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ÄMqMW M ZHM AmlWq Nl. 185. SU Nr. 297 des- Hauptblattes. 1924. Beauftragt mit der Herausgabe: RegterungSrat Brauße in Dresden. Landlagsverhandlungcn. (Fortsetzung der Ivv. Sitzung von Donnerstag, den 18. Dezember.) Jnstizminister Bünger (Fortsetzung): Drittens! Auch in dem Prozeß wegen der Spreng stossverbrechen der Hohenstein-ErnstthalerArbeiter vor dem Schwurgericht in Zwickau haben keine Übergriffe des Vorsitzenden stattgefunden. Hier haben übrigens die Rechtsanwälte I)r. Sander und Sachfe dem Vorsitzenden nach der Verhandlung selbst erklärt, sie müßten aner- kennen, daß er die Angeklagten freundlich und ange messen behandelt habe. I" dem ganzen Prozesse ist cs ganz ruhig hergcgangen. Wer behaupten will, daß in diesen Verhandlungen eine schlechte Behandlung von Arbeitern stattgefunden habe, ist über die Sache absolut nicht orientiert. Wenn etwa nachher Angeklagte oder solche Zeugen, die auf seitcn des Angeklagten standen, gewisse Berichte in die Welt gesetzt haben, die das Ge- gcnteil besagen, so bedeutet das gar nichts. Es sind die maßgebenden Gerichtspersonen und wer sonst in Frage kam, gehört worden. Es hat sich aber nicht das ge ringste in der Richtung der Beschwerde ergeben. Also die ganzen Behauptungen sind unrichtig. (Zuruf links: Haben Sie gegenübergestellt?» Ach, ich werde gegen über stellen! — Es genügen mir die Angaben der maß gebenden Personen. Sie prüfen ja aber derartige Be schwerden gar nicht nach. Wenn Ihnen irgendeiner nach der Sitzung derartiges mittcilt, ist anch schon Ihre Anfrage fertig. Es hat sich hiermit kein Anlaß nach der Richtung ergeben, Anordnungen allgemeiner Art wegen der Be handlung der Arbeiterschaft vor Gericht zu erlassen. Was den Antrag aus Begnadigung des Herrn Zeigner angeht, so ist das kein Amncsticantrag, sondern ein Antrag auf Einzelbegnadigung. In der Drucksache Nr. 1043 ist er als Teil der beantragten Amnestie wicdergegeben worden; das ist aber rechtlich falsch. Ein Auftrag, wie es in der Drucksache heißt, eine Einzel- bcgnadlgung vorzunchmen, kann aber dem Gesamt- miuistcrium oder dem Justizministerium vom Landtage nicht erteilt werden; das wäre verfassungswidrig, («ehr richtig'. rechts) Das Einzelbegnadigungsrecht ruht viel mehr allein in den Händen des Gesamtministeriums, das die Befugnis hat, es auf das Justizministerium oder auf eine andere Behörde Sachsens zu übertragen. Der Landtag kann zwar eine Amnestie im Gefetzeswege erlassen, eine weitere Befugnis hat er aber in Gnaden sachen nicht. (Sehr richtig! rechts.) Der vorliegende Antrag ist also verfassungswidrig, und ich habe darauf nicht weiter einzugchen. Meine Damen und Herren! Ich hätte cs gern ver- mieden, mich über den Fall Zeigner näher auszulassen; denn ich bin kein Freund davon, daß ein Mann, der so tief gestürzt ist — das kann man wohl sagen — noch einmal durch das Parlament gezogen wird. (Sehr richtig!) Ich habe es bisher immer umgangen (Zuruf bei den Demokraten: Sehr vornehm!), nicht nnr aus dem Grunde, weil es nrir bedenklich erschien, in ein schwebendes Verfahren einzugreifen, sondern weil ich es Zeigner ersparen wollte. Ich glaube, Sie können nichts Unklügeres tun, als diesen Fall immer wieder aufs Tapet zu bringen. (Sehr richtig! rechts.) Wie können Sie denn sagen, der Fall, wegen dessen er ver urteilt ist, sei ein Grenzsall? Zunächst kommt cs auf die Frage, die der Herr Abgeordnete Edel vorhin angeschnitten hat, ob nämlich die betreffenden Gnadencntscheidungcn begründet waren oder nicht, gar nicht an. Es ist eine ausgetragene Rechts frage, daß es bloß darauf ankommt, ob der Beamte der Rücksicht auf die erhaltenen Vorteile oder Per- sprechungen irgendeinen Einfluß auf ferne Entschei dung cingeräumt hat. Tas ist der Rechtsstandpunkt, der schon lange vom Reichsgericht vertreten wird, und das ist auch ein richtiger Standpunkt. Die pflicht widrige