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Wöchentlich erscheine» drei Nummern. PränumcralionS Preis 22j Silbergr. sj Thlr.) vicrteliahrlich, z Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man »ränumcrirt aus diese« Literatur- Blatt in Berlin in der Erpcdition der AUg. Pr. Staats-Zeitung sgriedri»»- Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande hei den Wohltöbl. Post - Aemtern. Literatur des Auslandes. ^4/ Z»8. Berlin, Montag den lZ. Mai 1843. Arabien. Orientalisch-Muhaimncdanischc legenden.") Auf die erste Sammlung der orientalischen Legenden, die Herr Perron im vorigen Jahre der Madame George Sand widmete, läßt er jetzt die zweite Sammlung folgen, die er ebenfalls dem Schutze der berühmten Fran- zöstschen Dichterin empfiehlt und die er ihr mit folgendem Briefe übersendet; „In den Legenden aus der vorsintflutlichen °°) Zeit, welche ich Ihnen, hochgeschätzte Frau, bereits mitgethcilt habe, werden Sic bemerkt haben, mit welcher treuherzigen Miene die Lehrer des Islams die Schöpfungsgeschichte weiter ausgcführt haben. „Das Wunderbare verführt sehr leicht die von dein Glanze einer neuen Religion begeisterten Gemüthcr; und diesen gutmüthigcn Muselmännern kam cs vor, als ob die Schöpfungsgeschichte des Moses zu einfach, zu prosaisch wäre. Sie schoben ihr daher ihre phantastischen Gebilde unter, fingen die Schöpfung noch einmal an und verzierten das historische Gemälde der alten Zeit mit den goldenen Farben ihrer Phantasie. Sie glaubten Gott erhabener zu machen, indem sie ihn phantastischer bildeten, und seine Allmacht besser zu schildern, indem sie ihn wunderlicher darstcllten. „DaS ist übrigens das Streben aller antiken religiösen Organisationen. Was für Wunder hat nicht die Ccltischc, Indische, Griechische, Pharaonische und die Mexikanische Mpthologie geschaffen? Die muselmännische Mythologie, durch das poetische und phantastische Genie der Araber auSgebildct, mußte selbst in der Darstellung materieller Dinge auch mit ungewöhnlich glänzenden Farben sich schmücken. — Wir wollen also sehen, wie sie das Gemälde ihrer Sintflut ausgeführt haben." i. Lie Sintsiut. — Die Arche und ihre hundertundvierundzwanzigtausend Breuer. — Roah's Wasscrxilgcrfahrt. Noah sah mit Kummer die Entartung der Menschen. Er prophezeite ihnen die Rache GotteS; aber so oft sein Wort ihncn zu lästig ward, so schlugen sie ihn, knebelten ihn, hüllten ihn in ein grobes Tuch und warfen ihn in seine Wohnung. Jedes Mal glaubten sie, daß sie ihn todtgeschlagen hätten; aber jedes Mal erschien er wieder und rief mit noch größerem Eifer die Menschen zur Tugend zurück. Endlich rief Noah, da er an der Besserung der Menschen verzweifelte, den Zorn GotteS gegen sic an. Gott erhörte ihn und sagte zu ihm: „Noah, baue eine Arche!" -- „Herr, was ist denn eine Arche?" — „Es ist ein Ge bäude, ein hölzernes Haus, das auf der Oberfläche dcs Wassers geht. Ich will die Menschen, diese Aufrührer, ertränken und die Erde von ihnen be freien." — „Aber, Herr, wo ist das Wasser, wo ist das Holz?" — „Noah, ich kann machen, was ich will. Pflanze Bäume." — Noah pflanzte Bäume. Und er wartete noch vierzig Jahre und ermahnte fortwährend die Menschen, zu den Werken der Tugend zurückzukchren. Gott verminderte die ZcugungS- kraft der Frauen, und während dieser vierzig Jahre gebar keine von ihncn ein Kind. Noah erhielt Befehl, die Bäume zu fällen und zu trocknen. „Erbaue deine Arche", sagte ihm darauf der Allmächtige: „mache sie unten gewölbt, den Kopf oder das Vordertheil ein wenig hervorragend wie den Kopf dcs Hahnes, den Kiel oder den äußeren Rumpf wie das Brustbein eines Vogels und den Schweif oder das Hintertheil wie den Schweif des Hahnes. Bringe Oeffnungen dabei an; öffne die Thür an der Seite und errichte drci Stock werke. Mache das ganze Gebäude 660 Piken lang, ZM Pjkcn breit und N Piken hoch. Beeile dich, denn mein Zorn ist auf den höchsten Punkt ge stiegen." Noah miethetc Zimmerleute und Tischler; und er und seine Söhne Sem, Ham und Jafet legten Hand ans Werk. Noah hatte noch einen Sohn, Namens Jam, den ihm seine Frau Wagilah geboren hatte. Aber Jam und ') S. Magazin msr, Nr. IM ff. Ei» merkwürdiger Beweis, wie harMasig orthographische Irrthümcr, trotz der Kennt nis- dcs Wahren, sestgehalte» werden, ist daS Wort: Sintstut, daS durch theologische und religiöse Dcutetung immer Sündslut geschrieben wird, obgleich schon Luther die richtige Schreibart hatte. Sin oder sint lmit unserem sintemal und dem Engl. verwand» jsi eine Partikel, die im Altdeutschen nur in Zusammensetzungen gebräuchlich ist und fortdauernd bedeutet; z. B. sinhol --- voucar; sinwell — euren; singrün — immergrün. Daher Sinflut oder Simstut, eine dauernde, d. i. eine große Flut. Wagilah bctetcn die