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Dresdner Journal : 30.11.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-11-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189711305
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18971130
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18971130
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-11
- Tag 1897-11-30
-
Monat
1897-11
-
Jahr
1897
- Titel
- Dresdner Journal : 30.11.1897
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ve»„«»ret«: HO» Drr«d«n vierteljährlich: HMmckövPf., bei den iru>>r Wh dentschen Postaustallen vierteljährlich »Mark; außer- delb de» Deutschen Reiche« Paß- und Etempelzuschlaa. Nummern: 10 Pf. Erscheine«: Liglich mit Aufnahme der Sonn- und FeiKkage abend«. Fernspr -Anschluß: Nr1L9L Dres-mr W Äomital. >«rt»«t«»««««e»»tzre«7 Für de» Raum einer aespal« truen Zeile kleiner Schutt »0 Pf Unter „Einar^ndl ' die Zeile vo «. Bei Tabelle»- und Zlsfrritta« entsprechender Aufschlag. HerNU»«eber: Königliche Expedition de« Dresdner Journal« Dresden, Znnngerstr SV 8ernspr..«llschluß:Rr LS»-. 278. Dienstag, dm 30. November abends. 1897. Amtlicher Teil. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem OberregierungSrath von Witzleben bei der Kreishauptmannschaft zu Zwickau die nachgesuchte Versetzung in den Ruhestand mit der gesetzlichen Pension und mit Belassung seines Titel- und Ranges zu be willigen. Tre-den, 30. November. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, den Oberamtsrichter Rudolph Ehrenfried Geyler in Lichtenstein auf sein Ansuchen in den Ruhestand zu versetzen, den Assessor beim Landgerichte Dresden Or Hans Richard Hedrich zum Landrichter daselbst sowie den Assessor beim Amtsgerichte Wurzen vr. Karl Friedrich Hugo Heide mann zum Amtsrichter beim Amtsgerichte Mügeln zu ernennen und zu grnehmigen, daß der Amtsrichter Arthur Otto Fiedler in Mügeln zum Amtsgerichte Lichtenstein versetzt werde. Se Majestät der König haben den zum Königl. Serbischen Konsul in Dresden ernannten Bankier Alfred Gutmann daselbst in dieser Eigenschaft an zuerkennen geruht. Dre-deu, 30. November. Se. Majestät der König haben dem HauptamtSrendanten Meißner in Anna berg bei seinem Uebertritte in den Ruhestand den Titel und Rang eines Rechnungsraths Allergnädigst zu verleihen geruht. Dresden, 23. November. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Kirchschullehrer Kantor Ernst Eduard Fischer in Weißig das AlbrechtSkreuz zu verleihen. Dresden, 27. November. Mit Allerhöchster Ge nehmigung Sr. Majestät des Königs ist dem Spiel- waarenfabrikanten Carl Otto Zergiebel in Olbernhau für die von ihm am 9. August dieses Jahres nicht ohne eigene Lebensgefahr bewirkte Errettung eines vier jährigen Knaben vom Tode des Ertrinkens in der Flöha die silberne Lebensrettungsmedaille nebst der Befugniß zum Tragen derselben am weißen Bande verliehen worden. Dresden, 27. November. Mit Allerhöchster Ge nehmigung Sr. Majestät des Königs ist dem Fischermerster Carl Ernst Stelzer in Meißen für die von ihm am 1-t. August dieses Jahres unter eigener Lebensgefahr bewirkte Errettung eines sechsjährigen Knaben vom Tode deS Ertrinkens in der Elbe die silberne Lebens rettungsmedaille nebst der Befugniß zum Tragen der selben am weißen Bande verliehen worden. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der Rendant am Stadttheater zu Leipzig, Gablick, das ihm von Sr. Königl. Hoheit dem Fürsten von Bulgarien verliehene Silberkreuz des Alexander Ordens annehme und trage. Wekanntrnachnng. Tie Versicherungsanstalt aus Gegenseitigkeit „Union Allgemeine Versicherungskasse" in Altona ist nach Erwählung eines Sitzes in Leipzig zum Geschäfts betriebe im Königreich Sachsen zugelassen worden Gemäß 86 der Verordnung vom 16 September 1856 wird dies hierdurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht. Dresden, am 25. November 1897. Ministerium des Innern, Abthcilung für Ackerbau, Gewerbe und Handel. vr. Badel. Edelmann WekcrnnLrnachung. Die Preußische National Versicherungs- Gesellschaft zu Stettin hat den für den Geschäfts ¬ betrieb der Transportversicherung neben Leipzig er wählten Sitz in Dresden wieder ausgegeben. Gemäß 8 6 der Verordnung vom 16. September 1856 wird dies hiermit zur öffentlichen Kenntniß gebracht. Dresden, am 26. November 1897. Ministerium des Innern, Abtheilung für Ackerbau, Gewerbe und Handel. iv7os vr. Badel. Edelmann. «rneuvuase«- verfetzunre« rc. im öffentlichen Dienste. Im «eschiftSberetche de« IKintftertumS de- Kultus un« öffentlichen Unterricht«. Erledigt, eine ständige Lehrerstelle an der Stadtschule zu Dohna Kollator: der Stadtgemeinderat zu Dohna Tie Stelle gewährt einschließlich 2NN M. Wohnungsgeld al« AnsangSgehalt ein jährliche« Ein kommen von 1350 M, welche« bi« zu einem Höchstgehalte von 2350 M einschließlich WohnungSgeld steigt Auswärts ver brachte ständige Dienstjahre w rden in Anrechnung gebracht. Gesuche sind mit den erforderlichen Beilagen bi« zum 7. De zember an den Kollator einzureicheu; — zur Erledigung gelangt Ostern 1898: die Lehrerstelle an der Lklassigen Schule zu Falke nbach. Kollator: das Königl. Mini sterium de« Kultus und öffentlichen Unterricht« Einkommen bei freier Wohnung: 1000 M. Gehalt, 19,83M. vomKirchcn- dienst, 2ü M. für da« Einheizen de« Schulzimmer«, 100 M. persönliche Zulage bi« zum Eintritt der ersten Alterszulage, 36 M für Turnen, 72 M. für FortbildungSschulunterricht. Gesuche sind unter Beifügung sämtlicher Prüfung- und AmtS- sührunq-zcugniffe bi« zum »1. Dezember bei dem Königl. Be- zirksschnlrnspektor Pfütze in Marienberg einzureichen — Zu besetzen: die 3. Lehrerstelle in Frohnau. Kollator: die oberste Schulbehörde. Katastermäßiges Einkommen 1060 M ; dazu »6 M für Erteilung de« Sommerturnen« und freie Wohnung rm Schulhause mit Gartcngenuß Vorschriftsmäßige Bowcrbungtn- sind bis zum 15. Dezember an den Königl. Bezirk-schulinspektor Schulrat Schreyer in Annaberg emzureichen, — die 2. ständige Lehrerstelle in Reinhardtsgrimma. Kollator: die oberste Schulbehörde. Einkommen: 1000 M Gehalt, 10v M per sönliche Zulage (deren unwiderrufliche Gewährung bei befriedi gender Amtsführung in Aussicht gestellt wird». 72 M. für Fortbildungsunterricht und sreie Wohnung im Schulhause nebst Gartennutzung. (besuche sind mit allen «forderlichen Beilagen bis zum 13. Dezember bei dem Königl Bezirk-schulinspektor vr. Lange in Dippoldiswalde einzureichen; — die 2. ständige Lehrersttlle in SeiferSdors bei Rabenau. Kollutor: die oberste Schulbehörde. Einkommen: außer den gesetzlichen Alt«SzuIagen und freier Amtswohnung mit Gartennutzung 1000 M Gehalt, 100 M. unwiderrufliche persönliche Zulage, 72 M für FortbildungSunterricht und bis aus weiteres 1«4 M. für Ueberstunden. Musikalische Besähigung erwünscht Gesuche