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WiüMM Tagelilntt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge find erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und 2 Saldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 5« Pf. Alle Postanstalten, dis Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Dienstag, den 27. Znni ^146. 1882. Die auf den Termin Johanni d. I. fälligen Commun-Anlagen sind bis zum 30. dieses Monats anher zu bezahlen. Stadtsteuer-Einnahme Waldenburg, am 24. Juni 1882. "Waldenburg, 26. Juni 1882. Die ehrliche Probe. Die Freude in der Freihandelspresse über die Ablehnung eines Theiles der Zolltarif-Novelle will noch immer nicht austönen. Man hält es auf jener Seite für eine rettende That, daß verschiedene Freunde unseres neuen Zolltarifs an demselben nicht rütteln wollen, bevor sie sich nicht von seinen Wir kungen völlig überzeugt haben, obwogl doch dieser Standpunkt mit dem des Freihandels nur wenig oder nichts gemein hat. Das Frohlocken der Gegner ist deshalb auch ziemlich gegenstandslos. Es fällt keiner von den drei schutzzöllnerischen Compagnien ein, den Zolltarif rückwärts zu revidiren, im Gegen theil, die hervorragendsten Führer der maßgebenden Parteien und was immerhin doch ebensosehr in's Gewicht fällt, auch der Herr Reichskanzler erklärten, mit recht deutlichen Worten, daß sie die Principien einer rationellen Schulpolitik unentwegt weiter ver folgen würden. Wir glauben, daß insbesondere auch die Erklärungen des Herrn Windthorst selbst dem vertrauensseligsten Freihändler hieran keiness Zweifel gelassen haben. Steht die Sache für die Schutzzollpartei somit keineswegs so schlimm, wie die Gegner glauben machen wollen, so ist doch die Frage berechtigt, ob die Berufung auf eine ehrliche Probe praktische Staatsmänner noch immer auch da, wo die Noth wendigkeit offen vor Augen liegt, abhalten kann, eine Erhöhung gewisser Zollpositionen eintreten zu lassen. Daß man in dem ersten Jahre nach der Einführung des neuen Tarifs nicht sogleich mit neuen Aenderungen desselben hervortrat, ist erklärlich, denn man mußte sich von der Wirkung des Tarifs überzeugen. Aber jetzt sind nahezu drei Jahre seit dem Inkrafttreten desselben verflossen und man sollte doch meinen, daß diese Zeit ausreichend ist, um be- urtheilen zu lassen, ob der Zolltarif im Ganzen und die verschiedenen Zollsätze im Einzelnen die gehoffte Wirkung hervorgebracht habe». Wenn diese drei Jahre noch nichts beweisen, so wissen wir nicht, welcher Zestraum überhaupt nöthig ist, um den Effect eines Zolltarifs festzustellen. Die Berufung auf die „ehrliche Probe" scheint deshalb jetzt nicht mehr am Platze zu sein, um so weniger, als der Zolltarif die Probe im Ganzen und Großen glänzend bestanden hat. Denn das wird doch Niemand leugnen, daß in den gewerblichen Verhält nissen des Landes seit einigen Jahren sich ein sehr erfreulicher Aufschwung bemerkbar macht. Alle Handelskammern haben denselben zugegeben und wenn auch manche von freihändlerischer Gesinnung den Zusammenhang desselben mit dem neuen Zolltarif legnen, so ist es doch ein höchst merkwürdiges Zu sammentreffen, daß dieser Aufschwung gerade von der Einführung der neuen Zölle datirt. Für uns und für jeden Unbefangenen ist es unzweifelhaft, daß, einen so geringen Einfluß der neue Zolltarif auf die Situation einzelner Specialbranchen gewisser Industrien ausgeübt haben mag, er sicherlich im Allgemeinen äußerst befruchtend auf