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Nr. 100. Sonnabend, den 24. August 1889. 55. Jahrgang. Die Sozialdemokratie und die Jugenderziehung. Es unterliegt keinem Zweifel, daß junge Leute, oft mit noch recht unklaren Ideen in das praktische Leben eintretend und, dort bittere Enttäuschungen erlebend oder in schwärmerischer Weise Weltverbesserungspläne entwerfend, sehr leicht den sozialdemokratischen Ver lockungen zum Opfer fallen und enragirte Sozialdemo kraten werden können. Es muß daher außerordent lich Wünschenswerth erscheinen, wenn so viel als mög lich durch die Jugenderziehung dafür gesorgt wird, daß halbreife junge Leute gegenüber den sozialdemo kratischen Lerfühlungskünsten und Lustschlößern Wider stand leisten lernen. Weil nun aber die Jugend erziehung im Elternhause und später bei dem Lehrherrn stattfindet, so dünkt es uns sehr wichtig, daß eben nicht nur die Schulen, sondern überhaupt alle bei der Jugenderziehung mitwirkenden Kräfte und Gelegen heiten dazu mit benutzt werden, die Heranwachsende Generation so viel als möglich vor dem sozialistischen Gifte zu bewahren, indem man der Heranwachsenden Generation diejenigen wirthschaftlichen und gesellschaft lichen Grundsätze einprägt, welche das Fundament für das allgemein mögliche gedeihliche Vorwärtskommen sind. In einem Zeitalter, wo der Hang nach Wohl leben immer tiefer in die meisten Schichten der Be völkerung einzudringen droht und damit die Sucht, rasch reich zu werden und mühelosen Erwerb zu haben, Hand in Hand geht, muß es daher wohl wichtig sein, der Jugend zu erklären und durch Beispiele zu bekräftigen, daß ohne dauernde Arbeit und Sparsamkeit sich kein fester Wohlstand entwickeln kann. Sehr werthvoll er scheint es uns auch, der in der Jugend oft schon stark vertretenen Freiheits- und Gleichheitsschwärmerei gegen über zu betonen, daß zwar der heutige Staat keine bevorzugten und benachtheiligten Stände mehr kennt, daß alle Bürger vor den Gesetzen gleich sind und auch alle nach Maßgabe ihrer Fähigkeiten und Leistungen sich um ihr Vorwärtskommen bemühen können, daß des halb aber der Unterschied, der sich zwischen Reich und Arm, Vornehm und Gering, Gebildet und Ungebildet, Geschickt und Ungeschickt, Fleißig und Träge, Spar sam und Verschwenderisch naturgemäß ergeben muß, nicht ausgehoben werden kann. Sehr lehrreich muß es für die Jugend auch sein, ihr vor die Augen zu führen, daß die den Staat bildende menschliche Gesell schaft weder in ihren Gliedern noch in ihrem Haupte die Macht haben kann, alles Unglück und Elend von sich und von ihren einzelnen Mitgliedern fernzuhalten, weil weder der Staat noch seine Lenker allmächtig und allwissend sind und also auch nicht Krieg, Mißernten, Krankheiten, wirthschaftliche Kalamitäten u. s. w. un bedingt von sich und den einzelnen Bürgern fernhalten können, sondern nur die Aufgabe haben, nach Kräften und bestem Wissen das Wohl des Volkes zu fördern. Würde in der angedeuteten Richtung genügende Klar heit in den Köpfen der Heranwachsenden Jugend herr schen, so würde sie wohl nicht so leicht den sozialistischen Irrlehren verfallen, weil sie den in denselben enthal tenen Weltverbesserungsplänen keinen Glauben schenken könnte. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 23. August. Es ist wohl nicht zu umgehen, daß trotz der obligatorischen Einführung des Turnunterrichtes für einzelne Kinder Dispension erbeten und in einzelnen Fällen auch ertheilt wird. Selbstverständlich kann eine solche, natürlich nur zeit weise Befreiung lediglich auf Grund eines ärztlichen Zeugnisses erfolgen, wenn nicht bei augenscheinlicher Unfähigkeit (Verkrüppelung, Lähmung) der Kinder von einer Betheiligung derselben von vornherein, auch ohne ärztliches Zeugniß abgesehen werden muß. Wenn auch bei unS bei dergleichen Befreiungen von Seiten der Schule sehr peinlich verfahren wird, so kann es doch nichts schaden, bei dieser Gelegenheit an eine neuerliche Verfügung des preußischen Kultusministers zu erinnern, nach welcher derselbe mit der großen Zahl von ärztlichen Befreiungen vom