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Feuilleton. Zu spät. , Novelle von Eduard Volger. Der Morgen deS zweiten September- 1880 brach an. Im feurigen Glanze strahlte die Sonne vom tief blauen Himmel herab und vergoldete wen hin Feld und Flur, Wälder und Berge; Milliarden von Lhautropfen blitzen gleich schimmernden Perlen in den Kelchen der Blumen und über dem auf und nieder wogenden, gold- gefärbten Korn stieg schmetternd und jubilirend die Lerche zum Aether empor. Es war ein Morgen, so herrlich und duftig, wie wir ihn seit langer Zeit nicht gekannt hatten; fortge- weht waren endlich die seit Wochen über den Bergen hängenden düsteren Wolken, die Tag für Tag endlose Regrnfluthen nieder sandten, so daß an daS Einbringen der Einte nicht zu denken war. Wir waren zwar hier oben in den Bergen daran gewöhnt, selbst bei normalen Witterung-Verhältnissen, den Erntesezen erst im August einzuheimsm, also dann, wenn Niederungen längst die Necker umgepflügt hatten, , aber so spät, wie dieses Mal, war man doch seit langer, langer Zeit nicht dazu gekommen, die Scheuern zu füllen, War eS daher ein Wunder, daß heute, al» kaum der junge Tag graute, Knechte und Mägde auf die Felder eilten, heute, an einem Tage, der seit nun zehn Jahren al» ein frohe», fröhliche« Volksfest von Alt und Jung gefeiert wird? — Wer konnte e» wissen, wie lange de» Himmel» Schleusen verschlossen blieben, man ! mußte demnach eilen, jeden Sonnenstrahl benutzen, um einzuheimsen, wa» trocken war. Doch wenn auch in harter Arbeit, so dachten doch die Hunderte und Tausende kräfliger Männer, die jetzt die Sensen zwischen den Aehren schwangen, sicherlich de» Tage» vor zehn Jahren, wo ein noch gewaltigerer Schnitter, der Lob, auf den Gtfilden SedanS seine blutige Ernte hielt. Und als nun vom nahen Dorfe der Klang der Glocken zur Ehre und Feier de» Lage» ertönte, weit, weit hinaus in da» Land ihre ehernen Zungen ertönten, da rastete man wohl einen Augenblick in der Arbeit und ein stille» Gebet für die in fremder Erde gebetteten Lieben stieg zum Throne de» Allmächtigen empor. Ja, Sedantag war e» beute — Sedar fest! Jede» Hau» im Dorfe war mit Blumen und Kränzen geschmückt und auf dem Dachfirst wehte die deutsche Flagge im Morgenwinde. Mit dem Klange der Glocken mischte sich der Donner der Böller vom nahen Schlosse; im Fest- tagSkleide, geschmückt mit den dreifarbigen Schärpen, zog die Schuljugend hinaus nach der SirgeSeiche, und die kindlich Hellen Stimmen intonirten da» herrliche Lied mit dem Hunderttausende von deutschen Kriegern in die Schlacht gezogen: Die Wacht am Rhein Längst waren die feierlichen K'änge der Glocken verhallt, die öffentliche Feier war vorüber und AlleS ging seiner gewohnten Beschäftigung nach — aber noch immer stand dort oben auf dem Vorbau deS Forsthau- se» ein Mann und blickte hinab auf daS geschmückte Dorf, auf die hochaufstrebende, eingezäunte Eiche, auf die im Winde flatternden Fahnen, bl- dann sein Blick seitwärts auf dem nahen Fr>edhofe — auf einem weißen, einfachen Kreuz haften blieb. „Holla!" rief ihm da ein breitschulteriger Mann zu, der, unbemerkt von dem Alten, in die Lhüre del Vorbaues getreten war und seinen Blick mit liebevoller Lheilnahme auf ihm haften ließ. „Holla! Oheims Schon wieder einmal mit den Gedanken dort unten?" Damit