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Freitag Nr 220 IS September 18SS. Di« Zeitung erscheint mit Ausnahme des Montag» täglich und wird Nachmittags I Uhr aus- gegeben. PretS>für das Vierteljahr I'/, Thlr.; jede einzelne Nummer 2 Ägr. Deutsche Mgmeim Zcitmig. «Wahrheit and Recht, Freiheit und Gesetz!- Zu beziehen durch alle Postämter des Ja- und Auslandes, sowie durch bie Erpeditio» in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Jnsertkonsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Deutsch land. XBvM Neckar, 16. Sept. Die Neuenburger Frage bringt den Politischen Bekstand von Deutschland in ein wahres Labyrinth und stellt ihn damit auf eine hart« Probe. Auf ihn hat es ebenso gut Zclotismus in Wünschen und Foderungen als Anarchie in Begriffen und Grundsätzen abgesehen. Wir erachten «S für menschenfreundliche Pflicht, auf die Ge fahr ümsomehr aufmerksam zu machen, als sie sonderbarerweise gerade aus dem Lager her droht, worin man ausschließlich versteht, die Dinge, die da geschehen, verständig und staatSklug, monarchisch und conscrvativ zu be- urtheilen, hiernach aber privilegirt ist, den Ton anzugeben, er sei nun recht oder falsch. Das eine Blatt erklärt heut« „die bisherige Langmuth Preußens einer großen Macht würdig" und spöttelt morgen darüber, daß „bas versekrte RechtSgefühl acht Jahre lang dem Drange widerstanden habe, sich Genugthuung zu verschaffen". Bald wird der „Putsch" als eine verdienstliche und patriotische That gepriesen, bald wenigstens als eine Hand lung erklärt, auf die bas Strafgesetz keine Anwendung finde: als ob von der politischen Farbe des Thaters die Straffreiheit oder die Straffälligkeit abhänge! In dem nämlichen Athem findet man nicht Worte genug über den revolutionären Charakter der n«uenburg«r Volkserhebung im Jahre 1818 und iff man des Lobes voll über die Napoleonische Dynastie, indem man sie als Vollblut-legitim bezeichnet, obwol sie doch auf Volkswahl und da mit auf dem BolkSwillen beruht. Ein anderes Blatt erkennt in der Lage von Neuenburg eine Schmähung deS monarchischen Princips, obgleich doch «neStheils dort mir das Recht eines Monarchen verletzt ist und anderer- feitS das jetzt in Neuenburg geltende System keine andere Natur hat als das, was die ganze Schweiz das ihrige nennt, ohne daß man darin je «ine Beschimpfung des „monarchischen Princips" erkannt hätte. Wieder «in anderes Blatt stellt den Tauschoertrag, wodurch Frankreich im Juni 1805 das Fürstenthum Neuenburg gegen Hannover von Preußen erwarb, wegen damaligen „Zwangs" in Frage, ohne zu bedenken, daß mit einer sülchen Theorie der Besitzstand in Deutschland mannichfach in sehr bedenk licher Weise bedroht wird. Ein weiteres Blatt nimmt in der Schilderhe bung vom 3. Sept, keinen Angriff auf die Obrigkeit, sondern nur die Auflchnung gegen eine ganz unberechtigte Willkürherrschaft wahr, als ob Neuenburg seit 1848 keine Regierung, keine Ordnung, kein Recht und kein Gesetz, also nichts gehabt habe, was man unter staatlichem Organismus oder NechtSzustand zu verstehen pflegt, oder als ob eine solche Doctrin nicht darauf hinauSliefe, jede Schilderhebung gegen eine aufgezwungene Herr- schäft zu rechtfertigen. Jetzt hört man von der Kränkung, die dem Recht, deutscher Ehre und deutscher Würde von der Schweiz widerfahren sei, aber von der Kränküng, die auf dem Recht, auf deutscher Ehre und deutscher Würbe von dänischer Seite lastet, davon ist es dort still. Jetzt will di« ganze deutsche Macht in Bewegung gesetzt werden, um die Schweiz zusam- menzutrciben, und 1851 entwaffnete man das schleswig-holsteinische Heer und gab das schKSWigcholfieinische