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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.02.1912
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-02-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120216014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912021601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912021601
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-02
- Tag 1912-02-16
-
Monat
1912-02
-
Jahr
1912
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Bezugs-Preis e.Ipiti I » durch «k« Tröarr uuv Ep<d»i«ur« 2mal ttallch tu, hau» »«brach« UU Os. moua«U r.rv M». »i«rt«llüdrl. <t«i un>«ru -Uralrn u. Tn- u»h»«ft«L«i, adarhol« » Vs. «auatl^ L»Mr. ol«rt«l>ahrl. »,r» bl« da»: imrarhald D«,t>chlaad» und d«r deutsch«« K»l»nt«n ut«ki«liadl>- ».SU !vtl„ manatl. tchv Bit ou»«chl. VoItb«ft«Ua»Id ß«rn«r tn B«>»«««. Dünemarl. dri> Dououftoaien. 2tall«u, uuirmdur«. «»«derlund,. «,r» w«a«u O«II«r,r,ch - Unaarn. «udtond. 8chw«b«n, Schw««i, kpuuiru. 2» alle« übrig«» viaat«» «m« o«i«kr durch dt« V«>chült»st»U« »»» Vlalt«, erhälluch. Da» L«l»,tg«, Tagidlalt «rlch«tat »mal tigllch. Son». ». >H«irrlag» nur m»k»ru». Ud»»n«m«at»»<nnadm« Aad«»i»aal>« 8, d«l uni«r«» Leaarrn. N»Na!»n.«sprdiI«ui«« »ad TnnatzmrllrU«». i«w«e Vauamlrr» «ad Bn«stla»«rn Vl,i«»,,rlaus,p,«t, lü Ps. Morgen-Ausgabe. VripMerTagtblalt rkI.-rnschl.i»Mz Haubeiszettung. «el.-LMlji-^- Amtsblatt -es Nates «n- -es Nolizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen PrelS für Sal«ra«c ou» ueiot«, und Umgeb«»» dl« Noaltlg« Vevtteile ÄP, oi. ««flam«- ,«>l« t Mt von auewaii, mP,.«,klame« !Ä Mk- Inlera«« von «»„„»en im amt lichen T»«> dl« bl> Pf <L«lchaII»an«eigen inli Pla»vor>chr«ft«a im Ureil« eidutzi «adat« nach Tarif Veilugeaedützr lbelamt- auslag« L Ml. p Taulenv eill. P-ngedühr. Trllbeilagr Voder bester«»»»« «uirrage können nt-d, zurück- aerogen werden. !rür da» EriLeinen an dellimmlen Tagen und «lauen wird leine Garantie Übernommen. «nrelaen-Ännavme 2»vann„,»Ne a, bei lamiu»en Filialen a allen '.'lnnoncen. EivedMonen de» 2n- und Äu,lande» Druck nn» «erlag »»« Ötscher L «dkst«> 2ndad«r Paul «ü'ften. «edaMen und k»«lck>ill»llell«r Äodannlsgaile 8. Hanpl-Filiale Dr«»b««r Serstraäe 4. 1 lTeleghan «Sttl. Nr. 8S. /rrUsg. -en IS.. Februar 191?. Ltt Seiten Unsere gestrige Abendausgabe umfasst 8 Teilen, die vorliegende Morgennummer 18 Seiten, zusammen Dss Wichtigste. * Der Reichstag setzte am Donnerstag die Etatsberatung fort. Der Reichskanzler gab eine Erklärung über den Berliner Besuch Halb an es ab. Bon den Fraktionen sprachen für die Sozialdemokraten Dr. Franck, für das Zentrum Speck, für die Konservativen Graf Westarp und für die Nationalliberalen Dr. Jun ck. (S. den bes. Art. und Bericht Seite 1 u. 9.) * Die ErsteSächsischeKammer beschäftigte sich am Donnerstag mit Etatskapiteln und Rechenschaftssachen. (S. Bericht Seite 10.) * Das preußische Abgeordnetenhaus erledigte am Donnerstag mehrere Etatskapitel. (S. Bericht Seite 10.) * Die Aussperrung in der Prager Me ta l l i n d u st r i e ist b e e n d e t. (S. Ausl. Seite 9.) * JmungarischenAbgeordnetenhause begann am Donnerstag die Beratung der Wehroorlage. (S. Ausl. Seite 9.) * Der frühere samoanische Oberhäupt ling Mataafa ist in Lcvuka auf den Fidschi- Inseln, 85 Jahre alt, gestorben. (S. Letzt« Dep. Seite 3.) —— * Theateranzeigen siehe Seite 16. Sine Nnfrsge sn Len Mg. Junck. Den Lesern des „Leipziger Tageblatts" ist bekannt, daß wir in der Stichwahl, die in Leipzig am 20. Januar zwischen dein Justizrat