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Wchw GOW Anzeiger Tageblatt für Hohenstein-Ernstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Hermsdorf, Bernsdorf, Wüstenbrand, Mittelbach, Ursprung, Kirchberg, Erlbach, Lugau, Langenberg, Falken, Langenchursdorf, Meinsdorf rc. Der „Hoheustein-Ernstthalcr Anzeiger" erscheint mit Ausnahme der Sonn- und Festtage täglich abends mit dem Datum des folgenden Tages. Vierteljährlicher Bezugspreis bei freier Lieferung ins Haus Mk. 1.60, bei Abholung in den Geschäfts stellen Mk. 1.25, durch die Post bezogen (anher Bestellgeld) Mk. 1.50. Einzelne Nummern 10 Pfg. Bestellungen nehme» die Geschäfts- und Ausgabestellen, die Ansträger, sowie sämtliche Kaiser!. Pvstanstalte» und die Landbriestrüger entgegen. A . Llage erhalten die Abonnenten jeden Sonntag das „Illustrierte Sonntagsblatt". — Anzeigengebühr für die 6gespaltene Korpuszeile oder deren Raum 12 Pfg., für auswärts 15 Pfg.; im Reklamcteil die Zeile 50 Pfg. Die 2gespaltene Zeile im amtlichen Teil 50 Pfg. 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Zum Empfang waren er schienen der deutsche Konsul, die Generale Escard und P acentini, der Kommandant der Kriegsschule, der Chef des Generalstabes des 1. Armeekorps und andere hochstehende Per sönlichkeiten. Der König und die Prinzen be gaben sich im Wagen ins königliche Palais. Sie wurden auf dem Wege dorthin von einer zahlreichen Menge ehrfurchtsvoll begrüßt. Der Kuisertag in Frankfurt a. M., wohin sich der Kaiser ani Montag von Wil helmshöhe bei Kassel begeben hatte, war von schönstem Wetter begünstigt. Infolge des Plötz lichen Ablebens des Dänenkönigs Christian hatte bekanntlich Kaiser Wilhelm seine Teil nahme an der Eröfsnungsseier des Frankfur ter Osthofens absagen müssen, hatte aber sein Erscheinen sür einen späteren Termin in Aus sicht gestellt. Der Empfang des Monarchen in der alten Kaiserstadt war denn auch überaus stürmisch und herzlich. Der Kaiser, der in der Begleitung seines Schwagers, des Prinzen Friedrich Karl von Hessen, sowie der Mili tär- und Zivilbehörden am Osthafen eintras, ließ sich durch den Oberbürgermeister Dr. Adickes einen Bericht über die Geschichte des Frankfurter Häsens eZtatten. Auf drei Regie rungsdampsern wurde alsdann der Hafen be sichtigt, während zahlreiche Boote des Frank furter Rudervereins die Wasseroberfläche beleb ten. Nachdem der Kaiser dann noch im „Römer" den Ehrentrunk der Stadt entgegen- nnd em Frühstück eingenommen hatte, kehrte er später nach Wilhelmshöhe zurück. Herzliches deutsch-österreichisches Verhältnis. Gelegentlich der diesjährigen Feier des Ge bnrtstages Kaiser Franz Josephs auf Schloß Wilhelmshöhe bei Kassel wurden die Herren der österreichisch-ungarischen Botschaft durch un gewöhnliche Herzlichkeit von unserem Kaiser ausgezeichnet. Auch der kurze Dnnkspruch, den Kaiser Wilhelm bei der Galatafel auf Kaiser Franz Joseph ausbrachte, war derart herzlich, daß alle Anwesenden förmlich gerührt waren. Der Kaiser nannte den Kaiser Franz Joseph „seinen treuesten, verehrtesten Freund und Alliierten, seinen treu bewährtesten Verbünde ten und Waffenbruder". Für den Sicherheitsdienst beim Züricher Kaiserbesuch hat der dortige Armeekorps-Kommandant im Auftrage des Schweizer Bundesrats bereits umfassende Maßnahmen getroffen; u. a. ist die Kontrolle iiber