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VottMMchl'r Anzriger 23. Februar 1858 Dienstag gäbe gestellt. Jacquard löste diese Aufgabe zur Ehre seines Vaterlandes. Gr wurde nach Paris beschiedcn, und der General Donaparte wünschte ihm Glück zu seiner Erfindung. Die Gesellschaft „zur Aufmunterung" verlieh ihm am 2. Febr. 1804 die große goldene Medaille und eine Gra- tification von 3000 Franken. Die Hauptsache war, daß er im Conserva- torium für Künste und Gewerbe in Paris angefiellt und so sein Glück und Ruhm begründet wurde. Nachdem er nun seine bescheidene Werkstatt mit dem Aufenthalte in den reichhaltigsten gewerblichen Sammlungen ver tauscht hatte, erfand und verbesserte er eine Reihe von Maschine für Weberei und Bandsabnkation. Hier sah er auch zum ersten Mals die zerstreueten, theilweise verloren gegangenen Ueberbleibsel einer von dem berühmten Mechaniker Vaucanson angefertigten Maschine für Muster- weberei. Vaucanson hatte durchaus von dieser Maschine keine Zeichnung und Beschreibung geben wollen, und ohne diese konnte man sie nicht arbei ten lassen, obgleich sie ost auseinander genommen und wieder zusammen gesetzt worden war, und so waren Stücke davon zerstreut und verloren worden — kurz, die Maschine war unbrauchbar. Jacquard nahm sie vor, machte sie praklisch brauchbar und billig herzustellen, da sie vorher, äußerst kostspielig und schwerfällig, nie zur wirklichen Anwendung gekommen war. So erfand er 1804 die Jacquardmaschine. Unter vielen Zeichen der Anerkennung und Hochachtung erhielt Jacquard plötzlich einen Ruf als Direktor eines ArbeitShanscs in Lyon, seiner Vater stadt. Eine bescheidene Stellung für solch' einen Geist! Aber Napoleon t. wußte tüchtige Leute zu schätzen, und so erschien ein kaiserliches Decret vom 27. October 1806 aus Berlin, wodurch der Stadtrath von Lyon Beseht erhielt, ihm eine lebenslängliche jährliche Rente von 3000 Franken, wovon nach seinem Tode die Hälfte auf die Frau des großen Mechaniker- übergehen sollte, auszuzahlcn. Sofort schenkte Jacquard alle seine Erfin dungen und Maschinen der Stadt Lyon als Eigenthum und widmete von nun an alle seine Zeit und Krast semer Vaterstadt, so daß diese auch -alle Früchte seiner Mühen erntete. Aber Bosheit Mrd Unverstand bereiteten dem großen Manne noch fchwere Prüfungen. Fabrikanten zogen die von ihm gemachten Erfindungen unentgeldltch an sich, ohne daß er mit seinem Privilegs eS hindern konnte ; Werkmeister benutzten sogar seine Modelle. Doch dieß kümmerte ihn wenig. „Desto besser," svrach er, „wenn sie nur Nutzen daraus ziehen." DaS Härteste kam indeß noch. Neid und Eifersucht anderer Mechaniker behaup teten, seine Maschine sei nichts weiter, als eine Nachahmung der von Vaucanson erfundenen, er sei ein Mann, der durch seine Maschinen die Arbeiter um ihr Brod brächte. DaS thörichte Volk glaubte dieß, eS ent stand ein Ausstand, seine Maschine wurde auf einen öffentlichen Platz ge schleppt und unter dem Jubel deö bethörten Volkes — verbrannt. Ebenso zertrümmerte der Wahnsinn der aufgeftachelten Menge alle übrigen Jacquard maschinen. Noch nicht genug! Der „Rath der Sachverständigen" forderte ihn vor Gericht, weil die Werkmeister Ersatz für den ihnen durch die Jacquardmafchiuen verursachten Schaden an Zeit und Matena! verlangten'. Er wurde verurtheilt und nur auf sein inständiges Bitten ihm ge stattet, den Beweis zu liefetn, daß er durch seine Maschine diesen Schaden urch.t verursacht habe. Er setzte nun seine Maschine wieder zusammen Dst«se- Bl-tr erscheint wöchentlich dreimal, und zwar Dienstags. Donnerstags und sonnabends. Jährlicher AbonnementSprei-, auch bet Aeztetznnz d.rch »ie P»q, 1 rhlr. ,0 Ngr. — Annoncen, die bis Mittag- 12 Ndr eingehen, werden in die Tag- darauf erscheinende Nummer