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WnstMMstthalerAnMr Tageblatt für Hohenstein-Ernstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Hermsdorf, Bernsdorf, Wüstenbrand, Mittelbach, Ursprung, Kirchberg, Erlbach, Lugau, Langenberg, Falken, Langenchursdors, Meinsdorf rc. Dcr„Hnhenftcin-Ernstll>nlcs Anzeiger" erschein! mit Ausnnhmc der Sonn- und Festtage täglich abends mit dem Datum des folgenden Tages. Vierteljährlicher Bezugspreis bei freier Lieferung ins Haus Mk. 1.50, bei Abholung in den Geschäfts stellen Tlk. l.25, durch die Post bezogen <mitzer Bestellgelds Mk. 1.50. Einzelne Nummern 10 Pfg. Bestellungen nehmen die Geschäfts- und Ausgabestellen, die Austräger, sowie sämtliche Kaiser!. Postanstaltcn und die Landbricsträger entgegen. A, e-lage erhalten die Abonnenten jeden Sonntag das „Illustrierte Sonntagsblatt". — Anzeigengebühr für die ögcspaltene Korpuszcile oder deren Raum !2 Pfg., für auswärts 15 Pfg.; im Reklameteil die Zeile MPsg. Die 2gejpaltene Zeile im amtlichen Teil 50 Pfg. 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Der französische Ministerpräsident Poin- earee wird sich bei seiner heutigen Ankunft in Kronstadt über einen frostigen Empfang nicht zu beklagen haben. Im Gegenteil, er wird stürmisch begrüßt werden und auch vom Zaren hohe Auszeichnungen erhalten; denn er lammt ja nicht mit leeren Taschen. Trotz aller amtlichen und halbamtlichen Dementis erhält sich die Auffassung, daß Frankreich dem russischen Verbündeten zu den bereits vorge- streckten sechzehn noch die siebzehnte Milliarde leihen soll. Und an der Newa ist inan die ses Finanzgeschäfts so sicher, daß man sich nicht im geringsten geniert, in den Wein der französischen Begeisterung über das Marineab- ßnnmen eine gehörige Portion Wasser zu schütten. Die größeren Pariser Blätter entsandten ausnahmslos Berichterstatter nach Petersburg, die über die glänzende Aufnahme Poincarecs und über das Ergebnis des Ministerbesuches in dem verbündeten Reiche spaltenlange Be richte einsandten, bevor Herr Poincaree noch russischen Boden betreten hatte. Um die vicl- sach recht laue Glaubensfreudigkeit der Nation an die großartigen politischen Erfolge des Mi nisterpräsidenten zu stärken, wird lang und breit von der schlecht verhehlten Wut Deutsch lands über den Besuch des Ministerpräsidenten unmittelbar nach der Baltischporter Zweikai serbegegnung berichtet. Dabei wird wohlweis lich die Tatsaaie verschwiegen, daß der mini sterielle Besuch schon vor der Baltischporter Entrevue beschlossen und bekannt gegeben wor den war. In Wirklichkeit ist das Marineabkommen noch gar nicht vorhanden, es soll erst wäh rend der Anwesenheit Poincarees in Peters burg abgeschlossen werden. Es steht auch noch nicht einmal fest, ob es jetzt überhaupt zur Unterzeichnung der Konvention kommen wird; das hängt vielmehr von den bevorstehenden endgültigen Besprechungen in Petersburg über die politische, richtiger vielleicht die finanzielle Seite der geplanten Vereinbarung ab. — Der Jubel der Pariser Blätter, daß die Konven tion nicht nur abgeschlossen, sondern daß auch England von ihr sofort in Kenntnis gesetzt worden sei, war auch in Bezug auf den letz ten Punkt verfrüht. Im englischen Unter laufe erklärte der Staatssekretär des Auswär tigen Grey, daß er keine Mitteilung der ein russisch französisches Marineablommcn erhalten habe. Tagesgeschichte. Ter Kaiser bei Krupp. Die Ankunft des Kaisers aus Vilta Hügel erfolgte in der Frühe des heutigen Donners tags. Bereits am Vormittag beginnen die Iubiläumsfestlichkeitcn im städtischen Saalbau, wo dem Kaiser der übliche Ehrentrunk gereicht