hamburg, Berlin, Frankfurt a/M. u. s. w. Ar. 84. Mntlag, den 19. Juli 1887. 49. Jahrgang. Politische Weltschau. Deutsches Reich. Die osficiösen Blätter nehmen immer und immer wieder Veranlassung, die Deutschen aufdie Unannehmlichkeiten und Gefahren aufmerksam zu machen, denen sie sich durch Ueberfchreiten der französischen Grenze unter den gegenwärtigen Verhältnissen auSsetzen. So richtet die „Köln. Ztg." folgende beherzigenSwerthe Mahnung an daS deutsche Volk: Die Deutschenhetze, wie sie jetzt in Frankreich betrieben wird, darf als ein Schandfleck der französischen Geschichte gelten, gleich zeitig ist sie aber auch entwürdigend für unS Deutsche, denn ein Jeder von unS sollte doch, falls ihn nicht die Nothwendigkeit treibt, die lockende Aussicht aus Gewinn seiner Vaterlandsliebe zum Opfer bringen und em Land meiden, in dem er in seiner Person feine gesammte Nation Beschimpfungen und Schmähungen auSsrtzt. Fürst BiSmarck hat schon im Jahre 1873 in einer Note an den damaligen deutschen Botschafter in Paris, Grafen Arnim, offen ausgesprochen, wie wenig er mit dem „Pariser deutschen Ursprunges- sympathisire, der nur insoweit deutsch bleibe, alS er den Schutz seines Vaterlandes beanspruche. Ein deutsch-amerikanischeS Blatt, die „Illinois-StaatS-Zeitung', bemerkt hierzu mit Recht: „Vom Standpunkte eines völlig unbetheiligten fremden Zuschauers angeschen, erscheint unS dieser deutsche Zug nach dem Westen unwürdig, ja schmählich. Warum drängen sich deutsche Handwerker, Ladenschwengel und Bierverzapfer nach einem Lande, wo man sie ebenso mit den Augen deS HaffeS und der Verachtung ansieht, wie hier in Amerika die Slovaken und Chinesen? Jeder einzelne Deutsche, der nach Frankreich kommt, bestärkt die elende welsche Brut in dem Wahne, daß Deutschland eine Bettelherberge sei, auS welcher die Leute nach Frankreich entlaufen müssen, um sich einmal ordentlich satt essen zu können. Die Erinnerungen auS der Zeit deS „gebildeten HauSknechteS", wo jeder Schneidergeselle, der zwei Jahre in Paris gewesen war, sich mit Stolz „msrekanä Willkür" nannte, sind leider noch nicht erloschen. Noch immer giebt eS Tausende deutscher Schwach köpfe, die sich danach drängen, in Paris von den Herren Franzosen verhöhnt, beschimpft und auch wohl mißhandelt zu werden. Wenn ihnen eines TageS diese Kriecherei vor dem Franzosenthume sehr übel bekommen sollte, würden sie so wenig Theilnahme ver dienen, wie derjenige, der sich muthwillig in Gefahr begiebt und darin umkommt. Die große Zahl der in Frankreich hausenden Deutschen (besonders groß erscheinend im Hinblicke auf die geringe Zahl der Franzosen in Deutschland) ist ein bedauerliches Wahrzeichen für die Schwäche deS deutschen Nationalgefühles." Wie die „Morning-Post" wissen will, haben die Botschafter Deutschland- und Englands jüngst eine Konferenz mit dem französischen Minister deS AuS, wärtigen, FlourenS, gehabt, bei welcher Gelegenheit sie energischen Protest gegen die Angriffe erhoben, welchen ihre beiderseitigen Regierungen neuerdings in der Pariser radikalen Presse auSgesetzt werden. FlourenS soll dem gegenüber seinen Sympathien für beide Mächte BuSdruck gegeben hoben. Wir überlassen dem Londoner Blatte die Verantwortung für die Richtigkeit dieser Mitteilung. Neuesten Nachrichten zufolge wird Kaiser Wilhelm heute, den 19., in Wildbad Gastein eintreffen und zwar beabsichtigt er auf der Reise dorthin die Arlberg-Tour zu wählen. Für diesen Fall dürfte der Monarch die Fahrt in Innsbruck unterbrechen und daselbst übernachten. Daß Kaiser Franz Josef dem deutschen Kaiser in Gastein einen Besuch abstatten wird, gilt, wie bereits gemeldet, alS im höchsten Grade wahrscheinlich; jedoch er scheint eS zweifelhaft, ob die österreichische Kaiserin ihren Gemahl begleiten wird. Wie nachträglich verlautet, erfolgte die Fahrt deS Kaisers Wilhelm von Koblenz nach Konstanz unter Anwendung ganz besonderer VorsichtSmaaßregeln. In Groß-Gerau war nemlich dem Fuhrmann« W. am Mitt woch ein Zettel durch da- offene Fenster geworfen worden, auf dem in sauberer Schrift zu lesen stand: „Heute Abend gegen 12 Uhr fährt der Ertrazug deS Kaisers hier durch; seid bei der Hand!" Die Sache wurde ruchbar und man erzählte sich, daß gleiche Zettel