sind bis zum 15 Dezember zu richten an den Königl Bezirk«- schulinspektor vr. Lange in Dippoldiswalde. Nichtamtlicher Teil. Der Reichstag ist heute mit nachstehender Thronrede eröffnet worden: Geehrte Herren! Bei Beginn der letzten Tagung der neunten Legislatur periode des Reichstages entbiete Ich Ihnen namens der Ver bündeten Regierungen Gruß und Willkommen Die Vorlagen, welche Ihre Thätigkeit in Anspruch nehmen werden, stehen zwar dem Umfange nach hinter dem Arbeitsstoffe der letzten ausgedehnten Tagung zurück, sind aber zum Teil von weittragender Bedeutung. Die Entwickelung unserer Kriegs flotte entspricht nicht den Aufgaben, welche Deutschland an seine Wehrkrast zur See zu stellen gezwungen ist. Sie genügt nicht, bei kriegerischen Verwickelungen die heimischen Häsen und Küsten gegen eine Blockade und weitergehende Unternehmungen des Feindes sicherzustcllcn. Sie hat auch nicht Schritt gehalten mit dem lebhaften Wachstum unserer überseeischen Interessen Wäqrend der deutsche Handel an dem Güteraustausche der Welt in steigendem Maße teilnimmt, reicht die Zahl unserer Kriegs schiffe nicht hin, unseren im AuSlande thätigen Landsleuten das der Stellung Deutschlands entsprechende Matz von Schutz ^und hiermit den Rückhalt zu bieten, dea nur die Entfaltung von Macht zu geivühren vermag Wenngleich e» nicht unsere Ausgabe sein kann, den Seemächten ersten Ranges gleich- zukommen, so muß Deutschland sich doch in den Stand gesetzt sehen, auch durch feine Rüstung zur See sein Ansehen unter den Völkern der Erde zu behaupten Hierzu ist eine Verstärkung der heimischen Schlachtflotte und eine Ver mehrung der für den Ausland-dienst im Frieden bestimmten Schiffe erforderlich Um für diese dringenden und nicht länger hinauSzuschiebenden Mahnahmen einen festen Boden zu ge winnen, erachten die Verbündeten Regierungen eS für geboten, die Stärke der Marine und den Zeitraum, in welchem diese Stärke erreicht werden soll, gesetzlich frstzulegen Zu diesem Zwecke wird Ihnen eine Vorlage behufs versassungSmätziger Beschlutznahme zugehen. Zur Förderung unserer überseeischen Interessen ist auch der Ihnen schon in der letzten Tagung vor gelegte Gesetzentwurf bestimmt, welcher die Verbesserung der Postdampsschiff-verbindungen mit Oftasicn bezweckt Nach dem dieser Entwurf wiederholter Prüfung unterzogen worden ist, wird er Ihrer Beschlußfassung von neuem unterbreitet werden. Nach vieljährigem, ernstem Bemühen ist es den Ver bündeten Regierungen gelungen, für eine Reform des MilrtSr- strasversahrens eine Grundlage zu finden, welche unter mög lichster Anlehnung an den bürgerlichen Strafprozeß den für die Erhaltung der Mann-zucht unbedingt notwendigen Forderungen Genüge leistet Der hiernach ausgestellte Entwurs einer Militär- strasgerichtsordnung wird Ihnen unverzüglich vorgelegt werden. Ich hege die Zuversicht, daß Sie, geehrte Herren, dem Be streben, ein gleichmäßiges gerichtliches Verfahren sür die ge famte bewaffnete Macht rinzusühren, Ihre verständnisvolle Mit wirkung gewähren werden. DaS neue bürgerliche Recht kann nicht ins Leben treten, ohne daß auch das Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen, so weit cS schon aus gemeinsamem Rechte beruht, nach mehrsachen Beziehungen adgeändert und, soweit eS noch nicht für das ganze Reich geregelt ist, neu gestaltet wird ES wird daher zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie zu