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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.06.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-06-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020604016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902060401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902060401
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-06
- Tag 1902-06-04
-
Monat
1902-06
-
Jahr
1902
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Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh ö bi« Abend« 7 Uhr. Anzeigen «Preis die bgespaltene Petitzeile LS H. Reklame» aater dem Redactiou-strich (4 gespalten) 76 vor den Familieunak^ richte» (S gespalten) 60 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend Häher. — Gebühren für Nachweisungen und Offerteuaunahme 26 H (excl. Porto). ÄmLsAatt des Lömgtichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes nnd Votizei-Amtes -er Ltadt Leipzig. Jahrgang. Nr. 278 Mittwoch den 4. Juni 1902. Die Eisenacher Kirchenconferenz und der Zusammenschluß der deutschen evangelischen Landeskirchen. V. L. Der einstimmige Beschluß der Eisenacher Kirchen- confcrenz. -er das Bedürfniß eines engeren Zusammen schlusses der deutschen evangelischen Landeskirchen aner kannte und zur Ausarbeitung von Vorschlägen für eine außerordentliche Kirchenconferenz eine Commission von 13 Mitgliedern cinsetzte, ist ihr geschäftlich durch einen An trag ermöglicht worden, -en die sachs.-coburg-gvthaische Kirchenregierung Anfang Mai dem Vorstände der Kirchenconferenz eingereicht hatte. Der Antrag hatte eine wesentliche Fortbildung derConferenzim Sinne eines engeren Zusammenschluffes der Landeskirchen zum Inhalt. Bisher hatte sie nur die Aufgabe, wichtigere Fragen des kirchlichen Lebens in freiem Austausche zu be sprechen und die einheitliche Entwickelung der deutschen evangelischen Landeskirchen zu fördern. Ihre Beschlüsse waren für die Landeskirchen in keiner Weise bindend. Diese waren nicht einmal verpflichtet, sie den Landcssynodcn vorzulegen. So war es auch nicht nöthtg, den Stimmen der Vertreter der Landeskirchenregterungen je nach der Größe der Landeskirchen verschiedenes Gewicht beizumessen. Nach dem sachs.-coburg-gothatschen Anträge sollte nun mehr die Conferenz eine ständige Commission von 15 Mitgliedern nach einem Stimmverhältniß wählen, für welches im Allgemeinen das Größenverhältniß der Landeskirchen maßgebend sein sollte. Die preußische Landeskirche der neun alten Provinzen sollte 20, die Lands kirchen und Consistorialbezirke der neuen Provinzen zu sammen 10, die übrigen Landeskirchen insgesammt 41 Stimmen haben, diese also vor Ueberstimmung durch Preußen gesichert sein. Der nach diesem Stimmverhältniß von der Conferenz gewählten ständigen Commission würde die Vertretung und Wahrung der gemeinsamen Interessen der deutschen evangelischen Landeskirchen nach außen obliegen, insbesondere in Beziehung auf Las Ver hältnis, der deutschen evangelischen Kirchen zu anderen deut schen und außerdeutschen Kirchengemeinschaften, wie zu nicht christlichen Religionsgemeinschaften, die kirchliche Ver sorgung der Evangelischen in den deutschen Schutzgebieten und die Förderung kirchlicher Einrichtungen für die im Auslände wohnenden evangelischen Deutschen. Die Com mission würde auf diesen Gebieten