Brudervolk den Dänen preis. Gott "bessere eS! Wie weit es in Deutschland mit dem Wirrwarr und der Zer fahrenheit gekommen sei, daran mögen wenigstens obige kleine Pröbchen erinnern, wenn sie auch nicht hinreichcn zu mahnen. Preußen. :: Bktlitt, 17. Sept. Die jüngste Octroyirung in Han- nover hat hier sehr überrascht und wird noch fortwährend stark bespro chen. Daß die hannoversche Regierung, wie sie jetzt zusammengesetzt ist, nicht anstehen würde, den BtrndeSbeschlaß vom 19. April 1855 in allen seinen möglichen Consequrnzen zu verfolgen, dies war am Ende wol zu er warten; die Eventualität aber, daß die hannoversche Negierung über den fraglichen Bundesbeschluß, welcher ihren Maßnahmen doch zum AuSgangS- punkt und zur Basis dienen soll, noch hinauSgchen würde, könnt« so leicht nicht gemuthmaßk, geschweige denn erwartet werden. Man sehe sich die Dinge hierüber nur etwas näher an. Wollte man den Bundesbeschluß vom 1'9. April 1855 und den demselben vorhergehenden Ausschußbericht einer Kritik unterwerfen, so würde ohne Zweifel sehr Vieles gesagt werden kön nen. Wir nwüdn indessen hiervon Umgang nehmen und den Bundesbeschluß vvm 1'9 Aprik 1858 nehmen wie er ist ES ist nun zuvörderst daran zu erinnern- daß nach Art. 56 der Wiener Schlußakte Vie in anerkannter Wirk samkeit bestehenden Verfassungen nur auf verfassungsmäßigem Wege wieder abgeändert werden können. Ausnahmen- hiervon sind nur dann statthaft, wenn Das, was die Regierungen als den verfassungsmäßigen Weg betrach ten, erschöpft ist Aber auch in solchen Fällen bleibt die Grundregel, damit hie Negierungen nicht einseitig zu weit gehen können, immer im Vorder- gpunde stehen,, und' darum gestattet der Bundesbeschluß der hannoverschen Regierung auch nur insoweit den verfassungsmäßigen Weg zu verlassen, „als es sich um Abänderung der im Ausschußbericht als bundeSwidrig be zeichneten oder, damit im Zusammenhänge stehenden Bestimmungen des Ge- setzeS vom 5. Sept. 1848 und um Wiederherstellung der hierauf bezüglichen Bestimmungen des LandeSverfassungSgesehtS von 1840 handelt". Der AuS- schußbericht bezeichnet also, wie aus der angeführten Stelle hervorgeht, nur Einzelnes im Gesetz von 1848 als bundeSwidrig, keineswegs aber das ganze Gesetz. Sehen wir uns den Ausschußbericht, dessen wörtliche Mitthcilung an Vieser Stelle zu weit führen würde, näher an, so finden wir, daß in demselben eigentlich nur eine einzige Hauplbcstimmung in dem Gesetz von 1848 in bestimmtet Weise alS bundeSwidrig bezeichnet wird und daß fich das Weitere mehr auf allgemeine Ausstellungen bezieht. Was aber ist dem gegenüber nun seitens der hannoverschen Regierung geschehen? Sie hat ohne weiteres das ganze Gesetz von 1848 beseitigt und dafür, ebenfalls ohne weiteres, das ganze Gesetz von 1840 wiederhergestellt. Die betreffend« Ab änderung soll zwar nur provisorischer Natur sein, was aber daraus zu ge ben, geht daraus hervor, däß gleichzeitig bedeutet wird, daß, solange über das Finanzcapitel keine Einigung mit den Ständen erzielt werde, entspre chende weitere Octroyirungen in Aussicht ständen. Unsere Kreuzzeilung hat den ritterschastlich-reaktionäre» Bestrebungen in Hannover bisjeßt in eifrig ster Weise das Wort geredet; wir glauben aber, daß nunmehr sogar auch Hr. v. Gerlach sich in der Lage befinden dürfte, gegen die hannoversche Re gierung in einige Opposition zu treten. Wir unsererseits wollen uns jede- weitern Urtheils über die Sache enthalten. Württemberg. HH Stuttgart, 14. Sept. Das hier erscheinende Deutsche Volksblatt (Organ der Katholiken) veröffentlicht in wortgetreuen Auszügen aus den Protokollen einen Theil der „Verabredungen" der dresdener Conferenzen, welche vom 19.