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MOnifferÄMa« Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, M« »Wilsdruffer Tageblatt- erscheint täglich nachm. 8 Uhr für den folgenden Tag. Bezugspreis: Bei Abholung in d« Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 Mk. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 Mk., bei Postbcstellung L Mk. zuzüglich Abtrag- —— .. ... gebühr. Einzelnummern »Pfg. Alle Bostanstalten Wochenblatt für Wlksdruff u. Umgegend Postboten und unsere Aus. »Mger und Geschäftsstellen nehmen zu jeder Zeit Be. Lrllungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht dein Anspruch auf Lieferung W« Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Mrgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. AnzUgenpreir: die «gtspolttNt RaumMc M woldpfninIg, dir 2gesp°HrneDnIe dn annlichrnB-dannnnochungni4<>GoId- Pfennig, die z gespalteneRedlamezcNe im textlichen Teile lvo swldpsennig. Nachweifnngsgebllhr M W-Ildpfennige. Dor- Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 annahme disvorm. WUHr — die Richtigkeit der durch Fernruf ü dermitteiten Anzeigen übernehmen wir keine «arontic. Jeder Ra deninnspruch erlischt, wenn derBerrag durch Klage eingezagen werden mutz oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen aücVermitllungsftcllen entgegen Vas Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmaunschast Meißen, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Noffe« Nr. 295. 83 Jahrgang Tclgr Adr „Amtsblatt Wilsdruff-Dresden Postscheck Dresden 2640 Donnerstag 18 Dezember 1924 Chamberlain spricht. Es mutet geradezu wie ein Witz an, daß ausgerechnet in Rom gelegentlich der Tagung des Völkerbundrates wieder einmal derartige Geheimdiplomatie gemacht wird, daß sich eigentlich allen Vätern des Völkerbundstatuts ebenso die Haare sträuben müßten wie sich Wilson wohl im Grabe herumdrehen mag, darüber, daß die Abschaffung der Geheimdiplomatie etwa ebensoviel Verwirklichung fand wie das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Man verhandelte ganz im geheimen über die nordasrikanischen Probleme von Tanger bis Kairo und in den Pausen machte sich Mussolini über den Völkerbundrat lustig. Außerordentlich befriedigt fuhren dann Briand und Au sten Chamberlain wieder nach Paris und London. In London äußerte sich nun im Unterhause Chamber lain über die internationale Lage, wie sie von England aus betrachtet wird. Der Eindruck, den er von der Arbeit des Völkerbundes erhalten habe, veranlasse ihn doch lieber, das System des kleineren Fortschrittes in seiner Arbeit zu empfehlen; — wenn auch Chamberlain natürlich nicht verfehlte, dem Völkerbund einige wundervoll phra senhafte Worte der Anerkennung zu gönnen. Weit wichtiger sind natürlich die Besprechungen, die er mit dem französischen und dem italienischen Minister präsidenten gehabt hat. Wie des Landes das der Brauch ist, so versichert Chamberlain mit dem Brustton ehrlichster Überzeugung, alle diese Verhandlungen hätten natürlich im wahren Geist des Völkerbundes stattgesun- den. Nun ist aber die vornehmste Aufgabe dieses Bundes die Wahrung der Verträge; liegt es wohl im Geiste des Genfer Völkerbundes, daß die Entente die Versailler Vertragsbe st imm ungen über die Räumung der Kölner Zone brechen will? Wir Deutsche haben nur ein bitteres Lächeln für die Behauptung Chamberlains, daß man bei den Verhandlungen immer eine Einigung angestrebt habe, doch niemals auf Kosten derer, die nicht an den Verhandlungen teilgenommen hätten. Man kann sich denken, was er damit meint, wenn er sagt, daß die Be seitigung kleinerer Schwierigkeiten das Ziel, und zwar das erreichte Ziel der Besprechung gewesen sei. Das sind die kleinen französisch-englischen Differenzen über die be setzte Zone und über die deutsch-französischen Wirtschaftsfragen. Aufwessen Kosten