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imbnrgtr Tageblatt und Amtsblatt sm den Zta-trath za Waldcudmg. Filialen: in Altstadtwaldenburg bei Herr« Laufmann Bernh. Schuppe; in Penig bei Herrn Kaufmann Rob. Härtig, Mandelgaffe; in Rochsburg bei Herrn Suchhalter Fauth; in Lunzenau bei Hrn. Buchhdlr. S. Dietze, in Wechselburg bei Herrn Schmied Weber; in Lichtenstein b. Hrn.Buchh. I. Wehrmann. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenstein-Callnberg und in dm Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Obergräfenhain, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis nachmittags 2 Uhr. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. SS Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., Einges. 20 Pf. Expedition: Waldenburg, Kirchgasse 255. 2»8. Sonntag, den 6. November 1887. Witteruugsansfichtm für dm 6. November: Bei südwestlicher Windrichtung zunächst noch trübes, später aufklärendes Wetter. Temperatnr wenig verändert. Barometerstand am 5. November, nachmittags 3 Uhr: 754 mm. *Waldeuburg, 5. November 1887. , Die Hinrichtung der Chicagoer Anarchisten ist be reits für diesen Monat durch den Appellationshof des Staates Illinois anberaumt worden, und dieser Be schluß ist durch das Oberbundesgericht in Washington bestätigt worden, indem es die Nichtigkeitsberufung der ' Verurtheilten abwies. Das Urtheil ist rechtskräftig ' und nur ein Gnadenerlaß des Gouverneurs von Illi- nois kann es mildern. Die Genossen der Todescandi- s baten in den Bereinigten Staaten von Nordamerika s sind in Folge der Verurtheilnng mit einer solchen unge- : stumm Rohheit und Gewaltthätigkeit aufgetreten, daß j dem Gouverneur dadurch eine Begnadigung gerade nicht j empfohlen wird. Man spricht aber davon, er wolle j von den Sieben drei zur Zwangsarbeit begnadigen, j während für die übrigen Vier der Tod am Galgen in sicherer Aussicht bliebe. Das ist sogar wahrschein- 's lich, und für die Vereinigten Staaten würde auch der ' Tod dieser Bier genügen, den Anarchisten und Um- ; stürzlern heilsamen Schrecken einzuflößen. Denn bis- ! her, das ist das Merkwürdige an der Sache, glaubt : diese Gesellschaft immer noch nicht recht daran, daß s der Henker seines Amtes walten wird. Alle die bra- , marbasirenden Redensarten, mit denen sich die Verur theilten groß thun, kommen ihnen nicht vom Herzen, und haben keinen anderen Zweck, als die Behörden ein zuschüchtern, und dasselbe bezweckt der Anarchistenhaufe mit seinem wüsten Toben. Der Abschied vom Leben ist diesen blutdürstigen Elementen doch keine Kleinig keit, und während sie unbedenklich Hunderte von Un schuldigen jeden Moment in den Tod senden würden, suchen sie den Augenblick ihres eigenen Scheidens nach Kräften zu verzögern. Von einem gewöhnlichen Mör der könnte man diesen natürlichen Trieb der Selbster haltung allenfalls erwarten; aber bei diesen Menschen, deren Handlungsweise eigentlich Todesverachtung be dingen sollte, entspringt das Bestreben, die Entschei dung hinauszuschieben, der blassen Furcht. Zwei Jahre fast dauern schon die Verhandlungen in dieser Sache, immer neue Einwendungen und Berufungen, während sie doch selbst wissen, daß der Rechtsweg ihnen nichts mehr helfen kann. Sie verschmähen trotzig die An rufung von Gnade. Wenn sie nur wüßten, daß dies ihr Leben retten könnte, würden sie sich auch dazu ver stehen; ihr ganzes Auftreten war Komödie und ist es geblieben. Die Amerikaner sind keine Gefühlspolitiker; das haben sie auch bei diesem Anarchistenprozeß bewiesen, denn es ist mehr als fraglich, ob in Deutschland oder in Europa die Sieben zum Tode verurtheilt worden wären. Keinem der Sieben kann