Entwürfen von Gesetzen, betreffend Änderungen der Zivilprozeßordnung und der KonkurSordnung Ihre Zustimmung eingeholt werden. Mit der Verabschiedung dieser Gesetze und der zugehörigen Nebengesetz« soll die Recht«- einheit auf dem Gebiete dcS bürgerlichen Rechte» zum Ab schlusse gelangen. Tie verbündeten Regierungen geben sich der sicheren Hoffnung hin, daß in gemeinsamer Arbeit mit Ihnen noch im Laufe der gegenwärtigen Tagung diese» hohe, vom deutschen Volk so lange ersehnte Ziel endlich erreicht werden wird. Nardüem die gesetzliche Regelung der Entschädigung nnichuldig Verurteilter in Verbindung mit der erstrebten Verbesserung dcS Strafverfahrens nicht zum Abschüsse gelangt ist, wird jetzt ein Gesetzentwurf den Gegenstand Ihrer Beratung bilden, welcher lediglich die Entschädigung der im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochenen Personen bezweckt. Die allgemeine Finanzlage zeigt ein befriedigendes Bild. Auch sür da« nächste Rechnungsjahr sind in dem Haushalts plan« deS Reiches die Matrikularbeiträge nur in solcher Höhe vorgesehen, daß den Bundesstaaten eine materielle Belastung daraus nicht erwächst. Dabei ist nicht nur die vom Reichs tage seit Jahren verlangte, wegen der Ungunst der Finanzlage bisher aber zurückgestellte Verbesserung der Mannschastskost sür das Heer und die Kriegsmarine zur Durchführung gebracht, sondern es ist seiner der sehr erhebliche Auswand für die zeit gemäße Umgestaltung des Artilleriematerials, welcher im lausenden Jahre noch der Anleihe zur Last gelegt werden mußte, aus die regelmäßigen Einnahmen übernommen worden. Da die Voranschläge sür die ReichSsteuern mit gewohnter Vorsicht ausgestellt sind, lassen sich auch für die Folg: Mehr einnahmen erwarten. Es wird Ihnen deshalb zugleich mit dem Hau-Haltsplane ein Gesetzentwurf zugehen, welcher Vor sorge trifft, daß ein erheblicher Teil der zu erhoffenden Über schüsse, wie in den Vorjahren, zur Verminderung der Reichs schuld Verwendung findet Zur Vorbereitung und Begutachtung handelspolitischer Maßnahmen ist aus Vertretern der Industrie, der Landwirt schaft und deS Handel« ein wirtschaftlicher Au-schuß gebi det worden, mit dessen sachkundigem Beirate die Bedingungen und der Umsang der weitverzweigten heimische» Bütcrerzeugung klargestcllt werden sollen, um sür die künftige Gestaltung de« Zolltarif- und der Handelsbeziehungen zum Au-land eine feste, den vedürsniffen der Gegenwart rntsprechende Richtschnur zu gewinnen. Es würde Mir zur hohen Benugthuung gereiche», wenn diese gemeinsame Thätigkeit, zu der sich hervorragende Vertreter der großen ErwerbSgruppen zusammengesunden haben, dazu beitrüge, einen gerechten Au-gleich zwischen den ver schiedenartigen Ansprüchen unsere- Erwerbslebens herbri- zuführea und damit die Schärfe der wirtschaftlichen Gegensätze zu mildern Die Entwickelung uwerer Schutzgebiete ist im allgemeinen zusriedenstellcnd. Infolge des Auftreten- der Rinderpest in Süd- westasrika während deS Sommer- hat sich die Notwendigkeit ergeben, sofort an eine Besserung der Trau-portverhältnisse durch Legung von Schienengleiscn heranzutreten. Über die Festlegung der Grenzen zwischen Togo und Dahomey sind mit der französischen Regierung Verhandlungen gepflogen worden, von deren Ergebnis zu erwarten ist, daß es den beiderseitigen wirtschaftlichen Interessen zum Vorteile gereichen wird. Die Ermordung deutscher Missionare