wird. Nachdem dem Monarchen die Jubilare der Kruppwerkc vorgestellt sind, folgt im Licht saal des Kruppschen Hauptverwaltungsgebäu- des der eigentliche Festakt, bei dem auch der Kaiser das Wort ergreifen wird. Die Besich tigung der Kruppwerkc wird dem Kaiser mit den neuesten technischen Eroberungen und Er findungen besonders auf dem Gebiete des Pan zerplatten und Artillcriewesens vertraut machen. Großes Interesse dürsten die 10,5 Zentimeter- Ballongeschütze in Anspruch nehmen, die eine Hochschußweite von 1l 000 Metern haben. Bei dieser Gelegenheit mag daran erinnert sein, daß Alfred Krupp im Jahre 1870 der Be- lagcrungsarmce von Paris 20 kleine einpfündige Geschütze zum Abschüßen der Pariser Ballons zum Geschenk machte, deren Schußweite eine Meile betrug. Die Geschütze haben aber kei nen größeren Erfolg ausgewiesen, während sich die neuesten Ballonkanonen auf dem Krupp schen Schießplatz in Meppen vortrefflich be währt haben. Sv groß ist der Fortschritt, der auch auf diesem Gebiet gemacht worden ist. Besuch russischer Minister in Berlin. Die russischen Minister Kokowzew und Sa sonow werden im September nach Paris auch Berlin besuchen und mit den leitenden Staats männern Besprechungen führen. Hoffentlich fordern sie von Deutschland keine Anleihe; denn so hoch wir die Freundschaft mit Ruß land schätzen und soweit wir unsern! östlichen Nachbar in allen möglichen Dingen entgegen kommen, in der Anleihcfrage überlassen wir Frankreich neidlos den Vortritt. Zur Abrüstungsfrafte äußerten sich dieser Tage der deutsche Staats sekretär des Auswärtigen v. Kiderlcn einem Pariser Journalisten gegenüber und der eng lische Premierminister Asquith im Londoner Unterhanse ganz übereinstimmend dahin, daß sie eine internationale Abrüstung praktisch für undurchführbar hielten. Beide Staatsmänner betonten dabei die Friedfertigkeit ihrer Politik und das Einvernehmen mit den Nachbarn. Es steckt in diesen beiden Tatsachen auch nur scheinbar ein Widerspruch. Der Friede beruht heute lediglich auf der militärischen Stärke der Nationen. Man mag das bedauern, aber nie mand ^ann es ändern. Das chiliastische Zeit alter, in dem einst der Löwe mit dem Lamm Heu fressen wird, ist nicht nur für absehbare, sondern wahrscheinlich für alle Zukunft eine Utopie. Teutsch-englische BerständiglingSverhandlungen und kein Gude. Es gibt doch noch Optimisten in der Welt, ruft man unwillkürlich gegenüber der Meldung aus, daß in Homburg v. d. H. dieser Tage unter dem Vorsitz des früheren englischen Bot schafters in Berlin, Sir Franc Lascelles, die vorbereitende Sitzung für eine im Spätherbst einzuberusende Konferenz über die deutsch englischen Beziehungen stattfand. Es wurde beschlossen, vom 30. Oktober bis 1. November eine Verftändigungskonferenz in London abzu halten. Diese Konferenz will sich mit der Förderung der gegenseitigen Kenntw s der bei den Länder und der gemeinsamen Kulturauf gaben, dem wirtschaftlichen Wettbewerb, der Presse, der Unverletzbarkeit des Privateigen tums zur See im Kriege und der Abgrenzung der beiderseitig-m Interessensphären auf kolo nialem Gebiete v-stchäftigen. Für die „süuf harmlosen Engländer", die man in Eckernförde unter dem Verdacht der Spionage verhaftet hat, erheben sich in England entrüstete Stimmen, welche die Frei lassung der Festgenommenen verlangen. In welchem Maße die „Harmlosen" „Spion ge spielt" haben, geht daraus hervor, daß ein sechster Teilnehmer, der einen Tag vor der Verhaftung nach London zurücktehrtc, unum wunden zugibt, daß sic sich gar nicht gewun dert hätten, wenn sie von Kriegsschiffen an gehalten worden wären. Jetzt wo man sie