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Schönburger LmMM und Waldenburger Anzeiger Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Dienstag, den 28. December 1880 ^§302 stellungen an. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. —— Der Abonnementspreis betrüg: vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colportsurs dieses Blattes nehmen Be- Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nachster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. Bekanntmachung, Die hiesige Sparkasse bleibt wegen des Rechnungsabschlusses vom 1. bis mit 21. Januar 1881 gänzlich geschlossen und werden während dieser Zeit weder Einlagen ange nommen, noch Rückzahlungen bewirkt werden. Fürstliche Sparkasse Waldenburg, am 2. December 1880. Nebel. "Waldenburg, 27. December 1880. Ein wahres Wort. In der Industrie-Ausstellung zu Philadelphia mußte die deutsche Industrie mit den traurigen Prädicaten „billig und schlecht" sich zurückziehen. Daß wir nicht fähig wären, etwas zu leisten, wird Niemand behaupten wollen und können, die Sache muß einen anderen Grund haben und eine kürzlich in Berlin abgehaltene Schuhmacheroersammlung kam der Sache schon näher auf den Trichter, indem sie sich dahin äußerte, die Schuhwaaren-Bazare mit ihren billigen Waaren und Hungerlöhnen brachten das Geschäft auf den Hund. Daß diese Bazare hauptsächlich von unproducliven Orientalen etablirt werden, brauchen wir wohl nicht erst noch zu be merken. In dieser Beziehung, nämlich in der Verschlech terung unserer Industrie, äußern sich die „Dr. N." ,n sehr wahren Worten, die wir nachstehend folgen lassen. Sie lauten: Es hat sich h-rausgestellt, daß das Publikum all mählich anfängt, sich des Kaufes von Ramschwaaren zu enthalten. Jene Artikel, die einmal ein Aesthetiker bezeichnend genug „patent-schofel" nannte, die hübsch aussehen und doch dem Teufel Nichts taugen, sangen in der allgemeinen Werthschätzung an zu sinken. Aber wie langsam geht dieser vernünftige Prozeß vor sich. Zu lief sitzen uns noch die alten schlechten Gewohnheiten. Zu welchen Geschäften drängle sich die letzten Wochen am gierigsten das Publikum? Am vollsten waren noch immer die Kaden, wo man Kleiderstoffe verkauft aus zerzupften Lumpen, die eine moderne Wolle darstellen, Hüte aus zerfaserten und zu Filz gepreßten Hadern, Seidenbänder aus appretirler Shoddy, Leinwäsche aus zundrigem Shirting, Möbeln aus lackirtem, grünen, ungelagerten Holze, Farbenkästen mit uuver- malbaren Farben, Reißzeuge mit schlefmäuligen Zirkeln, Lederwaaren aus nichtsnutzigen Surrogaten, Polsterstühle mit Hobelspänen und Papierschni-eln gefüllt, Jamaica-Rum aus Kartoffelträbern u. s. w. Alle diese und unzählige andere Gegenstände, eigens zum Betrug desPublikums angefertigt, durch elegantes Aeußere auf die Täuschung berechnet und durch das Lockmittel billigster Preise angepriesen, gelten noch immer Tausenden begehrenswerther als jene Erzeug nisse, die bei ehrlicher Arbeit und ehrlichem Handel unmöglich so billig sein können. Natürlich ärgert sich der Käufer, wenn sein Ueberzieher nach wenigen Monaten schäbig wird und reißl, wenn die leuchten den Farben von Band und Kleid rasch verbleichen, die Möbel Riffe und Sprünge zeigen und aus den Fugen gehen und ein garstiges Kopfweh dem Sylvesterpunsche aus schlechtem Rum folgt. Aber was thut's? Das nächste Mal geht er doch wieder