die Gesammtheit der Landeskirchenregterungen vertreten und ohne deren vor herige Zustimmung zn handeln berufen sein, während sie für die Angelegenheiten des Bekenntniß- standes, der Lehre und der inneren Ei n- richtungen der einzelnen Landeskirchen nicht zuständig wäre. Ueber ihre Thütigkeit hätte sie der Kirchenconferenz Be richt zu erstatten. Sie würde befugt sein, Gegenstände von grundsätzlicher Bedeutung oder besonderer Tragweite, welche in den Bereich ihrer Aufgabe fallen, der Beschluß fassung der Kirchenconferenz zu unterbreiten, die dann nach demselben Stimmenverhältniß zu erfolgen hätte, wie die Wahl der Commission. Es würde Alles darauf ankommen, ob die Commission sich zu werthvollen Leistungen für Wah- rung und Förderung der gemeinsamen äußeren Lebens interessen -es deutschen Protestantismus befähigt erwiese. Es müßte ihr darum ein besonderes Maß von Sachkunde auf ihrem Arbeitsgebiete gesichert sein und deshalb den Kirchenregierungen gestattet werden, sich auf der Kirchen- sonfcrenz auch durch ihnen nicht angehörende hervor ragende Kirchcnrechts- und Kirchengeschichtskundige und Kenner -er zwischenkirchltchen Verhältnisse und der aus ländischen Diaspora vertreten zu lassen. Sie müßte auch durch entsprechende Anweisung ihrer Vertreter für die alle zwei Jahre zu erneuernde Wahl der Commission da für sorgen können, daß die Commission eine stetige Wirksamkeit üben, Erfahrungen sammeln und eine feste Ueberlieferung schaffen könnte. Freilich würde sie auch im besten Falle die ihr in dem eoburg-gothatschen Anträge betgclegte Bezeichnung Deutsch-evangelischer Kirchen verband so lange nicht verdienen, als sie nur die Kirchenregierungen zu vertreten hätte und nicht ein Ausschuß eines aus Vertretern der Landeskirchen regierungen und der Landessynoden zusammengesetzten größeren Bertretungskörpers eines deutsch-evangelischen Kirchenbundcs geworden wäre. Auf eine Entwickelung in dieser Richtung weist der Antrag dadurch hin, daß er die Ergänzung der Kirchenconferenz durch Synodalvertreter ausdrücklich vorbehält. Diesen Antrag zu verhandeln, wäre die Eisenacher Kirchenconferenz formell in -er Lage gewesen; aber in haltlich war er nicht rasch zu erledigen und der Conferenz waren schon vor dem Anträge genug Berhandlungsgegen- stände zugewiesen worden. So war eS gewiß das Richtige, daß der Vertreter der coburg-gothaischen Kirchenregierung als Referent die Einsetzung einer Commission vorschlug, der der sachsen-coburg-gothaische Antrag, „sowie etwaige weitere, bet der Conferenz eingekommene ober noch ein kommende, auf den gleichen Gegenstand bezügliche Anträge und Vorarbeiten" überwiesen werben sollten. Die Com mission sollte ihre Arbeiten möglichst beschleunigen und darüber einer alsbald ctnzuberufenben außerordentlichen Conferenz Bericht erstatten. Mit der einhelligen Annahme dieses Vorschlages ist ein hochbedcutsamer Schritt gethan. Nach der Kundgebung beS Kaisers und des Erbprinzen zu Hohenlohe-Langenburg bei der Feier des 800jährigen Geburtstages Ernst'- de» Frommen auf dem Frtedenstein und dem einstimmigen Be schlüsse der Vertreter der deutschen evangelischen Kirchen regierungen bet dem 50jährigen Jubiläum der Eisenacher Kirchenconferenz ist aus der Erörterung der Ktrchenbund- frage das Ob endgiltig ausgeschteden; eine Verständigung über da» W i e wirb folgen. Der