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Preis vierteljährlich 15 Ngr. Inserate werden die gespallme Zeile oder deren Raum mit 5 X , berechn«. Srscheir-t jede» Wochentag früh »Uhr. Inserate wer« hm bis Nachmittag« z Uhr siir die nächst- erscheinende Nummer angenommen. Freiberger Anzerger und Tageblatt. 178. Mittwock, de« S. August. Tagesgeschichte. Der Stadtrath zu Leipzig veröffentlicht unterm 1. August folgende Bekanntmachung und Dank: Unser am 30. Aug. 1855 verstorbener Mitbürger, Hr. Kammer- rach, Cvmthnr und Ritter rc. Christian Gottlob Fr ege hat in seinem am 6. September 1855 publicirtcn Testamente zu Nutz und Frommen unserer Stadt für gemeinnützige und milde Zwecke über haupt die Summe von 69,000 Thlrn. ausgesetzt- Zwei hierunter gehörige, erst fünf Jahre nach dem Tode des Erblassers zahlbare Kapitale von 30,000 Thlrn. und 20,000 Thlrn. habet., obschon der Stifter seine Absicht deshalb zu erkennen gegeben hat, doch mit Rück sicht daraus, daß wegen deren Verwendung dem Herrn Professor vr. Woldemar Frcgc eine maßgebende Stimme mit zusteht, die deshalb gepflogenen Verhandlungen aber »och nicht zum Abschlusse gediehen sind, ihre definitive Bestimmung noch nicht gefunden. Dagegen sind folgende, zum großen Theil ebenfalls erst später zahlbare, von den Erben aber, wie wir dankbarst anzucrkenncn haben, sehr bald nach dem Tode ihres Erblassers gezahlte, unter unsere Verwaltung gestellte Legate, als: 3000 Thlr. für das Jacobshospital, 3000 Thlr. zur Belohnung ausgezeichneter Dienstboten aus den Zinsen, 1000 Thlr. für die ThomaSschulc, 2000 Thlr. für den Theatcrpensionsfonds und 2000 Thlr. zur Beihilfe für ausgezeichnete Schüler und Schülerinnen deö Conservatoriums der Musik aus den Zinsen, der getroffenen Ver fügung gemäß angelegt worden. Wir haben unsern tiefgefühltesten Dank, unsere öffentliche Anerkennung dem Andenken des hochherzigen Stifters, der schon bei seinem Leben reiche gemeinnützige Geschenke in unsere Hand gelegt hat, für diesen auch noch über seinen Lod hinaus abgelegten Beweis treuester Liebe für seine Vaterstadt ungeachtet der über die beiden Hauptlcgate noch obwaltenden Ungewißheit doch nicht länger zurückhalten mögen. Sein Name wird in seinen Stiftungen sortleben! Leipzig, 31. Juli 1857. Der Nath der Stadt Leipzig. Leipzig, 1. Aug. Nachdem vorgestern das in dem soge nannten Peiersschießgraben befindliche Jnterimsgefängniß des hiesigen Bezirksgerichts geräumt und das darin dctinirte Per sonal in die neue Frohnveste hinter dem Gerichtshause gebracht worden, ereignete sich schon heute ein tragischer Fall mit einem Gefangenen. Der hiesige Maurergcscll Johannes Hermann Kehr, verheirathet, kinderlos und bisher noch nicht bestraft, aber in sehr mißlichen Bermögensverhältnissen befindlich, war am gestrigen Tage eines geringfügigen Diebstahls von 16 leeren Bierflaschen halber zu Arrest gebracht und heute Vormittag ver nommen worden. Als er nach der Vernehmung in die Frohn veste zurückgcbracht werden sollte, sprang er Plötzlich in einem Korridor der dritten Etage, ehe es noch der ihn begleitende Diener verhindern konnte, durch die Scheibe eines verschlossenen Fensters und stürzte sich aus dieser Höhe in einen kleinen Hof der Frohnveste herab, wo er mit zerschelltem Kopf und gebro chenen Gliedern aufgehoben ward und bald darauf verschied. Der Zeitung für Norddeutschland schreibt man von Berlin: „Die Lust und die Vortbcile hierarchischer Geltung for dern auch ihre Opfer. Wenigstens ist die höhere Geistlichkeit meist der Meinung, daß Diejenigen/ welche an der Ausübung der Hierarchie theilnehmen, dem Volke gegenüber eine höhere Menschengattung zu sein scheinen müssen. Die protestantischen Hierarchen sind zwar in Lieser Forderung nicht so streng wie die heidnischen und katholischen, aber sie treffen dennoch manchen „Amtsbruder" hart genug mit ihren Forderungen höherer Ent sagung. Das Kartenspiel, welches in früher» Zeiten die we sentlichste gesellige Vergnügung protestantischer Geistlicher bildete, ist schon seit manchem Jahre von dem Programm ihrer Freu den gestrichen; jetzt sollen sie auch sogar dem Tabak entsagen, in welchem man auch in den Zeiten der „Kernlieder", am Ende des 17. Jahrhunderts, eine Lockung des Bösen erkannte." Die Berliner Bank- und