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Ausaabe L und 8 Nummer 138 — 31. Jahrgang er,q,Inl «mal wk»n. mit wuslr. «raNSbetlag«» »Helma« und Well' imd der Mnderdellag, »gvr unlre Nelnen Leut«', sowie den rextbellagen »Unlerhallimc, und »Issen' »Die praNIIch« Haut- lau', »rad au>« Vuch' Monalllcker ivezug-pr«!» «uSgabe N mit St.-Benno-BIatt 2,70 Nurgabe 0 ohne St.-Benno-Blatt « 2.20 klnjeliinmmer 1U 4 Sonnabend- u. Sonntagnummer «V Haupttitzriltleller Dr. iS. D«»«»»», Dresden. M Sonntag, -en 12. Iunt 1932 B«,laa»or«, Dresden W W Die laelpallene PeN,,ei!e W nu,ei„c" u.SIelieuaeiuche 2« z. Die peit,reUa>ne,kiIe -summ. WW breit, t ^llr Nn,einen außerhalb des Verbreituna ?aed eie» W W W W W 4» 1. diepeiiireNamezeile ,.!1N^. Brieiaeb.iwz. AmgaNi höherer Gewalt erlischt lede jlerpslichtnna iowie Lrlilllunn Stnzetn'u - - «elchSIlitcher Dell: iS. Winket, Dresden, voiksseiluna iSeschSftSftelle, Druck und «Verlag! Germania, Buchdnickrret und «erlag VreSden-ii. l, poUerjtr. 17. flernnti 21012. poltichelkkonlo Dresden 1020. Bant- lonto Stadtbank Dresden Nr. 01707. Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen VolkSzettnua VreSden-kUtstadt 1. Polierstratze 17. gernrni 20711 und LI 012. Wasser in -en Wein Reinen Wein dem deutschen Volke einzuschenken, hat die gegenwärtige Reichsregierung von Anfang an als eine ihrer wichtigsten Aufgaben bezeichnet. Das deutsche Volk sollte die Bilanz des letzten Jahrzehnts kennen ler nen, besser, als frühere Regierungen das ermöglicht hat ten. Als den Beginn des großen Umschwungs hat die Presse der Rechtsopposition das neue Kabinett gefeiert. Wir sind vom Anfang an dafür eingetreten, das Ka binett Schleicher—v. Eayl nicht nach Personen, sondern nach seinen Taten zu beurteilen. Die Vor gänge der letzten Tage werden manchen, der vielleicht zunächst den Sturz des Kabinetts Brüning begrüßt hat, doch nachdenklich gestimmt haben. In den schäumenden Wein der ersten Begeisterung ist inzwischen reichlich Wasser gegossen worden. Und bis zum AI. Juli, an dem das deutsche Volk seinen neuen Reichstag wählen soll, dürfte die Ernüchterung weitere Fortschritte ma chen. Neue Steuern — trotz Brünings Sturz. „Nun kommt die neue Notverordnung nicht!" das war der Freudenruf, mit dem so mancher den Sturz Brü nings begrüßt hat. Menschlich begreiflich war diese Freu de. Man hoffte darauf, daß nun Krisensteuer und Vür- gersteuer nicht verlängert werden würden. Vor allem, daß die angekiindigte B e s ch ä f t i g u n g s st e u e r nicht Wirklichkeit zu werden brauchte. Nach so vielen Minde rungen des Einkommens war die Hoffnung verständlich, daß weitere Minderungen nun unterbleiben würden. Kroße Zeitungen Sachsens stellten mit erhobenem Zeige finger fest, daß es Brünings entscheidender „psychologi scher Fehler" gewesen sei, noch einmal solche Opfer vom Volke zu verlangen. „Strengste Sparsamkeit, Vermeidung neuer Steu ern" — das war zunächst die Parole der neuen Männer. Alle Ressorts wurden zu neuen Abstrichen aufgefordert. Schon hofften viele, die drohende neue Steuerwelle wäre tatsächlich mit dem Kabinett Brüning unter dem Hori zonte versunken. — Aber dann wurde man unsicher. Zu nächst hieß es, Bürgersteuer und Krisensteuer würden doch wohl zunächst bleiben müssen. „Damit die Zahlungen der nächsten Tage und Wochen zur Aufrechterhaltung des staatlichen Apparates geleistet werden können, ist die Ne gierung gezwungen, einen Teil der von der alten Regierung geplanten Notmaßnahmen zu erlassen". So hieß es vor acht Tagen in der Regierungserklärung. Heute aber darf als sicher gelte«, daß die gleiche Last neuer Steuer«, die in Brünings Notverord nung vorgesehen war, auch durch die Notverordnung des Kabinetts v. Papen auf unsere Schultern gelegt werden wird. Auch die Beschäftigtensteuer wird kommen, und cs ist wirklich ein schwacher Trost, daß sie uns als „Steuer der Festbesoldeten" präsentiert werden wird. .WWW lIM MW«" Die programmreöe des Reichskanzlers vor dem deutschen Landwlrtschastsrat Berlin, 11. Juni. Der Deutsche L a n d w i r t s ch a f t s r a t ist heute zu seiner V o l l v e r sa m m l u n g zusammengctreten, in der er gleichzeitig sein KOjähriges Bestehen feiert. Nach einer Ansprache des Vorsitzenden Dr Dr. h. c. Brandes, der Reichs kanzler