die Fremden erheblich verschärft worden. Den Hausbesitzern an den vom Kai ser berührten Straßen ist zur Pflicht gemacht, während der Kaisertage nicht an unbekannte Leute zu vermieten. Der Großherzog von Baden bei der Kaiserparade in Zeithain. Wie die „Köln. Ztg." erfährt, trifft am 28. August der Großherzog von Baden in Dresden ein, um das sächsische Regiment Nr. 103, dessen Chef er ist, bei der großen Kai serparade vorzuführen. Auch an den Kaiser- manövem wird der Großherzog teilnehmen. Der russische Hauptmann v. Kostcwitsch wurde aus der Hast, in die er wegen Spio nageverdachts genommen worden war, entlas sen, ohne sein Ehrenwort geben zu müssen. Statt dessen hat man die Stellung der 30 000 Mark Kaution verlangt. Der Hauptmann Hal sich verpflichtet, zu der Verhandlung vor dem Reichsgericht in Leipzig zu erscheinen. In Petersburg bezeichnet sich der Hauptmann als Märtyrer und verdächtigt die deutschen Gefäng nisverwaltungen zum Dank für deren Ent gegenkommen in schändlicher Weise. Ob er sein Versprechen, zur Verhandlung zn kom men, halten wird, erscheint fraglich. Im übri gen bleibt der Hauptmann nicht nur auf sei nem Posten, sondern erhält noch einen zwei monatigen Mlaub, um auf Kosten des Zaren seine in deutschen Gefängnissen erschütterte Ge sundheit wiederherzustellen. Sozialdemokratische Landeskonferenz für Sachsen in Dresden. Die am Sonntag früh 9 Uhr fortgesetzten Vorhandlungen brachten zunächst die Debatte über den Tags vorher zum Vortrag gelang ten Geschäftsbericht. Sodann teilte die Man datsprüfungskommission mit, daß 99 Dele gierte auf der Landesversammlung vertreten seien. Hierauf erstattete Landtagsabgeordneter Uhlig-Zittau den Bericht der Landtagsfrak tion. Er stellte fest, daß die Sozialdemokratie in das Präsidium nur eingezogen sei infolge von Kämpfen der bürgerlichen Parteien unter einander. Trotzdem aber seien die bürger lichen Parteien einig in ihrer gegnerischen Stellung zur Sozialdemokratie. Der Redner wandte sich sodann den Beschlüssen und Vor lagen des Landtages zu und verweilte ins besondere bei der Volksschulrechrm und bei der Jugendfürsorge. Weiter beschäftigte der Red ner sich mit den Steuerreformen, und zwar mit den Gemeinde-, Kirchen- und Schulsteuern, wie mit den Staatssteuern, und ferner niit dem Fischereigesetz, dem Jagdgesetz usw. Den Schluß bildete ein Rückblick auf das, was der Landtag in Sachen des Arbeitsschutzes getan habe. Wenn man jetzt für ein Arbeitswilli genschutzgesetz so eifrig auf bürgerlicher Seite eiutrete, so sei das ein schlecht gewählter Augenblick angesichts der Brotlosigkeit zahlrei cher Arbeiter in den Zwickauer Kohlenrevieren und der furchtbaren Katastrophe in den west fälischen Kohlenbezirken. Immerhin müßte die Sozialdemokratie auf der Hut sein. Nach kur zen geschäftlichen Mitteilungen wurden die Ver handlungen des zweiten Tages geschlossen. Nachmittags unternahmen die Teilnehmer eine Dampferpartie nach Loschwitz. Tie Disziplin in der französischen Kriegsmarine, die erst kürzlich bei der Kesselrohrexplosion an Bord eines Panzerschiffs im Hafen von Toulon viel zu wünschen übrig ließ, hat durch die Desertion von 33 Matrosen des Kreuzers „Marseillaise" in Antwerpen eine sür die Fran zosen unangenehme Beleuchtung erfahren. Des halb bemühte man sich in Paris auch, das Peinliche Vorkommnis als ganz