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Dresdner Journal : 08.07.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-07-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188707084
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18870708
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18870708
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1887
-
Monat
1887-07
- Tag 1887-07-08
-
Monat
1887-07
-
Jahr
1887
- Titel
- Dresdner Journal : 08.07.1887
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V155 Freitag, den 8. Juli, abends. 1887. l« N»tek»; 1» ^Lkrliok: La»„rL»N> ä« äsuttet»«» ksiet»», tritt?o«t uoä ^L^Nacklx»QU»x«dNkrei»: l?ür 6eo kiLuw kiasr ssspLltsnsL 2«il» Ueivsr 8cUritt üv?k. Vvttr „Lu^»«u>ät" äl« 2«U« bü kk. Lei 1'»dsII«o- Qllä 2i8«rv»»tt svttpr. Xakieüt«^. Lr»ek«lQ«i>r UtAlioü urit FaiLLtuii« Uer 8ouQ- lu»a keiert»^» »dsväi. kerLeprseU-^llioUIrleer Rr. 1LSS. iLUrlioU: t IU»rIc «0?k. o. , ,, , . r.»o»ell>« kiiuiui»«ro: 10 kk. DresduerÄMmal. Für die Gesamtleitung verantwortlich: Dtto Banck, Professor der Litteratnr. und Kunstgeschichte. r»> «weLrt», Letptt»: F>. Lra^tttetter, OoiLoü»io»Lr äs« vrextser öoaru»t»; L»»dor, N«rU» -Vte» - LstpttU N—l Nr»»I»«-Vr»Lk1vrt «. N.: ÄaEN«t«»» -F N«rU»-Vt«»-L»»d»rU. ?r»U - ». N. - Ndück»: A»ck ^0«« , k»rt, Lo»Lo» -N»rU» -I>»»tckvr» ». ». -Da«t»« <O 6oLerU-: SürUti: S. »kM«-, ^ac^/ota«',' U»L»ov«r! 6 LUI« ». I: F. L««t <t 6o U»r»»»»«d»r r Nviri^l Lrpxlltiov äe« vrexloer öosnuU«, Vrextev, 2vin^«r»tr. >0. ksmiprsok lir. llvb. tlichtaintlicher Teil. Telegraphische Wachrichten. Leipzig, 8. Juli. (Privattel. d. Dresdn Journ.) Das Reichsgericht verurteilte den Angeklagten Klein zu 6 Jahren, den Angeklagten Grebert zu 5 Jahren Zuchthaus, sowie beide Angeklagte zu je 10 Jahren Verlust der Ehrenrechte. Erhart wurde freigesprochen. Rom, 7. Juli, abends. (W. T. B.) DaS amt liche Blatt veröffentlicht ein Dekret, welches für Schifft, die auS den Häfen Rocella Jonica und Catania, wo die GesundheitSverbältniffe verdäch tig erscheinen, in anderen italienischen Häfen ein- treffrn, eine ärztliche Untersuchung anordnet. Rom, 8. Jnli. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Im Senat rechtfertigte bei der Debatte über den afrikanischen Kredit der frühere Minister Robi- lant eingehend die von ihm während seiner Ge- schäftSführung getroffenen Maßregeln und gab Aufklärungen über die Missionen PozzoliniS und Gen^S in Abessinien. Robilant bezweifelte, daß 20 Millionen genügen würden, doch laste der geringe Betrag hoffen, daß die Regierung die Expedition in Afrika nicht ausdehnen wolle. Der Kriegsminister Bertole Viale erklärte, daß die verlangten 20 Millionen zur Erreichung des an gestrebten Zieles der Regierung genügen würden, falls nicht unvorgehergesehene Ereignisse einträten. Die Regierung kenne ihre Verantwortung betreffs der in Europa eingegangenen Engagements und werde vorsichtig vorgehen. Der Minister verlangt, daß der Senat, wie dies auch die Kammer gethan, ein Ver trauensvotum abgebe. Der Minister des Innern, Crispi erinnerte daran, daß durch die vorausgegangenen Ereignisse, die im Einvernehmen mit England erfolgte Occupation MassauahS provoziert worden sei. Die Gründe der Occupation wolle er nicht ausführen, es genüge daran zu erinnern, daß die Verhältnisse im Sudan diese Position auch für andere Mächte wünschenswert er scheinen ließen. Die Blokade der Küsten Abessiniens sei von allen Mächten anerkannt. Hierauf wurde die Debatte auf Freitag vertagt. London, 7. Juli, abendS. (W.T B.) Ober bau». Bei der Beratung deS Berichts über die Bill, betreffend die Erleichterung für Übertragung de» Grundbesitzes, wurde ein Antrag auf Strei- chung deS Artikels, welcher das Erstgeburtsrecht aufhebt, von der Regierung bekämpft und vom Hause mit 88 gegen 55 Stimmen abgelehnt. Der Bericht wurde angenommen. Sophia, 8. Juli. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Einer Meldung der „Agence HavaS" aus Bul garien zufolge, zeigten die geflüchteten in Konstan tinopel befindlichen Anhänger ZankoffS der Re- girrung an, daß sie den von der Sobranje einstimmig gewählten Kürsten auch ihrerseits accep- tieren würden. Belgrad, 7. Juli. (W. T. B.) Gegenüber den Meldungen mehrerer Blätter über die Vor- gänge bei der Versammlung der militärpflichtigen Mannschaften deS Tschupriiaer Kr.ises wird von amtlicher Seite mitgeteilt, eS hätten sich vor der MilitärrevisionSkommission gegen 2000 Mann ge stellt, der erste Tag de» Revisionsgeschäfts sei ruhig verlaufen, am zweiten Tage aber sei eS unter den Mannschaften zu einer Schlägerei ge- kommen, bei welcher mehrere Personen daS Leben verloren hätten. Lon den Waffen sei jedoch kein Gebrauch gemacht, die Ruhe sei bald wiederherge- Feuilleton. Lelia Rubien.*) von H. Keller-Jordan. „Zünden Sw die Lampe in meinem Zimmer an, Beseler, und führen Sie den Herrn hinein." ES war der Chefredakteur mehrerer viel gelesener Hamburger Blätter, der den Befehl erteilte, während er die Zeitungen durcheinander warf, die im großen RedaktionSzimmer auf dem Tifche lagen und mit der Bleifeder für einen jungen Mann Artikel bezeichnete, der in gebückter Haltung neben ihm stand. „So, das für daS Tageblatt, Herr Richter. Sie werden noch eine Stunde Arbeit damit haben, aber dafür ist eS auch morgen Sonntag und wir können die RedattionSlast und den Bücherstaub einmal sür einige Zeit mit der frischen Elbluft vertauschen. Oder machen Sie da- Fest in Blankenese morgen nicht mit," fragte er nach einer Weile, während er den jungen Mann mit ironischem Lächeln musterte. „Ich habe noch nicht darüber nachgedacht," sagte dieser mit etwas blasirtem Gebühren, mdem er die Zeitungen ordnend durch seine schlanken, gepflegten Finger gleiten ließ, „ich bin auch noch zu fremd in Hamburg, um die Pointe dieser Vergnügungen richtig zu erfassen." „Sind die Arbeiter bezahlt und entlassen?" fragte der Redakteur, der offenbar kein Vergnügen an dieser Antwort und der Art, wie sie gegeben wurde, hatte. *) Nachdruck »erbotro. stellt worden. Der Vorgang sei rein lokaler Ratur gewesen, alle anderen bezüglichen Meldungen seien unbegründet. Ebenso unrichtig sei die Nachricht, daß 150 Polizeibeamte auf einmal entlassen wor den seien; es hätten nur verschiedene Versetzungen und vereinzelte Entlassungen von stark kompro- mitierten Polizeibeamten stattgefunden. Dresden, 8. Juli. Die Fürstenwahl der bulgarischen Sobranje- Die bulgarische Sobranje hat gestern den Prinzen Ferdinand von Koburg zum Fürsten von Bulgarien gewählt. Wie man aus dem in der gestrigen Num mer des „Dresdner Journals" enthaltenen Bericht über die Sitzung vom 5. d. ersieht, befand sich die Sobranje schon damals in einem Zustande außerge wöhnlicher Erregung. Offenbar will man in Tirnowa zu einer Entscheidung drängen. Allein auch hier sind die Dinge oft stärker wie die Menschen. Zur Zeit fehlt noch jede Bürgschaft, ob Prinz Ferdinand die auf ihn gefallene Wahl annimmt. Er ist von Wien, wo er sich bis vor kurzem aufhielt, nach Lon don abgereist. Es wird gut sein, wenn man im Auge behält, daß der Prinz schwerlich die Wahl annimmt, ohne der Zustimmung der Mächte sich