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Wochcn-^ über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Sech st er Jahrgang. Preis für den Jahrgang bei Bestellung von der Post 21 Neugroschen, bei Beziehung des Blattes durch Botengelegtnheit ^3. IS Neugroschen. Erscheint jeden Donnerstag. 21.Januar 1841. Ueber den Rechenschaftsbericht des Abge ordneten von Watzdorf *). „DaS ist kein Buch, es ist ein Ereigniß" — sagen die Franzosen, mit der ihnen eigenthümlichen Präcision, beim Erscheinen eines hervorstechenden literarischen Er zeugnisses; und wären diese Worte nicht in neuerer Zeit m den Mißkredit einer hohlen Schmeichelphrase, oder zur Geltung einer Marktschreierei herabgesunken, so möchte man dieselben unbedenklich auf den im vorigen August erschienenen „Rechenschaftsbericht des Abgeord neten O. F. H. v. Watzdorf über seine Lheilnahme an den Verhandlungen des sächsischen Landtags von '8^» in einem offenen Sendschreiben an seine Eommittenten erstattet; Dresden, 1840" anwenden. Hätte dieses, seinem äußerem Umfange nach unbedeutend scheinende, Schriftchen einen Erfolg haben mögen, welcher es sein wolle; mag das durch dasselbe gegebene Beispiel bei den Betheillgten — und es sind dieß die Gesammtheit der politisch vollberechtigten Staatsbürger — Anklang für die Gegenwart, Nachahmung sür die Zukunft finden, oder nicht, oder selbst Widerstand; möchte endlich sein Jnbalt sein, welcher er wolle; — in einem wie in den anderem Falle ist es, ist die bloße Thatsache seines Er scheinens ein Ereigniß. Zum ersten Male in teutschem Lande, wenn wir nicht irren, oder wenigstens in Sach sen, sehen wir hier einen Volksvertreter, wie man Hrn. v. Watzdorf — wegen seines volksthümlichen Wirrens gern nennen möchte, so sehr dem auch seine Stellung als ritterschastlicher Abgeordneter in der zweiten Kam mer widerstrebt, hintreten srank und frei vor die von ihm Vertretenen mit der freiwilligen Forderung, daß sie ein Gericht bilden sollen, welches öffentlich und Ange sichts aller politisch mündigen Staatsbürger Rechen schaft abnehme von seinem Reden und Handeln. Wer sich selbst einen solchen Schritt zuzutrauen vermag, bei dem bedars es fürwahr keiner Rechenschaft; denn sein *) Wir bitten den Herrn Einsender wegen des verspäteten Ab drucks um Entschuldigung. D. Redakzion. Gewissen muß ihm bereits die Gerechtigkeit haben wrder- - fahren lassen, daß er.seine Pflicht treu und redlich er füllt habe; seine Mitbürger sind ihm erhöhte Achtung schuldig, wenn er sich dennoch einer solchen unterwirft, und giebt es bei uns keine Bürgerkronen, so gebührt ihm wenigstens das Anerkcnntniß: das ist wahre Bur- gertugend. Und fast möchte man an unsre Zeit, an unser Geschlecht die Frage stellen: ist Bürgertugend be, euch nicht etwas so Seltenes, daß man ihre Erichemung ein Ereigniß nennen kann? Die allgemeinere Bedeu tung aber, welche Herrn v. Watzdorfs That hat, liegt darin, daß in unserer Zeit, in unserem Lande, wo der Thätsi,keit des Volksvertreters manche Schranke in Wort und Werken gezogen ist, sowohl durch die seine Stellung begründenden Verfassungen selbst, wie durch deren offl« cielle Auslegung und Anwendung, es vor Allem daran gelegen ist, daß wenigstens das geringe Maaß politischer Freiheit, das dem Volke von seinen Vormündern ver- stattet ist, in seinem vollen Umfange zur Anwendung komme, damit es durch heilsamen, unablässigen Ge brauch sich von Tag zu Tag unablässig mehre. Wir dürfen das uns anvertraute Pfund nicht vergraben, da mit es nicht von uns genommen werde, sondern wuchern sollen wir damit, auf daß es Zinsen trage, die wir zu dem kleinen Capitale unsrer Rechte und Freiheiten schla gen können. Keines der Rechte, das man uns nach jahrelangem Ringen und Mühen zugestanden hat, darf ungenützt bleiben, damit uns nicht der seltene Fall be gegne, daß man uns nicht wegen Mißbrauchs, sondern wegen Nichtgebrauchs der Freiheit für unwürdig erachte. Das höchste Ziel endlich, welches jetzt politischer Thätig- keit zu erstreben steht, ist Erweiterung der Schranken unsrer Freiheit vermittelst der Rechte selbst, die inner halb ihres Umfanges gelegen sind. Hier namentlich ist der Boden, wo politischer Scharfsinn, verbunden mit redlichem Willen sich zu bewähren vermag, hier giebt es eben so gut Entdeckungen und Erfindungen zu machen, wie auf dem Gebiete der Mechanik und der Industrie und in höherem Maaße noch, als bei Letzterem, ist eine solche Erfindung ein Ereigniß zu nennen.