unsere gewerb liche Thätigkeit gewirkt hat und daß wichtige In dustrien von demselben directe und bedeutende Vor theile gezogen haben. Wenn die Freihandelsblätter fortwährend einwenden, daß diese Besserung der Geschäftslage eine allgemeine sei und alle Industrie staaten betreffe, so brauchen wir dem nur entgegen zu halten daß eben auch der Uebergang zu einer strafferen Schutzzollpolitik ein allgemeiner gewesen ! und fast in allen Industriestaaten vor sich ge gangen ist. Die „ehrliche Probe" ist somit geliefert und wir wüßten nicht, welche Momente in dem Herzen eines Anhängers der Schutzzollpolitik Bedenken gegen eine weitere Verfolgung derselben Hervorrufen könnten. Daß der Tarif manche Härten mit sich bringt, deren Abschwächung im Interesse wichtiger Gewerbszweige geboten ist, wollen wir gern zugestehen. Wir be fürworten sogar, in dieser Beziehung praktischem Erwägungen soweit als möglich entgegen zu kommen, aber wir wünschen andererseits auch, daß da, wo der neue Tarif absolut unzureichend erscheint, das Versäumte nachgeholt wird. Dieser Standpunkt hat nichts gemein mit abstracten Prinzipien und dergleichen Dingen, die bei uns leider immer noch nicht überwunden sind, sondern er basirt einzig und allein auf dem Wunsche, unsere Gewerblhätigkeit nach Kräften zu begünstigen und tue nationalen Interessen zu fördern, und diesem Standpunkte, glauben wir, könnte sich jeder patriotische Mann ohne Zagen anschließen. "Waldenburg, 26. Juni 1882. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Im Reichsamt des Innern sind die Vorarbeiten über den Erlaß eines Auswanderungsgesetzes im Gange und es ist wahrscheinlich, daß ein der artiger Entwurf dem Reichstage nach seiner Ver tagung zugehen wird. Der Entwurf verfolgt das Ziel, das Auswanderungswesen, namentlich auch den Geschäftsbetrieb der Auswanderungsagenten zu regeln. Die Frage: „Soll Deutschland Colonien erwerben oder nicht?" beschäftigt noch immer die Gemüther und sie wird es thun, bis nach der einen oder anderen Richtung hin von maßgebender Seite eine bestimmte Antwort erfolgt ist. Wollen wir eine Colonie erwerben, schreibt der „Hamb. Cour.," die den Strom der bisherigen Answanderung an sich zieht, so muß es schon eine solche sein, die die günstigen Vorbedingungen für den Ackerbau bietet, also in einem nicht zu heißen Klima gelegen ist. Beachtung würden wir den Ländern am Cap der guten Hoffnung im Süden Afrika's schenken. Hier finden sich weite herrliche Länderstrecken mit üppigem Graswuchs, das Klima ist milde, das Thermometer sinkt Nachts zu Zeiten auf den Gefrierpunkt, so daß ein deutscher Arbeiter auf freiem Felde arbeiten kann. Die spärlichen Kolonisten sind meist hollän dischen Ursprungs und bedienen sich wenigstens die ser Sprache als Umgangssprache, so daß sie sich leicht mit deutschen Ansiedlern verschmelzen würden. Aber England übt durchweg auch hier eine domini- rende Stellung aus, auch in denjenigen Gemein wesen, die dem Namen nach Republiken mit hollän discher Sprache und eigener Gesetzgebung sind. Es hat die Capcolonie einst den Holländern abgenommen, weil sie auf dem Wege nach seinen großen indischen und australischen Besitzungen, überhaupt nach dem ganzen Osten liegt. Dies hat sich durch den Suez- Canal sehr verändert, und an dem Besitz von Egyp ten würde England weit mehr gelegen sein, als an den Colonien am Cap, die ihm directen Nutzen kaum einbringen. Um der Samoa-Jnseln kurz zu erwähnen, so konnte Mancher vom