die Rechnung gegangen ist, wird man ja wohl auch trotz Chamberlains Worten wissen. Selbstverständlich hatte der Völkerbundrat in Rom nicht das geringste mit der ägyptischen Frage zu nm, denn Chamberlain betont, daß er zahlreiche Glück wünsche über die Politik erhalten habe, die England in Ägypten treibe. Mit steinernem Gesicht hörte es das Unter haus an, wenn der Staatssekretär erklärte, daß der Schutz der Ausländer in Ägypten die Haupttriebseder für das Vorgehen Englands gewesen sei. Und charakteristisch ist, daß Chamberlain sich bedingungslos der Politik — Macdonalds Ägypten gegenüber anschließen kann. Allerdings fühlt sich der Staatssekretär doch bewogen, an aas Ausland ein paar Winke zu geben; wenn er nämlich äußert, das; eine Änderung des bisherigen Standes in Ägypten für andere Mächte nicht in Frage käme. Das richtet sich gegen Frankreich, wo Vie napoleonischen Pläne immer noch ein paar Nachträumer finden. Etwas interessanter war der scharfe Schnitt, den er zwischen England und Sowjetrußland zog. Der ^inowjew-Brief sei echt, unterstrich der Staatssekretär in schärfster Betonung. Und man denke gar nicht daran, die .chnnonspoUtik eines Macdonald fortzusetzen. Bargeld lachi und das sei die einzige solide Grundlage für ein Handelsabkommen zwischen England mit Rußland. Aber davon will die Sowjetrcgierung nichts wissen; infolge dessen har die neue konservative Regierung das englisch russische Handelsabkommen dem Hause nicht zur Ratifi zierung vorgelegt, sondern es verworfen, überhaupt scheint das Kabinett Baldwin Rußland gegenüber eine schärfere Politik führen zu wollen. Waren schon die Noten, die nach Moskau früher wegen des Handelsabkommens, des Sinowjew-Briefes und anderer propagandistischer Eingriffe Sowjetrußlands in indische Interessensphären gingen, mit scharfen Worten getadelt worden, so benutzt Chamberlain jetzt wieder die Gelegenheit, im gleichen Sinne zu warnen. Solange das kommunistische System in Rußland bestehe, sei praktisch ein wirtschaftlicher Ver kehr mit ihm kaum möglich. England wolle die Propa gandazentralen, die alle russischen Handelsvertretungen im Auslande darstcllen, bei sich nicht dulden, wenn Ruß land selbst als Wirtschaftsgebiet und Absatzmarkt für Eua- lanv wenig oder gar nicht in Frage konimt. Die neue Marokkofrage. Vor einer englisch-französischen Aktion. Die Nachricht, daß seit einigen Tagen zwifclmi der spanischen Regierung und der französischen Botschaft in Madrid Besprechungen über die R äumung der spanischen Zone in Marokko stattfinden, be stätigt sich. Da, wie es den Anschein hat, auch England an der Aktion beteiligt ist, ist eine ganz neue Lage ge schaffen worden. Alles läßt darauf schließen, daß Frank- GemlMt Gilbert über bei SWeiWtzeiOil. Paris, 17. Dezember. Der Berichterstatter des „Bep- tude" hat Gilbert, den Generalagenten für die Reparationszah- i langen, nach seiner Ansicht übr die Ausführung des Dawes-Gut- ! achtens gefragt. Die gegenwärtige Lage, betonte Gilbert, ist vielversprechend. Alle von dem Gutachten vorgesehenen Körper- ! schäften sind gebildet. Die Zahlungen erfolgen regelmäßig. Für das laufende Jahr sind sie durch die 800-Millionen-Anleihe ver- > bürgt. Die Vorteile, die sich aus der restlosen Verwirklichung des Sachverständigengutachtens ergeben, kommen bereits in den vorliegenden Ergebnissen zum Ausdruck. Der Wiederausbau Europas schreitet günstig fort und in der Losung des Repara tionsproblems, das so lange die internationale Lage vergiftet hat, ist ein Anfang gemacht, lieber die Zunkunft läßt sich nichts Vor aussagen. Es besteht aber Grund zu der Annahme, daß das Sachverständigengutachten auch weiterhin angewandt werden wird. Auf die Frage, ob man von der Pariser Finanzkonferenz, die im Januar zusammentritt, günstige Ergebnisse erwarten dürfe, antwortete der Generalagent im bejahenden Sinne, fügte aber hinzu, alles hänge von den Regierungen ab, die die Schwierig keiten zu lösen haben werden. Die Vertreter der deutschen Schwer industrie in Paris eingetroffen. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 17. Dezember. Aus Kreisen der deutschen Wirt schaftsdelegation wird bekannt, daß die Stimmung, in der die Verhandlungen geführt werden, seit gestern als gebessert ange sehen werden kann. Die Warengruppen, die zur Verhandlung kamen, waren Glas und Keramik, wobei die schwierige Frage der Saarprodukte auf diesem Gebiete noch nicht behandelt wurde. Die Beratungen über diese Warengruppen dürsten heute fort dauern. Die Verhandlungen werden wahrscheinlich bis zur näch sten Woche fortgesetzt und dann wird eine Weihnachtspause ein treten. Die nächsten Tage sollen unter anderen dazu benutzt werden, eine Uebersicht über die erzielten Ergebnisse zu gewinnen. Die Vertreter der Schwerindustrie sind in Paris eingetroffen. Es sind die Herren Thyssen, Klöckner, Bruhn aus der Firma Krupp, Gervin, Reusch und Klotzbach. Die Höhe der amerikanischen Forderungen an Deutschland Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". London, 17. Dezember. Während der gestrigen Unter haussitzung teilte der Schatzkanzler mit, daß die Forderungen der Vereinigten Staaten für die Unterhaltungskosten der amerika nischen Besatzungsarmee in Deutschland auf 147 Millionen Gold mark geschätzt werden, doch sei der Betrag noch nicht endgültig festgesetzt worden. Die britische Regierung bestreite in keiner Weise die Berechtigung der Forderungen. Unruhen in der französische Marokkozone Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Berlin, 17. Dezember. Die Morgenblätter melden aus Oran: In der französischen Zone an der spanisch-marokkanischen Grenze sind Unruhen ausgebrochen. Im Vezzan - Gebiet sind schwere Kämpfe zwischen regulären Truppen und Rebellen des Detachements entstanden. Um die RegiemgMdimg. Berlin, 16. Dezember. Der bisherige Präsident des Reichstages Wall ros war heute früh beim Reichspräsidenten, um mit ihm Vie parlamentarische Lage zu besprechen. Es dürste bet dem bereits geplanten Zusammentritt des neuen Parlaments am 5. Januar bleiben. Im Anschluß daran empfing der Reichspräsident die Führer der Parteien mit Ausnahme der Kommunisten und Nationalsozialisten, und zwar der Reihe nach, der Fraktions stärke entsprechend. Für die Sozialdemokraten erschien der Abg. Müller-Franken, sür die Deutschnationalen Dr. Winck ler, für das Zentrum Abg. Fehrenbach, für die Volks- Partei Abg. Scholz, für die Demokraten Abg. Koch. Der Ver treter der Bayerischen Volkspartei, der zurzeit noch nicht in Berlin anwesend ist, wird vom Reichspräsidenten morgen empfangen. Es verlautet, daß Reichspräsident Eben morgen bereits den Auftrag zur Neubildung des Reichskabinctts erteilen wird. Bei der Besprechung Hal der sozialdemokratische Füh rer Müller-Franken den Standpunkt vertreten, das par lamentarische System verlange nicht, die jeweils stärkste Frak tion mit der Kabinettsbildung zu beauftragen. Der demo kratische Führer schlug eine Erweiterung der Regierung nach links vor. Der Zentrum ssührer soll vorgeschlagen haben, den Führer der Deutschen Volkspariei mit der Neu bildung des Retchsministeriums zu beauftragen. * Demokraten für Große Koalition. Berlin, 16. Dezember. Äks erste der Reichstagsparteien haben die Demokraten Stellung zur Regterungslrists genommen. In einer Sitzung am heutigen Vormittag wurde die Erklärung in einem ge meinsamen Beschluß gefaßt, daß nur die Große Koalition dem in der Wahl zum Ausdruck gekommenen Willen des Volkes entspreche. Die demokratische Fraktion erklärt, daß sie die Große Koalition als Vie einzige Regierungsmöglichkeit zur Fort führung der bisherigen Außenpolitik ansieht und sie anstrebl. Die Deutschnationalen haben auch heute