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Jer Nachtragsetat dem Reichstag zugegangen Scharfe Landtagskritik an dem Haushalt des sächsischen Finanzministers. Fast 600 Millionen. Berlin, 9. Mürz. Der Nachtragsetatfür1927 liegt setzt auch dem Reichstag vor. Er enthält neben de« bereits be kannten großen Posten für die Besoldungsrcsorm, die Liqui dationsgeschädigten, die Grenzgebiete, die Sozial- und ttlein- rentuer, die Unwetterkatastrophen, die Anleiheablösung, die Abfindung von Länderanspriichen und den 7 Millionen Mark zur Abwicklung der Phöbnsangelcgcnheit noch zahlreiche kleinere Anfordernngen. Sv werden u. a. dich Summen zur Pflege kultureller, humanitärer und wissenschastlicher Beziehun gen zum Auslände um 2.5 Millionen, die Unterstützungen sür Beihilfen für Deutsche im Auslande um 1»45»»0 Mark und die Teilbeträge zur Errichtung des Botschaftsgebäudes in Angora um 9»»»60 Mark erhöht. Als Zuschüsse für Neu- und Erweitcrungsbanten der Kaiser-Wilhclm-Gesellschast werden 1,4 Million, sür die studentische Wirtschaftshilfe 45»»»» Mark ncnoiigcfordcrt. Der Betrag für die Unterstützung besonderer kultureller Ausgabe» im Interesse des Dciitschtuiiis wird um 75»MN Mark erhöht, als Zuschuß zum Bau eines Ttudien- gebäudcs für das deutsche Museum in München werde» 2M0M Mark, als ReichSzuschnß an den Deutschen Sängerbund sür die Teilnahme am Sängerbiludesfest in Wien IN»l>M Mark, als Baukostenzuschuß für das Deutsche H y g i c n e m u s c n m in Dresden» wie schon gemeldet, weitere 5»»»»» Mark an- gesordert. Zur Verbilligung des Zinssatzes von Dorschen zur Förde rung der Milchwirtschaft wird ein erster Teilbetrag von I/i Million Mark angefordert. Der Betrag sür die Förderung non Anstalten und Einrichtungen der privaten Wohlfahrts pflege wird um 2 Millionen Mark erhöht. Der für die ein malige Abfindung von Ländcranfprllchen ausgeworfene Betrag von insgesamt 56 Millionen verteilt sich Ergänzung -es Schiedsgerichts durch zwei Neutrale. Genf, 9. März. Der Völkerbundsrat hat hente nvrinittag in öffentlicher Sitzung die Beratung des »ngarisch- riiinänischen O p t a n 1 e n st r e i t e s fortgesetzt. Ehamberlain als Berichterstatter fasste die gestrigen Ausführungen der Vertreter der beiden Parteien dahin zusammen, daß die Vor schläge des Rates für eine gütliche Beilegung des Streites keinen Erfolg hatten, weil Ungarn, obwohl zu einer Transaktion bereit, die Anerkennung der drei Grundsätze des Ratsberichtes als unannehmbar ablehnc und weil Rumänien, das diese Grundsätze annahm, ihre vorherige Annahme auch durch Ungarn als Voraussetzung sür die Auf nahme von Kompromihverhandlungen verlange. Damit sei eigentlich seine Aufgabe als Berichterstatter im Sinne einer Beilegung des Konfliktes erschöpft. Er glaube aber auch heute noch, das, eine Lösung gcfunden werden könne, lei sich aber bewusst, -ab der Rat sich nur an den guten Willen der beiden Parteien wenden, ihnen aber keine Lösung a>,szwingcn könne. Die von Ungarn vorgeschlagene Ernennung der rumänischen Ersatzrichtcr allein stelle keine Lösung dar. Für diesen Fall sehe er voraus, daß der seit l»23 schwebende Streitfall Sic Beziehungen zwischen den beide» Parteien immer weiter vergiftet, wodurch inmitten Europas eine Wunde zurückbleiben würde, die eine dauernde Gefahr sür den Frieden Europas wäre. Ehamberlain knüpfte an diese Gedanken einen feierlichen Appell an die beiden Parteien, endlich einen Weg zur Lösung finden zu wollen. Als solchen Weg schlug er vor. das; der Rat das durch den Vertrag von Lrianon geschaffene gemischte ungarisch-rumänische Schiedsgericht, in dem der von der rumänischen Regierung zurückgezogene Richter seine Arbeit wieder ausznnehmen hätte, durch zwei neu trale