Handels-Zeitungschreibtaus Berlin vom 30. Juli: „Unsere Mittheilungcn über die Papierzoll- frage sind wir im Stande dahin'zu vervollständigen, daß es sich eine der norddeutschen Negierungen besonders angelegen sein läßt, dieselbe innerhalb der Zollvercinsconferenzen zur Ent, 1857: scheidung zu bringen; es wird diese Angelegenheit augenblicklich eifrig und eilig auf dem sogenannten Correspondenzwege betrieben." Berlin, 1. August. Die „Zeit" schreibt: Seit der Ab lösung des Sundzolls hat der Handel der Ostseehäfen, besonders aber Stettins, bedeutend zugenommen und verspricht eine noch größere Steigerung für die Zukunft. Es erscheint daher der Bau weiterer Verbindungsetsenbahnen in den Ostseeprovinzen nothwendig, um den Verkehr mit dem Binnenlande zu beleben. Unter den Eiscnbahnprojccten nimmt der Plan einer Bahn von Damm südlich nach Küstrin eine hervorragende Stelle ein, weil dadurch eine direkte Verbindung zwischen Stettin und Frankfurt a. O. hcrgcstcllt wird, indem die Strecke Küstrin-Frankfurt a. O. als ein Glied der Eisenbahn Kreuz-Frankfurt a. O. bereits im Bau begriffen ist und im October eröffnet werden soll. Die Schritte, welche bei der Staatsverwaltung in Bezug auf den Bau der bezeichneten Eisenbahn geihan sind, haben, dem Ver nehmen nach, eine zustimmende Aufnahme gefunden. Der Ostsee-Zeitung berichtet man aus Soldin vom 29. Juli: „Gestern wurde durch eine Windhose das eine Meile von hier gelegene Dorf Wuthenow fast ganz verwüstet. Ein Gewitter, welches von Nordwest heranzog, entlud sich durch zwei kalte Schläge, welche beide, der eine einen neuen massiven Stall, mit Pappe gedeckt, der andere eine große Scheune trafen. Der Sturm erfaßte die durch den Blitz schon zum Theil ver wüsteten Gebäude und zertrümmerte mit denselben noch drei an dere. Die Gewalt deS Orkans war so furchtbar, daß er große Balken über ein 40—50 Fuß hohes Gebäude, von welchem die Schornsteine und ein großer Theil des DacheS wie abgefegt wurden, 180 Schritte weit schleuderte, worauf sie noch ein Fa milienhaus zertrümmerten; sie wurden dann an dieser Stelle bis 3 Fuß tief in harten Lehmboden eingeschlagen gefunden. Auf dem Wege bis zu dem zertrümmerten Hause hatten die Balken Alles verwüstet, Dächer, Zäune, Bäume, Baumstiele rc. In der vom Blitz getroffenen und vom Sturm vernichteten Scheune waren zur Zeit 40 Menschen beim Einfahren beschäf tigt; zwar ist kein Menschenleben zu beklagen, doch waren fünf unter den Trümmern begraben; sie sind schwer verletzt in ärzt licher Behandlung, doch sind sie nicht in Lebensgefahr. 16 Personen liegen aber darnieder, theils durch die Blitze betäubt, theils vom Hagel fast unkenntlich zerschlagen. Hasen, Hühner, ja selbst Hunde sind vom Hagel erschlagen gefunden worden." Innsbruck, 30. Juli. In der Nacht vom 26. auf den 27. d. M. verließen mehrere italienische Eisenbahnarbeiter, welche in einem Kaffeehause zu Neumarkt bei Botzen gezecht hatten, dasselbe mit der Drohung, den ersten ihnen begegnenden Deutschen „kalt zu machen". Der dortige Bezirksamtsdiener fiel als das Opfer dieser Drohung unter den Messern Ler wüthcnden Rotte. Noch vier Personen, die den Italienern später in den Weg kamen, erhielten schwere Verletzungen. Gen darmerie, Finanzwache und Feldhüter mußten requirirt werden, um dieser wohl von Streit und Spirituosen erhitzten Wüthenden Meister zu werden. Bet zwanzig der Gravirtesten wurden verhaftet. Die gerichtliche Voruntersuchung hat bereits begonnen und diese gefährlichen Individuen werden ihrem verdienten Schick sal nicht entgehen. Osnabrück, 28. Juli. Das hiesige Publicum wartet mit Spannung auf eine ganz nahe bevorstehende Verhandlung vor dem hiesigen Obergericht in Angelegenheiten des Consistorial- raths Münchmeyer zu Buer und seines vielbesprochenen Schulgesangbuchs. Dieser Herr hat einen Bauer zu Marken dorf, welcher sich als Gegner des Gesangbuchs gcrirte, mit einem Titel belegt, der demselben mißfiel; man sagt, er soll ihn einen „Nebellen"genannt haben. Der Bauer klagte beim nächsten Ge richt, und Hr. Münchmeyer wurde zur Abbitte und in die Kosten vcrurtheilt, weigerte sich aber Folge zu leisten, weil solches seiner Autorität schaden würde, worin er allerdings Recht haben mag, und legte deshalb Berufung ein. Nun wird daS Obergericht entscheiden müssen.