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Wichemlick »scheinen drei Nummern. Pränumerations-Preis 22j Sildergr. (i Thlr.) vierteljährlich, Z Thlr. sür das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in aUen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen wkrden von led» Buchhandlung (in Berlin del Veit u. Comp., Jägersiraße Nr. 2S), so wie von allen König!. Post Äemeein, angenommen. Literatur des Auslandes. W Berlin, Dienstag den IN. August 1845. England. Britische Juristen.') SomeiS. — Hardwiste. — Thurlow. — Dunning. — Kennon. — Loughdorough. — Erskine. — Shepherd. — Ronnllu. — Temerden. — <e^r>n. Der britschr Juristenstand bietet die eigcnthiimlichc Erscheinung dar, daß er der größten Ehren und einest überwiegenden Einflusses genießt und dabei der einzige ist, der, so zu sagen, das demokratische Element vertritt. Um sich im geistlichen Stande, der auch die höheren Lehrämter monvpolisirt, und iin Militair cmporzuschwingen, ist Geburt, Reichthum oder Protection fast unentbehrlich; die diplomatische Laufbahn ist gleichfalls nur den Sprößlingen der Aristokratie eröffnet; die wichtigsten Rechtüstellen sind dagegen seit Jahr hunderten oft von Männern ans den unteren und mittleren Klaffen beseht worden, die sich nicht durch Konnerionen oder adliges Blut, sondern durch Talent und Fleiß ihren Weg bahnten. Selbst die Würde eines Großkanzlcrs oder l.orü Higfi Ost-mcellor, der in der englischen Staats.Hierarchie den Prinzen des königlichen Hauses und dem Erzbischof von Canterburp zunächst steht, ist nicht selten einem solchen glücklichen Emporkömmlinge zu Theil worden; dasselbe gilt von den eben so wichtigen als ehrenvollen Aemtern der Oberrichter sl.orü» Okiek Suxricen). Lord Somers, Lord Hardwicke und Lord Ashburton waren die Söhne von einfachen ^lcornevü Lord Kmg uno Lord Gifford von Krämern. Der Vater Lord Tenterden'st war Barbier zu Canterburp, und wir haben in diesen Blättern schon die Art erzählt, wie er einen adelstolzen Spötter zurechtwiest, der sich über seine Herkunft lustig machte. Lord Thurlow war der Sohn eines armen Landgeistlichen, Sir Vicarp Gibbs eines Apothekers, Sir Samuel Nomillp eines Juweliers aus einer französischen Refugiö. Familie, Str Samuel Shevherd eines Gold schmieds. Gras Mansfield und Lord Erskine waren zwar aus schottischen PairS-Geschlechtern entsprossen, hatten aber ihr Glück nicht der Unterstützung ihrer Verwandten, sondern nur ihren eigenen Anstrengungen zu verdanke». Zwei der berühmtesten Juristen neuerer Zeit, der verstorbene Lord-Elvon und sein Bruder, der Admiralitälsrichler Lord Stowell, waren die Söhne eines Kohlenhändlers in Newcastle, und der jetzige Lord-Kanzler Lvndhurst batte den amerikanischen Maler Coplcp zum Vater. Die Art und Weise, wie diele Männer aus der Dunkelheit zu den höchsten StaatSwürven gelangten, war nicht bei allen gleich ; einige hatten ihr Einpor- kommen zum Theil einem glücklichen Zufälle zu verdanken, andere nur dem angestrengtesten Fleiß und der unermüdlichsten Ausdauer — noch andere waren mit eincr Genialität begabt, die alle Hindernisse beseitigte und ihren Erfolg sicherte. Nur eine Eigenschaft war ihnen Allen gemein — cine Eigenschast, ohne die kein Mitglied des englischen Barreau's einen bedeutenden Nus erwer- den kann — wir meinen das Revnertalent. Die nachfolgende