ein direct von ihnen in eigener Person ausgeführter Mord zur Last gelegt werden, man hat nicht einmal mit unumstößlicher Gewißheit den festzustellen vermocht, welcher in Chicago tue Tod und Verderben bringende Bombe geivorfen hat. Auf dieser Bombenkatastrophe basirte bekanntlich die ganze Anklage. Es war in Chicago zwischen stri- kenden Arbeitern und Polizisten zu wiederholten bluti gen Zusammenstößen gekommen, und die Arbeiter wa ren infolge dessen von den verurtheilten Agitatoren in maßloser Weise zu den abscheulichsten Gewaltthaten aufgereizt worden. Dann kam die große Versamm lung auf dem Neumarkt in Chicago, welche die Poli zei zu zerstreuen Auftrag erhielt. Im Moment, als die Aufforderung des Polizeicommissars ertönte, wurde die Mordbombe geworfen, ein grauenhaftes Blutbad anrichtend. Wer waren die eigentlichen Schuldigen? Sie konnten in der Untersuchung nicht ermittelt wer den. Der amerikanische Richter nahm aber mit natür licher Folgerichtigkeit an, daß diejenigen, welche die wil desten Leidenschaften entfacht, mit der Fabrikation von Mordbomben sich beschäftigt, zu deren Anwendung auf gefordert und sie auch wohl anzewendet hatten, die volle Verantwortung für die Resultate ihres Thuns, für den Massenmord, und damit auch den Tod durch Henkershand als Massenmörder zu leiden hätten. In Europa hätte man vielleicht geklügelt, ob die geistigen Urheber des Massenmordes den ausführenden Elemen ten gleich zu stellen seien; die amerikanische Justiz kannte dies Bedenken nicht, sie setzte sofort die schwerste Strafe fest, ohne einen Augenblick zu zaudern. Und dieses Urtheil war für die Entwickelung der nordame rikanischen Union von Nöthen. Die anarchistischen Schwärmer, deren Auftreten an Wahnsinn oft streift, und von deren Führer Johann Most man oft allen Ernstes erwägen muß, ob er bei gesunden Sinnen ist, haben sich in Nordamerika in großer Zahl eingefunden, in New-Jork ist ihr Haupt quartier. Die Gesetze der Vereinigten Staaten ge währen ihnen beinahe eine unumschränkte Freiheit des Auftretens, legen den wilden Ausbrüchen dieser Leute keinerlei Schranken auf. Was sollte daraus woht werden und wäre daraus geworden, wenn ihnen nichl gezeigt worden wäre, daß es auch für sie einen Rich ter giebt, daß sie nicht ungestraft Allem spotten kön nen? Das feste Gefüge des nordamerikanischen Staa tenbündnisses wäre auseinandergegangen, Hunderte von Unschuldigen würden in dem entstandenen Kampfe ihr Leben verloren haben. Darum war es von Nöthen, daß die Verächter der Gesetze diesem Heiligthum jeder Nation ihren Tribut zahlten, und da sie ihn nicht im Leben als gewissenhafte Staatsbürger darbringen woll ten, blieb nichts Anderes übrig als das Urtheil: Tod durch Henkershand. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Das Befinden des Kaisers war am Freitag sehr befriedigend, da derselbe in der Nacht fest und ruhig geschlafen hatte. Der Kaiser stand deshalb auch schon am Vormittage auf. Eine nach Tausenden zäh lende Menge hatte schon von 12 Uhr an vor dem Palais Posto gefaßt. Mit der Schloßwache zogen neue Schaaren heran, eine gewaltige Wagenburg umsäumte den Platz. Aber das Militär zog vorüber, ohne daß der Kaiser erschien. Langsam begann die Menge sich zu zerstreuen, da erreichte die schon in geraumer Ent fernung Befindlichen ein plötzliches Jubelrufen. Von allen Seiten stürzte man in fliegender Hast zurück zum Palais und in der That hatte der Kaiser den Aus harrenden die Freude gemacht, noch an das Fenster zu treten. Von dort aus konnte er beobachten, wie Hun derte zurück eilten, wie Herren und Damen aus den Droschken sprangen. Und er wartete, bis Alle wieder zurück