Amtshandlung liegt nicht in der Gnadenent- scheidung als solcher, sondern darin, daß der Beamte sich bewußt von Erwägungen hat leiden lassen, die be einflußt waren von dem Umstande, daß er eine Be lohnung erhalten hatte. Das hat das Landgericht in ganz einwandfreier Weife festgcstellt, und da hilft es gar nichts: das ist kein Grenzsall, sondern ein Fall, der ganz klipp und klar liegt. Man müßte denn schon den alten Zeugen Brandt als Lügner bezeichnen, dann wäre die Sache anders. Das ist aber nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung ausgeschlossen. Übrigens hat feine Aussage durch andere Beweismittel, namentlich auch durch die Angaben von Herrn Zeigner selbst wesentliche Bestätigung erfahren. Daß Richter über Zeigner geurteilt hätten, die Herr Zeigner „gemaßregelt" hat, stimmt nicht. Auf jeden Fall, muß ich die Richter in Schlitz dagegen nehmen, daß sie, wenn sie von ihm gemaßregelt wären, sich hierdurch bei ihrer Entschließung hätten beeinflussen lassen. Was ferner über eine angeblich schlechte Behandlung Zeigncrs im Gefängnis in einigen Zeitungen gestanden hat, ist alles unrichtig. Er ist allerdings nicht anders behandelt worden als andere Gefangene, aber die Möglichkeiten, die es für jeden Gefangenen gibt, gewisse Freiheiten zuzulassen, die sind auch ihm zuteil geworden. Wenn Sie das Nähere darüber wissen wollen, dann kommen Sie einmal persönlich zu mir, ich werde Ihnen genaueren Aufschluß darüber geben. Die Behauptung von schikanöser Behandlung des Herrn Zeigner im Ge fängnis, weil er früher Ministerpräsident gewesen sei, ist derartig unrichtig, wie e- nichts Falschere» geben kann. Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Edel bin ich genötigt, auf das Urteil gegen Zeigner etwas näher einzugehen und zu nächst einmal diejenigen Fälle vorzutragen, dte, um mich mit Herrn Edel auszudrücken, wirklich Grenzfälle find, nämlich die Fälle, in denen Zeigner freigesprochen worden ist. Vielleicht werden Sie aus der Art der Be handlung dieser Fälle entnehmen, wie sehr das Gericht sich bemüht hat, objektiv zu sein. Schon von vorn herein hat das Gericht sich auf den Standpunkt gestellt: die Aussagen des Herrn Möbius spielen überhaupt keine Nolle; denn wenn es das hätte für wahr halten wollen, was Möbius zu Anfang ausgesagt hat — nach her hat er ja vieles zurückgenommen —, so hätte das Bild allerdings anders ausschcn müssen. (Abg. Edel: Weil er widerrufen hat!) Es ist sehr oft der Fall, daß ein Zeuge in einem späteren Verfahren etwas wider ruft, und trotzdem der Angeklagte — es kommt auf die Lage des Falles an — ganz mit Recht verurteilt wird auf Grund der widerrufenen Aussage, indem der Richter sich auf den Standpunkt stellt: die erste Aussage war richtig und gut, und bei der zweiten haben Be einflussungen vorgelegen, wie das ost der Fall ist. Aber hier nichts von alledem, das Gericht sagt von vornherein: Bei der Würdigung des Beweisergebuisses ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, daß Möbius' An gaben keinerlei Beweiswert zugemessen werden kann. Während er anfangs vr. Zeigner in weitgehendem Maste belastet hat, hat er später weit weniger belastend für ihn ausgeiagt. Aber auch innerhalb dieser beiden Gruppen von Angaben hat er mit diesen gewechselt. Wesentlich für die Frage, worauf es beruht, daß Möbius am Schlüsse der Voruntersuchung mit seinen Bekundungen gewechselt hat, sind die Angaben des Zeugen Bergner. Meine Damen und Herren! Ich will nicht mitteilen, was Bergner bekundet hat, will nicht unnötig Schärfen in meine Ausführungen hinembringen und etwas sagen, wodurch vielleicht dritte Personen sich belastet fühlen könnten, will vielmehr jede Schonung walten lassen. Aber Bergner hat tatsächlich Angaben gemacht, aus denen man entnehmen kann, daß tatsächlich eine Be einflussung von Möbius während des Verfahrens statt gefunden hat. Das alles aber, sagt das Gericht, ist uns