ausgenommen, später eingehend« «nvanten finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene CorpuS-Zeile berechnet. Karl Maria Jacquard, Erfinder des Jacquardwebestuhls. Jacquard, wie schon der Name cs giebt, ein Franzose, wurde den 7. Juli 1752 in Lyon geboren. Sein Vatcr war Werkmetster in einer Sei denfabrik, und seine Mutter Mustcrcinleserin. Die höchst anstrengenden Arbeiten der dortigen Seidenweber erstreckten sich zu jener Zeit bis auf die Kinder und legten den Keim zu einer sehr verkümmerten Fabrikbevöl- kcrung. Diese Umstände flößten Jacquard schon in frühester Jugend eine Abneigung gegen das Gewerbe seines Vaters ein, obschon ihn dieser dafür bestimmen wollte und deshalb den Schulunterricht für überflüssig hielt, um den ihn der Knabe inständig bat. In seinem 10. Jahre verlor Jacquard seine Mutter, und später erlernte er bei einem Verwandten das Buchbin derhandwerk. Während dieser Zeil dachte er schon unausgesetzt über die Möglichkeit nach, das Loos der unglücklichen Arbeiter zu erleichtern, und eS trug dieses Streben jedesfallS zur Entwickelung seiner Neigung für praktische Mechanik bei. Jacquard war 20 Jahre alt, als sein Vater starb, sein Erbtheil äußerst gering; eS bestand in der Hauptsache in einem — Webstuhle. Daher war er unentschlossen, ob cr einen Buchbinderladen kaufen oder zur Weberei sich wenden sollte. Endlich zog cr das Letztere vor, offenbar um seine Jdccn zur Ausführung zu bringen, und, obwohl seine äußere Lage sich äußerst ungünstig gestaltete, bewährte er auch in den drückendsten Verhältnissen seine Rechtlichkeit und bereicherte mehrere GewcrbSzweige uneigennützig mit seinen Erfindungen. Ja, er mußte seine Vaterstadt mit Frau und Kind verlassen, um in einem Gypsbruche zu Buchey einen kümmerlichen Unterhalt zu erlangen. Jetzt begann die erste franz. Revolution und Jacquard ward Soldat. Anfangs fand er Geschmack an diesem Berufe und war eifrig darin; aber bald schreckten ihn die Gräuel zurück, die uuter dem Namen der Freiheit begangen wurden. Man haßte und versolgte ihn nun, und cr verließ nut seinem 14jährlgen Sohne dtc furchtbar heimgesuchte Stadt Lyon. In einem Treffen bei Hagenau fiel sein Sohn, von einer tödtlichen Kugel getroffen, an seiner SeUe. Dieß verleidete ihm das militärische Leben, er hielt um seine Entlassung au und kehrte traurig nach Lyon zurück, wo während der tzchreckenSz u 40,000 Bewohner umgekommcn und 10,000 entflohen waren. Nun befaßte sich Jacquard wieder mit seinen Plänen zur Ausführung einer HilfSmaschinc für Musterweberei, und freigebige Gönner boten ibm hierzu Geldunterstützung. Während der im September 1801 in Paris veranstalteten Industrieausstellung veröffentlichte Jacquard feine Erfindung. Die Preisrichter erkannten ihm — die letzte Medaille in Bronze zu, während manche andere, seitdem gänzlich vergessene Erfindung die goldene erhielt. Aber der anspruchslose Mann betrachtete diese kleinliche Aus zeichnung durchaus nicht alS Geringschätzung, und anstatt daS ihm auf IO Jahre bewilligte Privilegium ausznbeuten, bemühete er sich, seine Maschine zum Besten der Arbeiter immer mehr zu vervollkommnen. Doch hatte seine Erfindung insoweit Aufsehen errcgt, daß ihm die Behörde zu Lyon eine Wohnung im Palaste der schönen Künste unter der Bedingung, junge Arbeiter unentgeldlich zu unterrichte», einränmte. Zn dieser Zeit hatte die englische Regierung einen Preis auf die Er findung einer Maschine zum Verfertigen von Fischernetzen ausgesetzt, und die französische Gesellschaft „zur Aufmunterung" hatte dieselbe PreiSaus für die Gerichtsämter und Stadträthe zu Plaucu, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Muhltroff NeuimEechsztgster Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Morltz Wieprecht in Plauen.