Volltext Seite (XML)
Nr. 881. Neunter Jahrg. Freitag, 7. Octbr. 1864. Erscheint: Täglich MH 7 Uhr. Inserate werden angenommen: bis Abends 6,Sonn tags dis Mittags 12 Uhr. Mariens» raße 13. Anzcig. in dies. Blatte, da« jetzt in 1VM0 Exemplaren erscheint, finden eine erfolgreiche Verbreitung. Monn cm ent: Vierteljährlich 20 Ngr. bei uneiitgeldlicher Lie ferung in'« Hau«. Durch die Königl. Pest vierteljährlich 22 Ngr. Einjelnc Nummern 1 Ngr. Tageblatt für Unterhaltung nud Geschäftsverkehr. Mitredacteur: Theodor Drastisch. Inseratenpreise: Aiir den Raum einer gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Einge sandt" die Zeile L Ngr. Druck und Eigenthum der Herausgeber: IJcpsch Reilhardt. — Verantwortlicher Redaeleur: ÄullNS Reichardt. Dresden, den 7. October. — Se. Majestät der König hat den Ankauf des Bildes von Hugo Oehmichen, „des Großvaters Segen," welches auf der letzten Kunstausstellung war, für seine Privatsammlung befohlen. Dem bescheidenen jungen Künstler, Schüler des Herrn Prof. Hübner, ist die hohe Ehre zu Theil geworden, Sr. Majestät am gestrigen Tage das Bild persönlich vor stellen zu dürfen und dabei die wiederholten huldvollen Ver sicherungen des allerhöchsten Wohlgefallens entgegen zu nehmen. — Der Finanzminister Freiherr v. Friesen ist vorgestern von seiner Badereise zurückgekehrt und hat die Geschäfte des Finanzministeriums wieder übernommen. — Oefsentliche Sitzung der Stadtverordne ten am 5. Oktober. — Als die Sitzung HO Uhr eröffnet werden sollte, fehlten noch 2 Mitglieder des Kollegiums zur Vollzähligkeit. Sie fanden sich später noch ein und ermög lichten so die Abhaltung der Sitzung. Als Kuriosum theilte der Vorsitzende eine Entschuldigung eines gewissen Emil Hanisch mit, der gar nicht dem Stadtverordneten-Kollegium angchört. Unter den Registrandeneingängen erwähnen wir ein Gesuch der Besucher des hiesigen Jahrmarktes, in wel chem 3 Anträge gestellt sindj: 1) den Grossoverkauf auch auf den Sonntag auszudehnen und diesen überhaupt als Werkel tag zu betrachten, 2) den Detailverkauf bis auf Mittwoch auszudehncn und 3) den Fastenmarkt fest aus den Montag nach dem 1. März zu fixiren. Die Angelegenheit wurde der Ver fassungs-Deputation überwiesen. — Vor Uebergang zur Ta gesordnung beschloß man auf Vorschlag des Vorstandes, um dergleichen Calamitäten wie sie heute wieder vorgekommen, möglichst vorzubeugen, die Zahl der ständigen Ersatzmänner von 12 auf 16 zu erhöhen. — Zu den Baulichkeiten in und an der Friedrichstädter Kirche waren früher 7362 Thaler be willigt worden. Die Kosten betrugen aber, wie sich später herausstellte, 9380 Thaler. Die Voranschläge sind also um 2018 Thaler überschritten worden. Ein Theil des Mehrauf wandes wurde bereits, wie bekannt, in einer vorjährigen Sitzung bewilligt. Ucber einzelne Postulatc erwartete man nähere Motivirung, Neuerdings hat der Stadtrath eine solche in einem Kommunikate zu geben gesucht. Obgleich nun die Finanz-Deputation dieselbe für ungenügend hält, schlägt sie dennoch, die Vergeblichkeit des Ablchnens cinschend, vor, die Summe nachträglich zu bewilligen, die allmähliche Tilgung des Bauaufwandes soll nach dem Vorschläge des Stadtraths durch Parochialanlagen erzielt werden. Stadtverordneter Nülke verbreitet sich über das unverzeihliche Verfahren bei dem erwähnten Baue. Die Finanz-Deputation spreche die Bewilligung nur mit Widerstreben aus. Sie bedauere es namentlich, daß dadurch einer armen Gemeinde eine neue Parochialanlage auferlegt werde. Stadtverordneter Dr. Wi- gard bittet, da er selber der katholischen Konfession angchö- rcnd, über diesen Gegenstand nicht abstimmcn könne, die Be merkung zu Protokoll zu nehmen, daß er das Wort habe er greifen wollen, um auch über diese Wirtschaft zu sprechen. Stadtverordneter Gerlach will den Stadtrath ersucht