Götzen an. Sie gingen nicht mit in die Arche und kamen daher in den Gewässern der Sintflut um. Sechzig Jahre waren zur Vollcuduug der Arche nöthig. Und Gott schützte seinen Propheten gegen die Bosheit der Menschen. „Sehet", sagten sic höhnisch: „Noah, der früher den Propheten spielte, macht jetzt den Zim mermann; er will ein Haus bauen, das auf dem Wasser geht." Hundertundvierundzwanzigtausend Bretter, die Zahl der Propheten, die bereits in dieser Welt erschienen waren und die bis auf Muhammed, welcher der letzte ist, erscheinen sollten, wurden zum Bau der Arche zugerichtet. Auf jedem Brette fand mau, sobalv cs auö dem Baume abgesägt war, den Namen eines Propheten cingeprägt. DaS erste Brett trug den Namen Adam, das zweite den Namen Set, das drille den Namen JvriS °), das vierte de» Namen Noah, das fünfte den Namen Hud, das sechste den Namen Saleh, das siebente den Namen Abraham u. s. w. Als aber die hundertundvierund- zwanzigtausend Bretter fertig waren, benachrichtigte Gott den Noah, daß noch vier nöthig wären, und daß er diese vier Bretter von einem Baume des Nils nehmen müßte. Noah trug sodann seinen Söhnen auf, ihm diesen Baum zu holen. Aber sie antworteten, daß cs ihncn unmöglich wäre, ihm zu gehorchen, und daß nur Audsch, der Sohn Onack's, im Stande wäre, die Hcrbcischaffung dieses Baumes zu bewirken. Noah wendet sich au Audsch und verspricht ihm, bei seiner Rückkehr ihm so viel zu essen zu geben, daß sein Hunger gestillt werde. Dieses Glück war dem Audsch noch niemals zu Theil geworden. Audsch reist ab... . er bringt den Baum. Noah giebt ihm drei runde Gerstenbrodtc. Als Audsch sie sieht, fängt er an zu lachen. — „Mein lieber Noah", sagt er, „wie kannst du denken, daß diese drei Brvdte für meinen Appetit genug sepn werden? Ich esse täglich zwölftausend Brodte und habe doch noch Hunger." — „Sprich bloß diese Worte: „„Im Namen des barm herzigen und gnädigen GotteS"", und iß." Audsch spricht diese heiligen Worte aus, und nach einem halben Brodte ist er vollkommen gesättigt. Noah ließ den Baum in vier Bretter sägen, und auf dem cincn las man den Namen Abubeker, auf dem anderen den Namen Omar, auf dem dritten den Namen Othman und auf dem vierten den Namen Ali. — „Was be deuten diese Namen?" fragte Noah den Engel Gabriel, welcher neben ihm stand. — „Dies sind die Namen der vier Stellvertreter °°) Muhammed'S, welcher der setzte und größte Prophet sepn wird. Und gleichwie du ohne diese vier Bretter deine Arche nicht würdest vollenden können, so würde auch Mu hammed ohne diese Männer das Werk der Wiedergeburt seines Volkes nicht vollenden können." Als die Arche fertig war, fragte Noah Gott, an welchem Zeichen er die Ankunft der Sintflut erkennen könnte. Gott antwortete ihm: „Wann du in dem Ofen deiner Frau das Wasser wirst erscheinen und darin sieden sehen. Denn von einem flammenden Heerde werden die ersten Gewässer ausgehen. Unterdessen sorge für Vorrath und denke auf die Erhaltung der Thicrklassen." Gott schickte ihm von allen Arten der Thicrc ein Paar, mit Ausnahme derjenigen Arten, die sich unter der Erde und im Wasser von selbst erzeugen, wie die Wanze, gewisse Mücken und Fliegen. Die wilden Thiere und die Insekten wurden in das untere Stockwerk der Arche und die Lastthierc und das Wcidevich in das mittlere Stockwerk gebracht. Noah behielt für sich, seine drei Söhne und ihre Frauen das obere Stockwerk. Unter allen Thieren kam der Esel zuletzt. Er wollte eben über die Thür- schwellc schreiten, als Jblys ider Teufel» hcrbcisprang, ihn beim Schwänze faßte, sich daran hing und sich hier, ganz zusammengekrümmt, verborgen hielt. Der Esel bleibt stehen. „Gehe doch hinein", sagt ihm Noah. Der Esel rührt und rückt sich nicht. „Geh hinein, sage ich dir", wiederholte Noad, „und hättest du den Teufel am Hintern." Der Esel schritt über die Schwelle, und so kam auch der Teufel mit hinein, der, trotz der Verwünschungen Noah s, dann nicht wieder hinauSgchen wollte. Noah klemmte ihn in die Dachsparren der Arche. Der böse Geist wurde also von den Muselmännern erhalten : die Christen, oder vielmehr die Genesis, hatten ihn vergessen. °°°) ») Zdris i,I — Henoch der Bibel, -reicher (Gcnc^ V, 2SI nach der Traditio-: lebend in de» Himmel kommt. Die Araber idemifisiren ibn auch mit dem Grikch. Her-neS und schreibe-- ibn: dic Erfindung und Ausbüdtmg aUcr W-ffenscha-ten zu. Darauf dcutct auch die Etymologie dcS Wortes von Laras: forschen. D. ll. ") d. h. Chaliscn. DaS Wort Ehalis bedeutet Stellvertreter Gottes und Muham- mcd'S aus Erden. Nur dic vier genannten Ehaliscn gellen als legitime; die folgenden aber als Usurpatoren. D. Ü. —> Nicht di- Genesis hat dm Tcusel vergessen, sondern der Verfasser hat vergessen, baß die Genesis nie vom Teufel spricht.