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Wöchentlich eejcheinm drei Rümmer«. Pränumeration« > Prei« 22^ Silbergr. (j Thlr.) vierteljährlich, 3 THIr. für da« ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werde« von jede» Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25), so wie von allen König!. Post-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 139. Berlin, Sonnabend den 20. November 1847. Nigritien. Morgenländische Berichte aus Mohrenland. Die kürzlich im Magazin (Nr. ILZ) erwähnten Reisen eines afrikanischen Arabers in Nigritien, deren Uebertragung auf occidentalischen Boden wir dem vr.Georg Rosen in Konstantinopel verdanken,') ist in der That »in sehr inter- effantcs Kuriosum, und zwar schon deshalb, weil seit der Zeit Jdrtsi'S und Abulfcda S die geographische Ländcrbeschreibung kaum irgend eine Bereiche rung von muselmännischer Seite erhalten hat. Auch unser in Tunis gebore ner Araber hat zwar seine Reise nach dem Mohrenlande nicht eigentlich zu geographischen Zwecken unternommen, da eS, wie er selbst sagt, eben nichts weiter als die Lust, Gold zu machen, war, was ihn bewog, seinen früheren Aufenthaltsort, Kahiro, wo er bereits sein ganzes Vermögen in alchpmisti- schen Versuchen verschwendet hatte, zu verlassen und das Land der Neger auf- zusuchcn. Aber nachdem er sich überzeugt, daß, waS das Goldmachen betrifft, „die Neger in gleichem Falle mit uns find, da fie sich ebenfalls nur an Wor- ten vergnügen, die fie in Büchern finden oder aus dem Munde Dritter ersah» ren", so legte er sich in den fernen unbekannten Ländern auf andere Studien, suchte die wilden wie die civilifirten Völkerschaften auf und forschte sogar nach Alterthümern und deren Ursprung. ES ist hier nicht am Orte, zu untersuchen, ob unser Scheich überall die Wahrheit und nichts als die Wahrheit in seinem Buche gesagt, obwohl diese Frage auf Veranlassung Karl Ritter'S bereits auf dem diesjährigen italiäni- schen Gelehrten-Kongresse in Venedig besprochen worden. Genug, daß der berühmte deutsche Geograph selbst, wie er auch in der letzten Sitzung der Ge sellschaft für Erdkunde in Berlin erklärte, sich mehr auf diejenige Seite hin neigt, die nicht blos für die Echtheit des arabischen Manuskriptes, sondern auch für die Wahrheit der Darstellung ist. Für letztere spricht auch der Zn- halt selbst, der eineSthcilS mit dem, was europäische Reisende, wie Burckhard, Clapperton u. A., die in die Nähe der von unserem Scheich zuerst beschriebenen Gegenden kamen, darüber berichten, nicht in Widerspruch ist und anderen- theilS so naiver Art, so wenig prahlerisch erscheint, daß man wohl annehmen muß, ein Rcisebeschreiber, der nicht der Wahrheit treu bleiben wollte, würde ganz andere Dinge von sich erzählt haben, als dieser, der aus seinem Mangel an Muth, seinen thörichten alchpmistischcn Versuche», seiner Geldgier und sei ner Liebe zu den Negerinnen, bei aller Verachtung der Neger, gar kein Ge heimniß macht. Der Scheich Zain el Abidin, hatte sich um die Zeit, als das Reich Kurd- san (Kordofan) von einem Heere Mehmed Ali'S erobert und die Hauptstadt dieses NegerstaateS, Obepda oder Jbeit, zerstört wurde, also im I. 1820, von Kahiro aus durch Nubien und Sennaar zunächst nach Kurdfan und Darfur begeben, weil man ihm gesagt, daß er dort den Stein der Weisen, das Mittel, Gold zu machen, finden werde. Zn Kurdfan traf er mit einem anderen Scheich, Namens Ibrahim, zusammen, der ihm seine Erfahrungen mittheilte, die hauptsächlich darin bestanden, daß es keinen anderen Weg gebe, von den Negern etwas zu erlangen, als ihre JmamS, MollaHS und KadhiS, die Alle nach der Weisheit des Korans sehr begierig scyen, darin zu unterrichten. Be- sonders in Darfur war dies den beiden Scheichs geglückt, die durch die schwar zen muhammedanischcn Priester, welchen fie in der Moschee Unterricht crtheil- ten, bei dem Fürsten cingcführt wurden, welcher fie mit Ehren und Geschen ken überhäufte. WaS aber die Einwohner dieses jetzt ebenfalls von Mehmed Ali abhängigen Negerreichcs betrifft, bis zu welchem übrigens auch der öster reichische Reisende, Herr Rußegger, gedrungen war, so werden diese von un serem Touristen folgendermaßen geschildert: „Die Bewohner von Darfur erscheinen, wenn ihnen auch etwas Mensch lichkeit inwohnt, in ihrem Aeußercn ganz wie das Vieh. Sie gehen nackend, nur daß fie die Schamgegcnd durch ein um die Weichen befestigtes Haarge- stecht verdecken. Die aber, welche in den benachbarten Gebirgen leben, find meistens vom Kopfe bis zu den Füßen ganz unbekleidet und machen überhaupt den Eindruck eines religiöser Satzungen und sozialer Erfordernisse sich völlig unbewußten Thierhaufens. Einige reiche Stadtbewohner fiedeln diese Schwär- zen zum Behuse der Fortpflanzung auf ihren Landgütern an, um jedes Jahr '> Da« Buch de« Sudan, aber Reisen de« Scheich Zorn el Abidkn in Nigritien. Äu« den. Türkischen überseht von vr. Georg