auch an andere Personen abgegeben worden seien. Der Gendarmerie-Wachtmeister erstattete dem KreiSrathe v. Löw Meldung und dieser benachrichtigte sofort tele graphisch die Behörden in Mainz, sowie die Verwaltung der Hessischen LudwigSbahn von dem Vorfälle. De peschen flogen hin und her, auf den Bahnhöfen der genannten Strecke waren höhere Betriebs beamten, in Groß-Gerau der Kreisralh, der Amt mann, die Gendarmerie und die Polizei zur Stelle. Die ganze Strecke Mainz-Darmstadt wurde besetzt und ständig abpatrouillirt. Dem Ertrazuge ließ man einen Separatzug, auS Wagen erster und zweiter Klaffe be stehend, vorausfahren, um den Glauben zu erwecken, eS sei dieS der Train, in dem der Kaiser sich befinde. Beide Züge passirten indessen ohne jeden Unfall die Strecke und somit dürfte eS sich bei Abgabe jener ver dächtigen Zettel wohl nur um einen allerdings in hohem Grade frivolen Scherz gehandelt haben. — Im Uebrigen wird über die Reise deS Kaisers noch gemeldet: Unter Blitz und Donner verließ am Mittwoch Abend der Monarch Koblenz. Trotz deS strömenden RegenS hatte sich auf der Strecke von der Schloßpforte bis zum i Rhein-Bahnhofe eine zahlreiche Menschenmenge, darunter besonder- viele Soldaten, avgesammelt, welche dem scheidenden Herrn ein herzliche- „Auf Wiedersehen!" zu rief. Auf einer der nächsten Stationen, die der Sonderzug ohne Aufenthalt durchflog, erklang noch ein mal ein kräftige- Hurrah, dann aber wurde eS still und nächtlicher Weile berührte der Zug Bingen, Mainz, Darmstadt, Schwetzingen, Karlsruhe und Offenborg und bog von dort mit TageSgrauen in die Schwarz waldbahn ein. Herren, die seit langen Jahren den Kaiser auf seinen zahlreichen Reisen begleiteten, versichern, niemals eine schönere Nachtfahrt erlebt zu haben, al» wie diese zwischen Koblenz und Mainz. Der Regen hatte aufgehört und eine balsamische, abgekühlte Luft strömte durch die geöffneten Fenster in die KouptzS hinein. Dazu daS großartige Naturspiel eine- mäch tigen Wetterleuchten- Für einen Augenblick sah man die Berge und die Burgen, die Rebenhügel, die Städte mit ihren ragenden Thürmen, die friedlichen Dörfer in TageShelle, bi- dann Alles wieder in'S Dunkel zurücksank, um alsbald in neuem Glanze da- Auge zu blenden. Auf die grünen Fluthen deS Rheine- zeichneten k»e Blitze unaufhörlich ihre Feoerlinien. Der schönen Nachc folgte ein thaufrischer Morgen, dessen Sona? die land schaftlichen Schönheiten deS Schwarzwaldes beleuchtete. Um 7 Uhr wurde in Singen, der letzten größeren Station, der Kaffee eingenommen und gegen 8 Uhr er reichte der Kaiser da- Ziel der Reise, Konstanz. Ueber den Gesundheitszustand deS deutschen Kron prinzen bringt die in London erscheinende medicinische Fachzeitung „British Medical Journal" folgende authen tische Mittheilung: Der hohe Patient geht seiner völligen Genesung entgegen. Seine Stimme hat viel an Stärke und Resonnanz gewonnen und ist beinahe völlig frei von Heiserkeit. Er kann dieselbe in gewöhnlicher Konversation ohne Ermüdung gebrauchen, darf jedoch, wie leicht begreiflich, dieselbe noch nicht sehr anstrengen, zumal noch immer eine leichte Kongestion deS Kehl kopfe- sich bemerkbar macht. Die Aktion der Stimm bänder ist jedoch gegenwärtig völlig wieder hergestellt, m,c Ausnahme deS linken BandeS, welches an der Stelle, wo der AuSwuchS war, eine kleine Unebenheit zeigt. Die Wiedererlangung der Stimme hat auf daS Gemüth deS Kronprinzen einen höchst günstigen Eindruck ge macht. Auch während seines Aufenthaltes auf der Insel Whigt wird vr. Mackenzie den hohen Herrn von Zeit zu Zeit besuchen. Die „TimeS" bricht in einem längeren Artikel eine Lanze für die in Londoner Geschäften angestellten deutschen HandlungskommiS, gegen welche, wie bereit gemeldet, seit einiger Zeit von verschiedenen Seiten heftig agitirt wird. DaS City-Blatt führt u. A. auS ! 