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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.01.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-01-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000111016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900011101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900011101
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- unvollständig: 4. Beilage (S. 265-268) fehlt
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-01
- Tag 1900-01-11
-
Monat
1900-01
-
Jahr
1900
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Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr, dir Abend-Au-gabr Wochentag« um ü Uhr. Ne-artio« und Expedition: JohanntSgasse 8. Di« ikxpedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filialen: Alfred Hah» vorm. O Klemm'» Lnrttm. UntversitätSsttaßr 3 (Paultnum), Laut» Lösche, Katharinenstr. 14, part. und König«platz 7. Bezugspreis in der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten An« «obesiellea abgeholt: vierteljährlich ^l 4.ÜO, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hou« S.LO. Durch dir Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertrstährlich ^l Direkte tägliche Areuzbandsendung in- Ausland: monatlich 7.bO. Morgen-Ausgabe. MpMer TaMM Anzeiger. Ämtsvlatt -es Hönigkichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Votizei-Ämtes -er LLa-t Leipzig. Anzeigen'Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reclamen unter dem RedactionSslrich (4a«- spalten) bO^z, vor den Fomiliennachrichten (6 gespalten) 40/H. Größere Schriften laut unserem Preis. Verzeichnis. Tabellarischer und Ziffernjap nach höherem Tarif. Ertra-Veilagttt (gesalzt), nur mit der Morgen»Ausgabe, ohne Posibesörderung ^l 60.—, mit Poslbesörderung >4 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anreise» sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 18. Donnerstag den 11. Januar 1900. 91. Jahrgang. Die romanischen Ltaaien am Beginne Les neuen Jahrhunderts. SS Waren auch Italien und Spanien am Beginne de« 19. Jahr hunderts bedeutungslos, so bestimmte doch Frankreich, Dank dem Genie Napoleon«, dermaßen die Geschicke der Welt, daß man wohl sagen darf: am Beginne des 19. Jahrhundert« stand Europa unter dem Zeichen de« Romanenthums. Wie ganz anders sieht es am Beginne des 20. Jahrhundert« auS! F r a n k r e i ch, die natürliche Vormacht der romanischen Staaten, ist heute nur ein Schatten jenes Riesenreiche« vor hundert Jahren. Es gab damals keine große europäische Frage, die anders, als nach dem Willen des großen Corsen entschieden lverden konnte. Heute ist Frankreich zwar, dank der Opferwillig- teit seiner Bevölkerung, immer noch ein großer Militärstaat, aber die Zwistigkeiten im Innern lasten es als dringend geboten erscheinen, von der militärischen Macht keinen Gebrauch zu machen. Wohl hat Frankreich noch kurz vor dem Abschluffe des Jahrhunderts die lästige Dreyfus-Angelegenheit, die zwei Jahre hindurch den Staat in seinen Grundfesten erschütterte, auS der Welt geschafft, aber die innere Ruhe ist damit noch nicht dem Lande wiedergegeben. Es ist vielleicht charakteristisch, daß am Sylvestertage, wo die Mitglieder deutscher Parlamente unbe schadet ihrer Würde und ruhigen GemüthS den bewährten Punsch vorbereiten konnten, der französische Senat als StaatSgerichtshof tagen mußte, um über Männer zu judiciren, denen Hochverrath und Verschwörung gegen den bestehenden Staat vorgeworfen ivird. Die französische Republik ist also in jedem Augenblicke in ihrer Existenz bedroht, und so muß sie vielmehr darauf bedacht sein, sich selbst zu schützen, als sie daran denken kann, die Rolle als romanische Vormacht in Europa wirksam durchzuführen. Nicht