hinter Schloß und Riegel gesetzt hat, beteuern sie in einemfort ihre Unschuld. Davon aber, daß sic von dem Verbot des Photographie- rens von Landcsverteidigungswerken nichts ge wußt hätten, können sie sich bei aller ihrer Intelligenz oder gerade deswegen nicht rein waschen. Und wenn ihnen dasselbe Schicksal blühen sollte, das die deutschen „Amateur- spionc" Schulze und Graves getroffen hat, nämlich die Verurteilung zu einer längeren Freiheitsstrafe, so haben sie cs nicht anders gewollt. Ter Deutsche Opitz, über dessen Schicksal seit Wochen Ungewißheit herrschte, ist, wie soeben amtlich festgestellt werden konnte, am 20. v. M. drei Kilometer von dem Stadttor von Marrakesch durch einen Schuß in den Kopf getötet und der Leichnam verbrannt worden. Die Mörder sind bekannt, einer von ihnen befindet sich bereits in Haft, auf die andern wird gefahndet. Selbstverständ lich wird Frankreich zur Entschädigung ange halten werden. Aber was bedeutet die Aus zahlung einer größeren oder kleineren Geld summe gegenüber einem Menschenleben! Ge rade die jüngsten Vorgänge aber haben wie der deutlich gezeigt, daß die Zeit gar nicht ab- sehba ist, in der Frankreich auch nur in be scheidenem Maße der Anforderung, Leben und Besitz der Fremden in Marokko zu schützen, wird entsprechen können. Gin Appell an die deutschen Kommerzienräte. Nach der „Rhein.-Wests. Ztg." macht Kom merzienrat Richard Raupach in Görlitz den Vorschlag, alle Kommerzienräte und Geheimen Kommerzienräte sollten einen Beitraa stiften zur Milderung des Elends unter den Vete ranen, als Dank dafür, daß diese einst ihr Leben in die Schanze schlugen, um Deutsch land zu Macht und Ansehen zu verhelfen und dadurch die Vorbedingungen für den wirt schaftlichen Aufstieg des Vaterlandes zu schaf fen, der den Wohlstand unserer Großkaufleruc ermöglichte. Herr Raupach sei, so sagt das genannte Blatt, bereit, fiir seine Person tau send Mark zu diesem Fonds beizusteuern. Man kann nur wünschen, daß sein Beispiel recht anseuernd wirkt und sein Aufruf nicht ve>- geblich verklingt. Deutsche Deserteure in Italien? In San Remo stellten sich, wie der „Frlf. Ztg." gemeldet wird, vier von Marseille kom mende Deserteure des deutschen Heeres bei der dortigen Polizei, um in das italienische Heer eingestellt und nach Tripolis geschafft zu wer den. Ihre Namen lauten nach Angabe der italienischen Behörden: Hans Hackenschmidt, Jurist, 20 Jahre alt, Otto Braune, Kauf mann, 25 Jahre alt, Kurt Miesbach, Mccha- niter, 24 Jahre alt, und Fritz Reuter, angeb lich Marineoffizier, 28 Jahre alt. Tie Bcurteilunfl der diesjährigen französischen Flotten« Hungen durch die Pariser Presse ist keine glänzende, da die Manöver durch den Mangel an Ge- fchützpulver und durch die Vorsicht, mit der man sich des vorhandenen Pulvers bedienen mußte, erheblich gestört worden seien. Einzig nnd allein die Leistungen der Unterseeboote sanden Anerkennung. Ja, es wurde sogar be tont, daß der moralische Wert der französi schen Flotte durch die letzten schweren Unfälle wenn auch nur in vorübergehender, so doch in fühlbarer Weise beeinträchtigt worden sei. Ueber die Meuterer der russischen Ostseestotte, die nichts Schlimmeres im Sinne hatten, als Petersburg zu bombardieren und dort eine Militärdiktatur cinzusetzen, ist soeben das Ur teil gesprochen worden und zwar wurden 23 von ihnen zu Gefängnis bezw. Zuchthausstra fen und Zwangsarbeit von vier Monaten bis viereinhalb Jahren verurteilt. 