v. Papen, den Reichsministcr des Innern Freiherr» v. Kayl, den Reichsernährungsminister Dr. Frhrr. v. Braun, den Rcichwirtschaftsminlster Professor Warmbold sowie zahl reiche Vertreter der Reichs- und Staatsbehörden und Mitglieder der Parlamente begrüßte, nahm der Reichskanzler zu einer An sprache das Wort. Reichskanzler v. Papen führt« aus: In einer der entscheidungsvollsten Stunden der Nachkricgsentwickelung hat der Herr Reichspräsident mich zu dem neuen Amt berufe». Ich leg« 4vert darauf, zu b«toncn, daß die Bildung der neuen Regierung wenig zu tun hat mit dem gewohnten üblichen Lvechsel parlamentarischer Kabinette, son dern daß es sich hier um die Dokumentierung einer grundsätzlich neuen Richtung der Staatssührung — selbstverständlich im Rahmen der Rcichvversassung — handelt. Die unerhörte geistige und materielle Notlage des deutschen Volkes verlangt «in« Loslösung d«r Regierungsfiihrung aus den Fesseln parteipolitischen Denkens und parteipolitischer Dok trinen. Sie verlangt «ine Zusammenfassung aller Kräfte zur Wiedergeburt Deutschlands. Die Eesamtlage, die die Regie rung vorfindct, das ist, ich stell« es ausdrücklich fest, nicht die Schuld der letzten Regierung, die bemüht ge wesen i st, eine klar« Bilanz zu ziehen — ist aus allen Gebieten fast verzweifelt. Die private Wirtschaft jeder Art ist in einem Ausmaß zerstört, dessen Furchtbarkeit noch nicht entfernt erkannt ist. Die Wiederherstellung aber der wirt schaftlichen .finanziellen und nicht zuletzt der politischen Ord nung erfordert von der neuen Regierung ein sofortiges Anfas sen der grundlegenden Problem«, deren Lösung allen Volkskreisen zugleich schwere persönliche Opfer, Ent sagungen und Entbehrungen auserlegen wird. Diese Opfer sind nicht vertretbar, wenn es nicht gelingt, die dein deutschen Volke innewohnende ungeheure moralische Kraft osfenkundig auf das eine große gemeinsame Ziel zu len ken: Die Wiedergewinnung der inneren und äußeren Frei heit und die Le b c n s m ö gl i ch k c i t von Volk und Land. Demgemäß wird das Ziel dieser Regierung sein, ein« neue, einheitliche W i l le n s b i l d u n g der Nation herbeizusührcn. Di« Negierung ist der Ansicht, daß der neue Reichstag eine eindeutige Mehrheit für die Politik geistig-sitt licher Gesundung und wirtschaftlicher Neuordnung auf christ licher, nationaler und sozialer Grundlage erbringen muß. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang« ein Wort über die Auffassung der neuen Regierung von ihren sozialen Pflichten sagen: Wir sind der Ansicht, daß es versäumt worden ist, den Auf bau eines rein staatlichen Versicherungsschutzes feinem Um fange nach den wirtschaftlichen Möglichkeiten anzupassen, di« ein so verarmtes, wirtschaftlich darnicderliegendes Land im Augenblick noch hat. Es ist aber auch ein grundlegender Irrtum, daß der omnipotente unzxrsönlich>c Staat an die Stell« der persönlichen Verpflichtung des Arbeitgebers treten könne. Die Verantwortlichkeiten, die aus der gottgewollten organi schen Regelung der Dinge erwachsen, müssen wieder aufgerich tet, di« Verbundenheit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer wie der hergcstellt werden. Gewiß hat angesichts der Größe und des Umfanges der Notlage unseres Volkes auch der Staat klare Verpflichtungen zu sozialer Hilfe, und die Regierung wird es als ihre vor nehmste und ernsteste Pflicht betrachten, die dahingehende» Einrichtungen den notleidenden Volksgenossen auch über di« Krise hinweg zu erhalten. Darüber hinaus aber sieht sie den besten Weg sozialer Fürsorge in dem Bestreben, alles zu tun, um durch einen organischen Umbau der Wirtschaft die Fehler des kapitalistischen Snstems auszumerzen und den Volksgenossen Arbeit und Brot zu verschaffen. Wir sind mit dem Deutschen Landwirtschaslsrat ciniH in der Auffassung, daß eine gesunde Landwirtschaft und die Liebe zur Scholle die Vorbedingung nickit nur der materiellen Ernäh rung, sondern mehr noch der geistigen Erneuerung des Landes sind. Eine starke zielbewusste Agrarpolitik ist das Fundament jeder gesunden Entwickelung, di« in sorgsamer Abwägung den Interessen auch der anderen Berufsstände der Gesamtheit der deutschen Wirtschaft gerecht wird. Reichsminister Krhr. v. Braun entwickelte die Grundzüg« der künftigen Agrarpolitik