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MMOrTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Da» „Wilsdruffer Tageblatt" ericheinl an allen Werktagen nachmittags b Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— NM. frei Haus, bei Postbestellung 1,80 RM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpfg. Alle PostanstaUen, Post boten und unfere Aus^ träger und Geschöstssteven nehmen zu jederzeit Be- 2öDÜ)LN!>Ill11 U. stellungen entgegen. Im Fall« höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Be ¬ triebsstörungen besteht kein Aniprna oui ^-eieruna der Leitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingejandter Lchriststüche erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter L.::rLL Nr. ° ZLS« durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Nabationsprucb erlijcht, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden mutz oder der Auftraggeber in Konkurs gerat. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 198 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-DreSden Postscheck: Dresden 2640 Mittwoch, den 24. August 1932 Eine KWiMlW der ReWregierW. „Ohne Ansehen der Person oder Partei" Zu den Urteilen der Sondergerichte. Neichsregierung und preußische Staatsregierung er lassen folgende Kundgebung: „Gezwungen durch Gewalttaten im innenpolitischen Kampf, welche das Ansehen des Reiches aufs schwerste gefährdeten, hat der Herr Rcichspräsiöent auf Vorschlag der Neichsregierung die schärfsten Strafen gegen den politischen Terror verhängt. Mit dem Augenblick, in dem diese Verordnung in Kraft getreten ist, muß sie gleich mäßig gegen jedermann, der Recht und Gesetz verletzt, ohne Ansehen der Partei oder der Person Anwendung finden. Die Neichsregierung wird nötigenfalls alle Machtmittel des Staates einsetzen, um den Vorschriften des Rechts unparteiisch Geltung zn verschaffen und wird nicht dulden, daß sich irgendeine Partei gegen ihre An- ordnungen auflehnt. Ebensowenig wird sich die preu ßische Staatsrcgierung durch politischen Druck in der pflichtmäßigcn Prüfung beeinflussen lassen, ob sie ihr Begnadigungsrecht im Falle der Beuthener Todesurteile ausüben kann. Die leidenschaftlichen Vorwürfe, die in der Öffent lichkeit gegen diese Urteile erhoben Word-« sind, sollten ftch gegen die Urheber der blutigen Ereignisse und nicht gegen die Staatsgewalt richten, die im Interesse der Gesamtheit zu so scharfen Maßnahmen greifen mutzte. Die Neichsregierung wird jedem Versuch, die Grund sätze des Rechtsstaates zu verfälschen und die politischen Leidenschaften zu erneuten Ausschreitungen auszustacheln, Zu begegnen wissen." Berlin, 24. August. Die Kundgebung der Reichsregierung und der preußischen Staatsregierung im Zusammenhang mit dem Beuthener Urteil hat, wie 'die DAZ. berichtet, den Cha rakter einer Auflagcnachricht für sämtliche deutschen Zeitungen. Die Polizeibehörden seien noch Dienstag abend telegraphisch angewiesen worden, daß sämtliche Blätter, gleichviel welcher Parteirichtung, die Kundgebung veröffentlichen. Zuwiderhan delnde Zeitungen sollen sofort verboten werden. * Eine Erklärung der Regierung. Zu der Entscheidung über die fünf Todesurteile in Beuthen wird a» zuständiger Stelle erneut erklärt, die Regierung werde sich in keiner Weise unter irgendeinen politischen Druck setzen lassen. Sie werde ihre Entschei dung so fällen, wie sie nach rechtlichen Gesichtspunkten zu fallen sei. Das Begnadigungsverfahren. Hinsichtlich der weiteren Behandlung der von dem ^ondergericht in Beuthen gefällten Todesurteile wird von zuständiger Stelle mitgeteilt: Die Vollstreckung von Todesurteilen, auch wenn sie von Sondergerichten gefällt sind, ist gemäß Z 453 der Arasprozeßordlwrit; erst zulässig, wenn die Ent- schließung der zur Ausübung des Gnadenrechts berufenen Stelle ergangen ist, von dem Begnadigungsrecht keinen Gebrauch zu machen. Da die Sondergerichte Ländergerichte sind, ist die zur Ausübung des Gnadenrechts berufene Stelle in diesem Falle nicht der Reichspräsident oder die Relchsregierung, sondern gemäß Artikel 54 der Preußi schen Verfassung die Preußische Staarsregie- rung. Das Verfahren regelt sich wie bei allen Todes urteilen preußischer Gerichte. Danach hat der Oberstaats anwalt, nachdem er zunächst die Stellungnahme des Generalstaatsanwalts eingeholt hat, die Akten mit seiner Äußerung dem Beauftragten für Gnadensachen vorzulegen, fieser hat in jedem Falle, ohne auf die Einrei- AP "0 eines Gnadengesuches zu warten, mit größter Beschleunigung an den Justizminister zu berichten. Lewem Bericht hat er eine Äußerung des Vorsitzenden E Sondergerichts, des Gnadenanwalts und etwa noch von ihm gehörter Stellen beizufügen. Es ist au-» daß neben tunlichster Beschleunigung vetecklgten Stellen mit Rücksicht auf die Bedeutung oer Angelegenheit sorgfältigste Prüfung obliegt. Die Absichten -er Verteidiger, areiimwe? wird über die zu er- erklärt, daß sofort alle Schritte Staalsministerium getan werden, um eme Vollstreckung der Todesurteile zu verhindern. In der Praxis sei mit einer Entscheidung darüber vor Ablauf dieser Woche nicht zu rechnen. Es sei erst einmal die Ab fassung des Urteils erforderlich, was einige Tage in Anspruch nehme. Auf Grund der Niederschrift des Urteils und eines vorgeschriebenen Berichtes der Staatsanwalt schaft habe das Staatsministerium zu entscheiden. Da gegen Urteile der Sondergerichte bekanntlich keine Rechts mittel, also keine Berufung und Revision, zulässig sind, werde vor allem der Weg des Wiederauinahme- verfahrens beschritten werden. Das Wesen des Kurzverfahrens im Sondergericht mache es leicht, neue Beweismittel und Tatsachen geltend zu machen, auf Grund deren die Wiederaufnahme des Verfahrens zu lässig sei. Möglich sei außerdem noch die Ablehnung der Richter wegen Befangenheit, die aus Tatsachen erfolgen könne, die die Angeklagten erst nachträglich in Erfahrung brachten. Wiederaufnahmeverfahren oder SegnadWilg? Die Todesurteile des Sondergerichts von Beuthen gegen die Nationalsozialisten stützen sich auf den 8 1 der Notverordnung des Reichspräsidenten zur Bekämpfung des politischen Terrors vom 9. August. In diesem Para graphen wird demjenigen die Todesstrafe angedroht, der einen Totschlag als Angreifer aus politi- schenBeweggründen begeht. Nach den Bestimmun gen des Strafgesetzbuches steht auf diesen Fall nicht die Todesstrafe. Diese Notverordnung bestimmt weiter, daß mildernde Umstände nicht gewährt werden dür fen. Aber die wichtigste Bestimmung ist die, daß es gegen die Urteile der Sondergerichte keine Revision gibt. Sie können nur durch ein Wiederaufnahmever fahren angefochten werden. Dazu ist notwendig, daß wesentlich neue Tatsachen zur Beurteilung des Falles bei gebracht werden. Geht der von der Verteidigung gestellte Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens durch, dann findet die neue Verhandlung nicht mehr vor einem Sondergericht, sondern vor dem gewöhnlichen Gericht statt, in diesem Falle wäre die Strafkammer zuständig. Ein anderer Weg für die Verurteilten ist der Antrag auf B e g n a d i g u n g. Zuständig dafür ist das preußische Staatsministerium. Die Notverordnung ist zwar vom Reich ausgegangen, aber das Begnadigungsrecht der Län der ist dadurch nicht berührt worden. Auf dem Gnaden weg kann die Todesstrafe in lebenslängliche oder in eine mehrjährige Zuchthausstrafe umgewandelt werden. Von dieser Möglichkeit hat auch schon der Oberstaatsanwalt ge sprochen, als er in seiner Anklagerede sagte, nach seiner Auffassung sei „das Urteil der Gnade und dem Verständ nis der Staatsregierung anheimzustellen". Der Antrag auf Begnadigung wird von der Verteidigung gestellt, er kann vom Sonder gericht unterstützt werden. Bearbeitet wird der Antrag zu nächst vom preußischen Justizministerium, die Entscheidung fällt aber das Kabinett insgesamt. Man nimmt an, daß innerhalb der preußischen Regierung auch schon Erwägungen im Gange sind, wie das Urteil weiter hin zu behandeln ist. Natürlich spielt bei diesen Erwägun gen der Gedanke eine schwerwiegende Rolle, daß die Todesandrohung der Notverordnung in ihrer abschrecken den Wirkung abgeschwächt werden könnte, wenn gleich im ersten Fall Begnadigung gewährt werde. Allerdings wird demgegenüber betont, daß gerade dieser erste Fall ganz besondere Umstände zeige. Als die Ange klagten ihre Tat ausführten, war die Notverordnung über die Sondergerichte und mit der Androhung der Todes strafe - erst eineinhalb Stunden in Kraft, die Täter konnten also möglicherweise nicht wissen, daß ihre Tat schon unter die Notverordnung falle. Hätten sie die Tat zwei Stunden früher, vor Mitternacht, ausgeführt, wären sie noch nicht vor das Sondergericht gekommen, und die Angeklagten wären wohl ebenso mit Zuchthaus weg gekommen wie die Angeklagten vor dem Sondergericht in Brieg. Allerdings ist dazu zu sagen, daß die Öffentlichkeit für diese Unterscheidung kein Empfinden