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Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebcnlchn nud die Umgegenden. Wmtsökatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei mal, Dienstags u. Freitags und kostet Pro Quartal 1 Mark.— Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittags 12 Uhr ^7 73. Dienstag, t 9. September 1876. TagcSgeschichtc. Wilsdruff, 18. September 1876. Unser Kirmesfest ist mit gestern beendet worden und steht für künftigen Sonntag nun noch die kleine Kirmes (sogen. Nassel- bude) zu erwarten. Trotzdem, daß die Witterung rauh und regnerisch war, hatte sich doch ein bedeutender Zuzug von Fremden eingefnnden, insbesondere schickte unsere Nachbarstadt Meißen eine größere Zahl schmucker Turner. Eingeleitet wurde das Fest am Sonnabend Abend durch Zapfen streich — diesmal zweichörig ausgeführt — und Morgens darauf mit Neveille, worauf des Nachmittags der Festzng zur Schicßwiese er folgte. Hier waren zwei Caroussels zur Belustigung kleiner und großer Kinder, sowie verschiedene Verkauf- und Würselbudcn, ein Panorama, einige Mordgeschichtcnbilder, sowie ein Bolzenbüchsenschieß- stand ausgestellt. Auch konnte Jeder seine Kraft mittelst großen Schlägels messen, indem eine Säule die Größe der Kraft durch Zeiger angab. Rühmend ist zu gedenken, daß auch in diesem Jahre Zucht und Sitte gehandhabt wurde und Ausbrüche rohen Benehmens nirgends vor kamen. — Wenn in unsrer Zeit materieller Bestrebungen und kirchlichen Jndifferentismus hie und La eine Gemeinde die alte Treue und Liebe gegen ihr Gotteshaus in der Weise bezeugt, wie dies unsre Nachbargemeinde Tanneberg in den letzten Tagen bewiesen, so gleicht dies den leuchtenden Strahlen der untergehenden Abendsonne, wie nun diese sich wieder in den gegenüberliegenden Fenstern fast blendend abspiegcln, so möge auch die nachfolgend beschriebene Fest- feier Tannebergs nicht ohne folgcbringenden Einfluß auf Andere bleiben! An vergangener Mittwoch, als dem Tage Ler Glockenweihe und des Erntedankfestes, Vormittags gegen 10 Uhr versammelten sich sämmtliche Glieder der Gemeinde Tanneberg mit der durch Fahnen Und Kränze geschmückten Schuljugend auf ihrem Pfarrhofe, um von da aus den neuen Zeugen und Verkündigern der Ehre Gottes bis an die Triebischbrücke in Neu-Tannebcrg wübdiglich entgegenzuziehen. Ein prächtiger Anblick! Auf der einen Seite den imposanten Fest zug und auf der anderen Seite vom Berge herab den festlich mit Maien geschmückten und bekränzten Glockenwagcn, bespannt mit den, nach dem Ausspruch eines lieben Gastes beim Festmahle, „ihm un vergeßlichen 4 weißen Pferden mit rothen Schwänzen" des Herrn Rittcrgutspachter Obendorfer. An der Brücke unter der ersten Ehrenpforte begrüßte sie, nach dem Gesänge eines Liedes unter Leitung des um die vortreffliche Anordnung des Festes besonders verdienten Cantors, Herrn Löser, U. Kranichfeld in wahrhaft begeisternder Nede, während 6 weißgekleidete Ehrenjungfrauen die Glocken mit Guirlanden zierten. Nach dem Gesänge eines entsprechenden Verses bewegte sich der Zug nun ans dem von 6 Ehrenpforten geschmückten Wege nach dem Kirchhofe, woselbst sich Theilnehmer und auswärtige Zuschauer weit über 1000 einfanden. Hier begann nun in unmittel barer Nähe der durch die Herren Baumeister Anders und Gierth in wirklich solider Weise äußerlich und innerlich sehr schön restaurirtcn Kirche der eigentliche Weiheact, von Herrn ?. Heymann aus Nau stadt in einer Weise vollzogen, die Aller Herzen tiesinnigst ergriff, denn seine Rede war gewaltig und schön. Einen vortrefflich lieblichen Emdruck machte es, als nach Schluß der Glockenweihe die Ehren- fungtrauem und bestellten Pathen der alten und neuen Glocken, Lie ^"ks^bn Auguste Lindner, Mathilde Sparmann, Selma Bret- fchnelder, Anna Andrä und Anna Merker, eine jede mit einem der