viel günstiger steht eS mit Italien. Gewiß ist es im Gegensätze zu Frankreich äußerlich heute viel bester daran, als am Beginne des 19. Jahrhunderts, wo von einem Italien überhaupt noch Nicht die Rede sein konnte. Denn damals war der Boden der Apenninen-Halbinsel den Einflüssen und der Herr schaft fremder Mächte unterworfen, und Oesterreich und Frank reich schlugen ihre Schlachten in der lombardischen Tiefebene. Heute ist Italien geeint, aber diese Einigung ist mehr eine äußer liche, als eine innerliche. Denn die Mächte des Umsturzes sind eifrig qm Werke, um den Einheitsbau zu zerstören, Im äußersten -N^oeü der LarMs Vnd im äußersten Süden'Hak*der Saeialis- mus eine gewaltige Macht errungen, und ihm zur Seite steht ein unklarer Republikanismus, der zwar nicht die bestehende Gesell schaftsordnung aufheben will, aber die Dynastie deS Hauses Savoyen beseitigen und an ihre Stelle eine italische Republik setzen möchte, die noch nicht vier Wochen lang als einheitlicher Staat bestehen könnte, denn das stärkste, ja man kann sagen daS einzige einigende Band ist in Italien das Haus Savoyen. Im Süden des Staates herrscht neben der gesetzmäßigen Regierung, ja mächtiger als diese, die gesetzlose Maffia, deren schändliches Treiben zur würdigen Einleitung des neuen Jahrhunderts in dem Processe Notarbartolo enthüllt wird. Und eine Gefahr, nicht geringer als Socialismus, Republikanismus und Maffia, ist der Klerikalismus, der aus allen Mißständen und allen Fehlern der Regierung die Hoffnung schöpft, den Staat wieder beseitigen zu können, besten Anfang zugleich daS Ende der weltlichen Macht des Papstthums bedeutete. Der Maffia-Proceß einerseits, das „heilige Jahr" andererseits läuten Unheil verkündend das neue Jahrhundert in Italien ein. Denn die ungezählten Hundert- iausende, die in diesem heiligen Jahre nach Rom wallfahrten werden, thun die reale Macht des Papstthums dar, sie sind ein Triumph des „gefangenen" Königs im Vatikan über den „freien" Herrscher im Quirinal. Für Spanien bedeutet der Anbruch jedes neuen Jahr hunderts nur einen Fortgang des Verfalls. Am Beginne deS vorigen Jahrhunderts glich der tapfere Widerstand gegen die französischen Unterdrücker wenigstens einem letzten großen Auf flackern alten Ruhmes. Heute würde die Bevölkerung einem äußeren Feinde kaum noch einen so zähen Widerstand ent gegensetzen können. Heute schlägt man sich lieber im Innern ivcgen der Steuern herum, als daß man auf die Wahrung der nationalen Güter bedacht ist. Seinen werthvollen Colonialbesitz hat die einst größte Colonialmacht der Welt in den letzten Jahren des zu Ende gegangenen Jahrhunderts verloren, wenn eS seine Selbstständigkeit als europäischen Staat bewahrt, so dankt es dies nur dem Umstande, daß keine europäische Macht daran denken kann, eS einzustecken. Man braucht kein großer Prophet zu sein, um vorherzusagen, daß die spanische Geschichte deS 20. Jahrhunderts lediglich auS einer Kette von PronunciamientoS größeren oder kleineren Stil» bestehen wird. So erscheinen die romanischen Staaten nicht berufen, im 20. Jahrhundert eine führende Rolle zu spielen. Wohl aber ist zu besorgen, daß sie, und zwar ganz besonder« Frankreich, wegen ihrer inneren Conflicte, den europäischen Frieden gefährden werden. Oberbürgermeister v. Fischer zz In dem vorgestern zu Aug-burg verstorbrnrn ersten Bürger meister Ludwig v. Fischer ist «in Mana dahiag«dangen, besten Verdienste um die Pflege de« deutschen Einigung«- gedanken« in der Zeit der Vorbereitung, um die Ermöglichung und Befestigung der Einheit in der Äera der Tbaten außer halb Bavern« erst eine spätere Zeit vollauf zu bewertben lernen wird. Um die Geschickte der Tbeilnahme von Söbnrn de« zweitgrößten deutschen Lande« an den Bestrebungen, Deutsch