und die Angriffe auf eine der unter Meinem Kaiserlichen Schutze stehenden und Mir am Herzen liegenden MissionSanstaltcn in China haben Mich genötigt. Mein ostasiatisches Geschwader in die dem Thatorte nächstgelegene Kiaol-Tschaubucht tinlavsen und Truppen dort landen zu lassen, um volle Sühne und Sicherheit gegen Wiederkehr ähnlicher beklagenswerter Ereignisse zu erlangen. Die politischen Beziehungen zu den fremden Staaten sind durchaus erfreulich Meine Begegnungen mit verbündeten und befreundeten Monarchen sowie der glänzende und herzliche Empfang, welcher Mir bei Meinen Besuchen in Petcrhos und Buda-Pest zu icil wurde, haben Mir hierfür aufS neue wert volle Bürgschaften geliefert Alle Anzeichen berichtigen zu der Aussicht, daß wir, mit Gottes Hilse, auch sernerhin der fried lichen Entwickelung Europa- und de- deutschen Vaterland«- «nl- gegensehen dürfen. Zum Sturze -es Kabinetts Badeni wird uns aus Wien geschrieben: Mit wahrer Begeisterung und inniger Dankbarkeit haben gestern abend alle patriotisch gesinnten deutschen Bewohner Wiens die Kunde vernommen, daß durch eine Entscheidung deS geliebten und verehrten Mon archen eine tiejtraurige Epoche der Geschichte Öfter reichs ihren Abschluß gesunden Hot. Zwar kann von einer Klärung der Situation heute noch nicht gesprochen werden, da sowohl auf dem eigentlich politischen Ge biete, wie auf jenem der Parteiverhältnisse die Be seitigung vielfacher und überaus bedenklicher Kon sequenzen der jüngsten Vorgänge erfolgen muß, damit nur die Möglichkeit einer normalen Entwicklung ge schaffen sei. Die hohe Bedeutung der gestrigen Kaiser lichen Entschließung liegt aber darin, daß den Gefahren einer andauernden, völlig abnormen Gtstal.ung vor- gebeugt worden ist. « Vor sechs Monaten waren olle unbefangenen Par lamenlarier und Politiker schon zu der Erkenntnis gelangt, daß die Geschäftsordnung, welche den Ob- ftluktionisten die Behelfe zur Verhinderung jeder ge ordneten parlamentarischen Arbeit bot, einer Abänderung bedürfte. Damals stieß man sich aber an dem mit der Durchführung einer solchen Reform verknüpften Zeitverlust, man unterließ die Abänderung der Ge schäftsordnung und vergeudete hierauf sechs Monate mit vorweg aussichtslosen Versuchen zur Niederringung der Obstruktion. Als man sich endlich über die Erfolglosigkeit dieser Bemühungen nicht mehr täuschen konnte, griff man zu dem AuskunstSmittel, die Änder ung der Geschäftsordnung durch den Antrag Falken hayn unter Mißachtung aller bezüglichen Paragraphen der geltenden, auf der Basis der Staatsgrundgesetzc ruhenden Geschäftsordnung zu erzwingen, welcher LunK und Wissenschaft. K. Hoftheater. — Altstadt. — Am 29. d. Mt«.: „Ter Bajazzo" Drama in zwei Akten und einem Prolog. Dichtung und Musik von Leoncavallo. — „Sizilianische Bauernehre." Oper in einem Aufzug von Pietro Mascagni. In dankenswerter Weise hält die Leitung der Hofbühne daran fest, unser Publikum von Zeit zu Zeit mit be deutenden fremden Künstlererscheinungen bekannt zu machen. Sie hat vor Jahresfrist ein mehrmaliges Gastspiel deS Frl. Prevosti veranlaßt und erweckt geegenwärtig das Interesse der Theaterfreunde sür eine zweite italienische Sängerin, Frau Gemma Bellincioni. Drese ist in Deutschland schon länger bekannt, ist namentlich in Berlin und Wien mit großem Erfolge aufgetreten Wie die Prevosti hat sie die Blütezeit der Stimme hinter sich, während die darstellerische