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Fernsprecher Wilsdruff N.. 6 Wochmblaik fÜl Wlls-sUff UN- ^MgMNd P-Mcheckkonto Dresden 2640 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts -u Wilsdruff, des Stadtrat« zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. Verl««« »d DrxAer: Arthur Zschenke in Wilsdruff, VcranNvortticher SchriMeiter: Hermann Lässig, für de« Inseratenteil: «rthnr Zschn«ke, beide 1» wtladrnA Dienstag de« 22. August 1922. Rr. 195 81. Jahrgang «iettt« Zcilung für eilige Leser. * Am Montag beginnen die Verhandlungen der Abgesandten der Reparationskommission mit der Regierung in Berlin. * Reichspräsident Ebert hat im Anschluß an seinen Auf enthalt in Hamburg auch die Stadt Altona besucht. * Zwischen der Reichsregierung und den Spitzenorganisatio nen ist eine Einigung erzielt worden, wonach die Gesamt bezüge der Beamten um etwa 38 Prozent und die Arbeiter stundenlohne um 11—12 Mark erhöht werden. * Die bayerischen Minister Schweyer und Gürtner haben in Berlin mit dem Reichskanzler Rücksprache wegen der Einzel- beiteu des Berliner Protokolls über die bayerische Frage ge nommen. * Der Student Mariens führte in der Rhön einen Flug von mehr als einstüniuger Dauer in einem motorlosen Segelflug zeug aus. * Die österreichische Negierung ist wegen ihrer unhaltbaren Finanzlage in einen Meinungsaustausch mit den Regierungen in Berlin, Prag und Rom eingetreten. Folgen der Markkatastrophe. über die fast unvermeidbaren Folgen, welche die bisher unerhörte Entwertung der deutschen Mark für unser Volk und unsere Wirtschaft in unmittelbare Nähe gerückt hat, wird uns von be sonderer Seite geschrieben: Man hatte von der Konferenz in London wirtschaftlich nicht viel erwartet. Ein kurzes Moratorium war noch die einzige, die letzte Aussicht geblieben, und daran klammer ten sich alle Hoffnungen. Daß auch diese Erwartung ent täuscht wurde, rief die furchtbare Panik an der Börse her vor, die den Dollar über 1200 Mark Hochgetrieben hat. Beides, die Hoffnung auf eine günstige Wirkung eines Mo ratoriums wie auch die Flucht vor der Mark, nachdem wie der alles in der Schwebe geblieben ist, haben keine wirt schaftlichen, sondern ausschließlich psychologische Ursachen. Es ist die Furcht vor dem Ungewissen, die schwerere Schä den erzeugt als selbst die Kenntnis der ungünstigsten Wirk lichkeit. Deshalb ist auch eine Berechnung der wirtschaft lichen Folgen durchaus unsicher, weil niemand weiß, welche politischen Schachzüge die Wirtschaft beeinflusse» werden. Der'Bruch der Entente ist vielleicht nur scheinbar und die Bedrohung Deutschlands, welche die Markkatastrophe erklären soll, möglicherweise vorübergehend. Selbst wenn Frankreich allein vorgeht und selbst wenn es sich an deut schem Privateigentum vergreist, hat das volkswirtschaftlich lange nicht die Bedeutung, die die Schwarzseherei der Börse rechtfertigen würde, die Mark bis fast auf nichts herabzusenken. Gerade der neue Marksturz ist begleitet von einer Kurssteigerung der Effekten, die zwar ohnehin noch weit zurückgeblieben sind, aber einen aus wirtschaftlichen Gründen entstehenden Markrückgang, wie die letzten Monate gezeigt haben, nicht mit gleicher Neigung zu eigener Kursbesserung beantworten. Die Lage ist ernst, denn die Kurssprünge der letzten Tage müssen unzweifel haft zu chaotischen Zuständen führen, da sie den Bedarf an Zahlungsmitteln so plötzlich und stark in die Höhe trei ben, daß alle Bemühungen zwecklos geworden sind, die schwebende Schuld des Reiches festzulegen. Die Preiswelle, die sich überstürzt und geradezu schreck hafte Zustände zeitigt und das Volk in die äußerste Not zu versetzen droht, könnte nur durch eine ungeheure neue Notenausgabe etwas abgemildert werden. Nicht nur daß die Erfüllungspolitik zusammengebrochen