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m. I«. M»szehnter AchrMMO. Dieastfi-, »y, U. W«i iRik ^rscheinl: «glich srlih 7 ly,- Anserate wer»«« «n-eno,»me«r »irAbrndsü.Esnn« tag« bi, Mittag» 1L Uhr: MarirnstraSe tS. >u»eig. in dies vl«tte Puten rin« ersolgreich« Lerbreitung. »ustagr; VMV Exemplare. Mitredacteur: Theodor Drobtsch. Dn«ck m;d Eigenkhum der Herausgeber: Litpslh Neilhnrdt. — Verantwortlicher Redakteur: IlllivS Ntilhardt. Zvonnement: Vierteljährlich 20 Ngv »ei ««eutgeldlicherkiv. frrung io'« Hau». Durch die LSuigl. Pest «ierteljahrl. 22'rNgr Einzelne Nu««a» l N-r. Anseratenpreis«: Fiir de« Raum emek gespaltene« Zelle: 1 Ngr. Unter „Eingesandt", die Zell, L R-r. Dresden, den 31. Mai. — bc. Maj. der König hat dem Schriftenverglcicher Adolf Henze in Neuschöncfeld bei Leipzig das Prädikat als „Commissionsrath" beigelegt, und dem Vorstande des Gerichts amts Arigustuüburg Gerichtsamtmann Otto Theodor Meusel die wegen erfolgter Anstellung im auswärtigen Dienste erbe tene Entlastung aus seiner Stelle und dem Staatsdienste be willigt. Berliner Briefe. (Schluß). Ausgelitten, ausgermrgen! Ter Reichstag bot am Montag viel Aehnlichkeit mit dem An blick eines Schwurgerichtshof. Einer der interessantesten Recht fälle (Beibehaltung oder Abschaffung der Todesstrafe), die Ge- sihwornenbank, (will sagen die Reihen der Abgeordneten) dicht besetzt, Graf Bismarck als Staatsanwalt auf Tod plaidirend, der Bundrsrath das Richtercollegium darstellend und auf den Tribünen eine dichtgeschaarte Menschenmenge, welche unbeweg lich feststand, wahrend des Urtheilspruchs eure beispiellose Stille beobachtete und nachdem der harte Spruch gefallen, mit den Ausrufen der verschiedensten Art rasch sich zerstreute. Bereits am Morgen, v r Beginn der Verhandlungen, hatten die Al- gcbraisten des Reichstags ausgerechnet, daß 6—10 Stimmen Mehrheit sich für die Todesstrafe aussprechen würden und eS war die einzige Sorge blos die, daß alle, die eine schwarze Kit zel abzugeben gelobt hatten, auch erschienen. Andererseits hat ten die Gegner der Todesstrafe ihren vollständigen.Heerbann aufgebotcn und ihrer Niederlage zivar gewiß, sandten sie doch zu Denen, die zu erscheinen zögerten, Voten der Beschleunigung. Kann sich doch, obwohl inan weiß, ivie es vorherkommen wird, ein Zwischenfall ereignen, der den Gegnern den sichergeglaubtcn Sieg im letzten Augenblick aus den Händen reißt! Und wirk lich schien es einen Augenblick so, als sollte der beredte Mund des katholischen Propstes Künzer aus Breslau eiir Fähnlein Uneiüschiedener herübergeleiten zu den Gegnern der Todes strafe. Und noch bedenklicher stand die Sache der Todesstraf- sokdaten, als der Zufall den Herrn von Wedemaycr auf die Tribüne führte, welcher mit so hinterpommerschen Gründen für die Erhaltung des Schaffotö als eines der nothwcndigsten Erzichungsinstitute des Volks sprach, daß er in diesen ernstesten aller Fragen unter lautem Gelächter von der Tribüne stieg. Doch zu nachhaltig hatte die Rede Bismarcks gewirkt, zu fest hielt Blut, dieser ganz besondere Saft, die Mehrheit zusammen- gckittct, als daß selbst das Ungeschick des Herrn von Wede- mcyer eine fesibeschlosscne Sache hätte »Mündern können. Als der Schriftführer des Reichstags, Cornely, die D'büne bestieg, um die Abgeordneten alphabetarisch aufturufcn und der Prä sident verkündigte: der Namensaufruf beginnt mit dem Buch staben W! Da wurde es gchcimnißvoll still im Saal, Nie mand rührte sich von seiner Stelle, die Bedeutung des feier lichen Augenblicks lag sichtlich der Versammlung aufgedrückt. Doch bald kräuseln sich die Wogen; die Linke begleitet die Stimmabgabe einzelner Abgeordneten mit kritischen Bemer kungen. Wenn Jemand, den man unter dem schwarzen Ban ner des Todes zu sehen erwartet hatte, sich unter die lich tere Fahne der Humanität stellte, wie Herr von Venningsen, von Unrug — Magdeburg, I>r Braun — Wiesbaden, da ging ein Flüstern des Dankes durch den Saal; wenn ein Liberaler umgedrcht