Schulturnen durchaus nicht zufrieden ist. In den ärztlichen Attesten soll darum in Zukunft unterschieden werden, ob die Schüler von allem Turnen, also auch von Tritt- und Schritt übungen, befreit seien, oder aber nur von gewißen Uebungen, wie vom Gerätheturnen. Der Direktor braucht ärztliche Atteste, die das Turnen überhaupt verbieten, nicht zu beachten, darf auch in solchen Fällen, in denen es ihm angezeigt erscheint, verlangen, daß das Attest vom Kreisphysikus ausgestellt werde. — Mit dem Beginn der längeren Abende tritt auch die Nothwendigkeit der Treppenbeleuchtung mehr hervor. Es ist deshalb angezeigt, die Besitzer und Verwalter von Hausgrundstücken an die Erfüllung der Vorschriften bezüglich der Treppenbeleuchtung zu erinnern. Die Letztere hat nicht nur während be stimmter Monate einzutreten, sondern es hat dieselbe ohne Rücksicht auf die Jahreszeit stets vom Beginn der Dunkelheit, bez. vom Beginn der öffentlichen Straßen beleuchtung anzufangen und so lange anzudauern, bis die Hausthüre geschloßen ist. Auch sind nicht nur Treppen, sondern auch Hausfluren, Höfe, Korridore, welche nach dem Treppenhause führen und nicht ab geschloffen sind, zu beleuchten. Die Frage, wem die Verpflichtung zur Beleuchtung obliegt, wird durch eine Entscheidung des Reichsgerichts vom 19. Oktober 1886 beantwortet. Darin hat die oberste Gerichtsbehörde ausgesprochen: „Allein aus dem Eigenthum ist eine Beleuchtungspflicht nicht herzuleiten. An und für sich ist der Eigenthümer von dem Gebrauche seiner Sache, soweit es die Gesetze nicht ausdrücklich verordnen. Niemandem Rechenschaft zu geben schuldig. Wenn aber ein Hauseigenthümer in Ausnutzung seines Eigen- thums Mitbewohner aufnimmt und dadurch oder auf andere Weise einen Verkehr in dem Hause herstellt, so hat er die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, daß bei dem von ihm hergestcllten Verkehr Andere durch die Anlagen des Hauses an ihrem Körper nicht Schaden erleiden. Denn Niemand darf sein Eigenthum zur Herstellung gemeingefährlicher Einrichtungen benutzen. Wie darnach der Hauseigenthümer in einem solchen Falle überhaupt verpflichtet ist, die dem allgemeinen Verkehr dienenden Räume so einzurichten, daß sie ohne Gefahr passirt werden können, ist er auch gehalten, die Flur- und Treppenaufgänge seines Hanfes, welche nach ihrer Beschaffenheit im dunklen Zustande jeden Passanten der Gefahr aussetzen, sich zu beschädigen, bei eintretender Dunkelheit so lange zu beleuchten, als der regelmäßige Verkehr in dem Hause stattfindet." — Bezüglich unserer Notiz in letzter Nummer, die Brod- und Fleischpreise betr., bemerken wir auf Wunsch der hiesigen Bäckerinnung, daß die Getreidepreise in den Monaten Juni und Juli pro 1000 um 19 M. gestiegen sind, mithin dürfte die Erhöhung der Brodpreise ebenso gerecht sein, wie die der Fleischpreise. Zugleich sei erwähnt, daß der Preisaufschlag am hiesigen Orte um nur S Prozent erfolgt ist. — Ueber Blumenkohl haben sehr tüchtige Haus frauen die Erfahrung gemacht, daß außer der eigent lichen Blume auch im Stengel noch ein außerordent lich zarter, wohlschmeckender Theil ist, welcher meistens weggeworfen wird. Man schäle die äußere harte Rinde ab, und man wird bald merken, daß unter der Rinde ein zarter wohlschmeckender Kern sich befindet, welcher dem eigentlichen Blumenkohl an Geschmack sehr nahe steht. Dieser auSgeschälte Kern wird in Stücke geschnitten, so wie gelbe Wurzeln, und in Bouillon gekocht. — Reinigt die Obstbäume vom Ungeziefer! Die Obstbäume, namentlich die Birnbäume, haben dies Jahr außerordentlich vom Ungeziefer zu leiden. Die Raupen, durch die große Wärme im Mai und Juni frühzeitig zur Entwickelung gelangt, vernichteten die jungen Triebe und fraßen ganze Zweige kahl. Die außergewöhnlichen Witterungsverhältniffe dieses JahreS haben seit zwei Wochen ein zweites Mal eine Raupen» plage herbeigeführt. Es ist deshalb dringend nöthig, daß jeder Gartenbesitzer seine Bäume gründlich unter suche und durch Ausästen der verraupten Zweige den Baum rette. Zu Hunderten sind die kleinen, voll ständig