90 Procent der englischen HandlungSbtfliffenen besitz,,, Feuilleton. Schatten! Kriminal-Novelle von N. I. Ander-. (4. Fortsetzung.) „Sie können", fuhr die Alte fort, „von F. auS nur auf diesem Wege hergekommen sein und müssen auch jenseits deS Busches den Wegweiser bemerkt haben, der die Straßen andeutet, die nach M. und D. führen." „So, so; mir war eS aber, als hätte ich gehört, als ob noch ein anderer Weg vom Bahnhofe auS nach M. führt" „Freilich", erwiederte die Alte, „giebt eS noch einen solchen Weg, derselbe ist aber sehr weit um und wird nur der schönen Aussicht halber mitunter von Fremden benutzt, die unsere Gegend besuchen. Er führt etwa eine viertel Meile auf W. zu, wendet sich dann und mündet schließlich in den Fußsteig, den Sie hier sehen und den ich ebenfalls jetzt einschlagen muß. Sehen Sie dort die einsame Pappel?" — sie deutete auf eine Stelle, an der sich mitten auf freiem Felde ein Baum erhob — „dort mündet der Weg, der vom Bahnhofe zunächst auf W. und dann nach M. führt, in diesen Fußsteig." Ein laute- „Ah" entrang sich den Lippen de- Fremden. „Nun muß ich aber eilen", sprach die Alte, „ich habe schon zu viel versäumt und will auch außerdem für meine kranke Enkelin eine Erquickung auS M. mit- bringev, denn in unserm armseligen Dorfe ist dergleichen nicht zu haben." „Sie haben eine kranke Enkelin zu HauS? warf der Herr fragend ein. „Leider", entgegnete die Alte „und wenn Sie auS unserer Gegend wären, mein Herr, müßten Sie davon wissen, denn die Krankheit meiner kleinen Anna hat so viel von sich reden gemacht, daß selbst schon vornehme Aerzte bei unS waren, um das Kind zu sehen. Einer war sogar ein Herr Professor", fügte sie mit Stolz hinzu. „DaS müssen Sie mir erzählen, Frauchen", bat der Herr. „Ich bin auch Arzt und habe ein lebhafteres Interesse daran, als Eie vielleicht glauben. CS könnte ja auch sein, daß ich dem Kinde helfen kann. Vorerst aber wollen Sie gestatten, daß ich Ihnen für Ihre Ver- säumniß eine kleine Entschädigung biete." Er zog daS Portefeuille, öffnete eS und hielt der Frau einen Zehnthalerschein hin. Al- die alte Frau den Zehnthalerschein erblickte, machte dieselbe eine abwehrende Bewegung und der Herr fuhr in seiner Red« fort: „ES soll daS nicht für Sie s«in; betrachten Sie eS als ein Geschenk für die Kleine, die so schwer gelitten hat, oder wenn Eie wollen, alS ein Honorar für die Erzählung aller Umstände, die da- Entstehen der Krankheit begleiteten. Ein junger Arzt hat an jeder Krankheit ein doppeltes Interesse; deshalb bitte ich, verschweigen Eie mir nicht-, waS Eie davon wissen. Zeit haben Sie ja, denn M. würden Eie jetzt doch nicht mehr erreichen und da ich die Schuld trage, bin ich auch gern bereit, waS nicht mehr alS billig ist, Ihnen den Schaden für die verlorenen Arbeitstage zu ersetzen." „O, Sie haben mich ja schon so reich beschenkt, mein Herr, daß ich «S gar nicht angenommen hätte, wenn daS Geld mich nicht in den Stand setzen würde, meiner kleinen Anna eine bessere Pflege angedeihen zu lassen. Also hören Sie: ES waren gestern gerade vier Wochen, da ich verhindert, selbst nach M. zu gehen und Anna, die den Weg mit mir wohl hundert Mal zurück gelegt hat, wurde von meinem Sohne, ihrem Vater, be auftragt, abzuliefern. Diel wiegen die Spielsachen nicht und so konnten wir sie getrost schicken, um so mehr, da dem Kinde, daS meist in der Stube mit dem Be malen der Sachen beschäftigt ist, der Weg und tte frische Luft gut thun. Sie war bi- an diese- Gebüsch gekommen, daS heißt bi- an die andere Seite desselben, welche an die Landstraße grenzt Warm war eS auch und so wollte die Kleine im Schatten am Rande deS Gebüsche- sich eine Weile von dem anstrengenden Marsche erholen. Sie nahm den Tragkorb ab, setzte sich nieder und betrachtete noch einmal mit kindlicher Freude die bunt bemalten Thiere und Vögelchen, die in demselben sich befanden und zu deren Herstellung sie selbst geholfen hatte. Da plötzlich tauchte vor ihren Augen der riesige Schatten eine- Manne- auf, der bald verschwand, bald wieder zurückkehrte. Laut schreiend bedeckte da- Kind da- Gesicht mit den Händchen. AlS eS dieselben wieder entfernte, sah eS den Schatten noch auf den Hügeln jenseits deS Gebüsches und nun eilte eS, wie Espenlaub zitternd, mit solcher Hast nach dem Dorfe zurück, daß eS selbst vergaß, den Tragkorb mitzunehmen. Nur unzu sammenhängend konnte eS erzählen, waS ihm unterwegs passirt war und verfiel noch an demselben Tage in ein hitziges Fieber, so daß wir vierzehn Tage hindurch um sein Leben besorgt waren. Während der Krankheit sprach eS oft in seinen Phantasieen von einem großen, schwarzen