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Wochenblatt Fernsprecher: Amt Siegmar Nr. 144. für Reilhenbrand, Siegmar, Neustadt und Rabenstein. Hs 37. Sonnabend, den 14. September 1907. Erscheint jeden Sonnabend nachmittags. Anzeigen werden in der Expedition (Reichenbrand, Pelzmühlcnstraße 47v), sowie von den Herren Friseur Weber in Reichenbrand und Kaufmann Emil Winter in Rabenstein entgegeugenommcn und pro Ispaltige Petitzcile mit 10 Pfg. berechnet. Für Inserate größeren Umfangs und bei öfteren Wiederholungen wird entsprechender Rabatt, jedoch nur nach vorheriger Vereinbarung, bewilligt. Anzeigen-Annahme bis spätestens Freitags nachmittag S Uhr. Bekanntmachung. Am Sonntag den 22. September d. I. soll in der Kirche zu Reichenbrand das Erntedankfest gefeiert werden. Irgend welche freundlichst gewidmete Spenden, welche zur Schmückung des Gottes hauses an diesem Tage sehr erwünscht sind, wie Kränze, Blumen, Früchte u. dgl., bitten wir bis Sonn abend den 21. September Nachm. 4 Uhr in die Kirche bringen zu wollen. Reichenbrand, 14. September 1907. Der Kirchenvorstand zu Reichenbrand. Rein, Pf. Bekanntmachung. Auf Antrag der Branddirektion halten die beiden freiwilligen Feuerwehren I. und II. Komp, nächsten Sonntag den 15. September 1907 vormittags Punkt V»11 Uhr eine gemeinschaftliche Übung im Karl Eidner'schen Färbereigrundstük ab. Die Feuerwehren werden um pünktliches Erscheinen am Geräthaus ersucht. Die Herren Gemeinderatsmitglteder sind hierzu höflichst eingeladen. Rabenstein, am 12. September 1907. Der Gemeindevorstand. Wilsdorf. Bekanntmachung. Am 16. September cr. ist der 3. Termin der diesjährigen Rente fällig und ist spätestens bis zum 30. September dieses Jahres an die hiesige Ortssteuereinnahme zu bezahlen. Rabenstein, am 22. September 1907. Der Gemeindevorstand. Wilsdorf. Volksbibliothek Rabenstein Vom nächsten Montage an steht unsern Lesern wieder eine Wanderbibliothek (der Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung in Berlin) im Werte von 120 Mk. ein Jahr lang und zwar bis Ende August 1908 zur Verfügung. Sie enthält 44 Bände jetzt viel gelesener Werke meist neuester Schriftsteller. Das Verzeichnis derselben wolle man sich aus dem Inseratenteile dieses Blattes aus schneiden und aufheben. Wir hoffen auf eine gleich lebhafte Benutzung dieser dankenswerten Ein richtung wie in den Vorjahren und wiederholen an unsere Leser die Bitte um schonendste Behandlung dieser geliehenen Bücher. Rabenstein, am 13. September 1907. Der Bibliotheks-Ausschuß. Bekanntmachung., Der Schutzmann Herr Friedrich Emil Geiler, hier, ist unterm 5. dieses Monats von der Königlichen Amtshauptmannschaft Chemnitz als Verwaltungsvollstreckungsbeamter für den hiesigen Ort in Pflicht genommen worden, was hiermit zur öffentlichen Kenntnis gebracht wird. Neustadt, am 12. September 1907. Der Gemeindevorstand. Gcistlcr. Die Sparkasse zu Neustadt unter Garantie der Gemeinde verzinst Einlagen mit 3 V? "/o. Für Einlagen, welche bis zum 3. eines Monats bewirkt werden, erfolgt Verzinsung für den vollen Monat. Die Sparkasse expediert täglich vormittags von 8—12 Uhr und nachmittags von 2—6 Uhr. Durch die Post eingehende Einlagen werden sofort expediert. Oertliches. Neustadt. Der 9. September gestaltete sich für den Bierschröter Herrn Franz Bruno Rupf hier zu einem Ehrentage. Ihm wurde durch Herrn Amtshauptmann vr. Morgenstern in Chemnitz das »Ehrenzeichen für Treue in der Arbeit" im Beisein des Herrn Ge meindevorstandes Geißler in Neustadt und seines Arbeitgebers Herrn Hermann Hähle in Schönau in feierlicher Weise überreicht. Benita — die Gesegnete. Originalerzählung von Freifrau G. v. Schlippenbach. (Fortsetzung) (Nachdruck verboten. „Wie war der Ritt, hast Du nicht gefroren?" fragt die Tante besorgt, „komm, setze Dich zu uns. Ich werde den Tee früher bestellen, damit Du Dich erwärmst." Sie ergreift Nitas Hände und hält sie zwischen den eigenen. „Wie kalt Sie sind," sagt sie, „es ist ein eisiger Wind draußen." Das junge Mädchen setzt sich neben sie und sie plaudern über verschiedene Dinge, bis Frau von Staniß hinausgeht, um die