deutete er mit der Spitze seiner kurzen Pfeife nach dem Friedhöfe und trat an die Seite deS Alten, ihm die Hand auf die Schulter legend. „Hast du mir nicht versprochen, daß zu vermeiden? He?" setzte er dann mit einem treuherzigen Blick in die umflorter* Augen deS Alten hinzu. „Ja ja, Wolfgang — da» habe ich wohl, jedoch heute — heute, da —" „Nun, da ist Sedantag," fiel der junge Förster ein, dem Alten beide Hände schüttelnd, „Grund genug als«^ froh und fröhlich in die Welt zu blicken. Haben wir doch vor zehn Jahren den Herren Franzosen die P^ze dermaßen auSgetlopft, daß ihnen vor der Hand noch die Lust vergehen dürfte, wieder zu kommen." „Nun, daß du tüchtig mit geklopft hast, Wolfgang/ sagte der Alte, indem ein Strahl der Freude au» seinen Augen brach, „daS weiß ich wohl und davon zeugt auch da» Kreuz aus deiner Brust — ein Bredow ist nie unter den Letzten." „Nirmal»! Da» weiß Gott, so soll e» bleiben! Du, Ohm, hast dir da» Kreuz 1813 geholt, ich bei Sedan und kommen die Herren von jenseit» der Rhein grenze einmal wieder, so holt e» sich, so Gott will mein Sohn. Muth ist genug in der Familie, denke ich." „Ja — Muth genug, aber auch viel Unglück," entgegnete der Alte leise, indem sich sein Blick sinnend PolWche Wettschau. Deutsches Reich. Eine neue goldene Ver heißung wird jetzt fast unmittelbar vor den Wahlen in Lem freiwilligen Organ de» deutschen Reichskanzler», der „Nordd. Allg. Ztg.", angekündigt und nicht wenig dazu blitragen, Len Anwälten der neuen Finanzreform Anhänger zu erwerben. „Dem Vernehmen nach", schreibt taö genannte Blatt, ist e» richtig, daß eine Erhöhung der Beamtengehalte, auch der Subaltern- und Unter- beamten, in Aussicht genommen ist. Den Anlaß dazu giebt die jüngst erfolgte Erhöhung der Gehalte der Richter und unteren Justizbeamten. Man erinnert sich, daß seinerzeit entsprechende Anträge für die Verwal- tungSbeamten nur mit Rücksicht auf die Kürze der Zeit vorläufig zurückgestlllt wurden, jedoch mit dem ausdrück lichen Vorbehalt, zu angemessener Zeit darauf zurück zukommen. Jetzt ist die Frage im Zusammenhänge mit der Finanzreform wieder ausgenommen worden und eS wird sich zunächst darum handeln, diese auch im Hin blick auf die Erhöhung der Beamtengehalte wieder in Fluß zu bringen. In dem nächstjährigen Etat wird jedoch die Erhöhung eben darum noch nicht erscheinen, weil die Finanzreform noch nicht genug vorgerückt ist." Die damit kundgegebene Absicht ist gewiß eine sehr löbliche, aber dir Beschaffung der zu dieser Gehalts erhöhung erforderlichen riesigen Mittel dürfte bei der jetzigen Finanzlage auf große Schwierigkeiten stoßen. Für die nützliche Verwendung der Erträge der indirekten Steuern ist damit, nach den zur Versorgung der Arbeiter ausgearbeiteten ungeheuren Plänen, abermals ein neue» an sich recht erfreuliche» Projekt zu Gunsten der Beam ten da, aber wäre es nicht besser, vorher für die Mittel zu sorgen und dann erst über deren Verwendung zu be- rathen? ES kann doch der Finanzreform kaum nützlich sein, wenn dieselbe nur dadurch zu Stande kommt, daß man im Voraus den verschiedensten Gesellschaftsklassen Anweisungen auf später erfolgende Erträge ertheilt. Um die Stellung, welche Herr Hobrecht als preußi scher Finanzminister zu der Frage des LabakSmonopolS eingenommen hat, zu kennzeichnen, veröffentlichte