harmlos hin zustellen, ohne damit jedoch die böse Tatsache aus der Welt zu schaffen, daß die Matrosen Drohrufe gegen ihre Offiziere ausgestoßen haben. Russisches Polizeispitzcltum. Das Polizeispitzeltum ist nirgends so in Blüte als in dem großen russischen Kaiser reiche. Fast nach jedem Attentat gegen eine Politische Persönlichkeit gibt es dort Enthül lungen über Durchstechereien zwischen der Sicherheitspolizei und angeblichen oder wirk lichen Revolutionären, wie das zuletzt noch bei der Ermordung Stolypins in Kiew der Fall war, wo schließlich der Kommandant von Kiew verhaftet wurde. Eine traurige Rolle hat der Terrorist Azew in der Geschichte der russischen Attentate gespielt, bis ihm die Revolutionäre schließlich als Polizeispitzel entlarvt haben wollten. Azew verschwand dann vor drei Jah ren in der Versenkung, man halte ihn auch einige Male tot gesagt, bis er jetzt wieder aufgetaucht ist und dem Revolutionär Burzew bei einer Zusammenkunft in Frankfurt a. M. erklärt haben soll, daß er nie Spitzel, sondern überzeugter Revolutionär gewesen sei, der jetzt sein Schicksal in die Hand seiner Gesinnungs genossen lege. Die Lage in der Türkei ist noch immer nicht ganz befestigt. Von dem Berchtoldschen Vorschläge scheinen die Albane sen noch keine Kenntnis zu haben oder ihn in den Wind schlagen zu wollen, sonst könn ten sie der Türkei nicht fortgesetzt so ernste Schwierigkeiten verursachen. Die Gesamtzahl der auf dem Marsche befindliche» Albanesen wird neuerdings auf 50 000 angegeben; ist je doch sicher nicht so hoch. Die Banden, die die Speifevorräte Ueskübs bis auf den letzten Rest verzehrt hatten, setzten ihren Marsch in der Richtung nach Saloniki fort und machten in Köprülü halt. Die türkische Regierung ließ sie bis dahin ungehindert Vordringen, stellte ihnen aber dort unter der Gewährung einer 24stündigcn Bedenkzeit das Ultimatum, sich entweder zu zerstreuen oder mit den osmani schen Geschützen und Gewehren genauere Be kanntschaft zu machen. Diese Taktik war sehr geschickt. Die Türken haben die gesamte alba nische Streitkraft sozusagen auf eigenem Grund und Boden und können gegen sie in Köprülü einen weit wirksameren Schlag ausführen, als wenn sie sie in den albanischen Bergen auf suchen müßten. — Während Montenegro nach Konstantinopeler Meldungen die Artilleriereser ven mobilisierte, um einem plötzlichen Angriff vorzubeugen, erklärte der bulgarische Minister präsident Geschow, daß Bulgarien bei seiner bisherigen loyalen Haltung verharren werde. Man befürchtet jedoch in Sofia, daß gewisse den Albanern nach Berchtolds Vorschlag ge- Ueberwindende Liebe. Erzählung von V. v. Winterfeld. !. Forcsetzumn (Nachdruck verboten). Als die Leidende die Augen aufschlug, suchte das junge Mädchen sie aufzurichteu, indem sie er munternd sagte: „Liebe Frau Perl, wie schön, das; ich Sie traf, Sie sind schwach geworden unter der schweren Halzlast, aber sehen Sie, wie schön, hier ist ein Schlitten, und der freundliche Herr dort will Sie nach Hause fahren." Bestürzt sah die arme Frau um sich, aber als ihr Blick auf das junge Mädchen fiel, zog ein Freudenschein über ihre bleichen Züge: „O liebes, gutes, gnädiges Fräulein, wie danke ich Ihnen! Oh, machen Sie sich doch keine Mühe mit mir l" „Es war doch gut, das; ich zufällig hier vorbei kam," war die freundliche Antwort, „sonst