land eine Verfassung unter preußischer Spitz« zu geben, bat man sich überhaupt noch erstaunlich wenig gekümmert, und wo von jenen eifrigen und nicht selten opferheischeaden Be mühungen die Rede ist. beschränkt man sich gewöbnlich auf die Aufzählung der Mamen Marqnard Barth, Josef Völk, Gchauß. Ludwig Fischer — der Verstorbene war bürger licher Abkunft — schließt sich diesen Männern würdig an. Er bat im frühesten Mannetzalter mit Tapferkeit, Geiste«» schärfe und Besonnenheit für di« nun glückbringend ver wirklicht« Idee gekämpft, unter Anderem auch durch eine Schrift, in der er lang« bevor ein Bi«marck ähnlich« Gedanken auch nur leise verrathen durfte, di« Unterstützung der italie nischen EinheitSbestrebungen und die Nützung derselben im Intereste der deutschen Sache mit Nachdruck empfahl. Für einen Bayern war die« zu Beginn der sechziger Jahre ein Beginnen, da« Muth erforderte. Fisch», selbst Katholik, hat sich denn auch alsbald die grimmigste Feindschaft de« Ultramontanismu« zugezogen und diese ehrende Gegnerschaft hat ihn bi« zum Grabe geleitet. Er ist mit dem Minister v. Lutz der von den natürlichen Reick«- feinden, denKlerikalen, bestgehaßte Mann Bayerns geblieben; noch Vie jüngsten Wochen haben Zeugniß davon abgelegt. Diese Ab neigung balle er zum beträchtlichen Theile auch seiner amt lichen Thätigkeit al- Bürgermeister von Augsburg zu zuschreiben. Al« Fischer im Jahre 1862 da- Amt antrat, fand er in der ehemals glänzendsten Stadt Deutsch lands ein klerikal verrottete- Gemeinwesen vor, von kleinlichstem Geiste erfüllt, in jeder Hinsicht, am meisten vielleicht in gesundheitlicher, zurückgeblieben. Der junge Bürgermeister, von einem seltenen Verwaltungstalent, außergewöhnlichen Kenntnissen und einer glücklichen Redegabe unterstützt, griff behutsam, aber mit unbeugsamer Energie zu, und al- er 1887 sein 25 jährige- Bürgermeisterjubiläum feierte, da erinnerte sich das zu einer mäcktigen, gesunden, mit guten Schuleinrichtungen versehenen ArbeikSstadt wieder aufgeblühte Augsburg der alten klerikalen Zeit wie eine- dösen Traume-. Aber die ultramontane Partei hatte ihm seine natio nale und liberale Gesinnung nicht vergessen und er hatte ihr auch keine Gelegenheit dazu gegeben. Fischer war in der bayerischen Kammer, der er von 1862 bis zu seinem Tode angehörte, der unermüdlichste und glücklichste Enthüll» der letzten ultramontanen Ziele und den Klerikalen eine der fatalsten Erscheinungen auch deshalb, weil er in allen politischen Fragen, nicht zum Wenigsten in solchen des Schul wesen-, wo in diese- konfessionelle Interessen hineinspielen, jederzeit mit größter Mäßigung auftrat. Diese zeichnete ihn auch al- Mitglied deS ReickStagS aus. Er war der geborene mittelparteiliche Politiker. Diese Eigenschaft, vereint mit der Zugehörigkeit zu einem süddeutschen Staate, vor Allem aber mit dem Umstande, daß er den Einfluß List'-, deS großen Vater- der heutigen deulscken Volkswirthschaft, aufsich batte wirken lassen dürfen, hat den Verstorbenen vor dem Aufgeben in den Anschauungen de- ManchesterthumS, die dem gemäßigten A-erali«ou« so schweren Schaden zufügeu sollten, bewahrt. Viele- z. B., wa« auS der modernen Grwerbegesetz- gebung wieder ausgemerzt werden mußte, hatte Fischer, wenn auch vergeben-, bekämpft. Kein Wunder, daß dieser Mann, obwohl der Vorsteher einer Industriestadt, mit der Umwälzung der landwirthschaftlichen PrriSverhältniffe zum „Agrarier" wurde und eS blieb, obwohl ihm dies vielfach zu Hause, mehr noch in der „Fremde", näm lich in Berlin, verdacht wurde. Zur Rücksichtnahme außer auS sachlichen Gründen war Fischer nicht zu bewegen. Absolut frei von demokratischen Allüren, blieb er nach oben und — wa- manchmal schwerer sein mochte — nach der Seite ein