Dr. Junck und dem sozialdemokratischen Kandi daten Cohen-Franksnrt a. M. stattsand, mit aller Energie sür den ersteren eingetreten sind. Als die Zahlen von der Hauptwahl bekannt wurden, brachten wir zum Ausdruck, daß nach Ausweis dieser Zahlen die Ausstellung eines weiter rechts stehenden Kandidaten ein Fehler gewesen sei. Sonst wäre Junck gleich im ersten Wahlgang ge wählt worden. Am Tage der Stichwahl schrie ben wir: ' Tem Kampfe in Leipzig winkt ein strahlendes Ziel: der volle Sieg. Um ihn zu erreichen, be darf es mehr als nur der Pflichterfüllung des einzelnen. Noch ein großer Ruck ist nötig, wenn der Wagen auf den Berg soll. Suche jeder, wo noch Stimmen zu holen sind. Erinnere sich jeder der Faulen und Lässigen vom Stammtisch, der ewigen Spötter, des geplagten Handwerkers im Hinterhause, des Ladeninhabers, des alten einge kapselten Pensionärs. Heran mit allen an die Urne! Vom Abgeordneten Junck aber sagten wir: Tie Rechtsgerichteten wissen, daß sie es mit einem Manne r>on zuverlässiger Baterlandsgesin- nuna zu tun haben. Wer den bisherigen Abgeord neten Junck beobachtet hat, im Parlament und im Wahlkampf, weiß, daß das Vaterland sein Leitstern ist . . . Er will, daß das Schiff mit Volldampf vorausfährt. Und das Schiff, auf dem er steht, führt am Heck die Farben Schwarz- Weiß-Rot! Wir berufen uns ausdrücklich auf dieses unser Eintreten für Justizrat Junck, wenn wir jetzt den erwählten Abgeordneten um Auskunft an gehen. Wir fühlen uns mitverant wortlich sür seine Wahl, denn wir haben sie aufs eifrigste empfohlen, wir haben diejenigen mit scharfen Worten angelassen, die etwa bei seite st ehen wollten. Wir wollen uns der Ver antwortung in keiner Weise entziehen; eben des halb bitten wir jetzt um Auskunft. Zwischen dem 20. Januar und heute liegt der 9. Februar. An diesem Tage hat ein Teil der Mitglieder der nationalliberalen Reichstags fraktion für Bebel als ersten Präsidenten gestimmt, und fast die gesamte Fraktion für den sozial demokratischen Abg. Scheidemann als ersten Vize präsidenten. Wir fragen den Abg. Junck nicht, wie er selbst gestimmt hat. Die Wahl war gedeckt durch daS Geheimnis. Ob diese Geheimhaltung sich empfiehlt, mag der Erörterung unterliegen. AuS praktischen Gründen bedienen sich die meisten Körperschaften und Bereinigungen bei der Er ledigung von Personalfragen der Geheimhaltung. Wird die Entscheidung zugleich zu einer politi schen, so bleibt jenes praktische Moment unseres Erachtens immer noch bestehen; unter anderem Gesichtspunkt wird die Geheimhaltung freilich unerfreulich. Oft wird gerade von den Sozial demokraten bei parlamentarischen Abstimmungen die namentliche Abstimmung beantragt. Wenn mit solchen Anträgen nicht terroristische Zwecke verbunden werden, können wir sie im allgemeinen billigen. Ein Erwählter des Volkes soll mit seiner Meinung offen heraustrctcn. Sonst könnte der Wähler ja gar nicht seine politische Wesenheit erkennen. Einer, der andere füh ren soll, kann nicht in einer Ncbelwolke gehen oder eine Tarnkappe aufsetzcn. Wie dem aber auch sei, wir ehren die Geheimheit der Wahl als einen Teil der bestehenden Ordnung. Die soziale und politische Bedeutung der Präsidialwahl bleibt aber bestehen. Daß die Be- dcutung groß ist, wird wohl nach dem eigenen Verhalten des Reichstags und der Zeit, die er darauf verwendet hat, nicht bestritten werden können. Keine andere Frage als die des Gro ß- blocks ist dabei brennend geworden. Auf allen nationalliberalen Parteitagen ist abgcstritten wor den, daß die nationalliberale Partei den Groß- block