Anordnung wegen des Tees zu treffen. „Mir ist erst gemütlich zu Mut, wenn ich meinen Lieb lingsplatz eingenommen habe, Onkel," meint sie und sich auf das Fell zu seinen Füßen niedergleiten lassend, stützt sie den Kopf auf seine Knie, Harald schmiegt sich dicht an sie und sie legt den Arm um ihn. „Wie ist es Dir ergangen, Onkel," fragt sie liebevoll, „hast Du Schmerzen gehabt?" „Nicht viel, Nixe, ich hoffe, das Schlimmste ist vorüber. Hast Du den Ritt genossen, war er schön?" „Goldfly war erst recht unruhig und stallmutig, und ich ließ ihn auf dem Wege nach Lengernhof tüchtig austraben, nachher setzten wir über einige Gräben und Zäune, und dann trafen wir Herrn Baumann. Er läßt Dir sagen, er werde morgen Herkommen, um mit Dir wegen der Abholzung des alten Waldes zu sprechen." Bei dem Namen des Försters denkt sie daran, wie sie mit Rottack über ihn gelacht hat und in der Erinnerung zuckt der schwache Wiederschein eines heiteren Lächelns über ihr Gesicht, dann blickt sie lange in das knisternde Spiel der Flammen hinein. Ihre Augen nehmen einen Ausdruck an, der ihnen jetzt oft eigen ist, als fürchteten sie sich vor etwas, als müßte es bald dunkel werden und ein Schatten die Sonne verbergen. Es ist jetzt November und die trübste, trostloseste Zeit des Jahres. Die alten Leute fühlen es kaum, ihre beiden Sonnenstrahlen bringen Licht und Wärme in den dunkelsten Tag und machen ihr Leben reich und schön. Eines Nachmittags, als sie beide allein sind — Nita und Harald benutzen den ersten Schnee zu einer Schlitten fahrt nach Buchenheide, — wird die große Posttasche ge bracht, sie enthält neben den Zeitungen nur einen einzigen Brief, der Rottacks Handschrift trägt. Der General wundert sich, als er die vier engbeschriebenen Seiten sieht und stößt schon beim Lesen der ersten Zeilen einen Ruf des höchsten Erstaunens aus, dann liest er seiner Frau in großer Hast folgendes vor. „Mein lieber Onkel! Dieser Brief wird Dir sagen, daß vieles in meinem Leben sich ändern muß. Ich kenne jetzt den Grund, der mich von meiner geliebten Benita trennte, er existiert nicht mehr, ihr unglücklicher Vater ist vor mehreren Wochen gestorben, und ich weiß alles, was sie mir in ihrem Edel mut verschwieg. Ich achte und liebe sie jetzt erst recht und werde nicht von ihr lassen, sondern ihr mein ganzes Leben hindurch in Treue ergeben bleiben, das sage „meiner Braut"; denn ich habe nie aufgehört, sie in meinem Herzen als solche anzusehen. Doch nun laß Dir erzählen, lieber Onkel, wie ich er fahren habe, was auch Du mir nicht sagen durftest, weil Dich Dein Ehrenwort band. Mein Freund, Baron Hans Olfers, der mit mir die Exkursion nach Palästina plante, kam hier vor drei Tagen an, und wir freuten uns nicht wenig auf diese gemeinschaftliche Tour und berieten uns darüber. Dann ging das Gespräch auf die Heimat über; mit einem Male rief Hans in seiner lebhaften Art: „Du, Arved, heißen die Pflegekinder Deines Onkels Staniß von St. Albain?" Ich bejahte verwundert. „Benita und Harald, nicht wahr?" fuhr er fort. „Ja, aber weshalb fragst Du mich?" versetzte ich, ihn anschauend. „Dann ist es ihr Vater, den ich in Newyork gesehen habe. Ein heruntergekommener Trunkenbold, der vor sechs Wochen dort gestorben ist. Er lag im höchsten Stadium des Delirium tremens in einer elenden Taverne. Als ich ihn dort sah und man mir sagte, er sei ein Deutscher, sorgte ich so gut es ging, für den armen Teufel, der trotz allem in seinem Aeußeren noch Spuren einstiger Vornehmheit be wahrt hatte. In seinen lichten Momenten nannte er mir seinen Namen und schien sich zu freuen, wenn ich an seinem Lager saß. Oft raste er und sein trauriger Zustand nahm schnell überhand; er nannte oft in seinen wirren Reden den Namen Benita und Harald, zuweilen rief er nach seiner Frau die Elsa geheißen haben muß. Als ich ihn eines Tages besuchte, bat er mich, ganz nahe zu kommen, er habe mir etwas einzugestehen, ehe er sterbe, es lasse ihm schon lange keine Ruhe." „Nur Nita weiß es," raunte er mir zu. Und er sagte mir, er habe eine Feuerversicherungskasse um 900 Mark bestohlen, um damit auswaudern zu können. „Ich