Friedensschluß. Au« London, 2. Juni, wird der „Frkf. Ztg." berichtet: Der „St. James Gazette" zufolge wurden am Sonotag Schritte gethan, um den CommandoS der Boeren das Resultat der Conferenz in Bereeniging mitzutbeilen, und man erwartet, daß heute Abend oder morgen früh die ersten Boeren, die sich ergeben, nach Pretoria kommen. Be treff« der CommandoS, welche nicht auf der Conferenz ver treten waren, hegt man keine Besorgniß; ihre Uebergabe gilt als sicher, und Feindseligkeiten werden darum völlig aufhörrn. Die VerbannunzSproclamation ist aufgehoben. Ju der gestrigen CabiuetSsitzuua wurde die militärische Lage beratben. Kitchener wird so bald wie möglich nach Hause zurückkehren dürfen. Eine Zeit lang wird eine mili tärische Commision Milner in der Verwaltung der neuen Colonien assistiren. Es heißt, General Lyttleton werde die militärischen Anordnungen leiten. Die Truppen wird man sehr allmählich zurückziehrn; einige werden sich diese Woche eiuschiffen, um an der Krönungsfeier Theil zu nehmen. In Pretoria, Bloemfontein und anderen Orten werben zeitweilige Garnisonen eingesetzt, und die Gesammtzahl der vorläufig in Südafrika verbleibenden Truppen wird nahezu l 00000 betragen. Die „Westminster Gazette" schreibt: Bon vielen Seiten wird heute sehr der Wunsch au-gedrückt, Botha und Dewet möchten doch in Stand gesetzt werden, als Gäste des Königs zur Krönung »u kommen. Während anerkannt wird, daß diese tapferen Leute eS mit Rücksicht aus ihre Selbstachtung nicht für paffend halten mögen, bei solcher Ge legenheit so bald nach ihrer Uebergabe nach London zu kommen, gesteht man doch allgemein zu, daß denselben, wenn sie kämen, eine populäre Huldigung zu Theil werden würde. Wir lassen nach der „Voss. Ztg." eine Ueberffcht der wichtigsten Vorgänge seit dem Ausbruch des Krieges folgen: 18SS. 9. October: Die TranSvaalregirrung überreicht dem bri tischen Agenten in Pretoria da« Ultimatum. 12. October: Mafeking und Kimberley werden ein geschloffen. 20. October: Kampf bei Glencoe. Der englische General SymonS wird tödtlich verwundet. 21. October: Kampf bei ElandSlaagte. Commandant Viljoens fällt. 30. October: Bei Nicholsons Nek capituliren 1000 Mann irische Füsiliere und vom Gloucestershire Regiment mit 10 Gebirgsbatterien. Tie Engländer unter General White in Ladysmith eingeschlossen. 2. November: Die Engländer müssen sich bei Cölen so über den Tugela zurückzieben. 23. Novem'ci: General Lord Methuen erficht einige Vor- theile über die Boeren bei Belmont, kann aber Kimberley nicht entsetzen. 28. November: Am Modderfluß erleiden die Engländer unter Methuen eine schwere Niederlage. 10. December: GeneralGatacre beiStormberg geschlagen. 11. December: Lord Methuen erleidet bei MagerSfontein eine Niederlage. 15. December: Blutige Niederlage des englischen Ober- commandirenden Buller am Tugelafluß. ISO». 1. Januar: General French drängt die Boeren bei Arundel zurück. 6. Januar: Englische Niederlage bei ColeSberg. 10. Januar: Roberts und Kitchener landen in Capstadt. 17. bis 25. Januar: Schwere Verluste Buller'S am SpionSkop und am Tugela. 18. Februar: General French entsetzt Kimberley. 20. Februar: General Buller nimmt Colenso und über schreitet den Tugela. 27. Februar: Der Boerengeneral Cron je muß sich bei Paarde- berg mit 4080 Maua ergeben. 2. März: General Buller zieht iu Ladysmith ein. 13. März: Lord Roberts besetzt Bloemfontein. 