und unversehens sich für den Tod des Sünders erklärte, da zuckte es, halb schmerzlich, halb höhnisch durch die Menge. Es wird I)r. Blum aus Sachsen ausgerufcn. Bis her hatten alle Sachsen (und cs waren wie seit Jahren nicht erlebt von 23 Vertretern 21 erschienen, während Finsterlings Mandat erledigt nnd .Herr von Salza lrank ist), mochten sie einer Richtung airgehören, welcher immer auch, sich gegen die Todesstrafe erklärt, da rief Blum kräftig: Ja! Die Grafen und Barone der Rechten drehten sich verwundert und ungläubig um, die Liberalen stutzten und von der Linken erscholl ein viel stimmiges Pfui! Pfui! Pfui! Herr Cornely mußte im Namensaufruf innehalten, der Präsident verbot ernst lich solch« Beeinträchtigung der Freiheit der Stimmabgabe und die Junker der Rechten jubelten dem Präsidenten, der, wie seine Pflicht geboten, eingcgriffcn und damit ihren neuen Freund in dem vernichtenden Unheil, das über ihn verhängt war, wenigstens einigermaßen getröstet hatte, einen stürmischen Dank zu. Ich kann unmöglich die herben Worte wiedergcben, mit welchen VlumS Stimmabgabe ganz ungenirt nachher von seinen College» besprochen wurde. Es müßten mindestens einige Tausend Thaler Strafe für Beleidigung er kannt werden, wenn Blum diese Worte gehört und zur Anzeige gebracht Hütte. Immer kamen sie aber aus den Gedanken „der Sohn eines Hingerichteten" zurück und auf den Schwur Hans Blums, den Tod seines Vaters an den Fürsten rächen zu wollen. Kann man sich auch einen größeren Gegensatz denken, als wenn der Rächer in spo schließlich den Tod festsctzt für den versuchten Fürstenmord? — Sobald nun constatirt wurde, daß mit 217 gegen 119 Stimmen die so feierlich abgeschaffte Todesstrafe wieder eingeführt worden war, löste sich die Ord nung des Hauses. Wer kann auch nach solchem Spruche noch Sinn und Andacht für untergeordnete, juristische Fragen be sitzen? Am Abend reisten eine Menge Abgeordneter schon ab, im tiefsten Grunde der Seele verstimmt über die Niederlage, welche der Reichstag vor Europa sich selbst zugezogen. ES wurde am Dienstag die Todesstrafe auch für den versuchten Fürstenmord wieder eingeführt und der Bundesrath setzte Alles, aber auch Alles durch, was er verlangt hatte. Wahrhaftig, einem so gefügigen Reichstag gegenüber muß man die Weis heit, Mäßigung und Besonnenheit eines hohen Bundesralhs bewundern! Ich spreche es allen Ernstes aus, daß, wenn der Bundcsrath im Interesse der Einheit Deutschlands und um nationale Politik zu treiben, rrllärt hätte: wir halten es für unerläßlich, daß die Armensünder auf einer Kuhhaut zum Richt platz geschleift werden, der Reichstag in zweiter Lesung mit dem Aufgebot aller sittlichen Entrüstung dieß für unsere Civilisation unangemessen erklärt, in dritter Lesung aber unter Annahme eines Untcrantrags des Grafen Schwerin beschlossen hätte: „Mörder sollen auf einer Kuhhaut zum Nichtplatz gebracht werden. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt eine zweirädrige Karre an Stelle der Kuhhaut." Der BundeSrath allein versteht sich zu beherrschen und er rechnet noch mit den die Zeitgeschichte bewegenden Ideen; der, Gott sei Dank, nun verabschiedete Reichstag besaß nicht ein Atom von Widerstands fähigkeit. Wurde ihm nur eine Cache von der richtigen Seite vorgestellt, sparte man mit dm Worten „deutsche Einheil" und „national" nicht, so opferte er mit einer wahren Lust seine besten Nechtsüberzeugungen und glaubte sich damit den Dank des Vaterlands zu verdienen. Ganz und gar am Gängelbande leitete ihn nun der Graf Bismarck. Sein leidender Zustand erwarb ihm allein schon die Sympathien, man darf doch nicht durch ein Nein! ctwa die Genesung des Patienten aufhalten. Und nun muß man die Gedankenblitze, die glänzenden Rand bemerkungen, die Schärfe und Energie, die sich in BiSmaeck'S Reden ausspricht, vernehmen, man muß die fast rührend klin gende Bitte hören, um einiger Dutzend Ungeheuer von Todes- candidaten willen nicht die Nechtseinheit scheitern zu lassen