freimüthiger bürgerlicher Mann, von einem Unab- HLngigkeitSsinne, der Manchem, dem der Verstorbene „gar zu weit rechts stand", im Interesse de- Liberalismus von Herzen zu wünschen wäre. Geistig, wie — bi- vor wenigen Jahren noch — körperlich robust, hatte er für die Kritik seiner Selbstständigkeit gelegentlich kräftige Worte der Zurück weisung. Die gemeinsamen Ziele deS nationalen Liberalismus hat er keinen Augenblick auS dem Auge verloren. Unsere Freunde in Bayern werden den Verlust deS streitbaren, festen und klugen Manne- al- einen unersetzlichen empfinden und von den alten Vertretern der deutschen Sache im Reichstage sinkt ein» der Besten mit ihm in- Grab. Der Krieg in Südafrika. -k> Bis gestern Abend haben wir auf Nachrichten vom Krie-Sschauplay vergeblich gewartet. Diese- beredte Schweigen kann, wa- die letzten Ereignisse in Natal betrifft, nur der Annahme Vorschub leisten, daß e« mit der Niederlage, welche die Boeren bei Ladysmith erlitten haben sollen, ähnlich bestellt ist wie mit deu Niederlagen, welche die Engländer ihnen auch andern OrtS applicirteu, sie standen bloS auf dem Papier und verwandelten sich bei Licht besehen entweder in sehr, sehr theuer erkaufte „Siege", oder gar Niederlagen der Engländer. Wir müssen un« begnügen, folgende Meldungen zusammen- zustellen: * Brüssel, 10. Januar. (Tel. d. „Mgbb. Ztg.") Lehd« stellt fest, daß England widerrechtlich alle an die TranSvaal- wesandtfchaft gerichteten Postsendungen zurückhült. (UnS geht die Nachricht zu, daß deutsche Briefe von englischen Be hörden sogar geöffnet worden sind. Wir kommen hierauf noch zurück. Red. d. „Lpz. Tgbl.") * London, 10. Januar. (Telegramm.) Die „Times" unter- »leben di» neuesteRrd« Balfour'« einer sehr scharfen Kritik. Zum Glück für di« Regierung sei dl« Opposition im gegenwärtigen Parlament di« schwächste der neueren Zeit, ober Balfour köun» kaum vorauösetzen, daß di« Mehrheit der Nation seine Beriheidiguug der Kriegführung al« hinlänglich aunehmen werde oder könne. „Timet" bezweifeln sehr, ob, fall« der Krieg ueue Niederlagen de» britischen Waffen bringen sollte, di« Nativ» fernerhin unbedingte« vertrauen in di» Regierung setzen werd», oder ob e« gerechtf^ttgt sein würde, die« zu thun. Ander« Blätter urtheilen nicht minder streng. (Bost. Ztg.) R«- Rothe Kreuz. * Brüssel, 10. Januar. (Telegramm) Der leiteude AuS- schuß de« Rothen Kreuze« hielt gestern in dem Krieg«. Ministerium »in« Berathuug ab, über di« Lag« der Mitglieder der vaaitit«coloun», di« sich an Bord de« deutscheu PvstdmapferS „Herzog" befindet. Der Nu«schuß erörtert« dl« Frag«, ob di« schleuaige Verwendung für di« zur Ambulanz gehörenden Belgier angrzrigt erschein». Di» belgisch» Regierung werde zweifellos dem Auöschuß die erforderlichen Vollmachten ertheilen, damit di» b»lgisch»n Th«ilnrhm»r an der Eolonn» sich binnen Kurzim unter d»m officiellen Schutz» de« Rothen Kreuze« befinden. ES steh« zu hoffen, daß durch rin solches Einschreiten die Unvorsichtigkeit deS veranstalteten Unternehmens wieder gut gemacht werde. Der Aus schuß der internationalen Freiwilligen, die in der Ambulanz zu- sammeogestrllt sind, ist officiell als nicht zum Rothen Kreuz gehörig anerkannt. Er hat an das Ministerium de« Auswärtigen in London ein Telegramm gerichtet, in dem gegen die Beschlagnahme de« Dampfer» „Herzog" Einspruch erhoben und di« Freilassung der Mitglieder der Ambulanz gemäß den Abmachungen der Genfer Convention verlangt wird. * Haag, 10. Januar. (Telegramm.) Da- Marine- Departement wie- den Commandanten de« Panzerschiffe- „Friesland", der sich gegenwärtig in Lourenyo MarqueS be findet, an, sich nach Durban zu begeben und da« Personal und Material der zweiten niederländischen Abtheilung de- Rothen Kreuze«, sowie di« für