vergewissert zu haben. Letztere wird in Frage kommen, sobald die Pforte dem neugewählten Fürsten den Bestätigungs firman zu erteilen hat. Die Sobranje hielt in Tirnowa ihre Sitzung unter völliger Abwesenheit der Vertreter der Mächte ab, denn diese konnten einem Beschlusse nicht einmal als einfache Zeugen beiwohnen, bezüglich dessen sie sich vollständige Freiheit ihres Urteils wahren müssen. Die Beziehungen zwischen den Mitgliedern der bulgarischen Regierung und den Vertretern der Mächte scheinen überdies sehr lockere zu sein, denn die Bul garen haben bisher nichts gethan, diese für sich zu gewinnen. „Die Bulgaren ihrerseits", schreibt man der „Politischen Korrespondenz" von „besonderer Seite" aus London in Erwartung der nunmehr erfolgten Fürstenwahl vom 5. Juli, „scheinen deshalb keinerlei Interesse gehabt zu haben, die Mächte zu Vertrauten ihrer Pläne zu machen, weil sie von früher wohl wußten, die Mächte würden ihnen wieder nur raten, ihr Vorhaben zu vertagen, und sie im Vorhinein ent schlossen waren, solchem Rate diesmal kein Gehör zu schenken. Wenn die Fürstenwahl thatsächlich vollzogen sein wird, so werden die Mächte nicht umhin können, dieser vollzogenen Thatsache gegenüber Stellung zu nehmen, aber man giebt sich selbst in bulgarischen Kreisen nicht der Illusion hin, daß dies unverzüglich und sofort in decidierter Weise geschehen werde. Unter den Mächten, deren Genehmigung der Wahl im Sinne deS Berliner Vertrages erforderlich ist, giebt eS drei Gruppen. Die eine würde unter normalen Verhält nissen vollständig bereit sein, jede korrekt vollzogene Wahl der Sobranje zu sanktionieren und den Bul garen den Fürsten zu gönnen, den sie frei gewählt haben. Eine Macht, die nicht näher bezeichnet zu werden braucht, steht auf dem Standpunkte, daß jede auf die Initiative der gegenwärtigen Regentschaft durch die gegenwärtige Sobranje vollzogene Wahl, welchen Kandidaten sie immer treffe, der Legalität entbehre und somit nicht anerkannt werden könne. In der dritten Gruppe endlich steht eine Regierung, die aus Rücksicht für die eben erwähnte in prinzipieller Oppo sition befindliche Macht, dem Standpunkte derselben bis zu einem gewissen Grade sich anzuschließen bereit ist. Aber selbst die in der ersten Gruppe angeführten Mächte, die der Wahl der Sobranje jede Rücksicht zu gewähren bereit sind, werden ihre eventuelle Zustimmung — so fern sie überhaupt zu einem solchen Ausspruch ge langen — wie üblich, durch die Erklärung ergänzen, „Bezahlt, ja!" „So sorgen Sie, bitte, daß die Räume leer wer den, ich liebe es nicht, wenn sich die Leute nach der Arbeit noch, zu Gott weiß welchen Erörterungen, hier aufhalten." Der junge Mann legte die Zeitungen, aus welchen er Notizen genommen, zu den anderen und indem er sie alle zusammen schob und auf einen Haufen wert- lofer Papiere warf, machte er Miene zum Gehen. „Herr Richter!" Der junge Mann blieb stehen. „Wollen Sie so freundlich sein und erst einmal in mein Zimmer schauen, Beseler sagte mir, daß ein Herr auf mich warte." Der Chefredakteur, ein Mann in den mittleren Jahren, durch dessen dunkele Haare sich schon hier und da ein silberner Faden zog, ging während dessen mit verschränkten Armen im Zimmer auf und ab. ES war eine sauere Woche gewesen, und die Lasten, die seine Schultern namentlich bei der Wahlagitation trugen, wohl dazu angethan, vor der Zeit sein Haar zu bleichen. Er schien das auch zu denken, denn er nickte verständnisvoll mit dem Haupte, als er vor dem Spiegel stand und mit der kleinen Haarbürste, die er seinem Taschennecessaire entnommen, energisch