wolle. Die Vorgänge bei der Präsidial wahl stehen zu diesen Erklärungen im Gegen satz. Wir gestehen gerne, daß uns diese Vor gänge überrascht haben. Wir hatten die Stimmung bei den führenden Männern der natio nalliberalen Partei nicht so beurteilt, wie sie jetzt hervorgetreten ist. Wir hätten sonst während der zurückliegenden Monate eine andere Haltung eingenommen. Wir haben uns täuschen lassen; wollen aber den Fehler nicht zum zweiten Mal machen. Die nationalliberale Partei nach dem 9. Februar 1912 ist für unS nicht dieselbe wie vordem. Wer heute eine andere Stel lung zur nationalliberalen Partei einnimmt, hat sich seinerseits nicht verändert; sicher ift vielmehr, daß die Partei sich verändert hat. Die Frage, die uns am Herzen liegt, lautet: Wie steht es mit dem Groß block und wie steht der Abg. Junck dazu? ES bann nicht erwidert werden, daß die natio nalliberale Fraktion durch ihren Beschluß vom 12. Februar kundgetan habe, sic wolle den Groß block nicht. Zu welchen Entschlüssen die nativ- nalliberale Fraktion unter Einwirkung einer stür mischen Empörung in den eigenen Wählerkrei sen und unter dem Einflüsse taktischer Erwägun gen schließlich noch — glücklicherweise — geführt worden ist, ist hier nicht die Hauptsache. Nicht, was die Wähler draußen wollen und nicht wollen, möchten wir wissen, sondern wie es denn eigentlich mit den Abgeordneten aussieht. Die sollen doch auch ihre eigene Ansicht haben. Am aller wenigsten möchten wir auf die parteiamtlichen Erklärungen verwiesen werden. Gerade sie sind völlig unbefriedigend. Je öfter man> sie liest, desto unbefriedigender erscheinen sie. Wie liegen denn die Tatsachen? Noch nie seit dem Bestehen des Deutschen Reichstags und der natio nalliberalen Partei haben unseres Wissens natio nalliberale Abgeordnete einen Sozialdemo kraten zum Präsidenten gewählt. Auch nicht, als die Sozialdemokratie die zweitstärkste Partei des Reichstags war. In der parteiamtlichen Rechtfertigung der nationalliberalen Haltung vom 9. Februar wird gesagt, daß die Beteiligung der Sozialdemokratie am Präsidium dem „Ge fühl der Billigkeit" entspreche. Dann hätte es doch damals auch dem Gefühl der Billigkeit ent sprechen müssen. Nein, die Dinge liegen ganz anders. Bisher hatte die nationallibcrale Partei es als eine Unbilligkeit gegen das deutsche Volk, gegen Kaiser und Reich betrachtet, die monarchische Staatsverfassung durch die Wahl eines Sozialdemokraten für ein hohes Ehrenamt anzutasten. Jetztdenktman darüber anders. Daraus müssen wir schlie- ßen, daß das monarchische Gefühl abgeschwächt ist. Was sprach denn dagegen, daß die National liberalen wieder so stimmten wie 1903? Was wäre gefährdet gewesen? Etwa die kommende Heeresvorlage? Oder die Flottenvorlage? Oder der Etat? Nein, gegen das alles hätten die Sozialdemokraten so wie so gestimmt. Aber eines war allerdings gefährdet: die Möglichkeit, ein geheim-öffentliches Einverständnismit der Sozialdemokratie für politische Machtzwecke zu unterhalten. Also der Großblock oder die nächste Etappe dazu. Wir möchten den Abg. Junck fragen, ob er dieses geheim-öffentliche Einverständnis für ein Gut hält, das man im weiteren Verlauf der Neichstagsberatungen immer wieder zu schützen hat. Wir möchten ihn fragen, ob er die beiden saft- und kraftlosen parteiamtlichen Er klärungen zur Präsidialwahl billigt. Ob er es gut heißt, daß immer nur parteitaktische Erwä gungen angestellt werden, daß aber kein Dort über die Stellung der Abgg. Bebel und Scheide mann zu Kaiser und Reich, die früher an der Spitze