die „Friesland" bestimmten Leben-mittel an Bord zu nehmen, di« sich auf dem fortgenommenen deutschen Dampfer „Herzog" befinden. Da- zweitägige Bombardement Ladysmiths. Der Sturm aus White « Lager. Buller'« längst erwartete EntschetdungS-Lchlacht. L. 6. London, 8. Januar. (Von unserem Special- Corr-spondenten.) Wenn je in diesem Kriege, hat un« heute alle- im Stiche gelassen. Vor uns eine lange Reihe der phantastischsten, widerspruchsvollsten Meldungen — viel Falsche- und ein Körnchen Wahrheit — bi« zur vollen Un vollständigkeit verstümmelte Eigendepeschen und absolute- Schweigen des Manne-, der gestern noch Obercommaa- dirender in Südafrika war, und Ve- englischen Krieg-- Ministerium-. Es wäre unbillig, in diesem Augenblicke der Entscheidung von den maßgebenden englischen Factoreu, nach allem Vor- hergrgangenen, etwa- andere- zu »warte», so enttäuschend und irritirend auch ihre Haltung sein mag. In den großen Militärclub- und den leitenden Kreisen der Aristokratie und — last not loast — an der Börse, diesen« fein fühligsten oller Barometer, circulirten während der späten Nacktstuaden n»m Sonntag allgemein und von den verschiedensten Seiten kommend, die Meldung, di« Stadt Ladysmith habe capitulirt und da- etwa- über 3 luv südlich von der Stadt gelegene befestigte Laa» White'» (da sogenannte Caesars Langer) auf Bester- Hill, sei am Sonn abend Abend von den Boeren mit stürmender Hand ge nommen worden. Aber Niemand erwartete Dom Kriegsamte rin ehrliches, unumwundene- Eingesteben der betrübenden Tbatsache, wenn auch bis in die höchsten aristokratischen Kreise England-, so besonder- im Carlton Club, eine Gereiztheit gegen die Regierung und ihre Art der Behandlung der Materie sich zeigte, wie AehnlicheS hier in den letzten fünfzig Jahren nicht bekannt war. Wie erbittert die Auffassung in gerade jenen Kreisen ist, auf welche die Regierung in erster Linie zu rechnen ein sozusagen moralisches Anrecht bat, zeigt am besten folgende Kritik der „Morning Post", die in sich den ganzen Jammer der Lage resumirt. Der bekannte boch- stebenve militärische Kritiker de- Blatte- schreibt über die Meldungen des Kriegsamtes von heute und gestern und die Haltung Sir RedverS Buller'S: „WaS diese sogenannten Angriffe Buller's bedeuten, darüber girbt »S keinen Zweifel. Der Borrencommandant war am Freitag Abend überzeugt, daß er einen oder zwei Tage, vielleicht sogar mehr, sich gesichert habe, während deren er Ladysmith angreifen könne, und ohne irgend welche Möglichkeit der Einmischung Sir RedverS Vullcr's. Seine Linien südlich vom Tugela konnte» weder gestürmt, noch in weniger denn einem Tage umgangen werden. Ein zweiter Tag wäre nöthig gewesen, um Sir RedverS Buller's Streitmacht über den Tugela zu bringen und, wenn drüben, hätte Sir RedverS Buller mehr denn einen Tag gebraucht, uni fein Ziel zu erreichen, außer im Falle eines direkten Angriffs in der Richtung auf Eolrnso, welcher nach der letzten Schlacht unwahr scheinlich war. Der Boerengeneral beschloß deshalb den Versuch zu machen, ob er nicht durch einen nachhaltigen Angriff den Widerstand General White'S rndgiltig brechen könne. Dieser Angriff begann bei Tagesanbruch am Sonnabend «ud wurde den ganzen Tag über fortgesetzt. Jede Möglichkeit svrach dafür, daß dieser Angriff gestern (Sonntag) «raeuert werden würde und da General White (wie ec selbst in seinem Hrliogramm meldet) am Sonnabend auf da- Nenßerste bedrängt war, so dachte er offenbar, daß seine Wider standskraft ein« Grenze habe und daß deren äußerster Punct fast erreicht sei. Heute oder morgen dürfte un- da- Kobel Li» Meldung bringen, daß Slr George White'« Division aufgehört habe, al« militärisch« Streitmacht zu existiren. General White'« einzig» Au-sicht, der Umklammerung