durch die etwas ungefügigen Haare fuhr. Unterdessen war Richter wieder in der Thüre er schienen, die durch ein Vorzimmer, in welchem die Herren gewöhnlich abzulegen pflegten, in das Privat- zimmer l>. Lassens führte. Er drehte zerstreut an seinem blonden Schnurrbart, und ein eigentümliches Lächeln kräuselte dabei seinen Mund. „Run", fragte der Redakteur, der plötzlich vor ihm daß dieselbe erst dann in Geltung tritt, wenn auch alle übrigen Mächte derselben sich anschließen werden. Es ist klar, daß damit für den neugewählten Fürsten nicht allzuviel gewonnen sein wird und daß eine der artige nur bedingungsweise Genehmigung seiner Wahl durch einzelne Mächte ihm nicht einmal jene moralische Autorität verleihen dürfte, deren er zur Übernahme feiner Mission in seinem eigenen Interesse wie im Interesse Bulgariens nicht wird entraten können. In solchem Lichte wird die Situation in den den Bul garen wohlgesinnten diplomatischen Kreisen angesehen; man hegt alle Achtung vor dem Mute und der Ver trauensseligkeit, die die Bulgaren durch ihre frisch ge wagte Aktion bekunden, man verhehlt sich aber nicht, daß in diesem Falle frisch gewagt noch nicht halb ge wonnen ist und daß oie Schwierigkeiten der Situation mit der vollzogenen Wahl noch nicht beendet, sondern noch durch neu hinzutretende komplizierende Momente vielleicht sogar vermehrt werden könnten." Bemerkenswert in obiger Mitteilung der „Polit. Korr." ist der Hinweis „auf eine Macht, die nicht näher bezeichnet zu werden braucht" und welche auf dem Standpunkte steht, „daß jede auf die Initiative der gegenwärtigen Regentschaft durch die gegenwärtige Sobranje vollzogene Wahl, welchen Kandidaten sie immer treffe, der Legalität entbehre und nicht aner kannt werden könne." Man braucht nicht lange zu raten, wer diese Macht ist. Wie die alte , Presse" bereits am 5. Juli mel dete, steht die Nachricht, „Rußland sei mit der Wahl de« Prinzen von Coburg einverstanden, in offenem Widerspruch mit allem, was man bisher über die Hal tung Rußlands gegenüber der Regentschaft und der Sobranje, deren beider Legalität von St. Petersburg auS bestritten wird, aus wiederholten und sehr ent schiedenen Kundgebungen der Regierung weiß." Durch die gestrige Fürstenwahl der Sobranje sind wir also vermutlich nicht weiter gekommen und vor läufig bleibt das Interim bestehen. Anmerkung. Nach den neuesten Nachrichten (S. „Tagesgeschichte") wäre der Prinz Ferdinand von Coburg allerdings entschlossen die Wahl anzu nehmen, ja, unzuverlässigen Privatnachrichten zufolge soll die Sobranje sogar die Einheit Bulgariens und RumelienS verkündet haben. In diesem Falle stünden wir allerdings vor Ereignissen von unberechenbarer Tragweite. Lagcötzcschlchtt. Dresden, 8. Juli. Das „Leipziger Tageblatt" schreibt: „Wie wir von zuständiger Stelle erfahren, ist seitens der Vorstände des nationalliberalen und des konservativen Vereins im Königreiche Sachsen beschlossen worden, bei den bevorstehenden Land tags - Wahlen daS Cartel, wie eS bei den letzten Reichs tagswahlen zwischen den beiden Parteien bestand und sich so erfolgreich bewährte, aufrecht zu erhalten. Das Cartel beruht auf der Verpflichtung, den beiderseitigen Besitzstand zu wahren und ihn gegen die feindlichen Parteien, welche bei den Landtagswahlen vorzugs weise die Sozialdemokraten sein werden, durch gegen seitige Unterstützung zu verteidigen Weiter vernehmen wir, daß eS als selbstverständlich erachtet worden ist, in dieses Cartel auch diejenigen Mitglieder der säch sischen Fortschrittspartei, welche ihren Austritt aus der deutschsreisinnigen