27. März: Tod Joubert'S; Louis Botha wird Ober befehlshaber. 17. Mai: Mafeking entsetzt. 5. Juni: Lord Roberts besetzt Pretoria. 3. September: Transvaal wird für annectirt erklärt, nach dem bereits am 28. Mai der Oranjestaat al« Oranje River Colouy für annectirt erklärt worden ist. 11. September: Paul Krüger trifft in Lourentzo Marqueö ein, um nach Europa zu reisen. 30. November: Lord Roberts kehrt nach England zurück. Lord Kitchener übernimmt den Oberbefehl. 1SV1. Anfang Januar: Boerenabtheilungen dringen in die Cap- colo nie ein. Ende Januar: Bildung von ConcentrationSlagern. Februar: Erfolglos« Operation French'« gegen Botha im Osten Tran«vaal«. 20. Februar: Berhaudlungen Botha'« und Kitchener'« über den Frieden. 2. Mai: Di« Engländer erleide» eine Niederlage im west liche» Transvaal. 12. Juni: Niederlage der Engländer bei Middelburg. Juli: In der Capcolonie kämpft Scheeper» mit wech- selodem Glück gegen die Engländer. 7. August. Kitchener'S Proclamation: Bedrohung der Führer mit Verbannung, di« bi« 15. September die Waffen nicht niedergrlegt haben. 17. September. 200 Engländer mit 8 Geschützen werden bei Utrecht gefangen genommen. October. Neuerliche« Vordringen der Boeren in der Colonie. 30. October. Schwerer Verlust der Engländer bei Berkenlaagte. 15. December. Kruitzinger gefangen. 24. December. Dewet überfällt ein englische« Lager bei Tweesontein. 1902 26. Januar. Gefangennahme Ben ViljoeoS. 29. Januar. Die hoULndljche Regierung setzt sich mit England wegen des Friedens mit den Boeren in Ber- bindung. . , . , 9. Februar. Dewet entkommt seinen Verfolgern. 12. Februar. Englische Niederlage bei Klippriver. 9 März. Lord Methuen bei Tweebosch gefangen. 12. März. Delarey giebt Metbuen frei. . 23 März. Schalk Burger trifft Mit Gefolge in Pretoria ein. Beginn der Friedensverhandlungen. Deutsches Reich. s Leipzig, 3. Juni. (Je nach de m.) Bekanntlich ist in Westafrika der deutsche Oberleutnant Nolte, der bei einem Streite mit einem Negerhäuptling dicsen^an der Kehle packte, von ihm ermordet worden. Die „ « a ch s. Ar b e i t erz t g. " hat für den deutschen Landsmann nichts Anderes übrig, als die Bemerkung: „Der L ch n c i- dtge hat sich also durch eine grobe Provokation sein eigenes Schicksal zugezvgen." Man setze den Fall, daß ein Arbettcrin einem Streite mit einem Lchuyma n n e diesen an der Kehle packte. Wenn dann der Schutzmann sich durch diese „Provokation" veranlaßt sähe, den Ar beiter sofort zu tödten, so würde die „Sachs. Arbeiterztg." nicht gering Worte der Entrüstung tiber die „verthierte Polizei" haben. Aber freilich: einem Negerhäilptling ge- stattet die „Sächs. Arbeiterztg." mit Vergnügen, was sie dem Schutzmanne als brutale Mordlust auslcgen würde, und um einen deutschen Officier ist es viel weniger schade, als um einen Arbeiter. Wenn sämmtliche 30 000 Officiere an einem Tage durch Meuchelmörder niedcrgemacht würden, so würde die „Sachs. Arbeiterztg." nach berühmtem Muster sicherlich uur von einer „Execution" sprechen. -> Berlin, 8. Jnnt. (Recht oder Gewalt.) Unter der Ueberschrift „Recht oder Gewalt" polemisirt das hannoversche Organ der Welfenpartet gegen ein schleswig-holsteinisches Blatt, das in der braun schweigischen Angelegenheit erklärt hatte: „Daß alles Recht im letzten Grunde in der Gewalt wurzelt, ist vielen verbohrten