Persönlichkeiten ergänzt. Von diesem so er weiterte» Schiedsgericht soll die aus Grund des Artikel 25» des Vertrages von Trtanon anhängig gemachte Klage der i» Anwendung der rumänischen Agrarreform entcigneten nngarischen Optanten entschieden werden. Ehamberlain richtete an die Ratömitglieder die Bitte, sich zn seinem Vor schläge zu äußern. Briand unterstrich sodann, daß er keinen Anlab sehe, eine Ber. antwortlichkett in dieser Angelegenheit nicht vor aller Ocsfent- lichtest aus sich zu nehmen und erklärte, zum Grasen Apponyi gcwandi, dab der Rat in Erfüllung seiner Aufgabe, den Frieden anfrcchtzncrhalten. Legitimation habe, in einer so heiklen Angelegenheit eine Lösung zu suchen. Auch sei entgegen der vom Grasen Apponyi gestern entwickelten Aus. sassung im Völkerbund die rechtliche Gleichheit der kleinen und großen Staaten verwirklicht. Eine Lösung könne sehr wohl, auch ohne den Grundsatz der Schiedsgerichtsbarkeit an- zniastcn, gesunden werde» wen» nur beide Parteien sich über die engeren Interessen ihrer Länder erheben und de» Soiidaritätsgedankcn des Völkerbundes beherzigen würde». Diese Verewigung von Schwierigkeiten zwischen den Völkern, fuhr Briand fort, schafft neue KriegSkeime. Wenn «cur «sn den Hö-en -er absoluten juristischen Thesen, wie. wie folgt: 8.54 Millionen für die Verwaltung von Staats schulden. 22 Millionen sür die Benutzung landescigener Finanzgebäude. 23 Millionen für Zwecke polizeilichen Schutzes und 2,45 Millionen für die Durchführung eines Abkommens mit Preußen über die hcimfallpflichtigen Militärgrundstücke. — Von den 81 Millionen für die Grenzgebiete entfallen aus Ost preußen 6» Millionen, auf die westlichen Grenzgebiete l2,5 Mil lionen, ans de» Wohnungsbau im Osten 6 Millionen und aus die Frankenempsänger an der Saargrenzc 2.5 Millionen. Der Nachtragsctat ermächtigt ferner den Neichssinauz- minister, die Garantie dafür zu übernehmen, daß sür einen Betrag von 225 Millionen Goldmark Vorzugsaktien der Deut schen Reichsbahngesellschast bzw. für die darüber anszugebcnden Zertifikate eine Dividende von 7 Prozent jährlich gezahlt wird, ferner zur Nationalisierung industrieller Betriebe im gefährdeten Grenzgebiet Garantien bis 12 Millionen Reichs mark übernommen werden. Der Nachtragsctat schließt mit 591,4 Millionen, nach den Beschlüssen des Reichsrats mit 598.9 Millionen. Der Neichörat hatte den Ansatz zur Linderung der Unwette r- katastrophe um 3,5 Millionen erhöht und einen neuen Ausgabeposten von 4 Millionen zur Behebung der Notlage kleiner Binnenschisser eingesetzt. Die Neichsrcgicrung erklärte dazu, daß sie sich diesen Aendernngen nicht anschließcn könne. In beiden Fällen würden die MUsei an die Länder zu ver- teilen sein und von ihnen vrrwalstch werden. Hinsichtlich der Unwetterkatastrophe hält die Nekchsregieruna die Aktion, die das Reich im Hinblick ans die Größe des Schadens besonders in Sachsen aus seinen Mitteln unterstützt hat. sür abgeschlossen. Eine Erhöhung der Fonds würbe zu schwierigen Vcrhandlun- gcn mit den Ländern führen und bringe die Gefahr einer Ver- wischung der Grenze zwischen Katastrophen und sonstigen Un wetterschäden. sie gestern von beiden Setten entwickelt wurden, hernieder- steigt, wie das zur Auffindung einer praktischen Lösungs- Möglichkeit immer notwendig ist, so muß ich sagen, daß der von Ehamberlain gemachte Vorschlag die Thesen beider Par teien in sich vereinigt, daß er keinen verletzt und insbesondere den Grundsatz der Schiedsgerichtsbarkeit ausrccht erhält. Der englische Vorschlag zeigt den Weg. wie man zu der wünschens werten Transaktion gelange» könnte, weshalb ich ihm voll kommen zustimme. Nach einem nochmaligen Hinweis aus die besondere Verantwortlichkeit der beiden