ist, die ganze Finanzpolitik des Reiches, die darauf ausging, durch denk bar sparsame und beschränkte Notenausgaben den Mark kurs zu stützen und eine Stabilisierung zu ermöglichen, ist dem neuen Ansturm gegenüber gar nicht mehr ausrechtzu erhalten. Kapitalknappheit und Kreditnot hatten bereits einen Grad erreicht, der einfach unerträglich geworden ist, stehen doch einem normalen Zahlungsmittelmnlauf von 6 Goldmilliarden, den die deutsche Volkswirtschaft braucht, gegenwärtig nur 840 Millionen Goldmark gegenüber, was zwangsläufig eine Niederhaltung des inländischen Geld umlaufes bedeutet, der einzig und allein fremden Valuten zugute kommt, während die Verarmung in Deutschland auch bei den günstigsten Sachwertbesitzern riesige Fort schritte macht. Eine Lebensmöglichkeit kann nur dadurch erhalten werden, daß die Entwertung des Geldes durch die Menge neuer Noten in ihrer inneren Wirkung abge schwächt wird. Das aber ist das Ende, daß Deutschland sich bewußt auf die Katastrophe und weitere Verschlimmerung ein stellen muß, weil die bisherige Annahme, die Politik der Vernunft würde die Oberhand gewinnen, zum bösen Er wachen geführt hat. Von den französischen Maßnahmen wird es abhängen, wie lange die Regierung noch die be scheidenen selbst angebotenen Summen für die Ausgleichs zahlungen besorgen kann, aber auch, wie lange noch dir deutsche Industrie sich mit Devisen und dadurch mit frem den Rohstoffen versorgen kann. Wenn man damit ge rechnet hatte, daß eine Wendung zum Bessern über die snnere W irtschuftskrise führt, so muß man sich letzt darauf gefaßt machen, daß die Wirtschaftskrise aus de« Man«el an Kaufkrafj herauswächst, daß ße hereinbricht, ohne daß auch nur der Schein eines Aus weges übrig bleibt. * Regierungswarnung vor Nervosität. Die Reichsregierung steht auf dem Standpunkt, daß die gegenwärtige außerordentlich starke Devisenhausse kei nerlei sachliche Begründung hat. Die Reichs regierung kommt als Devisenkäuferin jetzt und für abseh bare Zeit nicht in Frage. Die Ausgleichszahlungen sind für vier Wochen gestundet, die Devisenzahlungen in der Schwebe. Die Befürchtung wegen der bevorstehenden fran zösischen Maßnahmen scheint durchaus übertrieben. Die Reichsregierung warnt deshalb eindringlich vor einer übertriebenen Nervosität. Die nezre MparaiionspMik. Verhandl u n gen statt Forderunge n. v. Die Unmöglichkeit, innerhalb der Entente und ihres ausführenden Organs, der Neparattonskommission, zu einem alle Teile befriedigenden Beschluß zu kommen, hat eine gewisse Änderung in den in Paris beliebten Metho den herbeigeführt. Man will erst mit uns noch einmal ver handeln, ehe man Dinge beschließt, deren Unmöglichkeit man von vornherein genau kennt. Bradbury und Mauclere werden am Montag in Berlin eintreffen und man hofft hier, die Herren davon überzeugen zu können, daß Deutschland zunächst seine Finanzen in Ordnung bringen muß, ehe es zahlungsfähig ist. Die zurzeit an der Börse herrschende starke Devisenhausse ist deshalb eigentlich un verständlich und in den politischen Verhältnissen sicher nicht begründet. Poincarö läßt allerdings immer noch erklären, daß er Vorschläge von Deutschland, die nicht seinen Forderungen nach produktiven Pfändern Rechnung tragen, ohne weiteres ablehne. Der Wiederherstellungs- Ausschuß wird prüfen, über welches Bankguthaben Deutschland verfüge. In französischen Kreisen wird neuer dings betont, daß die deutsche Negierung über eine Gold reserve von 1 Milliarde Mark verfügt und daß sie ver pflichtet werde» solle, diese den Alliierten zur Verfügung zu stellen. Die Mitglieder der Kommission hoffen, daß die deutsche Regierung gutwillig die Pfänder geben werde, ohne welche die französische Regierung dem Moratorium nicht zufttmmen zu können glaubt. Man rechnet damit, daß die Berliner