7 wurden nach Sibirien verbannt, während 29 freigesprochen wurden, weil auf Grund eines falschen Ge ständnisses die Anklage gegen sie erhoben wor den war. Drei Matrosen haben Selbstmord verübt. Die Lage in der Türkei. Die türkische Regierung hat die diplomati schen Beziehungen mit Montenegro abgebro chen, da dieses allen türkischen Vorstellungen zum Trotz die Grenzkämpse sortsetzte. Auch an der bulgarischen Grenze finden fortgesetzt hes- tige Kämpfe statt. Bei Kotschona veranstalte ten die über voraufgegangenc Attentate erbst terten Türken ein Gemetzel, in dein mehr als 50 christliche Bulgaren getöter worden sein sollen. — Die Jungtürken rüsten sich zu einem Perzweiflungskampf gegen die Regierung. Ihre Führer Dschavid nnd Talaat ließ der Großwesir ungehindert aus Konstantinopel ab reisen, wo nach Verhängung des Belagerungs zustandes das Kriegsgericht bereits gebildet wurde. Die gleichen Maßnahmen sollen in Saloniki getroffen werden. In diesen Städ len dürfen die Offiziere fortab keine öffent lichen Reden mehr halten, das Versammlungs- recht wurde aufgehoben oder doch stark einge schränkt. Die Gastwirtschaften müssen späte stens um Mitternacht geschlossen werden, nach dieser Zeit darf niemand mehr ohne Erlaub nis ausgehen. Die in die Provinzen oder in die Berge geflüchteten Jungtürken erfreuen sich dagegen der größten Freiheit und agitieren ungestört für eine Erhebung gegen die Regie rung. Amerika. Die von dem demokratischen Konvent in Chicago und dem republikanischen in Balti more ausgestellten ofsiziellen Präsidentschafts kandidaten Taft und Wilson werden möglicher weise doch noch von Theodor Roosevelt, der sich selbst zum Kandidaten einer eigens gebil deren Fortschrittspartei machte, geschlagen wer den. Die soeben auf dem Konvent in Chicago gehaltene Programmrede Roosevelts rief einen tiefen Eindruck im ganzen Lande hervor. Die Begeisterung in Chicago, wo sich die ersten Größen der Hochfinanz, der Gelehrtenwelt und der Politik um den dritten Präsidentschafts kandidaten scharten, für Roosevelt ist unge heuer. Nach der 25 000 Worte langen Pro grammrede wurde Roosevelt eine stürmische Ovation von dreiviertelstündiger Dauer darge bracht. Das Programm Roosevelts ist durch aus radikal. Es fordert als einen der ersten Punkte das Frauenwahlrecht in der ganzen nordamerikanischen Union. Die Suffragetten, die in England allerdings kühner sind als in Amerika, werden sich also für Teddv nach Kräften ins Zeug legen. In vier nordameri kanischen Staaten genießen die Frauen auch für die Präsidentenwahl Stimmrecht. Außer dieser Erweiterung der Frauenrechte fordert Roosevelts Programm: Tarifrevision, direktes Wahlrecht, staatliche Lohnkommissionen, wir kungsvolle Gesetze zur Bekämpfung der Trusts, Ausbau des Organisationsrechts und die Ab gabefreiheit amerikanischer Küstenschiffe für die Benutzung des Panamakanals. Die neuen Wehrvorlagen in Nordamerika übertreffen an Umfang alle Rüstungsanstren gungen der europäischen Staaten, denn die Vereinigten Staaten wollen ihre Streitkräfte um das Siebenfache vermehren. Ferner sollen zwei ganz neue Typen, ein Bundes-Freiwst- ligenkorps und eine Bundesreserve neu geschaf fen werden. Die Mannschaften sollen nacb den Vorschlägen des Generalstabes nicht wie bis her auf drei, sondern auf 6 Jahre angewor ben werden. Die reguläre Armee besteht bis her nur aus 66 000 Mann, es soll nach den neuen Vorschlägen eine Armee von 460 000 Mann — außer 42 000 Mann Küstenartillerie ins Feld gestellt werden, daneben will man noch eine kampffähige Reserve von 300 000 schaffen. Diese Neuorganisation wird natür lich ganz erhebliche Summen verschlingen, andererseits aber ist es eine Frage, ob sich in Amerika so viele Freiwillige finden lassen, uni die Armee auf die vom Generalstab ge wünschte Stärke zu bringen.