in jene Geschäfte zu kaufen. Durch jene uns Deutschen erst künstlich eingeimpfte Neigung zum Billigen und Schlechten ziehen wir den Schwindel und die Aus beutung von selbst am meisten groß. Die Ehrlichkeit verzweifelt zuletzt, wenn sie nicht ihre Rechnung findet. Wen nicht das eigene Pflicht gefühl und die Rücksicht auf die allgemeine Moral abhält, durch Einkäufe solche unredliche Geschäfts leute zu unterstützen, der sollte sich doch durch den eignen Vortheil belehren lassen. Man überlheuert sich selbst mit solchem unsinnigen Beginnen. Wird man denn nicht einmal durch Schaden klug? Wenn das heurige Weihnachtsgeschäft wenigstens den An fang jener Erkenntniß gebracht, daß der scheinbare billige, hübsch aussehende Schund in Wahrheit das Theuerste und Verderblichste ist, so darf der deutsche Gewerbfleiß wieder Muth fassen und hoffnungs voller in die Zukunft schauen. "Waldenburg, 27. December 1880. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Die Wehrsteuervorlage, welche dem Bundes- rathe schon in der vorigen Session übergeben wor den war und daselbst an die betreffenden Ausschüsse verwiesen ward, ist nunmehr von den Ausschüssen durchberathen und (abgesehen von wenigen Movifi- cationen) angenommen worden. Demnächst wird also dieser Steuerentwurf an das Plenum des Bundesraths gelangen. Die politische Rede, welche der Statthalter von Manteuffel am 6. December gehalten, hat, wie die „Els.-Lothr. Ztg." bemerkt, die ausdrückliche Zu stimmung und Anerkennung des Kaisers in einem besonderen Schreiben Sr. Maj. gefunden. Der Ausschuß des deutsch-israelitischen Ge meinde-Bundes hat, laut der „Dresd. Ztg.", eine Erklärung veröffentlicht, in welcher er auf an ihn gerichtete Wünsche seine Anschauungen über die Frage: „Wie Hal sich der Jude der antisemitischen Bewe gung gegenüber zu verhalten?" mittheilt. Er giebt den' Juden unter anderem folgende beherzigens- werthe Mahnung: „Den Juden, dessen Heilige Schrift die Grundlage der Sittenlehrc aller gebilde ten Völker geworden, dessen Religionsschriften, wie namentlich die talmudischen „Sprüche der Väter", Vorschriften tiefster Moral und innigster Menschen liebe Allen gegenüber enthalten: können und dürfen auch die schmerzlichsten Erfahrungen nicht von streng ster Einhaltung dieser Grundsätze abführen. Vor allem bewahre er den uralten Satz aus den „Sprü chen der Väter": „Liebe die Arbeit, Haffe die Herrsch sucht", in Pflege, Förderung und Unterstützung jü discher Hanowerker und Arbeitnehmer, in tüchtiger Selbstthätigkeil, in Aechtung unsauberen Gewinnes und in Unterlassung aller widerwärtigen Selbst überhebung, Verdrängung und Prahlerei. „Wer den altjüdischen Grundsatz strengster Ehrlichkeit und Gewissenhaftigkeit in Handel und Wandel gegen Jedermann ohne Unterschied des Glaubens übertritt, wer wider Treu und Glauben handelt, wer lügt und betrügt — begeht die in jüdischen Kreisen so verpönte Sünde der „Entweihung des göttlichen Na mens" — ist also kein echter und rechter Jude. — Mit denjenigen, die so gegen Treue und Wahrhaf tigkeit handeln, soll kein Jude gesellschaftlich und geschäftlich verkehren; denn sie geben dem Judenhaß fortwährend neue Nahrung. Halten wir treue Freund schaft mit bewährten christlichen Freunden, aber mei den wir leichtfertigen, leichtsinnigen Umgang; meiden wir die gesellschaftliche Berührung mit Judenfeinden; beschränken wir uns