die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" einen AuSzug auS dem Protokoll deS Staatsministeriums vom 24. Juni 1879. Jetzt erklären nun fast lämmtliche liberale Or gane, die Untersuchung, ob Hobrecht vor seinen Wäh lern in Marienwerder und im StaatSministerium genau dasselbe gesagt habe, sei lange nicht so wichtig, als die Frage, mit welchem Rechte jetzt der erwähnte Protokoll auszug veröffentlicht worden sei. Von einem StaatS- interesse könne dabei nicht die Rede sein, wo eS sich um nicht« Anderes handle al- um die Herabsetzung ein«- zur Opposition übergegangrnen ErministerS. Der ZweS der Veröffentlichung sei um so problematischer, da eine MeinungSänderung, sogar falls sie Herrn Hobrecht nachgewiesen wäre, ihm doch nach der Meinung der un bedingten Anhänger deS Fürsten Bismarck keine-wegS zur Unehre gereichen könnte — er hätte eben „etwas zugelernt". Der Exminister Hobrecht vertheidigte sich in einem Schreiben, welches er an die „Nationallib. Korresp." richtete, ziemlich energisch gegen den ihm ge machten Vorwurf der Zweirüngigkeit. Thatsächlich hat er stets nur daS Labakömonopol als unvermeidlich hin gestellt, wenn sich die Volksvertretung einer hohen Labaks - GewichtSsteuer widersetzen sollte. Die Sache wäre an und für sich von nur geringer Bedeutung, wenn nicht daS gegen den ehemaligen Kinanzministrr eingeschlagene V.»fahren ein neues Zeugniß dafür ab legte, welche Schärfe die Wahlbewegung angenommen hat und wie wenig die jetzt zur Opposition zählenden Staatsmänner der früheren Epoche auf Schonung rechnen dürfen. Am Montag war der deutsche Kaiser durch Heiser keit an daS Zimmer gefesselt. Die Abreise von Baden- Baden ist vorläufig auf den 20. Oktober geplant. Die Kaiserin bleibt daselbst noch biS zum 7. November. — Zur Feier deS Geburtstages deS deutschen Kronprinzen war die Familientafel am Dienstag Nachmittag bei dem Prinzen und der Prinzessin Wilhelm von Preußen im Schlosse auf der Pfaueninsel zu Potsdam. Zu der großen Ballfestlichkeit, welche am Abend im Neuen Palais bei den kronprinzlichen Herrschaften stattfand, waren 300 Einladungen ergangen und zwar an die zur Zeit anwesenden Mitglieder der königlichen Familie nebst Gefolge, an die in Berlin weilenden Fürstlich- keilen, die aktiven StaatSminister, an Mitglieder deS diplomatischen Korps und an andere hochgestellte Civil- und Militärpersonen auS Berlin und Potsdam. — In den nächsten Tagen empfängt der deutsche Reichs kanzler in Varzin eine Deputation von Berliner Arbeitern, welche ihm eine Adresse überbringen wollen. Der Empfang sollte erst in Berlin vor sich gehen, da aber Fürst Btsmarck seine Rückkehr nach dort bis zum 10. November verschoben hat, ist die Deputation nach Varzin abgereist. — Es erregt große Verwunde, rung, Laß sich Lie definitive Besetzung des auswärtigen AmteS immer noch verzögert. Einzelne Stimmen behaup ten deshalb, daß sich an einflußreicher Stelle wieder «ine Strömung gegen den Grafen Hatzfeld bemerkbar mache. Zu den neuen Organisationen in der preußischen und der Reichkverwaltung, welche vorbereitet werden, soll in erster Linie die Bildung eines sp ciellen Eisenbahn- Ministeriums und die Abzweigung einer industriell tech nischen Abtheilung gehören. Es wird indeß angenom men, daß dieser Plan erst dann zur Ausfühlung