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den Worten und abstrusen Phrasen erklärt wer den" — sagte einmal Martinü, der nie ein Freund des großen Pathos war. Unter seinen sechs Sinfonien ist die Sinfonie Nr. 4 eine der bedeutendsten. Sie gehört Mar- tinüs amerikanischer Schaffensperiode an und wurde in der Zeit von April bis Juni 1945 kom poniert, zu einer Zeit also, da der zweite Welt krieg zu Ende ging, die Tschechoslowakei und andere europäische Länder vom Faschismus befreit wurden. Daher ist das Werk von frohen, glückhaften Empfindungen durchströmt; Lyrik und heitere Ruhe bestimmen seine melodien reiche Ausdruckswelt. Die Instrumentation ist wie immer bei Martinü geistvoll. Die Form des |£anzen, den Organismus der vierten Sinfonie, Entwickelte der Komponist aus zwei prägnanten, gegensätzlichen motivischen Keimzellen, die den ersten Satz eröffnen. Keine andere Sinfonie Martinüs weist derartig enge thematische Bin dungen zwischen den einzelnen Sätzen auf wie die „Vierte". über den Aufbau des Werkes äußerte sich der Komponist anläßlich der Uraufführung am 30. November 1945 durch das Philadelphia Orche stra unter Eugene Ormandy folgendermaßen: „Der allgemeine Charakter des ersten Satzes ist Moderato; er basiert auf zwei kurzen, eintakti- gen Elementen (Zellen) sowie dem Unterschied zwischen dem lyrischen Element und einer rhythmischen Sechzehntelbewegung im 6 /g-Takt. Diese Elemente erscheinen in verschiedenen Variationen und Umwandlungen, den Erforder nissen der musikalischen Struktur entsprechend. Der Satz hat nicht Sonatenform, seine Struktur könnte eher folgendermaßen formuliert werden: a-b-A-B-Coda. Die erste Exposition (a) be schränkt sich auf die Anwendung der zwei Ele mente in kurzen Variationen, aber ohne beson dere Spannung und Steigerung. Es ist die zweite Exposition (b), die plötzlich beide Elemente guflöst und sie zunächst frei in die breitere, me- B>dische Linie der Streicher übergehen läßt, die allmählich den ganzen Bau beherrscht und in die Steigerung mündet. In einem pp läßt sich abermals die erste und die zweite Exposition vernehmen, doch diesmal werden die beiden Elemente vereinigt. Nach einem zweiten Höhe punkt führen einige Takte in Poco meno die Komposition zum ursprünglichen Charakter des Satzes (Moderato in b-Moll) zurück. Das Scherzo ist ebenfalls im 6 /s-Takt gehalten (Allegro vivo); es ist phantastischer, mit jähen Änderungen und einer ständig frischen Triolen- bewegung in den Streichern, die eine Art Hin tergrund bildet. Die führende, rhythmisch un regelmäßige Melodie läßt sich zuerst in den Fagotten sowie sordinierten Trompeten verneh men; sodann im Unisono der Fagotte, Flöten, Oboen und Klarinetten. Die Melodie wird vom Englischhorn unter rhythmischer Bewegung der Streicher im Hintergrund entwickelt. Alles strebt ununterbrochen zum Forte des ganzen Orche sters. Das Trio ist ruhig, nirgends erreicht es ein Forte; die Streicher übernehmen zum größten Teil die Führung. Darauf ist ,Da capo al fine' vorgeschrieben. Den dritten Satz, ein Largo, eröffnet eine kurze Passage der Holzbläser, dann setzt ein stets gleichbleibender Rhythmus in gravitätischem 3 / 4 -Takt ein. Der ganze Satz ist eigentlich auf einer langen Streichermelodie aufgebaut, zu der