wissen, darüber Erörterungen anzustcllen, inwieweit gegen Diejenigen, welchen die unverantwortliche Ueberschrcitung der Bauan schläge zur Last fällt, Rcgreßnahme einzuleiten sei. Der da hin zielende Antrag wird unterstützt. Stadtverordneter Nülke meint, der ganze Uebelstand liege darin, daß es nicht eine kontrolirende Behörde gebe, welche die Bauten überwache. Der Gerlach'sche Antrag werde zu nichts führen. Stadtver ordneter Anger I. nimmt die Bautechniker in Schutz. Wäh rend des Baues würden oft noch viele Wünsche laut, deren Berücksichtigung verlangt würde, daher Ucberschrcitungcn der Voranschläge. Ncgreßanspruch würde nicht zu erlangen sein. Stadtverordneter Gerlach weist alle Vorwürfe zurück, die gegen jetzt Verstorbene, die bei diesem Baue maßgebend ge wesen sind, ausgesprochen worden. Schließlich wurde das Votum der Finanz-Deputation (Bewilligung des Mehrauf wandes u. s. w.) gegen 6 Stimmen angenommen. Die Rech nungen über die Einnahmen und Ausgaben des Adreßkomp- toirs in den Jahren 1860 und 1861 weisen nach, daß im elfteren Jahre 47,911 Thaler vereinnahmt und 25,709 Thlr. verausgabt, im letzteren Jahre aber 52,514 Thaler verein nahmt und 28,864 Thaler verausgabt worden sind. Die Ueberschüsse sind verschieden vertheilt worden, und zwar so, daß die meisten wohlthätigen Stiftungen je 1000 Thlr., der Fonds für Verschönerung der Stadt aber 2800 Thaler er halten. Diese Vertheilung, meint Stadtverordneter Gerlach sei nicht stiftungsgemäß. Die Stiftungsurkundc schreibe gleiche Vertheilung vor. Er beantrage daher Aussetzung der Justi- fikation dieser Rechnungen, bis der Stadtrath sein Verfah ren näher motivirt habe. Referent (Stadtverordneter Unruh) verlieft, um dem zu entgegnen, einige Paragraphen aus der speziellen Stiftungsurkunde des Adreßkomptoirs, nach welchen dem Stadtrathe freie Hand in der Vertheilung der Ueber schüsse gesichert ist. Stadtverordneter Rülke gegen den Ger- lachschen Antrag. Stadtverordneter Gerlach will nur den Gcmeindevertretern eine Controle in der Vertheilung der Stiftungsüberschüssc gewahrt wissen. Das Recht, dieselben einmal ungleichmäßig zu vertheilen, spreche er dem Stadtrath nicht ab, er möge dann aber die näheren Motive angeben, aus welchen er von der Regel abgcwichen. Stadtverordneter Ur. Lehmann gegen den übrigens wohlgemeinten und billigen Gerlach'schen Antrag ebenso Stadtverordneter Jordan. Schließlich wurde die Rechnung gegen 1 Stimme justisicirt. — Bei Gelegenheit der Justisication der Rechnung für die Annenrealschule beschloß man eine Anfrage an den Stadtrath zu richten, wie weit das Projekt des Neubaues einer zweiten Realschule gediehen sei; der jetzige traurige Zustand derselben beeinflusse, wie die Rechnungen beweisen, die Frequenz. >— Zu einem Schleußenbaue auf der Lindengasse werden 127 Thaler bewilligt. — Außerdem werden verschiedene Rechnun gen justisicirt. — Gegen Schluß der Sitzung trat der mißliche Umstand ein, daß der Vorstand vor der jedesmaligen Abstimmung erst zählen mußte, ob das Kollegium noch be schlußfähig sei. War einer der anwesenden Herren einmal hinausgegangcn, so mußte die Abstimmung ffo lange ausge setzt bleiben, bis er wieder erschienen! Hierzu kam noch, daß zwei Herren, einer auf der linken und einer auf der rechten Seite erklärten, sich der Absttimmung enthalten zu müssen, weil sie von den letzten Vorträgen so gut wie nichts gehört. Das war in der That bei dem Geräusch im Saale und dem undeutlichen Sprechen des Referenten auch nicht gut möglich. Als der Vorsitzende gegen s9 Uhr die öffentliche Sitzung schloß, bat er, daß man ihm in der nächsten Sitzung weniger Gelegenheit geben möge, zu erproben, ob er noch bis 40 zählen könne. Der öffentlichen Sitzung folgte noch eine ge heime. — Soeben ist der „Jahresbericht über den 36. Cursus der königl. polytechnischen