haben wird, des halb wird die Öffentlichkeit es nicht verstehen, daß in dem einen Fall Zuchthaus verhängt wurde und in dem andern Fall die Todesstrafe für die gleiche Tat. Wahrscheinlich werden diese Gedanken auch bei den Beratungen über einen eventuellen Vegnadigungsantrag eine Rolle spielen. Demonstrationen in Vreslau. Nachdem es bereits nachmittags in der Innenstadt zu Demonstrationen gegen das Beuthener Sondergerichts urteil gekommen war, wobei die Polizei vom Gummi knüppel Gebrauch machte und acht der NSDAP, nahe stehende Personen festnahm, wiederholten sich am Abend die Protestkundgebungen. Eine größere Menschenmenge zog durch die Straßen und rief: „Gebt uns unsere Kame raden frei! Nieder mit dem Schandurteil von Beuthen! Rieder mit der Papen-Negierung!". Die Polizei hielt sich sehr stark zurück, versuchte aber doch, an einigen Stellen den Zug aufzulösen. Völlige Ruhe in Oberschlesien. Die Erregung, die im Zusammenhang mit den Ur teilen des Beuthener Sondergerichts in Beuthen und darüber hinaus in Oberschlesien entstanden war, hat sich äußerlich wieder vollkommen gelegt. Von seilen der oberschlesischen SA.-Führer wurde erklärt, daß sie ihre Leute völlig in der Hand hätten und daß die Disziplin gewährleistet sei. Reichstag in Gicht. Die Tore des Reichstagsgebäude s sind weit geöffnet. Ein frischer Luftzug weht durch die Gänge, überall sind die Handwerker an der Arbeit, um das Reichs- ^aus für die 608 neuen Reichstagsabgeo rd« ae 1 en herzurichten. Auch die äußere Fassade des Neichs- tagsgebäudes wird verschiedentlich einer Ausbesserung unterzogen, besonders auch diegoldene Kuppel, wo sich verschiedene Risse gezeigt haben. Die vielen Tauben, die in den Dachluken des Reichstagsgebäudes ihren Wohn sitz aufgeschlagen haben, von wo aus sie ihre täglichen Erholungsslüge nach dem nahen Tiergarten machen, sind über diese Storungen natürlich sehr ungehalten. Unruhig fliegen sie hin und her und beäugen mißtrauisch die Ge rüste, die an den schadhaften Stellen des Gebäudes auf gebaut sind. Der Andrang zu der Eröffnungs sitzung am 30. August ist natürlich wieder sehr stark. Jeder möchte dabei sein, wenn die neuen Reichslags abgeordneten sich zum erstenmal versammeln. Am 31. August wird dann in der zweiten Sitzung des neuen Reichsparlaments das Reichstagspräsidium gewählt werden. Der Präsidentenposten wird den Nationalsozialisten wohl von keiner Seite bestritten werden. Der Stärke nach würden die Vizepräsidenten dann aus den Reihen der Sozialdemokraten, der Kommu nisten und des Zentrums gestellt werden. Die Kommu nisten scheiden aber von vornherein aus dieser Zusammen stellung aus, da sie nicht gewillt sind, einen ernsthaften Bewerber um diesen Posten zu benennen. Es ist auch zweifelhaft, ob die Sozialdemokraten sich am Präsidium beteiligen werden. Es ist leicht möglich, daß die drei Vize präsidenten vom Zentrum, den Deutschnationalen und der Bayerischen Volkspartei gestellt werden. Am 3. Sitzungs tag wird dann in die große politische Aus sprache eingetreten werden. Zunächst wird Reichs kanzler von Papen das Arbeitsprogramm der Reichsregierung entwickeln, woran sich dann die Erklä rungen der Parteien anschließen werden. Man nimmt an, daß diese Erörterungen bis zum Sonnabend, dem 3. Sep tember dauern werden. Verbunden mit der Aussprache werden alle vorliegenden Anträge der Fraktionen und auch die Mißtrauensanträge gegen das Reichskabinett. Die Abstimmungen würden also am Sonnabendnachmittag erfolgen. Oie Reichsregierung tritt vor den Reichstag. Zu den Gerüchten, datz die Neichsregierung ent schlossen sei, den Reichstag aufzulöscn, wenn sie ein Mißtrauensvotum erhalte, wird von zustän diger Stelle erklärt, die Reichsregierung sei aus jeden Fall entschlossen, vor das Parlament zu treten, über den Zeit punkt des Zusammentritts des Reichstages hinaus gehende Beschlüsse lägen nicht vor. Besprechungen über das Arbetts- beschafsungsprogramm. Empfänge beim Reichskanzler. Reichskanzler von Papen empfing am Dienstag Ver treter der Banken, um mit ihnen Fragen der Finanzierung des von der Neichsregierung geplanten Arbeitsbeschaf fungsprogramms zu besprechen. Am Mittwoch voraus sichtlich werden ebensolche Besprechungen mit Führern der Industrie erfolgen. MM der NmWMs DendelendW? Berlin, 23. August. Wie in politische» Kreisen verlautet, beabsichtigt der Staatssekretär rm Reichswirtschoslsministerum, Dr. Trendelenburg, demnächst von seinem Posten zurückzutreten.