sich später in einer verzierenden Passage die Holzbläser gesellen; alles klingt in Ruhe aus. Vierter Satz, Poco Allegro. Nach einer kurzen Einleitung künden die Streicher unisono eine lange Passage an, die, von Energie strotzend, rhythmisch-lyrisch klingt. Es folgt ein kontrast volles Thema. Die Melodie erhebt sich zu durch- glühter Lyrik, und darauf entwickelt das Thema in prägnanter Form zwei Variationen. Durch das Zurückgreifen auf das zweite, sich dynamischer entfaltende Thema wird die Rückkehr zum er sten sowie zur Coda angebahnt, die sich auf die Sechzehntelbewegungen eines frischen Al- legros und auf eine mächtige Steigerung stüt zen. Diese Bewegung ist eine Art Festigung und Verdichtung der Form der ganzen Sinfo nie." Text der Lieder von Gustav Mahler Blicke mir nicht in die Lieder Blicke mir nicht in die Lieder! meine Augen schlag’ ich nieder, wie ertappt auf böser Tat. Selber darf ich nicht getrauen, ihrem Wachsen zuzuschauen. Blicke mir nicht in die Lieder! Deine Neugier ist Verrat! Bienen, wenn sie Zellen bauen, lassen auch nicht zu sich schauen, schauen selbst auch nicht zu. Wenn die reichen Honigwaben sie zu Tag befördert haben, dann vor allem nasche du! F. Rückert Liebst du um Schönheit Liebst du um Schönheit, o nicht mich liebe! Liebe die Sonne, sie trägt ein goldnes Haar! Liebst du um Jugend, o nicht mich liebe! Liebe den Frühling, der jung ist jedes Jahr! Liebst du um Schätze, o nicht mich liebe I Liebe die Meerfrau, sie hat viel Perlen klar! Liebst du um Liebe, o ja mich liebe! Liebe mich immer, dich lieb ich immerdar! F. Rückert Ich atmet einen linden Duft Im Zimmer stand ein Zweig der Linde, ein Angebinde von lieber Hand. Wie lieblich war der Lindenduft, wie lieblich ist der Lindenduft, das Lindenreis brachst du gelinde! Ich atme leis im Duft der Linde der Liebe linden Duft. F. Rückert Ich bin der Welt abhanden gekommen Ich bin der Welt abhanden gekommen, mit der ich sonst viele Zeit verdorben; sie hat so lange nichts von mir vernommen, sie mag wohl glauben, ich sei gestorben! Es ist mir auch gar nichts daran gelegen, ob sie mich für gestorben hält. Ich kann auch gar nichts sagen dagegen, denn wirklich bin ich gestorben der Welt. Ich bin gestorben dem Weltgetümmel und ruh in einem stillen Gebiet. Ich leb allein in meinem Himmel, in meinem Lieben, in meinem Lied. F. Rückert Um Mitternacht Um Mitternacht hab' ich gewacht und aufgeblickt zum Himmel; kein Stern vom Sterngewimmel hat mir gelacht um Mitternacht. Um Mitternacht hab’ ich gedacht hinaus in dunkle Schranken. Es hat kein Lichtgedanken mir Trost gebracht um Mitternacht. Um Mitternacht nahm ich in acht die Schläge meines Herzens; ein einz’ger Puls des Schmerzens war angefacht um Mitternacht. Um Mitternacht kämpft’ ich die Schlacht, o Menschheit, deiner Leiden; nicht könnt' ich sie entscheiden mit meiner Macht um Mitternacht. Um Mitternacht hab ich die Macht in deine Hand gegeben! Herr über Tod und Leben: Du hältst die Wacht um Mitternacht. F. Rückert Programmblätter Redaktion: Dr. der Dresdner habil. Dieter Philharmonie — Härtwig Spielzeit 1980/81 — Chefdirigent: Prof. Herbert Kegel Druck: GGV, Prod.-Stätte Pirna 111-25-12 ItG 009-39-81 EVP —.25 M 1206-1981 775 JAHRE DRESDEN 10. PHILHARMONISCHES KONZERT 1980/81