Parteien, in deren Hand es liege, eine bauernde Kviifliktsdrohnng zn beseitigen, schloß Briand mit einem feierlichen Appell an Rumänien und Ungarn, sie möchten im Interesse der Gerechtigkeit und des Friedens den Vorschlag Ehamberlains ««nehmen. Sctaloja gab die kurze Erklärung ab, er habe noch die Hoffnung, daß die beiden Parteien zu einer direkten Verständigung kommen und baß der Vorschlag Ehamberlains angenommen werden würbe. Rerchsautzenmtnifter Dr. Slresemann ga-b seiner Befriedigung über den Vorschlag Ehamberlains Ausdruck, durch den bewiesen sei. daß der Rat in dieser schwierigen Angelegenheit nicht zu einem blon gnssumu« ge langt sei. Strescmann erklärte, er hätte, selbst wenn der Ehamberlalnsche Vorschlag nicht erfolgt wäre, beabsichtigt, die Verweisung an den Haager Gerichtshof zu be antragen. Wetter ging Dr. Strescmann aus die grundsätz liche Frage ein, ob für die Verweisung einer Angelegenheit an den Haager Gcrichtshos die Einstimmigkeit oder nur ein Mehrheitsbeschluß des Raicü notwendig sei. Diese Frage könne aus die Dauer nicht ungelöst bleiben. Werde der Gedanke der tiiternativiialcii Gerichtsbarkeit erschüttert, so würde das die Erschütterung des Grund gedankens des Völkerbundes, der Verhütung von Kriege» und der Abrüstung, bedeuten Strcsemann erinnerte in diesem Zusammenhang daran, daß bereits Friedrich der Große ent schieden nach einem internationale» Gerichtshof verlangte. Darüber hinaus handele es sich heute darum, ob die Probleme der Nachkriegszeit vom Völkerbund gelöst werden können, ohne ein unter der Asche sortglimmcndeö Feuer zu htnterlassen. Wenn man heute erkläre, daß die Entwicklung der internationalen Strettschltchtung zu langsame Fortschritte mache, so sei daS undankbar. Wie in bürgerlichen Streitig keiten könne auch im internationalen Leben die Lösung oft lange ans sich warten lasten. DaS sei kein Bankrott dcS Völkerbundes. Nachdem sämtliche am vorliegenden Streitfall nicht beteiligten Ratömitglieder in kurzen Worten ihre Zustimmung zum Vorschlag Ehamberlains erklärt hatten, betonte der Ratsvorsitzende» daß dnrch diesen Vorschlag die Prinzipien der intcrnattonalen Gerichtsbarkeit als Grundlage» der vmdcrncn intcrnattonalen Beziehungen gewahrt seien und forderte beide Parteien ans, ihre Znstimnng zn erklären. Ehamberlain brachte hierauf seinen Vorschlag f o r m e l l als Antrag ein. — In der heutigen NachmtttagSsttznng sollen die Parteien ihre Steüungua-me hierzu bekunde». Kamps «m die Führerschaft. Berlin» ». März. Im Zentrum wird augenblicklich lebhaft um die Führung gerungen. Den christlichen Gewerkschaften ist schon seit geraumer Zeit eine noch stärkere Berücksichtigung zngcsagt worden, und augenblicklich sind Bestrebungen tu? Gang, die daraus abztelen, den prominentesten Vertreter dieser Gruppe der Zcntrumswählcrschast. Adam Steger- wald, zum Führer der Gesamtpartei zu machen Dr. Marx dürfte aus Gesundheitsrücksichten kaum aus diesem Posten bleiben. Sein Nachfolger wird dann voraussichtlich Steger- wald sein, der allerdings mit Gusrard einen internen Kamps um diesen Posten durchfechten mutz. Die Aussichten für Stegerwalü sollen insofern gut sein, als ihn nicht nur die Gewerkschaftsvertreter, sondern auch der gesamte rechte Flügel des Zentrums unterstützen dürfte. Von besonders gutunterrichtcter Seite erfahren wir noch, daß dieser rechte Flügel aller Voraussicht nach stärker aus den Wahlen hervorgchen wird, als man auf der Linken bisher annehmcn wollte. Ferner hören wir, daß zurzeit auch innerhalb der Deutsch nationalen Partei Verhandlungen im Gang sind, die bezwecken, den Vorsitzenden des Alldeutschen Ver bandes, Justiz rat Heinrich Claß, an die Spitze der Rcichsliste zu stellen. Außer ihm sollen