gleichgültig. Bedeutung kann Möbius' Aussage bei der Beweis würdigung nach dem Gesagten nur insoweit bei gemessen werden, als ihre Glaubwürdigkeit durch andere Umstände unterstützt wird. Im übrigen war das Gericht auf die Angaben vr. Zeigners, die der Sachverständigen und die der glaubwürdig erscheinenden Zeugen angewiesen. Nun hat es sich da um einen Fall gehandelt, der heißt Schmerler. In dem ist Zeigner freigesprochen worden Hier ist folgendes festgestellt: Tie Feststellungen bezüglich des Falles Schmerler hat das Gericht auf Grund der Darstellung vr. Zeig ncrs getroffen, da der Zeuge Salomon Schmerler wegen Abwesenheit und Frau vr. Zeigner aus an deren Gründen nicht zu diesem Punkte hat vernom men werden können. Tie Sache lag so, also namentlich auf Grund eige ner Tarstellung von vr. Zeigner selbst: Ende September oder anfangs Oktober 1922 hatte Vr. Zeigner mit dem ihm befreundeten Rauchwaren händler Tumpowsky in Leipzig wegen eines Pelz futters verhandelt. Danach traf er Möbius und teilte diesem mit, daß er ein Pelzfutter suche. Um dieselbe Zeit erhielt er ein Gesuch des ukrainischen Staats angehörigen Salomon Schmerler um Aufenthalts genehmigung in Leipzig unmittelbar oder durch Möbius, das er im Laufe des November 1922 an den Minister Lipinski weitergab. Einige Zeit danach übergab ihm Möbius in Leipzig ein Pclzfutter etwa mit den Worten: „Hier ist ein Pelzfutter von Schmerler, Sie wissen doch." vr Zeigner ging ein paar Tage später zu Schmerler und wies das Futter, das er als Geschenk ansah, zurück. Auf Vorstellungen Sckmerlersnahm er es aber dann doch zu einem beson ders billigen Preise an. Am 25. oder 26. Februar 1923 traf Vr. Zeigner dann auf Möbius' Veranlassung mit diesem und Schmerler im Albert-Kaffee in Dresden zusammen und gab Schmerler an, in welcher Weise er ein neues Gesuch abfassen solle. Also er sagte ihm selbst, wie er das Gesuch machen müsse! — Auf Schmerlers Bitte befürwortete er danach das Gesuch bei dem im Ministerium des Innern damals tätigen Ministerialrat und Geh. Rcgierungsrat Becker. Daß er dies getan habe, teilte er, als er am folgen den Sonnabend in Leipzig war, Schmerler durch Fernsprecher mit, suchte ihn am selben Tage auch in seinem Geschäft auf und begab sich auf seine Ver anlassung mit ihm in eine Weinstube. Daß ihn dort Schmerler freigehalten habe, hat vr Zeigner be- stritten. ES ist dafür Anhalt auch nicht hervorgetrcten. Schmerler bot aber vr. Zeigner dort einen Tamen- pelz an, woraus vr. Zeigner und feine Frau am folgenden Sonnabend in Schmerlers Geschäft einen solchen Pelz sich vorlcgen ließen. Vr. Zeigner sah jedoch vom Ankauf ab, weil ihm der Preis zu hoch war. Trotzdem trug Frau vr. Zeigner den Pelz am 2. Osterfeiertag bei der Vorstellung im Opernhaus in Dresden, vr. Zeigner will diesen Pelz einige Tage später Schmerler zurückgegeben haben. Er bestreitet, vor dem 2. Osterfeiertag gewußt zu haben, daß seine Frau in den Besitz des Pelzes gelangt sei. Darüber, wie dies geschehen ist, und darüber, ob dieser Pelz bezahlt worden ist, lehnt er Erklärung ab. (Hört, hört! rechts.) Tas Pelzfutter will er bezahlt haben. Ta er — so hat er selbst angegeben — sich Schmerler mit Rücksicht auf die Überlassung des Pelzfutters zu billigem Preise verpflichtet fühlte, erkundigte er sich Mitte Mai 1923 auf nochmalige Bitte Schmerlers beim Zeugen vr. Thierbach, der damals Staatsanwalt und im Ministerium des Innern Referent für die hier fraglichen Angelegenheiten war, nach dem Stande der Sache. Auf dessen Veranlassung wurden die Akten aus Leipzig herbeigezogen, und vr. Thier bach teilte darauf vr. Zeigner den Sachstand mit. Kurz darauf hat Vr. Zeigner dann dem Innenminister Liebmann gegenüber durch Fernsprecher Schmerlers Gesuch befürwortet. (Hört, hört! bei der Teutschen Volkspartei und bei den Demokraten.) Vr. Zeigners Angabe nach kann Salomon Sck merler ihm gegenüber auch einmal ein Gesuch seines