programmatischer Kundgebungen der Na tionalliberalen standen, gesagt wird? Ob er es gut heißt, daß ein Mann den Reichstag vräsi- diert, der im Zusammenhang mit der preußischen Wahlrechtsvorlage, die nicht im Widerspruch, säu bern gerade im vollen Einklang mit kon stitutionellen Grundsätzen nach Ableh nung durch das preußische Parlament einst weilen nicht wieder eingcbracht worden ist, den Wortbruch als traditionell im Hohenzollerngc- schlecht bezeichnet hat? DaS sind die Fragen, die wir nach der partei amtlichen Erklärung der Nationalliberalen vorn 12. Februar uud nach dem Beschlüsse des hiesi gen Nationalliberalen Vereiusvorstauds zu Pa pier bringen. Wir glauben, daß wir das Wich tigste herausgegriffen haben. Wir haben be greiflicherweise ein Interesse daran, festzustellen, ob der Abgeordnete, den die Stadt Leipzig in heftigen! Kampfe gegen die Sozialdemokratie durchgebracht hat und für den wir dabei vorbe haltlos cingetretcn sind, im Reichstag gemeinsame Sache mit der Sozialdemokratie machen oder zur Schwächung des nationalen und monarchi schen Gefühls des bürgerlichen Volksteils bei tragen will. Eine Klärung ist notwendig. Wir werden unfern Lesern Mitteilen, welche Antwort Abg. Junck erteilt. Mitten in üer Gtstssuslprscke. (Stimmungsbild aus dem Reichstage.) Berlin, 15. Febr. Hs Nack der Größe der Fraktionen reihen sich h«ute die Redner aneinander: Erst Abg. Frank-Mannheim, als Vertreter der 110, dann Speck für die 99 — oder sind es inzwischen noch «ehr geworden? — vorn Zen trum. Graf Westarp für die Deutsch-Konservativen, dis die Zeit der Präfidialwahlen benutzt haben, um ihre Zahl zu vermehren und endlich Junck für di« Nationalliberalen. Abg. Frank hatte die Ausgabe, die sozialdemo kratische Partei in die neue Taktik hinüberzuführen. Das Ecfühl, Diplomat sein zu müßen, schmeichelt wohl jedem. Frank verstand das Geschäft ganz gut. Er sandte, wie gewöhnlich, mehr oder weniger scharf zugespitzt«, nicht aber gerade vergiftete Pfeile gegen Regierung und Parteien, daneben aber bemüht« er sich, den Willen der Sozialdemokratie zu beweisen, sich von dem „Zwang zum Schaffen" — nach den Worten des Reichskanzlers — leiten zu lasten, also die Sozialdemokratie als positiv arbeitende Partei, als Partei der parlamentarischen Ordnung! Es ist nicht nur Erfordernis der Gerechtigkeit, sondern ein fach Chronistenpflicht festzustellen, daß sich auch heute die 110 korrekt benommen haben. Als Graf Westarp auf der Rednertribüne stand, wurde es bei ihnen ziemlich lebhaft, man konnte aber nicht leugnen, daß er, wie die Liberalen, so auch die Sozialdemokraten angriff, wozu er natürlich das Recht hat. Jedenfalls ist von sozialdemokratischer Seite, so lange die Konstellation andauert, eine Störung der Reichstagsverhandlungen nicht zu erwarten. Zur positiven Mitarbeit gehört ein Programm. Abg. Frank brachte es mit. Es besteht nach seinen Dar legungen etwa in folgendem: Aenderung der Wahl kreiseinteilung, Reform der Geschäftsordnung des Reichstags. Ausbildung der Verantwortlichkeit des Kanzlers, Dorwegnahme einiger Reformen im Straf reckt und Strafprozeß vor der allgemeinen Revision, Beseitigung des Sprachenparagraphen aus dem Ver eins- und Versammlungsrccht, Absckafsung der Lcbensmittelzölle, ebenso der Zölle auf Futtermittel, Zulassung von ausländischem Gefrierfleisch, Bester stellung der Soldaten. Regelung des Wohnungswesens durch Reichsgesetz, Reform des Rechts der Land arbeiter, Abstriche in den Ausgaben für Heer und Marin« und Vertreibung der Geheimniskrämerei aus der Diplomatie. Der