wären Sie womöglich noch im Walde erfroren!" Während des Sprechens hatte sich die Frau aufgerichtet und schritt nun, von ihren beiden Helfern gestützt, zum Schlitten, wo sie balo in Decken gehüllt saß, und mit Dankesträncn dem jungen Mädchen immer wieder die Hand drückte. „Danken Sie lieber dem Herrn dort," sagte diese lächelnd und blickte dem Fremden freundlich in das gebräunte, männliche Gesicht. „Ich danke Ihnen herzlich für diesen Dienst der Nächstenliebe," sagte sie dann. Er reichte ihr vom Schlitten herab die Hand und hielt sie einen Augenblick fest, während ein warmer Blick sie aus zwei ernsten, dunklen Augen traf Dann flog der Schlitten davon und war bald den Blicken entschwunden. Einige Minuten stand das junge Mädchen noch sinnend da: „Arme Frau Perl," dachte sie, „könnte man ihr doch von der großen Arbeitslast ihres Lebens etwas abnehmen I Sie darf sich nicht krank machen, um ihrer Kinder willen I Aber nun heißt's eilen," mahnte sie sich, „ich habe mich schon zu lange aufgLtzalten, upd Tante und die Leute warten ln Etchenrode sicher schon auf mich! Ach, es gibt bis übermeracn ja neck' so viel zu tun!" Sie eilte schnellfüßig über den schmalen Waldweg. Hier und da huschte ein Reh, de» nahen Futter platz aufzusuchen. Eichhörnchen lockten neugierig durch das Baumgcäsl herab, und ein Fuchs ver schwand eiligst im Tanne.idunkel. Hilde, denn sie war das junge Mädchen, dachte, während sie rüstig hinschritt, an ihr vergangenes und gegenwärtiges Leben. Als elternlose, unbemittelte Waise eines Offiziers, mar sie seit einem Jahr von ihrer Tante, )er Gräfin Eichen, ins Haus genommen worden. Der jähe Kontrast, in dem das Leben der reichen, vornehmen Verwandten zu ihrem bisher so be scheidenen, oft sorgenvollen Dasein stand, wollte Hilde von Steinfeld anfangs erdrücken. Das alte Schloß in Eichenrode, sowie das Winterquartier der gräflichen Familie in Berlin, erschienen ihr wie Zauberwelten und die schöne, lustige Cousine wie eine Märchcnprinzessin. Nach und nach ge wöhnte sich Hilde an die veränderten Verhältnisse, sie gewöhnte sich auch daran, als das unscheinbare, arme Mädchen hinter der glänzenden, reichen, schönen jungen Verwandter, zurückzustehen. Ja, es gewährte ihr bald eine große Befriedigung, der Tante in der Leitung des Hauswesens nach und nach immer mehr Mühe und Last abzunehmen, so daß sie bald zum unentbehrlichen Hausgeist wurde, der das Vertrauen der Schlossherrin und die Ver ehrung des Gesindes genoß. Manchmal freilich, wenn sie allein war, überkam sie tiefes Heimweh nach dem versunkenen Glück, das sie als einziges Kind in dem bescheidenen kleinen Heim, an der Seite ihres unvergeßliche» Vaters genossen, der von einer kleinen Pension mit seinem Töchterchen in stiller Zurückgezogenheit lebte und bestrebt war, anstatt nach irdischen Gütern zu verlangen, die junge Seele mit Schätzen des Geistes und Herzens zu bereichern. Oft hatte ihr verstorbener Vater sie ermahnt, sich nicht durch äußeren Glanz beeinflussen zu lassen, sondern allezeit den bleibenden, ewigen Wert des Menschen im Auge zu behalten. Daran dachte Hilde jetzt wieder auf ihrem einsamen Wege durch die winterliche Landschaft. Wie schon so oft, so gelobte sie sich auch heute wieder dankbaren Herzens, das Gute zu erkennen, das Gott ihr gelassen, und mit Erbarmen auf die zu blicken, die es