Rosen, Dolmetscher der König!. Preuß. Gesandt, schast dei der Hoden Piorte ». — Leipzig, von ihren Kindern die, welche sich dazu eignen, zu verkaufen, wie man Schafe und Rinder verkauft. Es giebt darunter Leute, welche WO Sklaven und Mägde besitzen; zu diesen kommen in jedem Zahre die Sklavenhändler, um ihnen die für den Verkauf ausgelesenen Individuen beiderlei Geschlechts ab- zunehmen." Während seines Aufenthaltes in Darfur machte unser Reisender auch die Bekanntschaft der „Zakokos", der Zaubergeister, die aus den Gräbern ermor deter Neger erstehen, so wieder „JfritS" (Dämonen) oder „Ruhanije" sgeisti- ger Wesen), die des Nachts auf den Straßen, an den Thüren der Häuser einen furchtbaren Lärm machen, ohne daß man ihre Spur aufzufinden vermag, un gefähr wie der berüchtigte alte Spuk in Tegel, den uns Herr Louis Schneider kürzlich in seinen „Berlinischen Nachrichten" wiedererzählt hat. Der Scheich Zain trägt uns diese Begegnisse zwar sehr ernsthaft vor, doch nicht ohne uns zu verstehen zu geben, daß er von der Wahrheit solcher Visionen keineSwegeS überzeugt scp. Gleichwohl sind gerade diese Erzählungen aus seinem Buche schon vor mehreren Jahren in eine von dem Engländer Lane herausgegebene Schrift über die Zauberkünste in Aegppten übergegangcn — ein Beweis, daß damals die Reisebeschreibung des Scheich Zain el Abidin in Aegypten bekannt und als Autorität angesehen war. Nachdem unser Reisender eine Zeit lang in Darfur zugebracht hatte, starb der König, und dessen Bruder folgte ihm auf dem Throne. Bei dieser Ge legenheit werden uns die Feierlichkeiten der neuen Huldigung und Krönung beschrieben, welche letztere darin besteht, daß der Wesir des verstorbenen Mon archen sich unter Trommelschlag dem auf dem Throne fitzenden Fürsten nähert, indem er den Boden küßt und sich dreimal Staub auf den Kopf streut. Der König fragt den Wesir: „Was willst du?" — „Dein Knecht", antwortet die ser, „bringt Dir etwas, das ihm von Deinem Vorgänger anvertraut worden; mit Deiner gnädigen Erlaubniß werde ich cS überreichen." — Dies wieder holte er dreimal, worauf der König ihm mit gebieterischer Stimme zuries: „Bring her und geh an dein Geschäft!" Der Wesir trat nun heran, bestrich die unvcrhüllten Theile des königlichen Leibes mit einer Gummi-Auflösung, streute Goldstaub darüber und steckte einen Straußfederbusch aus den Turban des Königs. Der neue Herrscher forderte von dem Fremden die ihm vom verstorbenen Könige geschenkten Sklaven und Sklavinnen zurück, da sie, als ohne Vorwis- sen des Erben weggegebcn, diesem wieder zufielen und er es sich Vorbehalten müsse, ihm eigene Belohnungen zu verehren. Der Scheich wollte die Richtig, keit dieser agnatischen Deduction nicht zugeben und verweigerte die Rückgabe. Nun wurde ihm aber Alles gewaltsam abgenommen; das Volk verließ den vom Fürsten verlassenen Fremden ebenfalls, und ihm blieb keine andere Wahl, als wieder das Weite zu suchen. Scheich Ibrahim, der sich klüger verhalten hatte, gab ihm den guten Rath, noch weiter nach Westen, nach El Weda, zu gehen, wo, dem Rufe nach, ein weiser, die Gelehrten liebender Fürst regiere, der ihn gewiß gut aufnehmcn würde. Weda, sey zwar eine Monat-Reise weit von Darfur entfernt, und cS gehen keine Karavanen direkt dorthin, sondern man müsse sich den von einem Dorfe zum anderen ziehenden Reisenden an schließen, doch seyen die Bewohner dieser Dörfer Muhammedaner, und von ihnen könne sich der gelehrte Scheich wohl die beste Aufnahme versprechen. Nur die Gebirgsbewohner sepcn „des Gewandes der Civilisation und des Is lams baar", lebten in vollständiger Wildheit und verschmäheten sogar Men- schenfleisch nicht, doch fügten fie Reisenden kein Leid zu. Unser Reisender, dem, wie er sagt, keine andere Wahl blieb, folgte dem Rathe und brach nach El Wedai auf, und hier eben macht er uns mit Gegen den bekannt, die noch kein europäischer Reisender beschrieben, obwohl gerade während des Aufenthalts unseres Scheich in diesen Gegenden ein Franzose, welcher das Land erforschte, Karten aufnahm und die Landschaften zeichnete, ebenfalls dorthin gekommen seyn soll. Die meisten Europäer, welche cö der- sucht, diese Gegenden zu erforschen, find das Opfer ihrer Unternehmungen ge worden : so Mungo Park, der unter demselben Breitengrade, nur etwas mehr westlich, nachdem er Timbuktu erreicht und den Niger beschisst hatte, auf die sem Flusse umkam: eben so Denham, Clapperton und Laing, und in der neue sten Zeit einer der Brüder Lander, obwohl diese glücklicher in der Beschiffung des Quorra, des Joliba und anderer Arme des Niger waren. So weit östlich, als Wedai (zwischen dem 40 und 45° O. L. und dem 15—20° N. Br.), war jedoch keiner auch der gedachten Reisenden gekommen; eS find daher die Schil derungen unseres Scheich vom höchsten Interesse, besonders auch darum, weil fie uns bestätigen, welche mächtige Fortschritte der Islam bis in das Innerste von Afrika gemacht hat.