Schule und über den 27. Cursus der königl. Baugewerkcnschule zu Dresden" erschienen. Die Frequenz am Ende des 36. Cursus betrug bei der polytech nischen Schule 246, diejenige bei der Baugewerkenschule am Ende des 27. Cursus 94. Beim Beginne desselben hatten sich 145 eingcfunden, von denen aber nur 96 ausgenommen werden konnten; die andern 45 mußten größtentheils wegen Mangel an Raum abgewicsen werden. Außerdem kommt der Bericht u. A. abermals auf die Nothwcndigkeit eines Neu baues der polytechnischen Schule zu sprechen und gedenkt als „eines der wichtigsten und segensreichsten Ereignisse des Jahres- cursus" der Widmung der mit dem 1. d. M. ins Leben ge tretenen Gerstkamp-Stiftung. , — Der Posamenticrwaarcnfabrikant Robert Schärff in Brieg hat seiner Stadt 12,000 Thaler geschenkt, welche zur Förderung gewerblicher Fortbildung verwendet werden sollen. Man wird diese Summe als Stammfonds zur Erbauung eines Gewcrbchauscs benutzen und in dieses Gebäude die neu begründete Gewerbeschule, die Vcreinsbibliothek und eine Mustcrausstcllung legen. Das nennt man das Ding beim rechten Ende anfasscn. Es ist besser, durch Ausbildung der Gewerbetreibenden sie tüchtig zu machen zu lohnendem Er werbe, als dieselben durch Almosen zu unterstützen, wenn sie hinter den Anforderungen der Zeit zurückbleibend, heruntcr- kommcn. Der schlesische Gewerbevcrein ehrte Herrn Schärff dadurch, daß er ihn bei Gelegenheit des Gewerbetages zu Waldenburg (3. Oktober) zu seinem ersten Ehrenmitgliede er nannte. Vj-nt sequens. — Eine hiesige Möbelvcrleihcrin hat in der letzten Zeit in sofern MM besonderes Unglück gehabt, als ihr verschie dene PersorM, an die sie Möbel vcrmiethet gehabt, dieselben widerrechtlich verpfändet oder wohl gar veräußert haben. Alan muß zugestchen, daß alle derartige Verleiher von Mö bels und Pianofortes nach dieser Richtung hin nicht nur be deutender Gefahr für ihr Eigenthum ausgcsetzt sind, und durch unredliche Menschen um so leichter um dasselbe gebracht werden können, je seltener sie von dem Augenblicke an, wo sie einmal ihre Möbels verliehen, Gelegenheit haben, sich davon zu überzeugen, ob dieselben in den Wohnungen der Abmiether noch wirklich vorhanden sind. Die Möbclverlciherin die wir im Auge haben, ist beispielsweise in der allcrncuestcn Zeit von einer fremden, hierher gezogenen Oeconoinenfamilie um mehrere Gebett Betten und Matratzen dadurch gebracht worden, daß diese Familie diese Gegenstände widerrechtlich verkauft hat. Dieses Vorkommnis;, das sich in den letzten Monaten mehrfach wiederholt, ermahnt alle Diejenigen, die Gegenstände der angegebenen Art vermiethen, zu einer ganz besonderen Vorsicht. — Wie wir bereits gemeldet, sollte gestern eine größere Abthcilung österreichischer Soldaten hier eintreffen. Ihre An kunft erfolgte auch wirklich Vormittags 11 Uhr; der Zahl nach waren es 807 Mann unter Führung von 7 Offizieren. Sie gehörten den verschiedensten Truppengattungen an, und sind sämmtlich ausgediente Leute, die nach ihrem Eintreffen in den Garnisonstädten aus dem Militärdienst entlasten wer den Sie wurden hier auf dem Perron des Leipzig-Dresdner Bahnhofs gespeist, währenddem hiesige Militärmusik vor dem Bahnhof consertirte und fuhren Nachmittags H2 Uhr von hier wieder ab. Bemerken wollen wir noch, daß die Mann schaften sich über die ihnen hier verabreichten Speisen (Erbsen und Schweinefleisch) höchst lobend aussprachen. — s Aus dem Gerichtssaal vom 5. Octbr. Um 12 Uhr Mittags sollten der zum Tode verurtheilten Noack aus Zitzschewig die Entscheidungsgründc ihres schweren Urtel publicirt werden. Herr Gerichtsrath Gross, der als Vorsitzen der in der Hauptversammlung fungirte, hatte ihr dieß z publiciren. Die Noack trat auf die Anklagebank lebensfrisch und schnell, das Todesurtel hörte sie ganz gleichgültig mit