Verhandlungen etwa eine Woche in Anspruch nehmen, so daß die definitive Entscheidung der Re parationskommission sicherlich nicht vor Ende des Monats zu erwarten ist. Der Reichspräsident in Hamburg. Der internationale Wirtschaftskongreß. r. Hamburg, 19. August. Der bedeutsamste Vortrag, der auf dem im Rahmen der liberseewoche veranstalteten Wirtschastskongreß gehalten wurde, war der des Amerikaners Prof. Coar über Amerika und der Wiederaufbau. Der Vortragende riet den europäischen Völkern, sich von dem Gedanken frei zu machen, in Amerika immer nur den Goldonkel zu sehen. Ehe Amerika helfen würde, müsse cs erst innerlich von der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit seiner Hilfe überzeugt sein. Zwei Hindernisse feien in dieser Hinstcyr zu überwinden. Das erste sei die in Amerika noch immer vor herrschende Furcht, daß Deutschland später einmal einen Rache krieg gegen Frankreich beginnen könne, und zweitens die un geheuerliche Überschätzung der deutschen Zahlungsfähigkeit, die in der Reparationspolitik zum Ausdruck komme. Für die Lösung der Friedenspvodleme sieht Prof. Coar nur einen Weg. Die amerikanischen Großindustriellen sollten die europäischen einladen, an Hand der realen Wirtschaftstatsachen in einer ge meinsamen unpolitischen Konferenz neue Ausgleichsbedingun gen aufzustellen. Die Begrüßung durch die Hamburger. Der Reichspräsident unternahm dann eine Rundfahrt durch den Hamburger Hafen. Die Gebäude am Hafen hatten reichen Flaggenschmuck angelegt, ebenso hatten die im Hasen liegenden Schiffe über die Toppen geflaggt. Abends nach Schluß der offiziellen Veranstaltungen kam es vor dem Hause des Bürger meisters Dr. Diestel zu machtvollen Kundgebungen für den Reichspräsidenten. Ein Zug von über 1000 Fackelträ gern, dem sich viele Tausende angeschlossen hatten, zog an dem Hanse vorüber. Auf eine kurze Ansprache aus der Menge, die in ein Hoch auf die Republik und den Reichspräsidenten ausklang, erwiderte der Reichspräsident mit Worten des Dankes. In dieser Kundgebung sehe er den unerschüt terlichen Willen, die Arbeit -der Regierung im Sinne politischer und wirtschaftlicher Erneuerung der Republik zu unterstützen. Pflicht jedes Deutschen sei es, mitMvirlcn an den großen Aus gaben der Nation. Die Wahrheit ins Ausland! Im Anschluß an diese Kundgebung fand eine Zusammen- kunst im Hamburger ttbersceklub statt, bei der Reichsminister Dr. Köster eine höchst bedeutsame Rede hielt. »Es gibt,' so sagte er, »einen unsichtbaren Exportartikel, von dem ich wünsch«, daß die Hamburger ihn mit derselben Rührigkeit hinaustragen, mit der sie ihre Ware in alle Wett hinarlssühren, das ist die Wahrheit über Deutsch land. Wurch dasselbe Lor, durch Das die weltwirtschaft lichen Ideen hinausdringen, wollen wir jene furchtbaren Wahrheiten hinansbringen, von denen in der Welt noch immer nichts bekannt ist: Die Wahrheit über den Rcchts- bruch, der die schwarz auf weiß unterschriebenen t4 Punkte bewußt verletzt hat, die Wahrheit über den Spott, der mit dem heiligen Gut der Selbstb estimmung getrieben worden ist, die Wahrheit ferner über den Dilettantismus, mit dem mau neue Grenzen gezogen hat, gleichwie Kinder im Sande Striche ziehen, und die Wahrheit über den Unsinn, daß man uns Millionen über Millionen abzwingcn will, wahrend man nns zwingt, Milliarden über Milliarden in die unproduktiven Kosten der Besatzung im Rheinland hineinzu- stecken." Dem Reichspräsidenten wurden sowohl bei der Anfahrt als auch bei der Abfahrt von dem nach vielen Tausenden zäh lenden Publikum stürmische Kundgebungen dargcbracht. Am nächsten Morgen fuhr der Präsident nach Altona, wo er auf die Begrüßungsansprache des Oberbürgermeisters n. a. er widerte: Mit dem Verluste unserer Handelsflotte hat ein großer Teil der seemännischen