der Reichsrcgicrung. Die Notlage in der Landwirtschaft, sagt« der Minister, fei allgemein. Nach der neuesten Verschuldungs erhebung der Rentenbankkrcditanstalt seien mehr als 12 Mil lionen Morgen landwirtschaftliche Nutzfläche zu mehr als WO Prozent des Einheitswertcs verschuldet. Wesentlich für die Ursachen der Vcrlustwirtschast in der ganzen Nachkriegszeit sei das Mißverhältnis zwiick>«n den Produktionskosten und den Einnahmen. Aus den Märkten für die landwirtschaftlichen Er zeugnisse mache sich durchweg die Verarmung unserer Bevölke rung bemerkbar. Infolge Kauskrastvcrringcrung hätten mir zu verzeichnen ein« Vedarssverminderung bei Weizen um min destens 10 Prozent, bei Milch um etwa 10 Prozent, bei Buller um 5 Prozent, bei Zucker um 13 bis 18 Proz., bei Bier um 10 Prozent und bei Branntwein um 7.1 Prozent. Somit werde das Arbcitsloscnproblem in hohem Maße auch ein agrarisches Problem — eine Absatzfrage. Der Minister ging sodann auf das Problem der Aut arkie ein und erklärte, daß selbstverständlich keine Rede da von sein könne, uns völlig von der 2Uelt loszulösen. Die Aut arkie sei kein Ziel, sie sei Schicksal. Und die Sozialpolitik? Gegen den „Wohlfahrtsstaat" haben in der Regierungserklärung sehr starke Worte gestanden. Sie sind vielfach dahin verstanden worden, daß die neue Negierung die Parole des sozialen Abbaus habe ausgeben wollen, der von gewissen Kreisen der deut schen Wirtschaft immer wieder gefordert worden ist. Wel chen anderen Sinn sollte die Wendung haben, daß durch den Wohlfahrtsstaat „die moralischen Kräfte der Nation geschwächt" worden seien? Jetzt aber läßt die Regierung beruhigend erklären, daß sie nicht daran denke, die sozia len Institutionen zu zerschlagen, sondern man werde diese noch mehr stärken, als bisher. Will man also die mora lischen Kräfte der Nation noch weiter schwächen? Die beruhigende Erklärung der Negierung besagt wohl unr, daß auch die gegenwärtige' Regierung sich der Erkenntnis nicht verschließt, daß ein Mindestmaß sozialer Fürsorge selbst bei schlechtester Lage der Staatssinanzcn ein Gebot der Selbsterhaltnng ist. Daß man trotzdem an eine Einschränkung der sozialen Ausgaben denkt, lassen die Meldungen über geplante Ab striche am Sozialetat erkennen. Abstriche — wenn auch nicht in solchem Uumfange — hatte auch Brüning vorge sehen. Merkwürdig ist nur, daß die Presse der Ncchts- opposition, die Brünings „unsoziale" Maßnahmen be kämpfte, dieselben Maßnahmen bei der Negierung v. Papen entschuldbar findet. Diese Abstriche am Sozialetat seinen „leider unvermeidbar"; die Negierung befinde sich in einer „Zwangslage". Die süddeutschen Minister präsidenten Held (Bayern), Schmitt (Ba den) und Bolz (Württem berg) werden am Sonntag. 12. Juni, 11 Uhr vormittags vom Reichspräsidenten in Sonderaudicnz empfangen. Auch die früheren deutschen Negierungen der Nach kriegszeit haben sich in dieser Hinsicht in einer Zwangs lage befunden. Nur, daß die Folgerungen, die sie aus solche» Lagen gezogen haben, weniger hart für die Masse der Notleidenden waren als jene, die die jetzige Negie rung offenbar zu ziehen gedenkt. Skorpione statt Ruten. Das 12. Kapitel des „Buches der Könige" im Alten Testament erzählt, wie nach dem Tode des Königs Sa- lomo die Aeltcsteu des Volkes zu seinem Sohne Neha- bcam kommen und ihm sagen: „Dein Vater hat unser Joch hart gemacht. Darum verschaffe du uns Erleichte rung." Nehabeam aber antwortet: „Mein Pater hat Euer Joch schwer gemacht, aber ich will cs noch schwerer machen, mein Pater hat Euch mit Nuten gezüchtigt, ich will Euch mit Skorpionen geißeln!" — Wer die Pläne des neuen Rcichskabinetts hinsichtlich der Ausgleichung des Staatshaushalts hört, wird leicht an diese Stelle der Heiligen Schrift erinnert. Nicht weniger Steuern als in der Notverordnung Brünings vorgesehen waren, werden wir zahlen, dafür aber werden die Abstriche auf sozia lem Gebiet noch härtere sein. Bis zum Wahltag ist noch eine lange Zeit. Noch manche Gelegenheit zu Taten wird die Regierung in die sem Zeitraum haben. Taten, nach denen man sie, ihrem eigenen Wunsche entsprechend, beurteilen soll. Vergebens wird die „nationale Opposition" sich von der Verantwortung für die Taten dieser Regierung zu entlasten versuchen. Der Wortlaut des Auslösungsdekrets