nicht auf den Umgang mit Glaubensgenossen, aber weichen wir ihm auch nicht aus. Sondern wir uns nicht nach äußeren zufäl ligen Verhältnissen ab; suchen wir Bildung, Beleh rung, Aufkärung zu fördern, zunächst und vorzugs weise in den Kreisen der Glaubensgenossen. Seien wir nicht allzu empfindlich gegen Aeußerungen der Abneigung wider Juden und Judenlhum, sie sind leider in sehr vielen, auch wohlmeinenden Kreisen angeboren und anerzogen. Hüten wir uns aber vor Zudringlichkeit auch in geselliger Beziehung. Man soll uns aufsuchen. Meiden wir jeden Con- flict, gehen wir jeder Auseinandersetzung mit Hetzern sorglich aus dem Wege. Nur in unvermeidlichen Fällen und böswilligen Gegnern gegenüber wollen wir ernst und entschieden antworten, aber auch da jede Beleidigung, jede Thätlichkeit, jeden Gewalt- schrilt meiden. Schimpfworte beweisen nur die Unbildung ihres Urhebers. Duelle, diese traurigen Ueberbleibsel mittelalterlichen Aberglaubens an Gottes gerichte und Ordalien, sind nicht blos gesetzlich, auch sittlich und religiös verwerflich. Wer ihnen aus weicht und sie ablehnt, ist nicht feig. „Vor allem, ihr Schriftkundigen, seid vorsichtig in euren Wor ten." Auch dieser alte Väterspruch bleibt ewig neu. Unterlaßt jede unkluge, nutzlose Erörterung, vor allem jede spöttische, höhnende Aeußerung über Andersgläubige, über anderer Glauben, ja über euren eigenen. Nicht in Frivolität und Witzen, nur in Wahrheit und Klarheit zeigt sich wahre Bildung. „Heil dem Manne, der nie saß, wo Spötter sitzen," heißt es im ersten Psalm. Seien und bleiben wir treue Deutsche, opferwillige Söhne unserer Vater stadt, unserer Heimath. „Ihr Wohl ist unser Wohl." Keiner jage nach Ehrenämtern; jeder wirke vielmehr so rechtschaffen und gemeinnützig, daß ihm das Vertrauen seiner Mitbürger zufällt. Sehen wir in der gegenwärtigen, so schmerzlich uns be rührenden Bewegung einen Wink der Vorsehung, an unserer Selbstveredelung mehr noch als bisher zu arbeiten." Schweiz. Die Schweiz hat Pech. Der für das Jahr 1881 zum Bundespräsidenten gewählte Bundesrath Ander wert erschoß sich am 25. d. abends. England. Der Oberbefehlshaber der englischen Truppen in Natal meldet aus Durban: Der Regimentsstab und 250 Mann des 94. Regiments, das sich auf dem Marsche nach Pretoria befand, sind von den Boers angegriffen und über den Haufen geworfen worden: 120 Mann wurden gelödtel, der Rest wurde zu Gefangenen gemacht. Der Oberbefehls haber fordert die unverzügliche Absendung eines Regiments Kavallerie und bemerkt, die Niederlage der englischen Truppen, welche die Boers ermulhige, werde die ganze Lage materiell ändern. Der Herzog v. Leicester, einer der reichsten irischen Grundbesitzer, empfing am Sonnabend eine Deputation seiner Pächter, welche ihm die Schwie rigkeit vor Augen führte, mit denen der Betrieb der Landwirlhschaft zu kämpfen habe, und ihn um eine Herabsetzung des Pachtzinses auf die Regie rungsabschätzung ersuchte. Der Herzog erwiderte, er könne dies nicht thun, theilte aber später der Deputation brieflich mit, daß ein Abzug von 20pCt. daß äußerste sei, was er bewilligen könne. Ein großes Landmeeting wurde am Sonntag in Mulligar abgehalten, dem etwa 10,000 Per sonen, die mit wehenden Bannern und klingendem Spiele in geschlossener Ordnung in die Stadt ein gezogen waren, beiwohnten. Der Home-Rule-Ab geordnete Sullivan, einer der in Anklagezustand