dachte, hier reich zu werden und bald alles wieder zu erstatten. Ich hatte gute Aussichten und einen famosen Plan, der mich steinreich gemacht hätte; aber sehen Sie, ich habe immer Pech gehabt und muß nun elend untergehen. Aber Nita und General Staniß werden das geliehene Geld bezahlt haben, ich habe an beide deshalb geschrieben, ehe ich abreiste." Ein zweites Mal sagte er mit erlöschender Stimme: „Nita war stets ein gutes Kind, glauben Sie, daß sie mir verziehen hat. Ich habe ihr viel Schande und Kummer bereitet." Als ich nach einer Abwesenheit von zwei Wochen wiederkam, sagte man mir, er sei gestorben." Onkel, ich habe meinem Freunde gestanden, daß ich die Tochter St. Albams liebe und selbstverständlich wird er das Andenken des Unglücklichen durch das tiefste Schweigen schonen. Sage Benita, daß ich sie noch inniger liebe, daß ich mir bald das „Ja" holen werde, welches sie mir aus Zartgefühl nicht geben konnte. Ich käme ja am liebsten statt dieses Briefes selbst, aber ich denke, sie muß erst einige Zeit allein sein; — denn Onkel, es war immerhin ihr Vater, der ge storben ist. Grüße Tante, Harald und meine geliebte Braut von Deinem glücklichen Neffen Kairo, im November. Arved von Rottack." „Was sagst Du nun, Mary?" fragt der General mit lauter froher Stimme, als er den Brief gelesen. „Ich bin froh, daß ich ernstlich daran denke, Dir einen Fandango vorzutanzen, wäre ich schon ganz fix auf dem kranken Fuß." „Aber, Willy, es war doch ihr Vater, wie Arved so richtig zum Schluß bemerkt," wirft seine Frau vorwurfs voll ein. „Ach ja, Du hast recht, man darf es ihr nicht zeigen, wie vergnügt man ist," meint er, etwas verlegen sich die Stirn reibend. Als sie mit ihrem Liebling allein sind, erzählen sie ihr von dem Brief und legen die treuen Elternarme um ihr geliebtes Kind. „Darf Arved nun kommen, Nixe?" fragt der alte Herr ungeduldig. Sie schüttelt leise den Kopf. „Noch nicht, Onkel, ich nmß die erste Zeit allein bleiben, um — um alles mit mir selbst abzumachen; denn vergiß nicht, ich war sein Kind!" „Was soll ich dem armen Jungen schreiben?" fragt der General etwas verstimmt. Sie versteckt ihr süßes, errötendes Gesicht an ihres Pflegevaters Brust. „Schreibe ihm, Onkel, daß ich ihn grüßen lasse und — und — daß ich ihn sehr lieb habe!" —. Der Freiherr richtet diesen Auftrag gewissenhaft aus und erzählt seinem Neffen genau die ganze Angelegenheit, Benitas Benehmen dabei in das hellste Licht stellend. „Du kannst es mir danken," schließt der länge Brief, „wenn sie ihr herrliches Haar behalten hat, das ich in Zukunft Dir abtreten muß." Rottacks nächster Brief ist au seine Braut adressiert, und sie eilt mit ihrem Schatz auf ihr stilles Zimmer und bleibt dort lange allein. Sie steht wieder vor dem Bilde ihrer Mutter und sagt es ihr, wie glückselig sie ist, und wie die graue Farbe ihr nun nie mehr etwas zuleide tun kann, wie alles Trübe schwand vor dem Glück ihrer jungen Liebe. Die weiche, dicke Schneedecke hüllt Wald und Feld ein es friert tüchtig und ist ein echtes Christfestwetter; denn das schönste Fest des Jahres rückt heran. Benita ist es zu Mut, als müßte sie die ganze Welt umarmen und erfreuen, ihr Gesicht ist von einer stillen, tiefinnerlichen Seligkeit verklärt. — Aber auch in den ehrlichen, lebhaften Zügen des Generals blitzt es heute fröhlich auf und Tantes feines Antlitz, ihre dunklen Augen sehen sehr heiter aus; sie hat fortwährend heimlich etwas mit ihrem Mann zu flüstern, wobei der alte Herr sich kichernd und zufrieden die Hände reibt. Harald ist voll kindlicher Erwartung und Ungeduld, er plagt alle Welt mit Fragen und Vermutungen. Seine Unruhe erreicht den Höhepunkt, als beide Geschwister aus dem Saale verbannt werden, weil dort für sie ausgebaut wird. Nita muß ihm alle Weihnachtsmärchen, die sie kennt, erzählen. Endlich klingelt es und die hohen Flügeltüren öffnen sich, ein Helles Strahlenmeer ruft sie hinein, der Knabe stürmt jubelnd ins Zimmer, seine Schwester folgt ihm. Da tritt eine schlanke Männergestalt aus iie zu, zwei dunkle, leuchtende Augen prüfen sie voll innigster Liebe, zwei Arme breiten sich