Niedersachsen ganz unzugänglich." Das Welfenblatt führt dagegen aus, daß nach diesem Grundsätze das constitutionelle Princip keinen Halt habe: „Wie beispielsweise die Machtverhältnisse im deutschen Reiche liegen, ist demnach ein Staatsstreich mit Abschaffung der Reichsversassung, der Landesverfassungen und der Parlamente durchaus berechtigt: die Macht, dies durch zuführen, ist unbedingt vorhanden." — Dies Beispiel wäre sicherlich zutreffend, wofern das schleswig-holsteinische Organ thatsächlich die verkehrte Auffassung, daß das Recht in der Gewalt wurzele, gehabt hätte. Doch hiervon später,- zunächst aber sei hervorgehoben, -aß es überaus pikant ist, wenn gerade das Hauptorgan -er w e l f i s ch e n Dynastie den Bruch der Staatsvcrfassung als Beispiel der Ersetzung des Rechts durch die Gewalt an führt. Man wird dadurch daran erinnert, daß der König Ernst August von Hannover im Jahre 1837 das Staatsgrundgesetz von 1838, das durchaus zu Recht bestand, kurzer Hand besiettgte und daß Georg V. im Jahre 1855 die Verfassung von 1848 ebenfalls rechts widrig aufhob. Selbst wenn also das schleswig-holsteinische Blatt diese Auffassung vertreten hätte, so wäre gerade ein Welfenvrgan zu allerletzt befugt, ihm daraus einen Bor wurf zu machen. Thatsächlich aber hat das Blatt selbst verständlich sagen wollen, daß das Recht zur Voraus setzung hat die Staatsgewalt, die seine Durchfüh rung erzwingen kann. Die Urtheile des Richters bei spielsweise haben nur dadurch praktischen Werth, daß die Organe -er Staatsgewalt berufen sind, ihnen Geltung zu verschaffen. Das hannoversche Blatt aber leistet sich in dem Artikel noch einen zweiten Satz, den gerade ein wöl fisches Organ unterlassen sollte. Es schreibt nämlich: „Zu den Rechten gehören auch Pflichten, und diese beiden jedem Fürsten und jedem Volke nothwendigen Voraus setzungen . . . u. s. w." — Gerade die Fürsten aus wel- fischem Geschlechte aber haben seit Heinrich dem Löwen immer sehr gut ihre Rechte und sehr schlecht ihre Pflichten gekannt. Jahrzehntelang regierten die hannöverschen Fürsten ihr Land von England aus, und als Ernst August nach Hannover kam, begann er seine Thütigkeit mit einer Pflichtverletzung. Die Regierung des blinden Königs Georg V. war eine fortgesetzte Kette der Rechtsverletzung und der Selbstüberhebung. Das Schlußglied dieser Kette bildete bas frevelhafte Hazardspiel im Jahre 1860. Auch jetzt wieder verkeimt ber Herzog von Cumberland voll kommen, daß es seine erste Pflicht wäre, als deutscher Fürst das deutsche Reich, so wie es ist und wie es ohne die schwersten Unglücksfälle gar nicht mehr anders gestaltet werden kann, anzucrkennen. Auch er pocht, wie eS eben die Welfen immer gethan haben, ganz einseitig auf sein Recht, ohne sich um seine Pflicht zu kümmern. * Berlin, 3. Juni. (Neueintheilung der deutschen Flottenstationen.) Nach den bis- herigen Bestimmungen kannte die deutsche Kriegsflotte nur 6 auswärtige Stationen, die sie durch ihre Kreuzer zu be setzen hatte. Durch eine soeben durch kaiserliche CabtnetS- orbre erfolgte Neueintheilung ist die Zahl ber Stationen auf » gestiegen, denn die bisherige amerikanische Station ist in die ost. und die westa merit an tschc getheilt und neu tritt die europäische Station hinzu. Letztere kannte man bisher als auswärtige deutsche Flottenstatton über- Haupt nicht,- denn außerhalb