Parallele wird unseren Lesern einigen Begriff von den Phasen geben, die ein Lhemisjüngcr in England auf der Bahn dcS Glückes und der Ebre zu durchlaufen hat. John, Lord Somers, lebte (16dO—1716) zu einer Periode, wo die richterlichen Würden kaum noch aufgehört hatten, von der königlichen Willkür abzubängcn oder den Preis politischer Jntriguen zu bilden. Die Politik spielt allerdings noch heutzutage in de» juristischen Ernennungen cine bedeutende Rolle; bei Ausfüllung der höheren Acmter nimmt man immer auf die Partei Rücksicht, und die Whigs ernennen nie einen anderen als einen Whig, die TorieS eben so unwandelbar einen Torp! aber man trägt doch Sorge, nur solche Personen z» wählen, die an der Spitze ihrer Profession stehen und die auch abgesehen von ihre» politischen Meinungen ihre Beförderung verdienen. SomerS ergriff schon im Anfänge seiner Lausbahn die Partei der Whigs, deren Vertrauen er durch einige Pamphlete erwarb, in welchen er die despotischen Anmaßungen der beiden letzten Stuarts bekämpfte. Der junge Herzog von ShrewSburp, Charles Talbot, eincr der einflußreichsten StaatSleule jener Zeit, unterstützte ihn mit seiner ganzen Macht; als man ihn aber in dem Prozeß der sieben Bischöse, die der Widersetzlichkeit gegen die Verordnungen Nach einem Henkel in dee k.mchurgd tt-vl-» bemdeUil. "1 Der ^Noen.v lTachwaNer) nimmt im englischen Zuristenstande swenn man ibn Überhaupt dazu rechnen kann! den niedrigsten Plötz ei». Ihm falle nur der mechanische Theil des Geschäfts anheim, indem er die Rechtssachen für den Harrl-tor (Anwalt) oder LvuucMvr «Konsulenten) vorbereitet. Die Harrioter» sind geutiomen, die ^ttornep» nur «ruNo-mon (Gewerbtreibende). Auch in Hinsicht der Ebrlilbkeit daden sie einen bösen Nut; der Schurke oder Rechtsverdreher der englischen Romane »nd Lustspiele ist gemeiniglich ein eVttoro«?. Iakob s II. angeklagt wurden, zum Rechtsbeistande vorschlug, wandten diese ein, daß er zu jung und zu wenig bekannt sey. Der Le-rjesnr Pollerfen') bestand aus seiner Ernennung, und die Rede, die SomerS bei dieser Gelegen heit hielt, legte den Grund zu seinem Rufe. Er stieg nach und nach zum General-Anwalt l ^ttnrn«) -Öeni-ral), Großkanzler und Pair, und gilt noch heutzutage für das Muster eines unbestechlichen Richters und aufgeklärten Staatsmanns. Sein Beispiel hat sogar, wie es scheint, einen heilsamen Einfluß auf spätere Generationen geübt; mit Ausnahme eines einzigen Falles (Lord MaccleSsield'S) haben seine Nachfolger sich von den korrupten Ge bräuchen der Vorzeit rein gehalten, »nd ein Intrigant wie Shaftesbury, ein Wlltherich wie Jefferies, könnte in England nie wieder die höchsten richterlichen Würden bekleiden. Der einzige Flecken in seinem Charakter war seine über triebene Vorliebe für das weibliche Geschlecht, der man auch die frühzeitige Nacht zuschrcibt, die seine ausgezeichneten Fähigkeiten umhüllte. Philipp Aorke, Gras von Hardwicke, wuchs im Bureau eines Hbkurnex auf, wo er das Glück hatte, die Aufmerksamkeit des Lord-KanzlerS Macclesfield aus sich zu lenken. Macclesfield, der eben so sehr durch seine Gelehrsamkeit als seine Habsucht bekannt war, die ihm später den Tadel des Parlaments, eine Geldbuße von :«i,«K)t) Pfo. Sterl, und die Entfernung vom Amte zuzog, erhob seinen Schützling schnell dis zu den höchsten richterlichen Stufen. Aorke war