Kunst in der Vollreife steht. Auch in den äußeren Mitteln zeigt sie sich nicht reicher als jene, die schönen ausdrucksvollen Augen geben Beiden den größten Schmuck. Wie di« Prevosti, wirkt Frau Bellincioni durch die innige Verbindung von Gesang und Spiel Diese durchdringen einander, Ton und Blick, Gesangsausdruck und Gebärde verschmelzen sich Einzeln betrachtet, ist das stimmliche Können bei der Erst genannten größer, die Gesangskunst feiner, wogegen bezüglich de» schauspielerischen Vermögens der Bellincioni ein kleiner Vorrang gebührt. In der gestrigen Durchführung der Nedda- und Santuzza-Nolle hat sie sich al» eine unge wöhnliche kluge, geistreiche dramatische Künstlerin erwiesen, die ihre Aufgabe an der Wurzel erfaßt und mit hundert feinen Zugen ein runde«, einheitliche« Bild de« Charakter« herstellt Eie gebietet mit ihrem Mienenspiel, ihrer Haltung, ihren Bewegungen über den treffendsten Ausdruck der ver schiedenartigsten Empfindungen und hat dafür auch in ihrer modulationsfähigen Stimme eine sichere Hilfe; nur für den höchsten Affekt giebt das offenbar schon sehr an gestrengte Organ nicht mehr alles her. Ihre Darstellung über rascht uns in jeder Scene durch neue, ursprüngliche Wendungen, erreicht nicht selten den Eindruck der Natur selbst und be wahrt vor allem Maß im Realismus. Drängt sich auch manch mal die Reflexion vor und unterbricht die starke Spannung des Zuschauers, treten neben wunderbar echte Einzelheiten auch solche, die uns für den Augenblick aus der Illusion herausbringen, so hat man im ganzen doch aus dem Eigenen geschöpfte, höchst interessante Kunstleistungen vor sich. Namentlich gilt das von der Ausführung der Santuzza- Rolle, welche dem dramatischen Talent des Gastes mehr entgegenkommt al« die Partie der Nedda, zumal letztere eine Gesangsbehandlung erheischt, welche Frau Bellincioni mehrfach Schwierigkeiten bereitet. So starke Momente die Künstlerin als Nedda im zweiten Akte der Oper hat, so übertrumpft sie doch das dort gebotene in der Rolle der Santuzza. In Erscheinung, Blick, Geberde und Ton giebt sie hier ein rührendes und erregendes Bild de« ver lassenen, durch seine Rache sich selbst am tiefsten treffenden Weibes, und ihre Scenen mit Alfio und mit Lola sind da« Vollendetste, was wir je in der modernen realistischen Operndarstellung gesehen haben Frau Bellincioni wurde von dem Publikum, welche« da» HauS bis auf den letzten Platz gefüllt hatte, mit großem Beifall bedacht P K. Hoftheater. — Neustadt — Am 29. November: „Sturm". Schauspiel in vier Aufzügen von Friedrich Jacobsen (Zum ersten Male) Ein ernstgemeinte» und in gewißem Sinne von ernstem Talent belebtes Schauspiel, da«, trotz vortrrfflicher Dar stellung, sich nur eine« mäßigen, sehr mäßigen Erfolgs eifreure, legt immer tue Frage nahe, ob sich entwever der Verfasser über die poetisch-dramatische Wirkungskraft seiner Erfindung getäuscht oder ob das Publikum den richtigen Gesichtspunkt nicht gefunden hat, aus dem das betreffende Drama aufzufassen und zu beurteilen ist Die Halo zweifelnde, halb peinliche Teilnahme, mit der man der Entwickelung der Handlung und dcr endlichen Lösung des Konflikts in „Sturm" folgt, hat mit der echten, Herz und Sinne in Mitleidenschaft ziehenden drama tischen Spannung wenig gemein, hinterläßt aber gleich wohl Eindrücke und Nachgedanken, zum Zeugnis, daß Anlage und Ausführung des Schauspiels doch mehr