Bevölkerung Arbeit und Existenz ver loren. Eine um so größere Freuds ist cs mir, seststelleu zu können, daß deutsche Schaffenskraft und Ausdauer dieser Schwierigkeiten Herr zu werden suchen, und daß die kernige Bevölkerung Hier an der Elbmündung auch des alten Wortes „Schiffahrt tut not" eingedenk geblieben ist. Wie die deutschen Hafenstädte mit dem Falle des Reiches besonders schwer ge litten haben, so werden sie auch in demselben Maße zn neuer Blüte sich erheben, wio Deutschland sich kräftigt und wirtschaft lich erstarkt. Neuregelung -er Strafgerichte. Kleines und Großes Schöffengericht. In einigen Wochen wird der Entwurf des neuen Strafgesetzbuches fertiggestellt und veröffentlicht werden. Der Entwurf des Gesetzes zur Neuordnung der Strafgerichte liegt bereits dem Reichsrat vor. Das wesentlichste Ziel dieser Neuordnung ist, an die Stelle der nur mit beamteten Richtern besetzten Straf kammer einen Gerichtshof zu setzen, der aus Richtern und Laien gemeinsam gebildet wird. Zugleich soll dem Mangel einer Berufung in den gegenwärtig von den Strafkammern abgeurteilten Strafsachen abgeholfen und die Mitwirkung von Laien-Richtern in den Berufungs gerichten gesichert werden. Mit Ausnahme der Reichs gerichtssachen werden in Zukunft in allen Strafsachen in erster Instanz nnd in der Berufungsinstanz Laien entschei den oder mitentscheiden. In der ersten Instanz entscheiden künftig Kleines Schöffengericht, Großes Schöffengericht oder Schwurgericht. Das Kleine Schöffengericht — ein Vorsitzender Richter und zwei Schöffen — hat im wesentlichen die Zuständigkeit der bisherigen Schöffengerichte; das Große Schöffengericht — zwei Amtsrichter ynd drei Schöffen — die Zuständigkeit der bisherigen Strafkammer. Die Berufung gegen die Urteile der Schöffengerichte geht stets an Die Strafkammer. Die Strafkammer wird in Zukunft mit zwei beamteten Richtern und drei Schöffen besetzt sein, also ebenso wie das Große Schöffengericht. Die Revision geht, wenn in erster Instanz das Große Schöffengericht entschieden hat, an das Reichsgericht, wenn in erster Instanz das Kleine Schöffen gericht entschieden hat, an das Oberlandesgericht. Die Schwurgerichte behält der Entwurf bei. Ihrem Zu ständigkeitsbereich entzogen und dem Großen Schöffen- richt zugewiesen sind gewinnsüchtige Fälschung einer öffent lichen Urkunde, Amtsunterschlagung, betrügerischer Ban kerott, Schuldnerbegünstigung und eine Reihe ähnlicher Delikte Österreichs unhaltbare Lage. VerhandlungenmitB^rlin.PragundNom. Die österreichische Negierung steht vor den folgen schwersten Entscheidungen. Die jüngste Entwicklung infolge des Ausgangs der Londoner Konferenz und daraus resul tierenden neuen Valutaentwicklung machen ein Fortarbei ten für Österreich unmöglich. Bundesranzler Dr. Seipel batte Besprechungen mit den Wiener Vertretern der En tente, in denen er auf den unhaltbaren Zustand hinwies und erklärte, daß durch die abermalige Verweisung der Hilfsaktion für Deutsch-Osterreich vor den Völkerbund und die dadurch bewirkte neuerliche Verzögerung der Noten- bankgründung sich die innere Lage in Deutsch-Osterreich verschärft habe. Das österreichische Problem könne jetzt nicht mehr als ein finanzielles, fondern müsse im Zusam menhang mit der Weltlage als ein politisches betrachtet werden. Da in erster Reihe durch Veränderungen in Öster reich die Nachbarstaaten in Mitleidenschaft gezogen seien, fehe sich dir österreichische Negierung veranlaßt, mir den führenden Nachbarstaaten Fühlung zu suchen und fei be reits mit Berlin, Nom und Prag in Verbindung getreten. Bundeskanzler Dr. Seipel hat sich bereits zur Füh lungnahme nach Prag begeben zur Besprechung mit dem Ministerpräsidenten Dr. Benesch und begibt sich von dort nach Berlin, wo er mit dem Reichskanzler Dr. Wirth konferieren wird.