Vertreter des Zentrums brauchte mit einem so umfastenden Programm nicht aufzu warten. Bemerkenswert war namentlich sein Zu sammenstoß mit dem Schatzsekretär. Herr Wermuth hörte aus der Rede Specks die Absicht heraus, die Notwendigkeit der Erschließung neuer Steuerquellen für die neuen Mehrausgaben abzu streiten, und mithin die Neigung zur Anleihewirt schaft zurückzukehren. Wie ein Löwe verteidigte er die gestern verkündigten Grundsätze und wies auf die Widersprüche zwischen der heutigen Haltung des Zen trums und früheren Erklärungen von dieser Seite hin. Man wird sich gewöhnen müssen, derartige Auseinandersetzungen nicht vom parteipoliti schen Standpunkte aufzufassen. Staatssekretär Wermuth hat auch früher gezeigt, daß er den Kampf mit Ansichten, die er als unheilvoll be trachtet, nicht scheut, mögen sie von wem immer vertreten werden. Unverkennbar war dagegen der parteipoli- ttkche Tharakter einiger Ausführungen in der Rede Les konservativen Grafen Westarp. Er forderte Maßnahmen gegen den Terroris mus der Sozialdemokratie — wenn nicht durch Aenderung der Gesetzgebung, dann durch schärfere Anwendung des bestehenden Rechts —; ferner erklärt die Partei sich nach wie vor gegen die Erbschaftssteuer, nahm sich besonders des Mittel st ander an und legte ein Bekenntnis zur Monarchie und zur Aufrechterhaltung der bestehen den Rechte des Kaisers ab. An dieser Stelle der Verhandlungen schob sich der Reichskanzlers. Bethmann Hollweg mit 106. Zshrgsng. einer kurzen Erklärung über die Aus sprache mit England ein. Dove saß um diese Zeit auf dem Präsiüentcnstuhl und hatte mithin die Ausgabe, dem Kanzler das Morr zu erteilen. Scheide mann. der nach der Hebung des Hauses gleich nach Dove den Prüsiöcntensitz hätte einnehmen müssen, war im Hause anwesend, übte aber während der ganzen Sitzung das Präsiöentenamt nicht aus. Der Kanzler sprach nur wenige Sätze, über den Inhalt der deutsch-englischen Aussprache sagte er kein Wort. Man erfuhr nur von der Tatsache und davon, daß die Aussprache fortgesetzt werde. Die Erklärung wurde mit Beifall ausgenommen, was auch der billigen kann, der dem weiteren Verlauf der Dinge mit Zweifel entgegensieht. Abg. Dr. Junck, der nächste und letzte Redner, drückte namens der Nationalliberalen die Zu stimmung zu den Bemühungen aus, eine Verstän digung mit England herbeizuführen. Mehr konnte auch er nicht tun. Dieses Urteil zur auswärtigen Politik stellte Abg. Dr Junck nicht an den Anfang seiner Rede, sondern er machte sich daran, ein Gesamtbild der Lage und der von ihm gewünschten Entwicklung zu geben. Seine Worte waren offenbar wohlüberlegt. Die Finger zeige der Fraktion waren zweifellos oa, die persönliche Note fehlte jedoch auch nicht. Er sprach frisch, lebendig und bestimmt. In mehr als einer Frage gab er der Ocffentlichkeit etwas Festes in die Hand. Aus der Fülle des einzelnen sei nur wenig hcrausgrgriffen. Mit großer Bestimmtheit wurde namens der nationalliberalen Fraktion eine weitere Be lastung des Verkehrs und des Ver brauches für die Zweck« des Heeres und der Flotte abgelebnt. Uns ist nicht erinnerlich, daß das in dieser Form schon einmal von nationalliberalcr Sette ausgesprochen wurde. Abg. Dr. Junck will statt dessen eine Besitz steuer, über deren Art er sich naher avslicß. Zur Frageder Monarchie äußerte er sich etwa dahin — die Worte, die er wählte, waren etwas anders — es sei für sie selbst gut, wcnnfie von ihren Rechten ein bißchen hergebe; die Notwendigkeit des Zusammen- arbeitens von Fürst und Volksvertretung werde das Vertrauen