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67. Iakrgang. 592 Sonuabe»-. 2. Dezember 1922 Gegründet 1886 »nchtonschrMr »«chrtcht« Dr,,»«. A»n>I»r«ch»r - Samm»Inumm«r SV S41 «ur lür v»cht-»l»rl«d»! SOO11. b«t >»»l>ch«r gulra,,«, ,n »r-d,» «d»r durch dl, P»V msn-Nich VI. SS0.-. «ezugs wevuyr StnA,l°u«.m.r M. LA.-. 6o«°tag»a«.gab. IM. so.-. Di'llpoM,» u mm dr,>I»A,iI»«.dL-. °ud»rd°Il> Sach!«,, lldmiU». Anzelgen-Prel e. °>n,««n und SKI.,n,»luch» unter, M,»iau ,,dm Wik««, Ti-dau» M. ».-. ' DorM>»»ItN>« l«m Lar«. Wuawtr.lg, SIu IrL„ ,,,,n Boraudd^atzlun,. SchrW^kmg und JImwkqrlcklMvA«»« W»rt»»Nr»ye SS/^0. Lnut«. Berta, »«» »»sch » «ilchard« In D« V«ftIch«L-Aonio 10SS Br«,»««» «achdruch nur intl deuNlcher Vu^rnan»,», l.Drridnrr Nachr.", »ullM,. - Unr-rrlana!« SchriiMÜ», werden nich« an«dr«adrl. k^önisäi -flöge! ttöckster Ulangackel k^önisck -Pianos kckelats lonkülls l^öniscti -pkonola- Instrumente: ein Lsgsn tllr UIs klavlofspislsnclo I 24 Wslsenksusslrak« 24^1 IVlsnsekkslt :: evväkv Skries. Eine ullimalive Note Poincarss. Wiedergulmachungsforderungen fi!r die Zwischenfälle in Slektin und Bayern. Palla« und Ingolstadt m» Svü 00« Goldmark Geldstrafe belegt. Paris, l. De». HavaS übermittelt der Presse svlgendc Mitteilung: Zufolge der Vvrivlle in Stettin, Passim und Ingolstadt, deren Opfer Ossizierc der Interalliierten mili tärischen Kontrollkommission geworden sind, wurden von seiten der Kontrollkommission von der Rcickxsregievung Entschuldigungen und Wiedergutmachungen verlangt. Diese Gntmachnngcn stad »ur Stunde in sehr «»»«reichendem Maste gegeben worden, und es schien daher den alliierten Ncgicrnngeu unerlästlich. energische Mastnahmen »u ergreifen, um die TLtigkclt der gemäß dem Friedcnsvcrtrag vorgesehenen militärischen K»n1roUk»mm«ssion. sowie den Schutt der Mit glieder dieser Kommission sicher»«stellen. Es wurde infolge dessen gestern abend dem deutschen Botschaiter durch die Bot- schasterkonseren» mit der Unterschrift des Vorsitzenden Poinea r» eine Nvke überreicht, die der NeichSregicrung folgende Entschließungen -er alliierten Negierungen übermittelt: vor dem lll. Dezember müsse« die für die Zwischenfälle k« Pasta« «ad Stettin noch »n bewirkende« Genug- tnnngen gegeben fei«. Die Wiedergutmachungen nnd Sanktionen, die der deutfcheu Regierung von der militäri schen Kontrollkommission mitgetellt werden, soweit sie sich auf den Zwisckwnsall in Ingolstadt beziehen, müssen ans« geführt werden. Der bayrische Ministerpräsident h a t der militärischen Kontrollkommission einen Brief zu schreiben, worin er sich für die Zwischenfälle in Passao und Ingolstadt entschuldigt. Diese beiden Städte werden jede mit einer Strafe von 500 000 Goldmark belegt. Im Falle, dah diese Be zahlung nicht oder nur teilwe se erfolgt, und zwar bis zum 10. Dezember, werden die alliierten Regierungen zu ihren Gunsten die Summe von 1 Million Goldmark oder einen entsprechenden Werl beschlagnahmen, den die bayrische Regierung in der Pfalz besitzt. Gez. Poincaro* W. r. B. bemerkt hierzu: Die hier erwähnte Note ist heute an hiesiger zuständiger Stelle cingegangen und sofort Gegenstand eingehender Beratung der beteiligten Ressorts gewesen. Die Entschließungen der Regierung werden im Einvernehmen mit der bäurischen Regierung getroffen werden. Eine eingehende objektive Darstellung de- Sachverhaltes wird der Oesscntlichkeit nicht vorenthalten werden. iW. T. B.t Die Enlenrebedingiillgen für Aufhebung -er Militärkonlrolle. London, 1. Dez. Das Reuter»Bureau veröffentlicht folgende Note: Die Bvlschasterkonscrcnz besckKitigt sich seit einiger §feit damit, die Interalliierte Kontrollkommission, die augenblicklich in Deutschland arbeitet, durch ein militärisches Garantiekomltc« zu ersetzen nach Art des Garantiekomitces ftir