ber heimischen Gewässer — unter denen die Ost- und die Nordsee zu verstehen sind — kreuzten in Len Gebieten Nord- und Westeuropas nur in den seltensten Fällen deutsche Schiffe, ohne in ihnen statio- nirt zu sein, sei es auf der Aus- und Heimreise oder vor übergehend auf UebungSfahrten. Wie dem auch sein mag, die neuhtnzutretende europäische Flottenstation läßt jetzt darauf schließen, daß eine ständige Besetzung von deutschen Kriegsschiffen an der West- und Nordküste Euro pa» von ber Martneverwaltung geplant ist, so baß eine Verstärkung von deutschen «u»landschifsen schon au» diesem Gnrnde nöthig sein wird. Die angeordnete Neuein theilung der auswärtigen Flottenstationen bringt zugleich einschneidende Veränderungen für die übrigen Stations gebiete mit sich. Die Mtttelmcer - Station wird durch das Hinzutreten -er anstoßenden östlichen Gewässer iim Schwarzen Meer u. s. w.) und den Suezkanal erweitert, so daß diese Station erheblich an maritimpvlitischer Be deutung gewinnt. Die ost afrikanische Station ver größert sich um das Becken -es Rothen Meeres und des Persischen Meerbusens, welche Gebiete bisher überhaupt keiner Station zugetheilt waren. Die neue ost- asiatische Station, die bisher nur die Ostküste Asiens und den ostindischen Archipel umfaßte, erstreckt sich plötzlich auch auf die S ü d k ü st e Asiens, die bisher keinem Ltati- onsgcbiet angehörte. Stand die bisherige ostasiatische Station schon im Mittelpunkte des Interesses aller aus wärtigen deutschen Flottenstationen, so ist die neue ost asiatische Station an politischer Bedeutnng noch um ein Bedeutendes gestiegen,- die Thütigkeit des Chefs des Kreuzergeschwaders als Höchstcommandirenden im fernen Osten erstreckt sich jetzt nicht nur auf die Westküste des Stillen Oceans, sondern die ganze Nordküste des Indischen Oceans mit seiner Riesen-Interessen sphäre tritt hinzu! Die übrigen Gtationsgcbietc, nämlich die westafrikanische, die australische und die beiden ameri kanischen, sind in ihrer bisherigen räumlichen Ausdehnung nur abgerundet, ohne daß nennenswerthe Veränderungen auf ihnen etntraten. Nach der jetzt erfolgten Neuein theilung der Auswärtigen Flottenstationen wird eS unbe dingt nöthig sein, eine erhöhte Anzahl von Schissen im Auslande zu stattoniren, als es bisher -er Fall war. Ist doch eine recht bedeutende Vergrößerung -cs gesammten Stationsgebictes eingctrcten, dessen Interessensphäre auch besetzt sein will. Die Neueintheilung der Stationsgebiete ist dem Rahmen einer größeren Seestreitmacht angepaßt. Die bisherige kleine deutsche Kreuzerflotte genügt für diese nicht mehr, da sie ja schon zur Besetzung der bisherigen sechs auswärtigen Stationen unzureichend war. (B. N. N.) d) Verliu, 3. Juni. (Telegramm.) Der Kaiser bürte gestern Nachmittag im Neuen Palais den Vortrag deS Cbcfs des Marine-Cabinets Frbrn. v. Senden-Bibran und empfing um 7 Uhr Professor Carl BegaS. Zur Abendtasel, die in der Villa Alexandra stattsand, waren geladen General der Infanterie v. Pleffen und Gemahlin, Generalleutenant v. Siboll mit Gemahlin und Nichte, Ihre Excellenz v. Tirpitz und Professor Carl BegaS. Heute Morgen um 7 Uhr 20 Mm. empfing der Kaiser die Kaiserin aus der Wildpark station und hörte von 10 Ubr ab die Vorträge des Chefs des MilitärcabiuetS und des Chefs des MarinecabinetS. d) Berlin, 3. Juni. (Telegramm.) Im Senioren