der Boeren- streitkräste zu entrinnen, konnte all» Berechnung und Wahrschein lichkeit nach »ur abhängrn von der Aussicht, daß Sir RedverS Bull» seinerseits die Boeren vor sich angreifen und schlagen werdr, während General George White'S Widerstandskraft noch un- gebrochen war. Sir RedverS Buller war «m Sonnabend mehr denn kampfbereit (dol rvnck^), und al« er von Sir Gevrge White'S Angriff hörte, war da« einzige AuSkunftSmIitel, eine Demonstration anzuordnen. Er hätte gerade so gut eine Feuerwerksvorstellung anordnen können. Nur »in kraftvoller Angriff mit voll» Macht, ohne Aussicht «uf etwaig« Verluste durchgesührt, könnt« den Obercommaodantrn der Boeren belästigen. Die Gesnhr ist jetzt, daß Sir RedverS Bull»'« zweit« Schlacht, wenn er sie liefert, zum Motto die Worte hoben wird: ,.E« ist zu spät!" Go die „Morning Post". E« ist nickt zu verwundern, wenn die vornehmsten Organe der rngliscken Aristokratie sich fo bitter gegen die eigene Partei der Regierung erbeben, bezahlten doch die besten Söhne ibr» vornehmsten Familien mit ibrem Herzblute bereit« die Irrungen dieser Regierung und die Schwäckr jener Männer in ihr, welche nicht die sittliche Kraft zu finden vermocht, dem Andranae eines muster haft organisirten und allmählich durch Corruption jeder An allmächtig gewordenen IobberthumS zu widerstehen. Aber Vie „Morning-Post" geht etwas weit, wenn sie Sir RedverS Buller vorwirst, nur „demonstrirt" zu haben. Allerdings ist das Wort „Demonstration" von Buller selbst und seinem eigenen knappen officiellen Berichte entnommen, aber mit welchem ankeren Ausdrucke konnte der Oberbefehls haber der britischen Streitkräfte seine Action bezeichnen, die darin bestand, daß er seine sämmtlichcn „disponiblen Truppen" gegen die feindlichen Schützengräben, südlich von Tugela, auS Frere hinausführte, nur um zu consta- tiren, daß die Stellung der Boeren „unangreifbar und uneinnehmbar, und der Feind so stark, daß er sich nickt einmal herabzulaffrn brauchte, daS mehrstündige Bombardement seiner grsauimten Artillerie auch nur mit einem einzigen Schüsse zu beantworten." Buller'S sämmtliche Geschütze batten vier Stunden lang die feindlichen Vorposleu- Trancheen mit ihren Lydditebomben und Shrapnells be worfen, seine gesammte Cavallerie, einschließlich der so viel gepriesenen einheimischen Freiwilligen-CvrpS, welcke den Boeren völlig ebenbürtig sein sollten, batte ans seinem äußersten rechten Flügel, wie bei der ersten Schlacht am Tugela, eine Umgehung (?) versucht — und er batte seine sämmtlichen Brigaden mit Ausnahme der jetzigen Sir Charles WarrenS, welcher seine NückzugSlinie deckle, vor die Fliatenläufe und Kanonen der Boeren g-brackt unk als diese nicht antworteten, wußte er sehr wohl, daß jedes weitere Vorrücken nichts andere- bedeutet haben würde, al- seine Leute von einem vernichtenden Gewehr feuer niedergemachl zu sehen, ebne auch nur den ersten Schützengräben deS Feinde- sich nähern zu können. Da blieb Buller schließlich nichts andere- übrig, als bei Hereinbrecken der Nacht den „Kampf" abzubrechen und sich in sein Lager bei Frere zurückzuzieheu, denn er wußte sehr Wohl, daß in seinem Rücken vom Westen wie Osten der starke Commandos seine NückzugSlinie bedrohten, und er Gefahr lief, am nächsten Morgen sich gerade so eingeschlossen zu finden, wie Sir- George White in Ladysmith. WaS um Ladysmith selbst vorgcgangeu, darüber geben die vorliegenden Nachrichteu nur einen höchst ungenauen, stückweisen und offenbar günstig verschobenen Ueberblick. Unsere eigenen Kabelmeldungen lvarrn so censirt und v-:r stümmelt, daß da« Endresultat deS Tage- und wie e- um Stadt und Lager steht, daraus nicht zu ersehen war. Wir wissen nur, daß Gerrrral Joubert in Person — so wenigstens wird gemeldet — den Angriff auf Ladysmith leitete, daß Stadt und Lager deu ganzen Freitag, die Nacht vom Freitag zum Sonuabend, und deu ganzen Sonnabend über boiubardiri wurden, und daß die Boeren am Sonnabend Nachmittag die Höhen des Lagers White'S auf Besters Kopje erklommen hatten, so daß die Gordon-Hochländer mit dem Bajoner deren Angriff zurnckweisen mußten, wobei cö zu einem furcht baren Gemetzel und gegenseitigen Blutbavc tam. Warum verfolge» Vic Boerc» uicht k Bei aller Anerkennung, die dem heldenmüthigen, einsichts vollen Verhalten des kleinen Boerenvolkes in allen Schlachten und Gefechten des gegenwärtigen Krieges mit England gezollt wird, spricht die Presse fast einmüthig den Tadel aus, die Boeren hätten ihre Siege nicht auszunutzen verstanden und es unterlassen, den fast vernichteten Gegner in rücksichtsloser Verfolgung völlig kampfunfähig zu machen. Derselbe Vorwurf wurde ja auch der deutschen Cavallerie nach der Schlacht von Königgrätz und im Jahre 1870 u. A. nach Wörth gemacht. Während aber damals allerlei in den getroffenen Dis Positionen beruhende, von der Kritik gleichfalls vielfach ange fochtene Gründe — ob mit Recht oder Unrecht, bleibe hier uncr örtert — der vollen Ausnutzung des errungenen Sieges hindernd in den Weg getreten sind, haben bei den Boeren andere Schwierig leiten Vorgelegen, die es erklärlich machen, daß sie «ine ziclbcwußte, weittragende Verfolgung unterließen. Jeder erfahrene Soldat weiß, daß eine Verfolgung nack heißem, siegreichem Ringen leine so leicht« Sache ist, wie man ge meiniglich glaubt. Nicht auf ein planloses Hinterherjagen, nickt auf Niederschießen und Niederstechen alles Dessen, was Einem in den Weg tritt, kommt es an, sondern ein weitsichtiger, einhcit lich handelnder Wille muß da sein, der die oft weit auseinander gehenden Mittel der Verfolgung führt und Zusammenhalt. Di: in der Kriegsgeschichte fast einzig dastehende preußische D:r folgung bei Belle-Allianc« ist in ihrer Anordnung und Durch führung daS leuchtende Vorbild. Von dieser Basis auS wird, ob es sich um deutsche, russisch: oder Boeren-Soldaten handelt, in jedem Falle und nach jedcr einzigen Schlacht di« Frage zu entscheiden sein, womit soll ver folgt werden? Di« wirksamsten und bereitesten Mittel der Verfolgung sind unstreitig di« Cavallerie und Artillerie. Denn eh« sich die In fanterieverbände aus dem Durcheinander eineS eben erfochtenen SiegeS so zusammengefundrn haben, daß sie von Neuem ein brauchbares Gefüge bilden, kann der in Hast und Unordnung zurückfluthende Gegner längst entkommen sein. Wie stand es nun mit den zur Verfolgung verfügbaren Mitteln bei den Boeren in den .Hauptschlachten diese» Krieges am Modder, bei Stormberg und Colenso? Cavallerie im Sinne europäischer Armeen besitzen weder die Transvaal- noch die Oranjrboeren. Die Verwendung de» bei Beginn deS Kriege« unter Oberst Schiel zusammengetretenen Freiwilligen-CorpS von k>00 TranSvaalboeren war in cavalleristi schein Sinne gedacht und hat auch dementsprechend in groß:-, Patrouillen-Ttreifzügen vereinzelte hübsche Erfolge gegen feind liche Eisenbahnzüge und Transporte aller Art zu erringen ver- mocht. Nachdem aber Oberst Schiel bei ElandSlaagte gefangen, mehrere seiner Officirre gefallen oder verwundet waren, hat man von dieser Cavallerie wenig gehört, so daß sich ihre Thätigkeit ans den Patrouillendienst im engeren Rahmen der einzelnen CorvS, denen fle zugewiesen waren, beschränkt haben muß. Freilich sind ja alle Transvaal- wie Oranseboeren beritten: ab» die kleinen, drahtigen Pferde, die in Behendigkeit und Au? dauer ihre« Gleichen suchen, find nach Anleitung und Gewobnb- t mehr befähigt, ihre Reiter schnell und geschickt von Stellung zu
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