die Lustschissahrt, das im letzten Mai eingesetzt wurde. Die Hindernisse, die die Regelung dieser Frage verzögern, sind allerdings beträcht lich. Die deutsch« Regierung hat andauernd bei den alli ierten Regierungen gegen die Entscheidung«« der militäri schen Kontrollkommission protestiert. Man hat nicht unr de» Offiziere« der Interalliierten Kontrollkommission die geforderte« Erleichterungen verweigert, sondern die deut sche» Beamten habe« »ie Offiziere in der Ausübung ihres Amtes erbeblich behindert. Die ernsthaften Zwischen- fälle von Stettin im Juli, von Passau im Oktober und von I n g o l st a d t vor einige» Tagen sind ein Beweis hierfür. Erst nach sehr langer Zeit hat die deutsche Regie rung für den Zwischcnsell von Stettin Genugtuung gegeben, aber für die beiden anderen Zwischen solle, die die alliierten Negierungen als austcrordentlich schwer betrachten, ist noch lerne entsprechende Genugtuung erfolgt. Auster allen, anderen ist für die Milderung der alliierten militäri schen Äontrelle das wichtigste, dast man den alliierten Ossi- ^eren ln seder Beziehung Erleichterung gewährt. Fünf Beding««««« müssen durch dl« deutsche Regierung er füllt «erden, bevor von einer Zurückziehung der militäri schen Kontrollkommission die Rede sein kan». Diese Be dingungen sind folgend«: 1. Die Beendigung der Umstellung der Munitions fabriken, > 2. die Auslieferung SeS Kriegsmaterials, bgS über die der deutschen Nachkricgsarmee zugebilligte» Menge hinansgeht, 8. die S t a t i st i ke.n der deutschen Behörden über dieses Kriegsmaterial. 4. gesetzmästigc und Verwaltungsmastnahmcn für die Verhinderung des Imports und Exports von Kriegs material und fllr die Herstellung eines Nekrntierungs- und Venwaltungbsystcms der Armee entsprechend dem Friedcns- vcrtrage. ferner gebührende Garantien hinsichtlich der Polizctorganlsation, 5. zweckmäßige Erleichterung für die militärische Kon trollkommission in der Ausübung ihrer Funktionen. Poinearss wankende Stellung. Berlin, 1. Dez. Der Pariser Korrespondent der „Bost. Ztg." meldet seinem Blatte, man ha'te es in fran zösischen amtlichen Kreisen für wahrscheinlich, dast Poinearö im Kalle eines »»günstigen Ausganges der Londoner Besprechungen« üter die Reparationssrage zurücktretc« werde, um Lonchcur Gelegenheit zu geben, eine Lösung des Neparatlonsproblcms durch Verständi gung mit den Verbündeten nnd mit Deutsch land zn snchen. Man versichert, daß Milleraud für de« Plan LouchcnrS gewonnen sei. Kapitän Erhardt verhaftet. Ablransporl nach Leipzig. München» 1. Dez. Kapitän Erhardt ist gestern abend vcrhastet worden. Aus Anordnung des Unter suchungsrichters RcichSgerichtSrat Dr. März werden nähere Angaben au die Oesfentlichkeit nicht gemacht. lieber Ort und nähere Umstände der Verhaftung Erhardts wirb aus Antrag der die Untersuchung führenden Behörden von brr Polizeidlrektion München strengstes Still schweigen bewahrt. Erhardt. der seit Erlast deS Haftbefehls gegen ihn seinen Wohnsitz in Salzburg verlassen hatte, ist mehrfach in München gesehen worden, und eS ist wahrschein lich. dal, er In der Stadt oder In der Umgebung, bet Freunden, einen Unterschlupf hatte. Die Verhaftuna selbst erfolgte in München, wo Erhardt sich seit mehreren Taacn heimlich unangemeldet aufhtelt. Berlin, I. Dez. Die Verhaftung ErhardtS Ist nach einer hiesigen sozialistischen Korrenspondenz auf die letzten Prcffc-Aeusternngen über Putschvorbercituugcu in Bayern zurück.,«sühren. Vor kurzer Zeit wurde von ein- zrlnen Blättern trotz der Dementis aus Bayern immer wieder daraus h'.ngewiesen, dast Erhardt und Lüdtwltz sich In München oder in der Nähe von München aufhtelten, und -ah diele Angaben aus zuverlässiger Quelle stammten. Der Oberreichsanwalt habe deshalb um die Aushändi gung de» Materials