patriotischen Standpunkte aus seiner Zeit bedauern, daß die Vorlage im Reichstage verworfen wurde, aber der Einsatz war zu theuer und der geringe Umfang jener Inseln schloß die Möglichkeit aus, dieselben als Ackerbaucolonien oder Handelscolonien zu ver- werthen. Bei allen Projecten darf man nicht ver gessen, daß der Erwerb von Colonien dem deutschen Reiche große Kosten verursachen kann, die sich im Voraus auch nicht annähernd berechnen lassen. Den Strom der Auswanderung in andere Bahnen zu lenken, wird auch nicht ganz leicht sein, denn stets wird der Auswanderer vorziehen, dahin zu gehen, wo schon Andere vor ihm mit Glück Versuche ge macht haben, und es sind vorläufig hauptsächlich die Vereinigten Staaten von Nordamerika. Bietet man ihm dagegen am Cap oder in gewissen Gegen den Südamerika's sofort Land zum Bebauen an, so würde das ein Reizmittel sein, aber man darf ihm auch nicht von vornherein große Abgaben auf erlegen, so daß die oben erwähnten Kosten, sollten sie bedeutend werden, also zunächst dem deutschen Steuerzahler zur Last fallen würden. Im Auftrage seiner Regierung befindet sich ein activer Staatsminister Japans in Berlin, dem eine für die Beziehungen Deutschlands und Japans wichtige Mission zugeschrieben wird. Seit vierzehn Tagen ist in Bremen ein auffallen des Nachlassen des Auswandererstromes be merkt worden. Während vorher jeden Mittwoch zwei Steamer bis auf den letzten Platz gefüllt von Bremerhasen abgingen, wird jetzt nur einer — und nur knapp besetzt — expedirt. Daß diese Thatsache auf ein Versiegen der Auswanderung überhaupt zu deute» wäre, ist wenig wahrscheinlich; die Ursache liegt wohl in der beginnenden Ernte, die vorläufig die zahlreichen landwirthschaftlichen Elemente von der Auswanderung zurückhält. Man erwartet infolge dessen auch hier für die Zeit »ach der Ernte ein um so stärkeres Anschwellen der Auswandererfluth. Oesterreich. Der amtliche cisleithanische Saatenstandsbericht constatirt, daß Mitte Juni der Weizenstand der nördlichen Zone in Böhmen, Mähren, Schlesien, Galizien und der Bukowina sehr erfreulich, in der südlichen Zone meistenlheils recht befriedigend, der Roggen in der nördlichen Zone nur Miltclernte, in der mittleren Zone eine gute Ernte versprechend und in der südlichen Zone der Ausfall der Roggen ernte gut war. Die Gerste lasse nur eine Mittel ernte, der Hafer eine mittlere und gute Ernte er warten. Der Maisstand ist meistentheils gut, in Südsteiermark vortrefflich. Die „Süddeutsche Presse" äußert sich über das Capitel: Juden in Oesterreich, eines kürzlich er schienenen Buches des Israeliten Frhrn. v. Oppen heimer, betitelt „Austriaca," wie folgt: „In der Doppelmonarchie leben etwa 1,600,000 Israeliten, ungefähr der zweiundzwanzigste Theil der Bevöl kerung, der Zahl nach dreimal, dem Verhältniß nach vier mal so viel wie im deutschen Reiche. Der Verfasser ist ein Gegner des Judenhasses und hebt die guten Seilen des israelitischen Wesens wiederholt lebhaft hervor, wendet sich aber mit der größten Schärfe gegen jenen Theil der jüdischen Bevölkerung, welcher sich ostensibel vordrängt, alles für feil hält und kaufen will, in seinem Gebühren nicht wie der Geburtsadel einem wohlwollenden Humor, sondern dem Spotte und dem Hasse anheimfällt. Mit Recht meint der Freiherr v. Oppenheimer, daß diese „Parvenüs" vor allem ihren bessere» Glaubens- und Stammesgenosse» gegenüber eine schwere Verantwor tung auf sich laden. Der Verfasser will die Inden-