entwickelten Raupen in jedem einzelnen Neste vorhanden und werden bei warmem Wetter auskriechen und ihr Vernichtungswerk beginnen. Eigenthümlicher Weise sind gerade die am schwersten erreichbaren Zweige am meisten mit Ungeziefer besetzt. Um auch hier den Kampf gegen dasselbe erfolgreich führen zu können, bedient man sich mit Erfolg« einer langen Stange, an deren Spitze ein mit Spiritus getränkter Schwamm in Brand gesteckt und unter die Nester gehalten wird, bis dieselben verkohlt sind. Mit Hilfe dieses Mittels kann man in kurzer Zeit und ohne große Mühe seine Bäume reinigen. Reichstädt. Am 21. d. Mts., nach 9 Uhr früh, ist in dem Geräthe- und Arbeitsschuppen des hiesigen Baugewerken Albinus Herklotz Feuer ausgebrochen und infolgedeßen der gedachte Schuppen mit den vor- räthigen Pfosten und Brettern "»>> Fenstern, sowie verschiedenem die Mauerreste niedergebrannt. Mobiliarschaden beträgt 1300 der Brand den angestellten Erörterungen zufolge maßlich durch Fahrlässigkeit entstanden. Der mitose hat versichert. Bei dem Versuche, das Feuer zu löschen, hat sich der Hausbesitzer und Zimmermann Friedrich August Herklotz von hier nicht unbedeutend am Gesicht und an der linken Hand verbrannt, so daß derselbe gegenwärtig arbeitsunfähig ist. — Infolge von Flugfeuer wurde das Strohdach des Haus besitzers und Stellmacher Rüdiger entzündet; es konnte der Brand durch den Sohn desselben, den Maurer Ernst Rüdiger, aber noch rechtzeitig gelöscht werden. Hierbei ist folgender Unfall zu beklagen: Während der letztgedachle Rüdiger, auf der Leiter stehend, durch Zu tragen von Wasser von dem Handarbeiter Donath und der Hausbesitzers-Ehefrau Pauline Müller beim Lösch ungswerke unterstützt worden ist, ist die Leiter zu sammengebrochen und sind beide — Donath sowohl wie auch die Müller — ungefähr 6 Meter herabge stürzt, wodurch sich Donath am rechten Knie bedeutend verletzt und die verehel. Müller beide Füße verstaucht hat. Rüdiger hat sich glücklicher Weise auf das Stroh dach retten und daselbst festhallen können. Nur der Entschlossenheit der 3 Genannten und insbesondere des Maurers Rüdiger ist es zu verdanken, daß größerer Schaden verhütet wurde, da neben dem Rüdiger'schen Hause das ebenfalls nur mit Stroh gedeckte Haus des Zimmermanns Zönnchen sich befindet. HainSberg. Als am Montag auf hiesigem Bahn hof ein Gänsetreiber seine Heerde in Empfang nehmen wollte, zeigte sich, daß der größte Theil derselben, ca. 110 Stück, auf schreckliche Weise verendet war, während die noch lebenden so schwach waren, daß sie für Spott preise verkauft werden mußten. Der mit den armen Thierchen beladene Wagen soll eine längere Zeit als nöthig gestanden haben und sind die Gänke wegen Mangel an Wasser und in Folge der großen Hitze zu Grunds gegangen. Den Schaden wird höchstwahr scheinlich die Bahnverwaltung tragen müssen. Potschappel. Bei der am 18. d. M. stattgefun denen Fahnenweihe des MilitärvereinS erhielt die Fahne nicht weniger als 68 (!) Nägel, 2 Fahnenschleifen und einen Fahnenring. Dresden. In der königl. Gemäldegallerie ist am 20. August ein kleines, doch höchst interessantes Bild, ein auf Eichenholz gemaltes Zerrbild von Adrian Brouwer, Katalognummer 1060, einen Bauer mit rother Mütze und sperrweit aufgesperrlem Munde dar stellend, auf rasfinirte Weise gestohlen worden. Die Generaldirektion hat eine Belohnung von 1000 Mark Wchnitz-MW Verantwortlicher Redacteur: Paul Ithnr in Dippoldiswalde. DU „Weißeritz-Zeitung" erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — « Preis vierteljährlich 1 M. Lb Psg., zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42 Psa. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. Amtsblatt sm die Königliche Amtshauplinannschast Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Kladträlhe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Inserate, welche bei de» bedeutenden Auflage det Blattes eine sehr wirk same Verbreitung finden «erden mit 10 Psg. di« Spaltenzeile oder veren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Theile, di» Spaltenzeile 20 Pfg.