getagt, haben aber ihre Konstituierung noch nicht vorgenommen und die Vorstands wahl aus morgen vertagt. Das Zentrum wird ebenfalls morgen beraten, desgleichen die Volkspartei. reich von der von Spanien geräumten Zone Bekitz ergreifen möchte. Man verweist darauf, daß die ganze muselmanifche Welt sman braucht da nur an Ägypten und Indien zu denkens sich zurzeit in Aufruhr befinde und daß in Marokko Spanien so gut wie alle Positionen von Bedeu tung verloren habe. Selbst Tanger sei nicht mehr als ganz ungefährdet zu betrachten, und das ganze spa nische Heer, dessen Verluste an Gefallenen und Gefangenen enorm seien, befinde sich auf einem nicht einmal geord neten Rückzüge. Um seine eigenen afrikanischen Besitzun gen zu schützen, wolle nun Frankreich im Einver nehmen mit England sich dort festsetzen, wo die Spanier sich nicht mehr halten könnten. Es fragt sich nur, ob die Spamer über „ihr Land", das allerdings kaum noch ihr Land ist. von anderen verfügen lasten werden. Nie Vereinigten Staaten von Europa. WasBriand vorschlägt. Rom. 16. Dezember. Der frühere französische Ministerpräsident Aristide Briand, der als Delegierter Frankreichs der Tagung des Völkerbundes beiwohnt, hat Journalisten gegenüber eine Äußerung getan, die zu lebhaften Deutungen Anlaß gibt. „Könnte nicht," so sagte er, „eine Formel znr Her stellung des Gleichgewichtes, zur Sicherung des Friedens und zur Erleichterung der friedlichen Aufgaben des Völ kerbundes in einem friedlichen Pakt zwischen England. Frankreich, Italien und Deutsch land gesunden werden? Könnten die g r o ß c n I n d u - strieu dieser vierLänder nicht dazu kommen, die Ursachen ihrer Rivalitäten und ihrer Reibungen auszu schalten?' Das sind zwei sehr interessante Fragen, die eine ernste Antwort verdienten. Ob sie jedoch mehr sind als Träume- k reien eines politischen Idealisten, das ist die dritte Frage. Deutfchtanös Abrüstung. Berlin, 16. Dezember. In einer Unterredung mit einem dänischen Journa listen bezeichnete kürzlich der Reichswehrminister Dr. Geßler die im Ausland verbreiteten Gerüchte, daß Deutschland von neuem rüste, als widersinnig. Mit vollem Recht; denn gerade das Gegenteil ist der Fall: Deutsch land hat, wie festgestellt wird, in den letzten Jahren „unter der Aufsicht" der M i l i 1 ä r k o n t r o l l e so gründlich a b - gerüstet, daß es beinahe wehrlos dasteht. Man erwäge nur folgendes: Eine allgemeine Wehr pflicht gibt es in Deutschland nicht mehr. Die uns durch den Friedensvertrag von Versailles zugestandene Wehr macht setzt sich aus 4000 Offizieren und 06 000 Mann bei der Armee und 15 000 Mann bei der Marine zusammen. Wir können also den 780 000 Mann, die Frankreich ständig unter den Fahnen hat, im günstigsten Falle 115 000 Soldaten entgegenstcllen. Eine Flotte besitzen wir nicht mehr, und die sür etwaige Mobilmachungsvor- bcreiiungen erforderlichen Behörden sind beseitigt worden. Abgeliesert und zerstört wurden von unseren früheren Waffen- und Munitionsbcständen fast 6 Mil lionen Gewehre und Karabiner, über 105 000 Maschinen gewehre, mehr als 20 000 Minenwerfer und Rohre, fast 55 000 Geschütze und Rohre, 28 006 Lafetten und 58 750 000 geladene Artilleriegeschosse und Minen, rund 16 55^000 scharfe Hand-, Gewehr- und Wurfgranaten, rund 37 600 Tonnen Pulver, mehr als 14 000 Flugzeuge usw. Daß wir neue Militärflugzeuge, Tanks, Gas u. a. nicht Her stellen dürfen, ist bekannt. In rund 10 000 Fabriken, die früher als Werke der Rüstungsindustrie in Betracht kamen, sind die Maschinen, die zur Herstellung von Kriegsgerät gedient hatten, zerstört worden. Wie sollten wir also, zu mal angesichts der aus deutschem Boden stehenden kriegs starken französischen Divisionen, von neuem rüsten können? Selbst wenn die deutsche Industrie sich wieder fürNüstungs- zwecke umstellen würde, würde das viele Monate in An spruch nehmen.