gebeten, die auch erfolgte und auf Grund dessen er dann eine Untersuchung einleitete, die schließlich zur Verhaftung ErharbtS führte. Hauptsächlich ha« Erhardt nach der Korrespondenz auf einem Schlöffe in der Nähe von Schaftlach am Tegernsee verkehrt. Er trat unter dem Namen Eichmann auf. Lüttwttz soll unter dem Namen Lorenz ausgetreten sein. * Kapitän Erhardt ist geborener Badenser. Gr trat im Jahre >M> In die Kaiserliche Marine ein und wurde >S00 zum Sapitänleutnant befördert. Während des Kriege» wurde ec Korvettenkapitän. Nach der Revolution trat Er hard» an die Spitz« der S. Marine-Vrtgade. Kapitän Erbardt wurde wegen seiner Vetelklgnng am Kapp-Putsch verfolgt. Sr führte seinerzeit vom Döberitzer Lager aus als Kommandeur der Brigade Erhardt den Marsch aus Berlin aus. Nach dem Scheitern des Putsches setzte er zunächst der Entwaffnung hartnäckigen Widerstand entgegen, willigte aber schließlich im Interesse seiner Truppe I» de«, Abtransport nach dem Münsterlager und wurde dann flüchtig. Er bcnab sich zunächst nach Ungarn nnd soll auch In Tirol gesehen worden sein. Er wurde von drei An geklagten Im Ratlienau-Prozest als Führer der Organisa tion L bezeichnet. Er übte einen geradezu dämonischen EIn- slust auf seine Anhänger aus, der sich u. a. dadurch be kundete. daß die Mörder RathenauS im Sterben riesen: „Grüßt Erhardt!" Die Untersuchung gegen Erhardt. Leipzig, 1. Dez. Korvettenkapitän Erhardt ist unter ganz besonderen Sicherheitsmaßnahmen lm Leipziger Untersuchungsgefängnis untergebracht morde». Die Leipziger Polizei hat einen besonderen Nacht dienst vor der Zelle und in der Umgebung deS Unter suchungsgefängnisses eingerichtet, da man mit der Möglich- «Seit rechnet, dast Erhardt von seinen Freunden befreit wer den könnte. Die Untersuchung gegen Erhardt dürfte sich längere Zeit hinziehen, da Anklage gegen ihn nickt nur wegen seiner Teilnahme am Kapp-Putsch. sondern auch wegen seiner Beziehungen zur Organisation 0 erhoben wird. Aus Veranlassung deS ObcrrclchSanwalt« ist ein besondere» Bureau mit einem Staatsanwalt nnd mehreren Hilfsarbeitern eingerichtet worden, da» die Der- nehmungen Erhardts und der zahlreichen Zeugen, die In seinem Prozeß eine Nolle spiele» dürften, durchzuflihren haben wird. vollsr (Hmlllek): 7680 Im ssealvarstastr »danck« » Über 7SSO Die revolutionäre Seldslzersleischung Griechenlands. Die erste allgemeine Empörung, die die furchtbare Blut tat aus dem von der alten hellenischen Kultur geweihten Boden Athens in der gesamten Kulturwelt auSlöste, macht einem entsetzten Schaudern, einem Gefühl des Ekels und tiefsten Abscheus Platz, je mehr wir von der Tat Abstand gewinnen und Einblick nehmen können in die selbst für Zeiten anfs höchste aufgepettschter Bolksleidenschaft un erhörte Athener Schandjustiz. Wir leben im Zeitalier der Revolutionen, und niemals konnte man der allen Revolu tionen eigenen Forderung nach Aburteilung der Schuldigen ein größeres Verständnis cntgegenbringen. als gerade heute, da der Ruf nach Schuldigen jeder Art in der ganzen Welt widerhallt. Was sich aber heute, nachdem man die grauen vollen Einzelheiten der Athener Vorgänge kennen gelernt hat, dem moralischen Urteil der Welt darbictet, Ist kein Aus fluß überschäumcndcr Volksleidenschaft, kein sinnlose» Wüten aus der Hefe des Volkes plötzlich nach oben gerissener dunkler Existenzen, wie wir es in Rußland erlebt haben. In Athen herrscht kalt berechnende, niedrigste persönliche Rachsucht und politische Zügellosigkeit einer Cligue vent- zelistischcr Drahtzieher, hochgestellter militärischer Persön lichkeiten vor, die sich durch kaum verschleierten Mord ihrer hervorragendsten politischen Gegner entledigen wollte. Da für spricht einmal, dast das erste NevolutlonSkabinett ZaimiS angesichts der englischen