Staatsminister von Löbell und der Freiherr von Gayl an sicherer Stelle kandidiereü. Wie wir hören, ist die Kandidatur Elab ans Alldeutschen Kreisen aus das dringendste gefordert worden. Die Deutschnattonale Volkspartei hat ihr zugestimmt, um von vornherein die Gefahr einer etwaigen konservativen Sezession zu vermeiden. Aus der anderen Seite dürsten allerdings die christlich-sozialen Kreise der Partei gegen diese Kandidaturen Widerspruch erheben. Zenlrumsrichllinien zur Aeichsresorm. Födcrativsystem, Aufrcchlerhaltnna der Kulturzentren. Ausgleich zwischen Reich und Preußen. Berlin, 8. März. Die gestern vom Parteivorstand des Zentrums gebilligten Richtlinien zu dem Problem Reich und Länder sprechen sich sür eine Aenderung des der zeitigen Verhältnisses von Reich und Ländern aus. die aus dem Wege, organischer Fortentwicklung erfolgen müsse. Gewaltsame gesetzgeberische Eingriffe seien abzulehnen. Entsprechend dem Programm der Zcntrumöpartci erstrebe die Partei die Herbei, sührnng eines echten Föderativstaates, der ans wirklich lebens, fähigen Ländern ausgebant sei. Ein schematischer Einheitsstaat würde eine Vcrtcncrnng herbeiftthren. Die Richtlinien befassen sich dann mit dem Verhältnis zwischen Preußen und dem Reich und erklären eine Wicdcrhcrstcllnna der alten preußischen Hegemonie sür «», möglich, desgleichen eine verschleierte Rückkehr zur alten Hegemoniestellung Preußens durch seine Verreichlichung. Auch eine Zerschlagung Preußens müsse abgclehnt werde». Praktisch möglich sei zunächst nur der Weg, durch Anbahnung eines ver trauensvollen Verhältnisses zwischen Reichs- und preußischer Stnatsgewalt Reibungen zu vermeiden, und ans gemeinsame Arbeit in der Vcrwaltnngsvereinsachung hinzustrebcn. Erste Vorbedingung biersür sei die energische Jnangrissnahme einer Berwaltungsreform in Preußen. Unter dieser Voraussetzung könnten Länder. di«> z«r Er füllung ihrer staatlichen Ansgaben dauernd unfähig sind, nicht grundsätzlich anfrcchtcrhalten werden. Dagegen müßten an sich lebenssähige Länder zur Erfüllung ihrer eigcnstaatlichen und gesamtdeutschen Ausgaben erhalten bleiben. Diese Forderung müsse um so mehr betont werden, als die Erhaltung der Kulturzentren in den verschiedenen Ländern außerhalb Berlins ein wesentlicher Aktivposten der geistigen und kul turellen Geltung Deutschlands sei Eine klare Abgrenzung der Ausgaben zwischen Reich, Ländern und Gemeinden müsse mit größtmöglicher Beschleunigung erfolgen, um dann eine end gültige Steuerreform bzw. Gesomtsinanzgebarung mit verantwortlicher finanzieller Eigenwirtschaft oller Beteiligten ausziibaucn. Die gesamten vorgenannten Fragen müßten in größter Loyalität zwischen Reich und Ländern gelöst werden. Insbesondere seien Versuche, ans dem Wege der Verfassungs änderung die .Hoheitsrechte der Länder z» beschränken, ab- znlehncn. Berlin, 9. März. Der Parteivorstand des Zentrums setzte heute im Reichstage seine Beratungen fort. Ein Altsozialist im Prcußcnlandtage. Der sozialdemo. kratische Abgeordnete im Preußischen Landtage Kaiser sAnklams ist zur A S P D. übergetreten Damit hat nun diese Partei auch im Preußischen Landtage einen Vertreter. Prolesl -er Korsanly-Parlei gegen den Wahlterror. Kattowitz, 9. März. Der Hauptvorstand des schlesischen katholischen Volkdbivcks <K o r s a n t y p a r t e is hat an den Vorsivenden der Wahlkommission sür den Wahlkreis 39 iKatioivitzf ein Schreiben gerichtet, in welchem er gegen die Scjmivahlen Einspruch bzw. Protest erheb! und ankündigi. daß beim höchsten Verwaltnngsgericht eine Entscheidung be antragt werden wird. Der Einspruch wird damit begründet, daß die Wahl unter einem scharfen Terror stattgefnnden habe. tW. T. - khamberlains BorschlSge zum Sptantenkonflikt.