Partei erklärt haben, einzu- schließen. Wir ersuchen unsere Gesinnungsgenosien im Lande, im Interesse des einträchtigen Zusammen wirkens der Ordnungsparteien und im Interesse d-r Aufrechterhaltung des für die nächsten Reichstags wahlen so überaus notwendigen Friedens zwischen den verschiedenen Gruppen der Ordnungsparteien die oben gedachte Abmachung berücksichtigen zu wollen." stehen blieb und sich des Auftrags erinnerte, den er ihm gegeben hatte. „Sie sind ja lange da drinnen gewesen, haben Sie einen Bekannten gefunden?" „Nein, Herr Doktor, o nein, es ist ein junger Mann, mit etwas sentimentalem Gesicht, der Sie selbst zu sprechen wünscht und der jedenfalls ein Manuskript bei sich trägt, welches seinen zukünftigen Ruhm ver künden soll. Er sieht wenigstens auffallend sicher und zuversichtlich aus." „Leider schon zu oft Dagewesenes", sagte der Re dakteur lächelnd — „wird schon demütig werden. Richter, ich versichere Sie, er wird eS. Meinen Sie eS nicht auch?" fragte er dann mit einem neuen An flug gutmütiger Ironie, während er die Hand auf des jungen Mannes Schulter legte und lächelnd in sein Gesicht sah „Ist sonst noch jemand da?" „Niemand, als die dunkle Dame, welche für die Monatsblätter die spanischen Berichte übersetzt — und so konsequent ihr Gesicht verhüllt." Über Or. Lassens ausdrucksvolles, von manchen Kämpfen gekennzeichnetes Gesicht zog ein jäher Schatten. „Daß sie sich immer felbst her bemüht, immer der gleiche Starrsinn, bei fonst fo unendlich vieler Sanft mut und Geduld," dachte er, aber schon hatte er Hut und Handschuhe vom Tische genommen und ging zur Thür. „Sie schließen wohl nachher auch dieses Lokal, Herr Richter," sagte er dann, indem er sich noch ein mal in der Thür umwandte, „ich mag die Dame nicht so lange warten lassen, eS ist mir ohnehin pein lich genug, daß sie sich immer selbst hierherbemüht. Gute Nacht, und morgen viel Vergnügen in Blanke nese Sie sollen einmal sehen, wie schnell sich die Pointe dieser Vergnügungen finden läßt, wenn man * Berlin, 7. Juli. Se. Majestät der Kaiser nahm heute mit Sr. Königl. Hoheit dem Prinzen Wilhelm und Sr. Königl. Hoheit dem Prinzen Ni kolaus von Nassau das Diner ein. Demnächst er teilte der Monarch dem aus London nach Ems ge kommenen Hofmarschall Sr. Kaiserl. und Königl. Hoheit des Kronprinzen, Grafen Radolinski Audienz. Wie man dem „Deutschen Tagbl." meldet, hat sich das Befinden deS Kronprinzen sehr erheblich ge bessert, so daß eine frühere Rückkehr desselben von England, als anfänglich angenommen war, für wahr scheinlich gilt. ES scheint darauf auch hinzudeuten, daß man im Neuen PalaiS in Potsdam sich darauf rüstet, die kronprinzliche Familie schon in der zweiten Hälfte dieses MonatS wieder dort einziehen zu sehen Im Anschluß an diese Nachricht des „Deutschen Tagbl." bringen wir nachstehendes Telegramm de» „Berl. Tagb." aus London von Donnerstag abeudS 6 Uhr: Soeben hat im Hause Dr. Mackenzies eine abermalige Untersuchung deS Halses des Kronprinzen stattgefunden. Der Doktor erklärt, der Verlauf der Krankheit könne nicht besser fein; es zeigt sich kein Zuwachs der Wucherung und keine Kongestion. Der Kronprinz hat seine Stimme wieder erlangt und darf von jetzt an täglich eine Vier telstunde laut sprechen. In zehn Tagen wird sich der Kronprinz nach der Insel Wight begeben. Der Prinz Wilhelm gedenkt heute die Rückreise von Ems nach Potsdam anzutreten, woselbst, wie be reits gemeldet, die Prinzessin Wilhelm mit ihrem ältesten Sohne, dem Prinzen Wilhelm, bereits gestern srüh eingetroffen ist und wieder im Marmorpalais