gekommen. Der Kaiser blieb, wie üblich im offenen Waffenrock, lange am Fenster stehen, verbeugte sich und dankte herzlich und erfreut. Der greise Mo narch sah wohl und kräftig aus. Am Nachmittage hörte der Kaiser noch mehrere Vorträge und empfing den Besuch des Prinzen Wilhelm vor dessen Abreise zur Hofjagd nach Springe. Dorthin sind auch der Großherzog von Hessen und der Prinz Heinrich von Preußen gereist. Der Kaiser hat der Tochter des Stationsvorstehers Hollmann in Drewitz, welche ihn bei der Rückkehr aus Gastein begrüßte, ein prachtvolles goldenes Kreuz übersenden lassen. Aus Kopenhagen wird jetzt ganz bestimmt gemeldet, ! Kaiser Alexander sei an den Masern ebenfalls er- i krankt, doch handle es sich nur um eine sehr leichte ' Form der Krankheit, welche eine Verschiebung der für ! Mitte d. M. angesetzten Reise unnöthig mache. ! Aus Petersburg wird der „Köln. Ztg." folgende j interessante Thatsache gemeldet: Großfürst Nikolaus ; Michailowitsch leugnet durchaus nicht, daß er die s bekannte deutschfeindliche Rede gehalten habe; wohl aber ! sei der Inhalt derselben etwas entstellt wiedergegeben, ! denn er habe den Namen des Czaren nicht genannt. - Man glaubt hier allgemein, daß er nach Rückkehr des ! Czaren einen strengen Verweis erhalten wird. i Fürst Bismarck hofft, noch bis nach Neujahr in ; Friedrichsruhe verbleiben zu können. Erst im neuen Jahre gedenkt er an den parlamentarischen Arbeiten theil zu nehmen. Graf Herbert Bismarck kehrte nach Berlin zurück. Dem Bundesrath ist am Freitag der neue Etat des Reichsamtes des Innern zugegangen. Die Erhö- i hung der Matrikularbeiträge im neuen Reichshaus- , Haltsetat beläuft sich auf 40 Millionen Mark. Den selben stehen aber die großen Ueberweisungen aus der neuen Branntweinsteuer gegenüber. Zum Bischof von Fulda ist am Freitag vom dortigen Domkapitel der Stadtpfarrer Joseph Wey land aus Wiesbaden gewählt worden. Die Berufungen des preußischen Staatsrathes zur Berathung der Grundzüge des Arbeiter-Alters- Versorgungsgesetzes ist noch keineswegs ganz sicher. Der Präsident dieser Körperschaft, der deutsche Kron prinz, ist bekanntlich an der Theilnahme an den Ge schäften verhindert, und vom Reichskanzler dürfte das selbe gelten. Fürst Bismarck ist Vicepräsident des Staatsrathes. Soll derselbe trotzdem einberufen wer den, so dürfte Staatssekretär von Bötticher das Prä sidium führen. Der deutsche Landwirthschaftsrath stimmte am Freitag den Anträgen auf Verdoppelung der Kornzölle zu. Die deutsche Reichsregierung hat nach Wien die amtliche Meldung gelangen lassen, daß sie nur einer Verlängerung des Handelsvertrages um min destens ein Jahr zustimmen könne. DaS braunschweigische Ministerium wird, wie ein dortiges Blatt erfährt, dem wahrscheinlich im December zusammentretenden Landtage eine Vorlage unterbreiten, welche eine nicht unbedeutende Erhöhung der Civil- liste des Regenten Prinzen Albrecht bezweckt. Am kommenden Montag beginnt in Breslau ein großer Socialistenprozeß. 38 Personen sind an geklagt, socialistische Schriften verbreitet oder zur Ver breitung verleitet zu haben, welch' Letzteres nach der neusten Reichsgerichtsentscheidung gleichfalls straffällig ist. Frankreich. Aus Paris wird weiter gemeldet, daß die Stellung des Ministeriums trotz des Kammersteges vom Donnerstag doch in keiner Weise gefestigt sei. Die Radikalen setzen ihre Angriffe mit vermehrter Heftigkeit fort, und es würde ein wahres Wunder zu nennen sein, wenn das Kabinet das neue Jahr erlebte, obgleich das nicht durchaus unmöglich ist. Der Abg. Laguerre kündigt für den 1. December das Erscheinen eines Blattes an, welches ein Organ Boulangers werden soll.