so viel schwerer hatten als sie, wie zum Beispiel diese arme Steinklopfersfrau, deren Dasein aus Mühe und Sorge bestand. Wie oft hatte nicht ihr seliger Vater sie gemahnt: blicke auf deine Mitmenschen, die in Nöten sind, aber nicht begehrend, verfangend, oder gar neidend auf die, denen scheinbar ein reicheres Erdenglück beschert ist, als dir. Es ist ja alles nur scheinbar! Unterdessen hatte der Schlitten sein Ziel fast erreicht. Ganz still saß die ermattete Frau neben dem vornehmen Herrn. Als die Erdhütte erreicht war, sahen mehrere kleine Kindergesichter neugierig durch die winzigen Scheiben. Noch einmal wollte die Frau danken, doch schnitt ihr Begleiter ihr das Wort mit der Frage ab, wer die junge Dame gewesen, die sie im Walde aufgefunden habe. „Ach, das war ja unser liebes, gnädiges Fräu lein vom Schloß!" rief die Frau. „Ich meinte, daß der gnädige Herr die schon kannte! Die kennt ja jeder, und jeder muß sie lieb haben! Die ist wie ein Engel!" Bei diesen begeisterten Worten verklärte sich das abgehärmte Gesicht. Dann war das Ziel erreicht, und mit warmen Dankesworten verlieh die Frau den Schlitten und schritt ihrer bescheidenen Erdhütte zu. Das elegante Gefährt flog weiter und hielt nach kurzer Zeit vor dem stattlichen Herrenhaus von Eichenrode. „Also das war die Komtesse!" dachte der Fremde. „So sah das einzige Kind des reichen Grafen aus!" Wie wohltuend berührte ihn diese warme, schlichte Fürsorge für die Armen und Elenden! Die fand man ja heutzutage so selten bei den vornehmen Damen I Er freute sich mit einem Male der Nachbarschaft von Eichenrode, als er die Freitreppe zum Schloß emporstieg. Als der Diener der Gräfin den Besuch mel dete, konnte sie nur mühsam einen Freudenruf unterdrücken. „Ach, dieser allgemein geachtete, reiche, vornehme Mann, der erst kürzlich das schöne Erbe eines Onkels angetreten, er märe ja der einzige geeignete Gatte für ihre Edith!" Sie ließ den Gast bitten, und bald stand Heideck vor ihr. Mit einem raschen Blick musterte sie die hohe, schlanke Gestalt, das ernste, dunkle Gesicht und sagte sich, daß seine Erscheinung so aristokratisch sei, wie sie es sich an einem Schwieger sohn nur wünschen könnte. Die Unterhaltung war bald lebhaft im Gange. Die Gutswirtschaft, das nahe Weihnachtsfest, die Veränderungen aufHeid- burg, der Tod des alten, einsamen Onkels bildeten den Gesprächsstoff. Dann erschien Edith. Ein weiches, weißwollenes Gewand umschloß die über- schlanke Gestalt. Ihre meist bleichen Wangen waren zart gerötet, und die gewöhnlich etwas müde blickenden Augen leuchteten Heller, als die Gräfin ihr Heideck vorstellte. Diesem wurde es schwer, feine Verwunderung zu verbergen, als das schöne Mädchen ihn als Tochter des Hauses be grüßte. Wie mar es denn nur möglich? Vor kurzer Zeit hatte er gemeint, die Komtesse Eichen im Walde getroffen zu haben, und nun trat ihm als solche ein fremdes, so völlig verschiedenes Wesen entgegen. Doch mit weltmännischer Gemaudtheit ließ er sein Staunen nicht merke», u»d die Unter haltung bewegte sich zwanglos und oberflächlich, wie es die Gesetze der „guten Gesellschaft" er heischten. Da meldete der Diener: „Das gnädige Fräulein läßt sich entschuldigen, wenn sie etwas später zum Gäbest, chfiück erscheint, doch der Schnee hat sie aufgehalten, und sie muß sich umziehen." (Fortsetzung folgt.)