Wohnung genommen hat. Dort wurde heute im Familienkreise der Geburtstag des zweitältesten Soh nes des Prinzen und der Prinzessin Wilhelm, deS Prinzen Wilhelm Eitel-Friedrich Christian Karl, geb. 7. Juli 1883 festlich begangen. Zur Feier des Tages hatten die königlichen und die prinzlichen PalaiS in Berlin und Potsdam und viele öffentliche Gebäude Flaagenschmuck angelegt. Der „Staatsanz" meldet die Verleihung de» Schwarzen Adlerordens an Se. Königl. Hoheit den Prinzen Oskar von Schweden, Herzog von Got land; desgleichen wurde dem Generaladjutanten Sr. Majestät, General der Kavallerie, Chef des Militär kabinetts v. Albedyll die Erlaubnis erteilt, die In signien des ihm verliehenen großherrlich türkischen OSmanieh-OrdenS erster Klasse zu tragen. Der „Magdeburger Ztg." wird von hier gemeldet: „Die Abreise des Fürsten v. Bismarck nach Kis singen ist dem Vernehmen nach vor dem 1. August nicht zu erwarten. Ob er bis dahin in FriedrichSruh bleiben oder auf einige Wochen nach Varzin übersiedeln wird, ist noch unentschieden. Sein Befinden ist durchaus zufriedenstellend und gestattet ihm, seine gewohnte Thätigkeit in vollem Umfange auszuüben. Täglich gehen, oft zwei mal, Schriftstücke aus dem Auswärtigen Amte nach FriedrichSruh, und außer diesem regelmäßigen Courierdienst besteht ein lebhafter telegraphischer Verkehr zwischen dem Reichs kanzler und dem Auswärtigen Amte." In der heutigen unter Vorsitz des Staatssekretärs, Staatsministers Or. v. Boetticher stattgehabten Ple narsitzung des Bundesrats wurde dem Vernehmen der „Berl. Pol. Nachr." nach beschlossen, das Verbot der Ausfuhr von Pferden aufzuheben und dem vom Reichstage abgeänderten Entwurf, betr. den Verkehr mit Kunstbutter, zuzustimmen. Der Antrag Württem bergs und Badens, daß den süddeutschen Essigfabriken Branntwein zum dreifachen Vergütungsfatz angerechnet werden könne, soll nach dem Vorschläge des Ausschusses für Zoll- und Steuerwesen angenommen und ferner beschlossen worden sein, die jetzt laufenden Branntwein steuerkredite auf weitere 3 Monate zu verlängern sich in so schöner Damengesellschaft befindet, wie Sie am vergangenen Sonntag. Gute Nacht." Die Thür fiel ins Schloß und man hörte nur noch ein paar Sekunden die dröhnenden, etwas schwe ren Tritte, mit denen Or. Lassen den Raum bis zu seinem Zimmer durchschritt. Richter raffte seine Zeitungen zusammen, die er auf das Pult gelegt und setzte sich zurecht, um die nötigen Notizen für das Tageblatt auszuziehen, in welchem er seit einigen Wochen den polnischen Teil redigierte. Als Or. Lassen in sein Privatzimmer trat, erhob sich ein junger Mann von der entgegengesetzten Seite und verbeugte sich höflich. Er hatte wohl kaum die Universität absolviert, und stand zum ersten Male der wichtigen Person eines Chefredakteurs geaenüber, von dessen Wollen oder Nichtwollen seiner Meinung nach seine Zukunft abhing. Lassen erwiderte seine Ver beugung nur kurz, seine Augen suchten im Zimmer herum und fielen dann auf die junge Dame, die in dem bescheidensten Winkel hinter dem Sopha saß und ihm sichtlich verlegen entgegenging. Sie sagte nichts, aber sie sah mit ihren großen ernsten Augen bittend zn ihm in die Höhe und dann nach dem fremden Jüngling, den sie offenbar nicht zum Zeugen ihrer Verhandlung wünschte. Lassen verstand sic. Er bat sie mit einer stum men Handbewegung auf dem Divan Platz zu nehmen und wandle sich dann, nicht ganz ohne die obligate Protektormine, an den jungen Mann. „Sie wünschen?" „Nur Ihr gefällige» Urteil, Herr Doktor, über
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