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Zweites Blatt. PocheMM für WW Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne s Nummem 10 Pf. ThmM, Mm, Äkbmlkhn md die Umgetzendm. Imtsblatt Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Jnsertionspreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. für die Rgl. Amtshauxtmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. No. 102. Freitag, den 22. Dezember 1803 Der Weihnachtsbaum. Herein, herein Zum Weihnachtsschein, Ihr lieben Angesichter! Das Jesuskind Hat angezünd't Die gold'nen Himmclslichter. Sieh' her, sie her! Hans, ein Gewehx, Mit Erbsen scharf geladen! Für dich ein Tuch, Für dich ein Buch Und schöne Weihnachtsfladen! O, Kinderzeit Voll Seligkeit, Voll Jauchzen und voll Frieden! Dein Morgen ist, Herr Jesu Christ, Auch dir und mir beschieden. Zur Weihnacht. In der Weihnachtsbotschaft ist die Sehnsucht des Menschen geschlechtes erfüllt. Was die Juden geweissazt haben von dem Kinde, dessen Herrschaft auf seiner Schulter ist, — was die Heiden im Mythus gedichtet haben von den Göttern, die den Menschen gleich geworden — das hat sich zu That und Wahrheit gestaltet in dem Kinde von Bethlehem. Aus der heiligen Nacht tönt seitdem die Botschaft des Friedens. Das Kind der holdseligen Jungfrau, vom Vater in Ewigkeit geboren, füllt den klaffenden Riß zwischen Gott und Mensch aus. Es tritt die Weltherrschaft an über das Menschenherz und damit über alle Völker. Es wird Mensch, um die Kraft und Würde der Gotteskindschaft wieder auf die dunkle Erde zu bringen. Es trägt in sich die Hoheit sittlicher Selbstverleugnung in der Liebe. Gott wird Mensch, und dieser geschichtliche leibhaftige Mensch trägt seinen verklärten Leib zum Himmel hin. Die Menschheit wird mit Gott versöhnt und kehrt sich wieder zu ihrem Urbild. Welch eine Tiefe der Weihnachtsgedanken! Das deutsche Volk hat gerade diese Tiefe am tiefsten er faßt. Es hat die Weihnachtsfeier am innigsten gestaltet. Das deutsche Haus ist die rechte Herberge für die Krippe Christi. Unter dem Weihnachtsbaum feiern wir, der aus dem ver schneiten Wald das Immergrün des Lebens in das Heilig thum der Familie trägt, zum Zeichen, daß unserm Volke immer wieder der Sinn für Gottes Wunderliebe aufgeht. Unter dein Weihnachtsbaum schlummert das Christkind, und die Engel kommen und dienen ihm. Durch die Zweige des Weihnachts baumes rauscht es: Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede auf Erven, und den Menschen ein Wohl gefallen! „Stille Nackt, heilige Nackt." Skizzenb latt. Es war im Jahre 1818 zu Arnsdorf unweit Salzburg. Die Christmette war zu Ende; aus den weitgeöffneten Pforten der Pfarrkirche strömte das Volk heimwärts. Es waren herr liche, kräftige Gestalten in der malerischen Landestracht, beleuchtet vom roten flackernden Schein der Kicnspanbrände, welche junge Burschen in festlichster Stimmung den Kirchgängern voraus trugen auf den verschneiten, bei Nacht um so gefährlicheren Gebirgswegen. Die Kerzen am Altar waren längst ausgelöscht. Der Mond flimmerte durch die hohen Spitzbogenfenster des Gottes hauses und beleuchtete mit seinem milden Scheine den stillen Raum, aus dem heute so manches fromme Gebet zu dem Throne des Allerhöchsten emporgestiegen war. Franz Gruber, der Lehrer und Organist der Gemeinde, befand sich noch allein in der Kirche. Regungslos saß er auf der Bank vor der längst geschlossenen Orgel. Gab es denn für ihn kein Weihnachtsfest voller Lichter glanz, Tannenduft und Kinderjubel mit all dem berückenden und bestrickenden Zauber des deutschen Hauses und des deutschen Herzens? Die Turmuhr hob dröhnend zum vollen Schlage aus, da erhob sich der einsame Mann. Als er hastig die Noten bücher zusammenraffte, entfiel einem derselben em kleines be schriebenes Blatt. Er hob es auf und steckte es mit einem trüben Lächeln zu sich. Es enthielt den Text zu einem Weih nachtsliede, das er dem Dichter, dem Priester Joseph Mohr aus Oberndorf, zu komponieren versprochen hatte. Das Ver sprechen war vergessen worden in der schweren Zeit, die ihn heimsuchte. Wie hätte er auch da den rechten Ton zu einem Liede der Freude und des Friedens finden können? Jetzt schloß er die Kirchenthür und trat ins Freie. Seine Augen schweiften über den stillen Gottesacker, der vor ihm lag, und der Fuß zögerte weiter zu schreiten. Der Nachtwind fuhr mit eisigem Hauch über die blatt losen Sträucher und durch die kahlen Baumwipfel. Verwelkte Todtenkränze bewegten sich raschelnd an den Kreuzen und den Leichensteinen. Ruhig und kalt stand der Mond am sternlosen, unermeßlichen Himmel; ruhig und kalt deckte der Schnee gleich einem endlosen weißen Bartuche die