schmückw" Worte handauflegend, ihre Glocke mit einem Kranze a. GloSe). „Jahrhunderte hat deine Stimme ver- kundet den Willen des himmlischen Vaters. Werde im Feuer verjüngt em Werkzeug zur Ehre des Herrn!" b. (Alte kleine Glocke): „Auch das Kleine vermag oft Großes zu wirken, dies bewies ja oft dein bescheidener Ton. Nimm drum das Opfer des Dankes und werde durch Flammen verneut, tönender Zeuge der Ehre des ewigen Gottes!" Die neuen Glocken: a. (Die große): „Tönend erschalle dein Nus zum Herzen der Menschen, daß du sie rufest zum Heiligthum des Herrn!" b. (Die mittle): „Deine Stimme erwecke die Gemeinde zum Ge bete und leite ihre Seelen zu dem, von welche malle Hilfe kommt!" o. (Die kleine): „Klein von Gestalt sei Du der kleinen Führer zum Hause des Herrn, zu werden ein König im Reiche des himmlischen Königs!" Nach dem vortrefflichen, alle Herzen aufs innigste erhebenden Gesänge Seiten der bereitwilligst herbeigekommcnen benachbarten Herren Lehrer und einem von sämmtlichcn Anwesenden gesungenen Schlußliede begann das Aufziehen der neuen Glocken, was in kurzer Zeit ohne Störnug beendigt wurde. Nachdem sich die Theilnehmer zu Hause auch leiblich gestärkt, versammelten sie sich Nachmittags V22 Uhr wiederum auf dem Kirchhofe. Nach trefflichen von innerer Begeistrung getragenen Worten des Herrn ?. Kranichfeld begann das Läuten der vom Herrn Glockengießermeister Große in Dresden gegossenen Glocken, die unter dem Gesänge des Verses: „Allein Gott in der Höh' sei Ehr" von diesem lieblichen Zion herab ihre gewaltige Stimme ertönen ließen. Während des Läutens zog nun Alles in die auch im Innern wahrhaft überraschend mit Blumen geschmückte Kirche, wo nunmehr der Erntcdankgottcsdienst seinen An fang nahm. Nachdem Herr U. Crusius in vorzüglich durchdachten Predigt die drei auf den neuen Glocken befindlichen Schriftworte: Ehre sei Gott rc. — Eins ist noth! — Lasset die Kindlein rc. — in beredter Weise behandelt und Herr U. Kranichfeld vom Altar aus in einer gewaltig zündenden Weise der Renovation des Gottes hauses gedachte — endigte der durch herrlichen Männergesang: „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre" wiederum gezierte Gottesdienst. Der Schluß des durch das spruchwörtlich gewordene prächtige „Kaiserwetter" auch äußerlich verherrlichten Festes bildete dann mit nachfolgendem Lall ein solennes Festmahl, gewürzt mit finnigen Toasten, von denen nur der dem Glockenmeister gewidmete hierbei Erwähnung finden soll: „Wenn tvir uns heule hier zusammenfindcn, So fragen sicher wir: Wer half uns gründen Das Werk, das wir nunmehr in Gott gethan? In Einem stimmen wir gewiß zusammen: Wer solche Schönheit schuf aus Feuersflammcn, Das ist gewiß mit Recht ein großer Mann. Groß ist sein Werk, daß wir uns fortan freuen, Groß ist sein Ruhm, drum laßt uns ehrend weihen Ein jubelnd Hoch dem wahrhaft großen Mann; Herr Große lebe hoch, stoßt wacker an! — Wenn wir erfahren, daß unsre liebe Nachbargemeinde Tanne berg, außer den durch „freiwillige" Gabenbeschaffenendrei neuen Glocken auch noch die Kirche, Schule und Pfarre renovirt und ihr Zion zu einem lieblichen Bilde umgewandelt hat, so muß man wirklich eine so große Opferwilligkeit rühmend anerkennen und die Gefühle eines der Herren Redner beim Festmahle theilcn, welcher in seinem Toaste den Wunsch aussprach, daß dieses factum auch in andren Gemeinden „rumoren" möge. Ueber den Aufenthalt des Kaisers in Sachsen spricht sich die heutige „Prov.-Corr." folgendermaßen aus: Durch die diesjährigen großen Herbstübungen des deutschen Heeres ist Kaiser Wilhelm zu einem kurzen Aufenthalt im Königreich Sachsen veranlaßt worden. Ueberall im Nachbarlande, wo der Monarch sich zeigte, ward er von dem begeisterten Jubel Ler Bevölkerung der Bevölkerung begrüßt, und namentlich in Leipzig, wo er etwa zweimal 24 Stunden verweilte,