und es begreift sich, wie die wankelmüthige, grundsatzlose Mehrheit im Reichstag den Vlutbcmn aussprechen tann und noch etwas recht Gutes gethan zu haben vermeint. Warum handelt es sich denn bei der Todesstrafe? Um eine Kulturfrage. Es war daher entscheidend, als Bismarcks altprcußischer Stolz sich dagegen erhol', die Todesstrafe in Sachsen, Anhalt, Oldenburg und Bremen, abgeschafft sein und in den andern Staaten bestehen zu lassen. In seinem Munde spitzt sich die Frage so zu: durch den bekannten Plenck'schcn Antrag wird eine Selekte von Nord deutschen gebildet, welche infolge ihrer höheren Gesittung für ihre übelsten Subjekte das Richtbeil entbehren zu können meint, während der Bildungsgrad der übrigen 27 Millionen Nord deutschen noch die Anwendung des Richtbeils unumgänglich macht. Einen derartigen, damals beschämenden Unterschied darf dev Bundeskanzler nicht dulden, folglich müssen die 3 Millionen höher gebildeter Norddeutscher in ihrer Entwicklung einen Schritt zurück thun. Und in diesem Kampfe zwischen einer hoclzgradi- gen mittel- und westdeutschen Kultur mit dem etwas weniger entwickelten Bildungsgrad des deutschen Ostens liegt eigentlich der Schlüffe! zu dem Streite zwischen dem preußischen und dein sächsisch-thüring-oldcnburgischei; und anderem Particula- rismus. Der deutsche Westen und Mitteldeutschland besitzen entschieden eine höhere Kultur, einen größeren Wohlstand, eine feinere Durchbildung der Gesittung, aber mit der Verfeinerung wurden die Sitten auch verweichlicht, mit dem wachsenden Wohlstand zog auch die Behäbigkeit und der Trieb, das Leben zu genießen ein, mit der höheren Kultur gingen die Charaktere verloren. Anders der deutsche, halbslavische Osten. Eine ge ringere Volksbildung gab sich mit strengen Strafgesetzen, mit rauheren Sitten, mit einer naturwüchsigeren Anschauung zri- sricden, erzog aber auch rauhere, festere Charaktere, die Annuth des Landes, die Entbehrungen der Bevölkerung spannten die Thatkrast an nnd von selbst sielen die Augen auf die reicheren Nachbarländer. Ein ostpreußischer Achtelahüfner oder Tage löhner mag zehnmal ärmer und ungebildeter sein als der säch sische oder hannoversche Berufsgenosse: eins hat er in höherem Grade — den Stolz, Preuße zu sein und den unbczwinglichen Trieb, die andern Deutschen, die es noch nicht sind, mit gleichen Gefühlen zu erfüllen. So kämpfen im norddeutschen Bunde zwei Kulturstufen mit einander und zwar den Kamps des ei sernen mit dem thönernen Topfe. Es wird sich bei vielen Fragen noch wiederholen, daß, um eine Einheit herzustcllen, die vorgeschrittnercn Länder ihre Entwickelung hemmen müssen, um den zurückgebliebenen Provinzen Zeit zum Einholen zu ge währen. Von diesem Gesichtspunkte aus ist cS auch erllcirlich, warum die Handvoll Sachsen, die auf conservativer, bundes staatlicher oder fortschrittlicher Seite standen, ihren Wählern aus diesen vier Reichstagssessionen keine Siege, keine Erfolge mit nach Hause bringen. Sie haben treu gekämpft, sie hielten in den schwierigsten Situationen das Banner der Kultur und der «uS ihr strömenden persönlichen, staatlichen und sittlichen Freiheit hoch, aber — was vermögen die Wenigen gegen die Ueberzahl? Bei all' den Mißerfolgen, die sie nicht abzuwenden vermochten, bei all' den neuen Maßregeln, die sie von ihrer Heimath abzuwehren zu schwach waren, muß sie, muß ihre LLähler das Eine trösten, daß die Opfer, die uns auferlegt werden, anderen deutschen Stämmen die Entwicklung erleichtern mögen, damit sich auf der gleichmäßiger vertheilten bürgerlichen Freiheit, Gesittung und Wohlhabenheit dereinst aufbaue das einige deutsche Vaterland. — In dem Befinden des im Victoria-Salon verunglückten Turnerkönigs Footit ist eine so erhebliche Besserung eingetreten, daß man eine völlige Wiederherstellung binnen einigen Wo chen annehmen kann. Seine Kräfte find schon soivcit zurück gekehrt, daß er täglich kleinere Spaziergänge in den Räumen des Krankenhauses zu unternehmen im Stande