gelangt, wenn daS System der Verstaatlichung der Eisenbahnen in noch weiterem Umfange, al» bisher, durchgeführt sein wird. Die ebenfalls beabsichtigte Trennung von Eisenbahn- und Wasserbauwesen mag zur Hebung de» preußischen Verkehr» durch den daraus entstehenden Wett streit beitragen. Jedenfalls macht der Plan, ein eigene» Eisenbahnministerium zu gründen, den Eindruck, al» wäre der Moment nicht fern, wo ein neuer heftiger Angriff auf die Selbstständigkeit der elnzelstaatlichen Eisenbahn- nitze und die Wiederau-grabung de» Reich-eisenbahn- Projekte» erfolgt. AuS Thüringen wird der „Magdeburger Ztg." ge schrieben: „Der im ersten Meininger Wahlkreise von den Liberalen zur Wiederwahl empfohlene Laadrath Or. Baumbach erzählte dieser Lage, daß er vor Kurzem auf dem Brenner mit den früheren Ministern Camp hausen und Delbrück zufammengetroffen fei. Herr Del brück habe ihn (Baumbach) im Laufe deS Gespräch- gefragt: „Nun, Ihre Wiederwahl in Meiningen ist doch wohl zweifellos?" „Da- ist sie nicht, Sxcellenz", er widerte der Landrath vr. Baumbach, „die Liberaler» sind bri mir zu Haufe nicht einig!" „DaS ist eben daS Unglück", entgegnete der Erminister Delbrück, „und nicht nur in Ihrem Wahlkreise, sondern in ganz Deutschland; eher wird eS bei unS nicht besser, al» bis die Liberalen einig find!" Dem Präsidium deS bairischen Abgeordnetenhaus«» übrrsandte der KrigSminister Mailliager die Anlage zu einem Gesetzentwurf, über den Kredit für die außer ordentlichen HeereSbeLürfniffe in Form einer Forderung ! von 2,706.000 Mark zur Verbesserung der Festung Ingolstadt und empfahl die Beschaffung durch eine An leihe. — In Darmstadt konstituirte sich am Dierstag der hessische Landtag und wählte die erste Kammer den Grafen Görtz, die zweite den Abgeordneten Kugler zum ersten Präsidenten. Oefferr. Ungar. Monarchie. Der Tod hält eine reiche Ernte unter den hohen Beamten der öster- reictischen Monarchie. Kaum hatte sich da» Grab über der sterblichen Hülle de» Minister» Haymerle geschlossen, so verbreitete sich die Nachricht von dem im Theater zu Brünn am Herzschlage erfolgten plötzlichen Tode de» Statthalters von Mähren, deS früheren liberalen HandelSministerS, Baron Korb von Weidenheim und stündlich kann eine neue Trauerbotschaft, diesmal au» Plst, kommen, kenn der Lankeskommandirende von Ungarn, Baron Ekel-Heim-Gyulay, liegt dort «benfall» hoffnung-loS darnieder. Da» Parteitreiben in Oesterreich» Ungarn hat so viele» Aufregende, daß eine schwankende Gesundheit den persönlichen Angriffen nur zu leicht unterliegt. Die lieblosen Urtheile der polnischen Blätter über den verstorbenen Minister v. Haymerle und die MM 7^^- . - . 43. Jahrgang Donnerstag, den 20. Mtoßer 1881. Lnseraten- «naahmesteste»: chHed. n. Redaktion DreSben -4k«fta»t st Meiß»« Vaste 3. Dir Zeitung erscheint Dienstag, Donnerstag und konvabend früh. Lin unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrmann MüTer in Dresden Ubavnement»- Pretbr viertel,ährl.M. Zu beziehen durch die kaiserlichen Post- «nstalten und durch unsere Boten. »ei freier Lieferung ins Haus erhebt die Post noch eine Ge- bühr von 25 Psg. Die Nrnoldische Buchhandlung, Inval-dendank, HaasensteinL Bögler, Rudolf Moste, ». L. Daube t «o. in Dre-den, Leipzigs Hamburg, Berlm, Frankfurt a/M. n. s. w. äch fische DsrßnkGW