an und stand fest da vor dem Präsidenten. Kurz darauf, nach dem ihr Herr Gerichtsrath Gross noch erklärt, daß sie die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde oder des Einspruchs gegen dieses Urtel binnen 10 Tagen von heute an einwen den könne und außerdem noch das Königliche Ober-Appella- tionsgericht über ihr Todesurtheil sich späterhin aussprechen würde, verließ sie schnell und schwunghaft die Anklagebank, als wäre ihr irgend eine interessante Neuigkeit erzählt worden!! Sie ging mit dem Gerichtsdiener ruhig in ihre Gefängniß- zclle zurück. Psychologen hätten hier in dieser Viertelstunde reiche Studien machen können. — Wer das Treiben der Katzenenthusiasmirten Frauen unserer Stadt kennen lernen will, hat gewiß reichliche Ge legenheit. Lieber solch' einem blinzelnden Katzenbuckel eine warme Stätte bereiten, heißt's da, als den Armen eine Gabel Was sagen Sie dazu, um zu dem neulichen Wunsche nach einer Katzensteuer auch ein Scherflein zu geben, wenn ich ein Haus kenne, worin sogar sieben Katzen gehegt werden? Daß ringsum kein Vogel singt, versteht sich. Was meinen Sie aber erst zur Krone der Katzenmanie Dresdens, wenn ich Ihnen erzähle, daß eine Dame drei Katzen abbuttelt, wovon die Alte „Bcrthcl", die beiden Jungen aber „Gustel und Christel" gerufen werden. — Zwischen den, 24. Mai, dem Tage, an dem hier in Dresden die letzten Flocken Schnee mit Regen und Grau peln untermischt zur Erde fielen und dem 5. October an dem wieder die ersten Schneeflocken zu sehen waren, liegt ein Zeit raum von 133 Tagen. Der letzte Reis in den Gärten der Stadt war am 3. Mai in den frühesten Morgenstunden zu beobachten. Zwischen diesem und dem ersten in diesem Herste, am 5. October, liegen 126 Tage. Die Lufttemperatur war > in den Morgenstunden des 7. Mai d. I. das letzte Mal im ' Frühjahre unter den Eispunkt gesunken, 150 Tage trennen diesen Frost von dem an 5. October. — Der jetzt vom Kriegs-Ministerium erworbene „Hel ler", ein beliebter Lustort der Dresdner, bekannt auch durch seine weite Aussicht, wird nächstes Jahr eine kleine Caserne als Neubau erhalten. Die Restauration geht ungestört fort. — In einer der vergangnen Nächte ist in dem Dorfe Zschaiten bei Pristewitz das einem Windmüller gehörige Wohnhaus abgebrannt. Das Feuer, dessen Entstehen sehr spät wahrgenommen worden war, hat mit einer rapiden Schnelligkeit um sich gegriffen, daß es dem Vorbesitzer dieses Grundstückes, der dasselbe noch bewohnt gehabt, nur mit Mühe möglich geworden ist. sich vor dem Flammentode zu retten. Dagegen ist sein zwölf Jahr alter Knabe, der es nicht gewagt hatte, aus seiner in der ersten Etage gelegenen Schlafkammer herauszuspringcn, in den Flammen umgckommcn. Wie man hört, ist das Feuer von ruchloser Hand angelegt und der Brandstifter auch bereits ermittelt, und an das Bezirksgericht n Meißen eingelicsert worden. — Nachdem in den vergangenen Wochen das Ein-! schießen von Fensterscheiben mit Bleikugeln aufgehört, ist vor gestern abermals ein gleicher Fall auf dem Fischhofsplatze vorgckommen. Diesmal ist aber der Thäter ermittelt worden. Er ist ein Laufbursche bei einem in der Nähe wohnhaften I Fischhändler und hat sich zum Abschüßen der Kugel einer so genannten Fcderbüchse bedient. — Auf der Falkenstraße wurde vorgestern Abend einl dortiger Bewohner von zwei Wohlfahrtsbeamtctcn verhaftet und weggeführt, der sich in der entschiedensten Weise dieser ^ Maßnahme widersctztc, so das; er dadurch nicht nur allge meines Aufsehen erregte, sondern sich deshalb auch noch die I Zuziehung anderer Hülfe zur Ausführung seines Transportes ^ nöthig machte. — In Leipzig wird am 23. und 24. October einl . Vereinstag der deutschen Arbeitervereine" gehalten werden. I Das sächsische Ministerium hat dazu Dispensation von dem! Verbote im Vereinsgesctze ertheilt.