convente deS Reichstags, der heute nach Schluß der Plenar sitzung zusammentrat, schlug der Präsident Graf Ballestrem vor, zunächst, nachdem das Süßstoffgesetz, wie vorauSzu- sehen gewesen sei, an die Zuckersteuer-Commission verwiesen worden, das Branntweinsteuer-Gesetz ausschließlich zu erledigen und hierauf die Brüsseler Convention und das Zuckersteuergesetz. Die Schlußabstimmung über die Brannt wein- und die Zuckersteuer soll an einem Tage stattsinden. Ferner sollen erledigt werden das (Übereinkommen über den Schutz der für die Landwirthschaft nützlichen Vögel, die Aufhebung deS Dictaturparagraphen, die ost afrikanische Bahn und einzelne Rechnungs sachen. AuS der Mitte des Seniorenconvents wurde an geregt, den „Toleranzantrag" zwischen die Branntwein- und die Zuckersteuer einzuschieben. Diese Vorschläge fanden die Billigung de« SeniorenconventS. Man bofft, dieses Arbeitspensum bis Mitte nächster Woche erledigen und sodann die Vertagung des Reichstages eintreten lassen zu können. — DaS „Deutsche Colonialblatt" enthält den nachstehen den Runderlaß deS Reichskanzlers, der zu interessanten Rückschlüssen Anlaß giebt: Beamte und Angestellte der Schutz gebiete, sowie die dem Reichsheer oder der kaiserlichen Marine entstammenden Angehörigen der Schutztruppe dürfen Geschenke von Angehörigen der eingeborenen Bevölkerung nicht annehmen. Geschenke, deren Zurück weisung nach der Landessitte eiue Verletzung in sich schließen würde, sind dem Gouvernement abzuliefern, sofern nicht nach Lage des Falles eiue andere Verwerthung im siScalischen Interesse angebracht oder geboten erscheint. Ausnahmen von dieser Bestimmung sind uur mit ausdrücklicher Genehmigung der Colonial-Abtheilung zulässig. — Die juristische Commission deS Abgeord netenhauses nahm heute mit 11 gegen 10 Stimmen den ersten Paragraphen des Gesetzes über die juristische Prüfung an; dadurch wird die Studienzeit auf sieben Semester erhöht. Hierauf wurde daS ganze Gesetz mit allen gegen sieben Stimme» angenommen. — In einem an die königlichen Eisenbahudirectionen ge richteten Erlaß hat der Minister der öffentlichen Arbeiten bestimmt, daß von der Erhöhung der zulässigen Fahrgeschwindigkeit von SO auf 100 Kilometer in der Stunde bei den »/» gekuppelten Schnellzuglocomotiven, den >/« gekuppelten Personenzuglocomotiven mit vorderem Dreh gestell und den r/s gekuppelten viercylindrigen Personenzug- locomotiven Grafenstadener Bauart Abstand genommen wird. — Mit Rücksicht auf den Fischereibetrieb in der Ostsee hat der Generalinspecteur der Marine, Admiral v. Köster, durch StationSbefehl ein« Verfügung, betreffend daS Verhalten von Torpedobooten und Dampffahrzeugen mit starker Heckwelle gegen Fischerboote, die auf flachem Wasser liegen, erlassen, in der bestimmt wird, daß vor dem und während de» PassirenS in der Nähe ber Fischerboote die Fahrt so weit zu mindern ist, daß weder den Fischer booten und ihrem Gerätb noch den in ihnen befindlichen Per sonen Schaden zugefilht werden kann. Da diese Bestimmung für den ganze» Bereich der Ostsee gilt und für den See- fischrreibetrieb von wesentlicher Bedeutung ist, dürfte sie in den betheiligten Kreisen mit größter Genugthuvng begrüßt werden. * Riel, 2. Juni. Professor Lebmann-Hohenberg gab bei seiner am 28. Mai erfolgten Vernehmung durch den
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