Bruders Zacharias Schmerler um Aufenthaltsgenehmigung erwähnt haben. Beiden Brüdern ist schließlich der Aufenthalt in Sachsen von: Ministerium des Innern auf Widerruf erlaubt worden. Tas Gericht ist hiernach zwar zu der Überzeugung gelangt, daß Vr. Zeigner als Beamter für das Befür worten der Gesuche insofern einen Vorteil angenom men hat, als er das Pelzfutter zu einem besonders billigen Preis erhielt. Taß dieser Vorteil die Gegen leistung für die von Schmerler erwartenden Hand lungen Vr. Zeigners bilden sollte, ergibt sich aus dessen eigener Erklärung, er habe sich wegen jenes Entgegenkommens verpflichtet gefühlt, das Gesuch auch den zuständigen Stellen zur Berücksichtigung zu empfehlen . . . Tie Handlungen, die vr Zeigner dann in Schmerlers Interesse vorgenommen hat,können abernichtalsAmts- handlungen, wie sie sowohl § 331 als auch § 232 St.G.B. voraussetzt, angesehen werden. vr.Zeigner war damals lediglich Justizminister und konnte als solcher auf die Entscheidung über die Gesuche amtlichen Einfluß nicht ausüben. Er hat sie vielmehr lediglich als Privatperson, wenn auch unter Mißbrauch seines amtlichen Ansehens als Minister befürwortet. Tas fällt aber nicht unter die bezeichneten Gesetzesvorsckriften. Bezüglich des Tamenpclzes war nicht zu erweisen, daß er mit Kenntnis Vr. Zeigners in den Besitz der Frau vr. Zeigner gelangt sei. Tamals war vr. Zeigner wohl noch nicht Minister präsident. Seine Angabe, daß er den Pelz, alsbald nachdem er ihn im Besitze seiner Frau gesehen hatte, zurück- gegeben habe, ist nicht zu widerlegen gewesen. Taß aber der Pelz später init Kenntnis Vr. Zeigners wiederum in den Besitz seiner Frau gelangt sei, war nicht zu erweisen, wenn auch ein erheblicher Verdacht besteht, daß er erfahren hat, daß seine Frau den Pelz wieder hatte, dies gebilligt und mit Rücksicht darauf für Schmerler sich verwendet hat .... Bei dieser Sachlage konnte dahingestellt bleiben, ob die Handlungen, die er, nachdem er Minister präsident geworden war und außer der Tätigkeit in diesem Amte zeitweilig mehrere Ministerien gleichzeitig verwaltete, in Schmerlers Interesse vorgenommen hat, Amtshandlungen im Sinne jener Gesetzes-Vorschriften waren .... Was er getan hat, mag äußerlich als amtlich er schienen sein, so insbesondere dem Zeugen vr. Thierbach, wie dieser bekundet hat. Taß cs objektiv Amtshand lungen waren, ist nickt zu erweisen gewesen. Min destens wäre Vr.Zeigner subjektiv nicht zu widerlegen, daß er, wie cr behauptet, nur als Privatperson, wenn auch unter Benutzung seiner amtlichen Stellung hat tätig werden wollen. Meine Tarnen und Herren! Sehen Sic nicht aus diesen Ausführungen, daß das Gericht rein objektiv und sachlich geurteilt hat? (Lebhaftes: Aber sehr! bei den Demokraten, der Deutschen Volkspartei und den Teutschnationalcn.) Und nun lag weiter ein Fall Friedrichsen vor. In diesem ist auch Freisprechung erfolgt. Hier ist folgen des festgcstellt: Tie Zeugen Friedrichsen und Priborskn waren am 22. Juni 1921 vom Landgericht Leipzig wegen Hehlerei zu je 4 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Ende August 1921 reiste Möbius mit Priborsky nach Tresden und übergab dort in der Wirtschaft des Neustädter Bahnhofs vr. Zeigner ein Gnadengesuch jener beiden, während Priborsky in einiger Entfer nung saß. Im September 1921 reisten darauf Mö bius und die Zeugin Frau Friedrichsen nach Tresden und hinterlegten dort in Vr. Zeigners Wohnung in dessen Abwesenheit ein Paket, in dem sich Papiergeld — wenigstens 3000 M. —, — es war im September 1921 — ein Brillantkollier und ein Brillantring sowie eine Geschäftskarte der beiden Verurteilten befand. Da bei rief Möbius vr. Zeigner durch Fernsprecher an und teilte ihm mit, er habe einen „Automobilkatalog" auf feinem Schreibtische niedergclcgt. vr. Zeigner ver stand da» dahin, daß ihm MöbiuS ein Gnadengesuch gebracht habe. Als er in seine Wohnung zurückkehrte,