Drohung, im Falle eines Todes urteils die Beziehungen zn Griechenland abznbrechcn, die Verantwortung für die Bluttat nicht auf sich nehmen zu können glaubte und an seiner Stelle die Blacher der Revolu tion, der Oberst Gonatos und die Generale Pangalis und Mavromichalis, eigens zu dem Zwecke die Negierung über nahmen. das Todesurteil herbeizuführen und sofort zu voll- streclen. Dafür spricht auch, daß man mit ausgesuchter Grausamkeit Gunaris, de» begabtesten Gegner der Vcni- zclistcn, von seinem Typhuskrankenlagcr zur Nichtstätte zerrte und einem dem Tode Geweihten die letzte Schmach ebensowenig ersparte, wie man cs sich versagen konnte, den letzten Oberbefehlshaber General Had'ianestis vor der Er- schiestung erst noch zu degradieren und seinen Degen zu zcr- brechen. Daran läßt endlich die Tatsache keinen Zweifel, dast man mit der VcrmögenSkvnfiSkation auch noch die Familien der Ermordeten treffen wollte. Das ist kein sinnloses Willen blinder VvlkSeinpörung, das ist planmäßige, darum aber um so erbärmlicher nnd ekelerregender wirkende Zügellosigkeit der Parteileidcnschaft nnd bedeutet die Krönung lener Terrvrnolitlk. die erst Vcnizelos in Griechenland grostgczogen hat. Und wenn Benizelos in Lausanne sich über diesen Erfolg seiner Heye scheinheilig empört, so hat er nicht das mindeste Recht dazu. War er es doch, der nach der Verbannung König Konstan tins, dem sein getreuer Gunaris ins Exil gefolgt war, mit unbarmherzigster Grausamkeit den parteipolitischen Terror gegen seine Gegner spielen ließ, der sie von seinen Kriegs gerichten zn Hunderten zum Tode oder schweren Zuchthaus strafen verurteilen liest, der sic zu Tausenden ins Gefängnis sperrte. Unerhört und unerträglich war diese blutige Tyrannis, von der man aber verhältnismäßig wenig erfuhr, weil sie im Interesse der Entente lag und die Entente dazu schwieg, die aber in allererster Linie den Wunsch nach der Rückkehr König Konslaniins Im griechischen Volk lebendig werden liest. VenlzcloS ist der Verantwortliche, der den Terror unter seinen Anhängern großgczogen hat. Er allein ist aber auch der Schuldige an de» Ereignissen, derentwegen Männer wie Gunaris den Kugeln der Revolutionäre zum Opfer fielen. VcnizeloS ist der Urheber der groß-griechischen Politik, der sich in prahlerischer Großsprecherei anbot, der englischen Politik die Kastanien ans dem Feuer zu holen, durch einen Krcuzzug Kcmal den Frieden von Sßvres auf zuzwingen und der damit den Traum eines Grostgriechen- land mit Konstantinopcl und .Kleinasien unwiderstehlich >m griechischen Volk verankerte. Die Menge jubelte dem Be freier Konstantin zu, als der venizelistische Terror anfhSrte und die Gefängnisse daS Heer der politischen Gefangenen entließen, aber sic forderte In kvmbolischcr Verknüpfung der Namen Konstantin und Konstantinopcl von ihm das Kreuz auf der Hagia Sophia und in romantischer Erinnerung an den Perserzug Alexanders deS Großen die Herrschaft in Ana- tollen so stark, dast Konstantin eS nicht wagen konnte, da» weit über die griechischen Kräfte gebende klcinasintlsche Abenteuer kurzerhand zu liquidieren. Wenn man nach einer Schuld Konstantins und seiner Anhänger sucht, so kann man sie nur darin finden, baß er nicht stark genug war, die hoch- gehenden chauvinistischen Wogen des venizclistischcn Groß» grlechcn-Traum» zu glätten, daß er vielleicht auch die Kräfte deS türkischen Nationalismus unterschätzt hat. GunariS hat e» bereits Anfang 1S2l klar erkannt und betont, daß man den König vertreiben und seine verantwortlichen Ratgeber aushängen werde, wenn e» nicht gelingen könnte, da» kletn- asiatische Unternehmen siegreich zu beenden. Und wenn er e» nicht vermochte, den venizclistischcn Chauvinismus zu dämpfen, so hat er die Schuld BcnizeloS' mit dem Lob« bezahlt.