—28. Mai zwischen Abgeord- neten der evangelisch, lutherischen Kirchenregimente von Sachsen, Baiern, Hannover, Württemberg und beiden Mecklenburg stattgefunden haben. Ich glaube nicht, daß' gedachte Verabredungen schon auf andekm Wege in das Publicum »flossen sind, und stehe daher nicht an, aus den Mittheilnngen deS genannten BlattS, die bei der bisherigen Geheimhaltung fast als Ent hüllungen anzusehen sind, Ihne» einen genügenden Auszug zu übermitteln. Das größte Interesse biete, so heißt es, Das, was in Betreff der „Beichte und Absolution" verabredet worden. Das Deutsche Volksblatl thcilt diese Verabredungen in 23 Abschnitten mit: 1) Es sei gemäß der schon von den Bekrnntnißschriftcn gefodcrten Ordnung Niemand ohne vorgängige Beichte und Absolution zum Abendmahl zuzulasscn. 2) Die jetzige Art der Be handlung von Beichte und Absolution sei mangelhaft, „die Rückkehr zur Privatbeichte und Prioatabsolution ist als heilsam und nothwendig anzuer- kennen". Abschnitt 3—9 betrifft die Mittel zur geeigneten Anbahnung d«S richtigen Verständnisses über die eigentliche Bedeutung von Beichte und Absolution und der geordneten und umfassenden Benutzung dieser Gnaden mittel. Nach Abschnitt 10 sollen die Pastoren an die alte Sitte fleißig erin nern, daß der Beichtwillige zuvor seinen Nächsten um Vergebung bitte. 11) „Wo irgend möglich, muß man «S zu erreichen suchen, daß sich die Gcmeindemitglieder in der Woche vorher persönlich zur Beichte anmelden, damit der Pastor wisse, was er in der Beichte zu erwarten hat." 12) Bei Ercheilüng der Absolution ist die Hand aufzulcgen und zwar nicht Zweien zugleich, sondern jedem Einzelnen die rechte Hand. Die Absolution ist nicht mittels eines Bibelspruchs oder sonst eines den Sinn der Absolution nicht scharf aussprechenden Wortes zu sprechen, sondern stets und Jedem einzeln unter Handauflegung mit einer ordentlichen Absolutionsformel. (Die Ab solutionsformel lautet: „Der allmächtige Gott hat sich deiner erbarme, und ich auf den Befehl unscrs Herrn Jesu Christi als sein Diener sprecht dich frei, ledig und los von allen deinen Sünden im Namen Gottes des Va ters , des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen! Gehe hin in Frie den! Amen." Die Beichtformel lautet: „Ich armer, sündiger Mensch be kenne vor Golt, meinem Schöpfer und Erlöser, baß ich viel gesündigt habe, nicht allein mit Gedanken, Worten und Werken, sondern daß ich auch in Sünden empfangen und geboren bin. Ich habe aber Zuflucht zu GolteS grundloser Barmherzigkeit, suche und begehre Gnade um des Herrn Jesu Christi willen: Herr, sei gnädig mir armen Sund». Ich will mit GotleS Hülfe mein Leben gern bessern.") 13) „Diese Privatabsolution kann in unserer Kirche sofort allgemein wicderaufgenommcn werden, auch da, wo man noch nicht zugleich auch die Privatbeichte wiederaufzunehmen im Stande ist, und wird dies der erste Schritt zur Zurückführung der Privatbeichte sei« müssen." 14) Die Absolution ist nur dem Bußfertigen, b. h. Dem jenigen rc., zu gewähren. Demgemäß (Abschnitt 15) „darf und soll der Pastor die Absolution versagen, bis er sich bessert, a) dem in christlichen Dingen grob Unwissenden, l>) Dem, der frecher, das Evangelium umstür» zendee und verhöhnender Lehre bewußt anhängt und sich nicht belehren las sen noch bekehren will, ä) Dem, der, wie der Trunkfällige, Dieb, öfter nach erhaltener Absolution wieder rückfällig geworden ist, o) Dem, der in dauernden sündlichen Verhältnissen (dauernder Feindschaft, schandbarem Ge werbe, Ehebruch, Concubinat, wilder Ehe rc) dahinlebt und mit diesen