als bloße Schatten waren. Jacobsen» Schauspiel ist sichtlich unter den Einwirkungen Ibsens und seiner Schule ent standen, das „analytische" Drama mit seiner Seelen zerfaserung, seiner künstlichen Zuspitzung der einfachsten Vorgänge, seiner Stimmungsmalerei, die die Zufälligkeiten und Intimitäten des Alltags ins tragische Kolorit taucht, hat es ihm angethan, auch die grüblerische Strenge, nach der der Mensch in jedem Augenblicke, und bei jeder Regung seines Innern wie bei jedem Schritte in der Gefahr steht, eine todbringende Schuld auf sich zu laden, ist auf den Verfasser des Schauspiels „Sturm" teilweis übergegangen. Nicht«destoweniger scheut die mildere Natur deS deutschen Poeten die letzten Konsequenzen dieser Welt auffassung und Darstellung, legt der Wahrheit nicht bloß eine vernichtende, sondern auch eine sühnende Kraft bei und deutet in eine bessere Zukunft hinaus, die freilich eine höhere Bedeutung haben würde, wenn wir zuvor zu einem tiefer» Anteil an den Gestalten de« Schauspiels gelangt wären Zwischen den Anfängen de« Schauspiel« und der Katastrophe und Schlußwendung fehlt der rechte innere Zusammenhang, durch die ganze Entwickelung geht eine Art tastender Unklarheit und seelischer Dunkelheit, die ebensowohl au« den Gewöhnungrn der jüngsten EnthüllungStechml als au» dem Wunsche hervorgegangen fern kann, Stachelbeeren und Kirschcn von einem Baume zu ernten Den Streit über das Recht der novellistischen Motive im Schauspiel können wir hier völlig beiseite lassen, eS handelt sich nur darum, daß es das Drama unter allen Umständen nicht erträgt, erst von der letzten Scene her beleuchtet und erhellt zu werden. Ge wiß, Frau Anna Paulsen mag sich bis zu der falschen Nachricht vom Tode ihres Pastors im dritten Akte darüber täuschen, daß sie schon längst ihren Mann liebt, der Zu schauer muß es wissen und wenigstens ahnen, daß e» so sei Das aber geht nicht an, daß wir mit dem biedern Schiffskapitän und jetzigen Rentier Brook und der Haus hälterin Frau Merten vor einem Ehebruch der jungen Frau Paulsen zittern, sobald die beiden Hamburger nur ihren Fuß auf die Hallig gesetzt haben, auf der das Schauspiel verläuft, und dann plötzlich von der leidenschaftlichen Reue und der sich in ihr offenbarenden inneren Treue Annas gleichsam auf den Kopf geschlagen und betäubt werden Ueberall fehlen hier Zwischenglieder, Uebergänge, dieDoppel- empfindungen, die in der menschlichen Seele Raum haben, lauter Dinge, die wir in einem gedrängten handlungs- reichen, un» im Sturm fortreißenden Drama wahrscheinlich viel minder vermißen würden al« in einem mit Reflexionen, mit seelischen Zergliederungen reichlich durchsetzten, binnen wenigen Stunven verlaufenden Schauspiel dieser Art. Der schleppende Gang de« Ganzen schließt jede« Uebersehen au«, die Breite der Einzelansführung könnte nur durch die un bedingteste Klarheit und Folgerichtigkeit der Motivierung und die überzeugendste Schärfe der Charakteristik gerechtfertigt werden Beide« *ehlt, und selbst al« am Schluß der Doppelsturm in den Herzen und über dem Eiland ver- braust ist, kann man sich der Frage nicht erwehren, ob nun Hrn Pastor Martin Paulsen die Augen für da« tiefe Verlangen seiner Frau nach etwa« Sonnenschein aus- gegangen sind oder ob er sich darauf verlassen will, daß ihre Liebe zu ihm und di« Erinnerung an eine bedenkliche
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