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Freitag. .M 87.' 5. November 1869. MeißcrZH-Icilung. Amts- und Anzeige-Dlatt der Königlichen Gerichts-Iemter nad Stadträthe zu Dippoldismalde nnd /rauenllei». Nerantüiottlicher LMüeur: Carl Zehne in Dippoldiswalde. Erscheint Dienstagsund Freitags. Zu beziehen durch alle Postanstalten. 10 Ngr. Inserate die SpalteN-Zell« SPfg. L-ü'— > —> 7- Tagesgeschichte. Dippoldiswalde, den 2. Novbr. Zu den erfreu lichsten Errungenschaften des Volksgeistes in der Neu zeit gehört unzweifelhaft auch die, daß es ihm endlich ge lungen, in die chinesische Mauer, welche von gewisser Seite um das Schulwesen gezogen worden ist, Bresche zu schießen, und seit sich das Volksbewußtsein der Schul frage bemächtigt hat, ist diese in ein ganz neues Sta dium eingetreten. Man hat einsehen müssen, daß die Schulen den Ansprüchen der Jetztzeit nicht mehr genügen. Eine bedeutende Anzahl von Gemeindevertretern haben bereits durch.die That bewiesen, daß sie es als eine ihrer ersten Aufgaben betrachten, ihre Schulen auf einen zeitgemäßen Standpunkt zu bringen. Zu den Schulen, welche einer durchgreifenden Re organisation so sehr bedürftig sind, gehört auch unsere Stadtschule. Die städtischen Collegien haben sich aber der Lösung der Schulfrage ebenfalls nicht länger entziehen können und wollen. Wir sind in der angenehmen Lage, unfern Lesern mittheilen zu können, daß sich diese Lösung ebenso schnell als erfreulich vollziehen wird, da der Stadtrath den entscheidenden Schritt gethan und das Amt des Schuldirectors einem bewährten Pädagogen, dem bisherigen Oberlehrer Herrn Engelmann, übertragen hat. Da dies ein freudiges Ereigniß für alle Diejenigen sein muß, welche es mit dem wahren Wohle der Menschheit wirklich gut meinen, so glauben wir nur einer angenehmen Pflicht Genüge zu leisten, wenn wir hier ein ausführliches Referat über die Ein weisung des neuen Schuldirectors geben. Die Einweisungsfeierlichkeit fand Montag, den 1. November, Vormittags von 10 Uhr an, auf dem Rathhaussaalr statt, und hatten sich dazu außer den Mitgliedern der Kirchen- und Schul-Inspektion, der städtischen Collegien und des Lehrer-Collegiums, eine ansehnliche Anzahl Herren nnd Damen und circa 90 Kinder aus den 4 oberen Schulklassen versammelt. Die Feierlichkeit wurde mit dem Verse: Allein Gott in der Höh' sei Ehr rc. eröffnet, worauf Herr Superintendent Opitz die geschmückte Rednerbühne betrat. Redner deutete zuerst die Wichtigkeit des heutigen Tages für die gesammte Gemeinde an und stellte dann in den Mittelpunkt einer längeren Betrachtung drei Fragen über die Erziehung des Kindes: 1) Wie ist der zu bildende Stoff beschaffen? 2) Nach welcher Form soll er gebildet werden? 3) Auf welche Weise wird diese Erziehung am besten gelingen? Die Antwort sand er im Menschen selbst, der das Object, das Ziel und die Norm der Erziehung sei. Hieran knüpften sich eine Anzahl Grundsätze der Erziehung für Aeltern und Lehrer und die Darlegung der Pflichten und Befugnisse eines Di rectors. Nunmehr erfolgte die eigentliche Einweisung durch Abnahme des Handschlags und Ueberreichung der Vocation. Ein Gebet beschloß diesen Theil der Feier lichkeit. Nachdem der Damengesangverein das Terzett aus dem EliaS vorgetragen hatte: „Ich hebe meine Augen auf rc.," ergriff Herr Bürgermeister Heist erbergk das Wort und wies in einer kurzen kräftigen Ansprache auf die Pflichten hin, die man bei einer solchen Ver änderung gegenseitig zu übernehmen habe. Die Kinder haben durch verdoppelten Fleiß und strenges Unterordnen unter die neuen Verhältnisse mitzuarbeiten, die Lehrer durch Berufsfreudigkeit und BerufStreue und die Ge meinde durch Geduld und bereitwilliges Bringen der nöthigen Opfer an Geld und anderen Mitteln. Dem Director sprach Redner sein volles Vertrauen aus, als einem Pädagogen, der die Schule nach den bewährtesten Grundsätzen leiten werde, und gab ihm gleichsam als Confirmationsspruch Vie Verse in sein neues Amt mit: Thu' recht, steh' fest, kehr' Dich nicht d'ran, Ob Dich auch tadelt manch' ein Mann; Der soll noch kommen auf die Welt, Der thut, was allen Leuten gefällt! Ist jeder Einzelne sich dieser Pflichten bewußt, so schloß der Redner, so kann es nicht fehlen, daß der heutige Tag ein segensreicher werde auf Generationen hinaus, der ganzen Gemeinde und der Stadt Dippoldiswalde! Hierauf entwickelte Herr Director Engelmann in einer längeren Rede die Grundsätze, nach denen er die Schule leiten werde. Es müssen diese einen ungetheilten Beifall finden, und wir heben aus ihnen Folgendes heraus. Seinen College« erklärte er, daß für ihk nur das Heil der Schule, nicht aber persönliche Interessen bei der Leitung der Schule maßgebend sein könnten. Zu den Kindern gewendet, hob er hervor, daß sie ihn bereits kennen gelernt und wissen würden, wie er sie stets zum klaren Denken, zu einem sittlich-frommen Wandel angeleitet und die strengste Gerechtigkeit und Unparteilichkeit ge übt habe. Darauf folgte ein Wort an die Ellern der Kinder. Die Schule erwartet und hofft von dem Hause zunächst eine aufmerksame, theilnehmende Beachtung ihrer Aufgabe und des ihr vorgesteckten Zieles. Die Aufgabe der Volksschule ist aber mit den Worten vr. Luthers die: „Unsere Jungen müssen ernst und streng erzogen werden, nicht tändelnd und spielend, wie Etliche thun. Sie müssen frühzeitig lernen entbehren, die Arbeit lieben, Beschwerden ertragen und keine Mühe scheuen; denn sie müssen hinaus in das Leben und hinfort in