stärken. Entsprechend dieiem Grundgedanken, wurde eine Mehrung der Rechte der Volksvertretung, zunächst eine Verbesserung der Geschäftsfähigkeit und die Festlegung der Verantwortlich« keitdes Kanzlers verlangt. . Zur Präsidial frage erfuhr man in mancher Beziehung mehr, als aus den bischerigen parteiamt lichen Erklärungen der Nationylliberaien. .Die g r ö- ßere Offenheit ist nur a n z ue r k e n v e n. Tie Tatsache, daß mehr als 4 Millionen Deutsche der llmsturzpartei ihre Stimme gegeben haben, wurde als furchtbar bezeichnet. Eine Milderung der Ge fahr scheint davon erwartet zu worden, das; die Ver treter der Partei zu den Arbeiten des Reichstages, auch zur Stellung eines Vorstandsmitgliedes heran- gelogen werden. Don der Person des Abgeordneten Scheldemann und seinem Ausspruch über den angeb lich traditionellen Mortbruch der Hohmzollern hörte man nichts. Dieser Teil der Darlegungen war « ber e i n e N e ch t fe r t i g u n q der Abstimmung der Na- tionallibernlen am 9. Februar (zahlreicke Stimm zettel für Bebel, dann beinahe sämtliche Stimm zettel für Scheidem-ann). als eine Verteidigung des Beschlusses vom 12. Februar, durch den Abgeord neter Paasche veranlagt wurde, sein Amt n'ecer?u- lcgcn. Am Schluss« der Rede sckiendie Hoffnung anqe- deutet zu w"rden, daß die sozialdemokratischen Mit glieder des Reichstages sich den großen nationalen Forderungen, di« an das Parlament hcrantreten, nicht versagen würden. Worauf fick diese Hoffnung gründet, ist uns unbekannt. Vergsrdeiterlöhne imü Vetriebsüberlrhülle. Man schreibt uns: Bekanntlich sind der sozialdemokratische Berg arbeiter-Verband, die polnische Berufsvereinigung lBer arbeiter-Abreilungi und der Gewer.verein Hirsch-Dunckerscher Bergarbeiter dieser Tage in einer Eingabe an den Vorhand des Zechen-Verbandes bcrangetreten mit dem Ersuchen, auf die Gruben verwaltungen wegen einer allgemeinen Er- Höhung der Bergarbciterlöhne einzuwirien. Als Grundlage für die Lohnaufbesserungen sollen die im Ruhrberabau bisher gezahlten höchsten Durchicknitrslöhne (4,99 auf den Kopf der Gesamtbelegschaft und 6,14 .// Hauerlohn) angenom men werden, die im 4. Vierter des Hockkonjunk- turjahres 1907 erreicht wurden. Hierzu soll noch ein Aufschlag treten, durch den die in zwischen cingetretene Lebensm ittelteucrung ausgeglichen werde. Zur Begründung dieser Forderung wird daraus hrngewresen, daß der Kohlen bergbau sich gegenwärtig in einer günstigen Kon- junkrur befinde und die Mehrzahl der Werke höhere Betriebsüberschiisse auszuweisen habe. Der rein agitatorische Zweck dieser von den drei Verbänden erngcleiteten Lohnbewegung liegt klar zutage. Kurz vorher war noch in der Presse aus bergbaulichen Kreisen berichtet worden, daß die Zeckenbesitzer die Absicht haben, die Löhne ent- spiechend den gebesserten winschaftlichen Verhältnissen im Kohlenbergbau berauszusetzen; es stehe zu er warten. daß die Löhne im Bergbau der Anhalten der jetzigen Konjunktur ihren bisherigen Höchststand von 1907 demnächst wieder erreichen, vielleicht sogar überschreiten würden. Unter Hinwers aus diese aus den Kreisen der Zeche nbesitzer stammende Meldung hat denn auch der Gcwerkverein christ licher Bergarbeiter in der Presse erklärt, daß für ihn kerne Veranlassung vorliege, sich an der Stellung von Lohnforderungen ru beterligen. Da die von den drei Verbänden eingereichten Lohnforderungen mit höheren Betriebsüberschüßen der Werke begründet werden, und die Forderung gestellt wird, die im 4. Quartal des Hochkonjunktur-
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