kaum ncunundzwanzig Jahr alt und gehörte erst seit fünf Jahren zum Barreau, als er zum General-Fiskal iSnllmtor-Oenersl) ernannt wurde. Da er bisher nur wenig praktisirt batte, so glaubten ihn Viele zu einem so wichtigen Amte unfähig! aber seine Talente und Kenntnisse setzten ihn bald in den Stand, den Erwartungen seiner Gönner zu entsprechen er zeigte sich einem noch ausgedehnteren Wirkungskreise gewachsen, und schon in seinem ^sten Jahre ward ihm der Kanzler-Posten zu Theil. Edward, Lord Thurlow, machte seinen Weg mit fast gleicher Schnelligkeit und durch ähnliche Umstände begünstigt, obwohl sein rauhes, hochfahrendes Wesen den schneidendsten Kontrast zu dem sanften, geschmei digen Charakter Lord Hardwicke s bildete. ES wurde ihm durch einen Zufall die Leitung eines Prozesses übertragen, der um die Erbschaft der großen schottischen Familie DouglaS gcsührt ward; dieses brachte ihn in Verbindung mit vcr berühmten Herzogin von QucenSberrp °°), der Freundin Pope'S, Gav'S und Swifi'S — einer Dame, welche Männer von Talent zu schätzen wußlc. Sic erkannte sogleich den Werth eines so genialen Kopfes wie Thurlow und empfahl dem damaligen Premier-Minister, Lord Bute, ihn für sich zu gewinnen. Seine Ernennung zum königlichen Rechts-Konsulenten (Xing'.-i L'ounxel) erfolgte im Jahre 1761, weniger als sieben Jahre nach seinem Eintritt in den Advokatenstand. Seine Stellung war noch schwieriger als die dcS Lord Hardwicke, da er bisher ganz ohne PrariS gewesen war; aber er besaß in weit höherem Grade Vie Willenskraft und das unerschütter liche Selbstvertrauen, welche alle Schranken vor sich niederwerfen. Seine juristischen Kenntnisse waren übrigens gering, er war mehr Staatsmann als Rechtsgelchrler. Auf dem Gipfel der Ehren behielt er seine Derbheit und Einfachheit der Sitten bei; wcit entfernt, sich seiner obskuren Herkunft zu schämen, war er darauf stolz. Als man ihm einst damit schmeicheln wollte, daß man seine Familie von dem als Staats-Secretair dcS Protektors Crom well bekannten Thurlow ableitetc, erwiederte er. ,,DaS ist falsch! Es waren damals in unserer Grafschaft zwei Thurlow'S: der StaatS-Sccretair und der Fuhrmann; mein Ahnherr war der Fuhrmann." John Dunning, Lord Ashburton (1 - 3 l —1783), wurde um das Jahr I7ö6 als Mitglied des Barreau's ausgenommen, blieb aber einige Zeit ganz unbeachtet. „Er bereiste die westlichen Grafschaften", sagt der Ge- schichtSschreiber von Devonshire, Polwhcle, „ohne daß man ihm eine einzige Sache anvcrtrautc, und wäre Lavater 17hg in Ereter gewesen, so würde cr den Konsulenten Dunning sür einen Blödsinnigen erklärt haben. Er hatte in seinem Gesichte nicht einen Zug, der Talent oder Geist verrieth." Dessen- ungeachtet wurde cr dem Vorsitzenden der ostindischcn Compagnie empfohlen, der eines Rechtsgelehrten bedurfte, um die Antwort auf ein von der holländi schen Regierung eingercichtcs Memorial abzufaffem Dunning führte diesen Auftrag mit solcher Geschicklichkeit aus, daß er sich dadurch mehrere vortheil- haste Konnerionen erwarb, und da zugleich eincr der leitenden Advokaten des ') Klug'» KerZenul» heißen hie RcstuSaelehrieu erster Klösse, von denen -s nnc cine bestimmte Anzahl giebt und die den Richtern zunächst gehen I ihnen folgen die King'» "1 Die Herzoge von OuecnSbenu waren die Häupter einer lungeren Linie her Familie Douglas.