ist. Footit ist übrigens schon vorher viermal vom Trapez herabgestürzt, und zwar in Wien, Köln, Stralsund und Teplitz und hat dabei unter Anderem auf den Vorderarm gebrochen. Er gedenkt nach vollendet« Heilung bei paffender Gelegenheit wieder, und zwar vorerst in Dresden, aufzutrcten. — Gestern Nachmittag hat sich ein in der Seevorstadt wohnender Gärtner in seiner Behausung erhängt. Schwermuth soll den, wie man sagt, gut sttuirten Mann zu diesem trauri gen Schritte veranlaßt haben. — Auf dem Fischhofsplahe brannte in der Nacht zum 29. Mai in einem dort gelegenen Logis ein Balken in einer Feuerungsanlage, die jedenfalls nicht paffend oder mangelhaft construirt war. Das Feuer wurde nach seiner Entdeckung durch herbeigernfene Schornsteinfeger bald gelöscht. — Vier wackere und sich treu im Dienst bewährte Locomotivsührer, welche hier stationirt sind, feiern morgen, Mittwoch, ihr 25jähriges Dienstjubiläum. Es sind dies die Herren Julius Henze, Joses Halmel, Max Zimmermann, von der schlesischen, und Gustav Gaube, von der böhmischen Bahn. Wer da weiß, ivas ein Locomotivsührer der Eisenbahn zu be deuten hat, iver je einmal die so treu aus dem Leben ge griffene Skizze: „eine Winternacht auf der Lokomotive" gelesen, der wird cinstimmen, daß sich hier der Raum einer Thätigkcit begrenzt, welche gewiß Beachtung und Glückwünschung verdient. Wie so mancher von ihren Berufsgenossen fand in dieser Zeit seinen Tod auf der großen eisernen Rennbahn. Wie so Man chem drängte das Verhängnis; von dem Bahnhof in das Hos pital mn sein Dasein mit verkümmerten Gliedmaßen zu ver bringen. Kraft, Muth und Besonnenheit des Geistes sind die drei Faktoren, welche das Amt eines Lokomotivführers er fordert. Wenn er sich emporschwingt auf seine Maschine, dann flüstert ihn; gleich der stummen Sprache des Telegraphen eine Stimme zu: Gewahre dein Amt, das Leben von Hunderten, von Tausenden, die in; langen Zuge hinter dir, ist in deine Hand gegeben. Dieses schwierige Amt haben die obengenannten vier Männer ein Vierteljahrhundert hindurch treu und beharr lich verwaltet. Noch stehen sie frisch und kräftig am Perron der Zeit, wo das aufgezogene grüne Licht der Hoffnung ihnen das Signal zu fernerem Streben giebt, bis sie dereinst das Haltezeichen erblicken, welches der Arm des Himmels für sic ausgcstreckt hat und die Verkündigung trägt: „Bahn frei!" — und „Sicher einsahren" nach der Station, wo das Licht der ewigen Wahrheit schimmert. — Wenn man erwägt, wie viele der Meilen ein Jeder von diesen Locoinotivführern in seinem Berus zurückgclegt', welche Summe dürfte da herauskommen. Dem Vernehmen nach durchfährt ein Jeder monatlich die Strecke von 450 Meilen. Dieß ergiebt im Laufe des Jahres 5400, und das nun abgelaufene Bierteljahrhundert hindurch im Ganzen 135,(00 Meilen. Wie viel mal hätten sie da um die Erde fahren können. Alle diese Locomotivenpfiffe in Euren Schall vereinigt, die verbrauchten Kohlen ans einander ge schüttet, den ausgcströmten Danipf in eine einzelne Wolke ge formt. wir überlasten dieß der Phantasie unserer Leser und gratulircn den vier Männern zur Feier des Tages aus vollem Herzen. — Der Prager Platz sicht einer bedeutenden Verschönerung durch einen kolossalen Neubau entgegen. DaS königl. Finanz ministerium hat nämlich einen großen Rayon vom Prager Platz die Lindcnaustraße entlang angekauft, um daselbst ein groß artiges Polytechnikum zu erbauen. DaS alte Polytechnikum am AntonSplatz soll dann seine Räume zu einer Kunstakademie hergcbei^ — Durch Ausräucherung eines Kellers mit brennendem Stroh ist an; 28. d. MtS. Vormittags in Kaditzsch bei Grimma ein Schadenfeuer entstanden, das zusammen 15 Wohn- und Wirtschaftsgebäude in Asche legte. Auch sind 3 Schweine und 10 Stück Gänse mit verbrannt. — In der gestrigen Nummer unseres Blattes theilten wir mit, daß am vorigen Donnerstag Nachmittag ein über den Ncumarkt gehender Herr von einer aus der Gegend des Hotel de Saxe bekommenden Kugel an dem einen Fuße getroffen