erstarrte Erde und ver hüllte auch den frischen Grabhügel, unter dem sein einziges Kind schlummerte. Er hatte mehr verloren, als den kleinen, lebensfrohen Liebling; denn seit dem Tode des Kindes war seine Frau einer tiefen Schwermut verfallen. Unten im Dorfe wurde bereits der kommende Festtag vor bereitet. Hier und dort stieg schon der Rauch des Herdfeuers aus den Schloten empor; hier und dort grüßte aus den Fenstern ein freundlicher Lichtschimmer, während die Haushähne sich eifrig bemühten, den noch schlummernden Tag zu erwecken. Nur in dem Hause des Lehrers blieb es still und dunkel. Dort rührte sich nicht die freudenspendende Hand der Hausfrau. Von Angst und Sehnsucht getrieben, eilte Franz Gruber in das Dorf hinab, und, fast erschreckend vor seinen eigenen Tritten, betrat er das Haus und die Stube. Der Mond schien fahl durch die blanken Fensterscheiben und beleuchtete mit bleichem Schimmer das regungslose Angesicht der jungen Frau, die thränenlos am Bettchen ihres verstorbenen Lieblings kniete und das leere Kissen streichelte. „Anna!" rief der Eintretende, aber sie regte sich nicht. Da trat er näher und berührte ihre Schulter. Ein leerer Blick traf ihn, und als er sich niederbeugte und sie aufrichten wollte, hielt sie ihm abwehrend die Arme entgegen. „Anna!" bat er in Angst und Schmerz, aber seine Stimme verhallte ungehört. Da war es ihm, als sagte ein alter, be währter Freund zu ihm: „Komm, versuche es einmal auf diese Weise!" Sein Blick traf nämlich das geöffnete Spinett, und sofort setzte er sich an dasselbe, um zu spielen. Und' wunderbar ward ihm hierbei zu Mute. Über den trüben, dumpfen Wogen der Schwermut erhob sich allmählich in sanfteren Harmoniecn die Rückerinnerung an das entschwundene Glück; den Schmerz läuternd und beruhigend, zog sein Spiel die Seel« hinan zu den reinen, lichten Höhen, wo das arme grübelnde Menschenherz für die unergründlichen Rätsel des Lebens allein Rat und Trost zu finden vermag. Anna regte sich. Die geweihte Hand der Musik hatte sie berührt, und der fürchterliche Bann, der ihre Seele gefangen hielt, begann sich zu lösen. Franz Gruber aber, der während einer kurzen Pause das Papier, worauf der oben erwähnte Text zu dem Weihnachts liede stand, entfaltet hatte, sah und hörte nicht, was um ihn her vorging. Nach einer kurzen Einleitung begann er, von höherer Eingebung getrieben, zu spielen und zu singen: „Stille Nacht, heilige Nacht! Alles schläft; einsam wacht Nur das traute, hochheilige Paar. Holder Knabe im lockigen Haar Schlafe in himmlischer Ruh'!" Und stehe! der Weihnachtsengel, der so viele Menschen herzen in ihrem Innersten beglückt und erhoben hatte, ging nicht vorüber an dem stillen, lichtlosen Trauerhause. In tiefer Rührung lauschte die Frau dem Gesänge, den sie zum ersten Male hörte. Als aber der letzte Akkord ver klungen war und Franz Gruber fick erheben wollte, fühlte er sich mit sanfter Gewalt von zwei warmen, weichen Armen um faßt, und ein geliebtes Antlitz neigte sich dem seinigen zu, so mild und innig wie ehedem. „Franz", fragte sie, „ich hatte im bitteren, wahnsinnigen Schmerze Dich und unsern Herrgott vergessen — vergieb es mir!" Weinend hielten sich die guten Menschen umschlungen. Bald brannten die schönsten Weihnachtskerzen im Schulhause zu Arnsdorf. Das Weihnachtslied aber, das nach Inhalt und Form von so tiefreligiösem Sinn erfüllt ist und das man später aus diesem Grunde irrtümlicherweise dem Altmeister Haydn zu- schrieb, wurde bald nach seiner Entstehung in der Pfarrkirche zu Oberndorf vom Kirchenchor öffentlich gesungen und verbreitete sich schnell, gleichsam als wären die Engel selbst Botenläufer gewesen in der ganzen Christenheit. Noch jetzt übt es ein magisches Recht auf jedes empfängliche Herz aus. Die Frau des Waffenschmiedes. Dem Holländischen nacherzählt von H. N. O. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Sylvester stellte sich in den Thorbogen eines Hauses auf. Nock keine Viertelstunde war vergangen, als eine Frau einsam die Straße daherkam, an das Haus des Juden trat, einen Schlüssel aus der Tasche nahm, der die Thür öffnete und das verwünschte Haus betrat. Einen Augenblick später hörte der Waffenschmied, der inzwischen an die Thür getreten war, den Klang einer Männerstimme, vermischt mit leichtem Schluchzen. „Wehe der Elenden!" rief er aus, „wehe ihr!" Er machte eine drohende Gebärde, dann schlug er den Heimweg ein, darüber nachdenkend, wie er sie am besten strafen solle. Es war dem Unglücklichen nicht möglich zu schlafen. Er zitterte vor Wuth, und kochend vor Zorn stieß er leise Drohungen aus, während er in großen Schritten immer wieder das Schlafzimmer durchmaß. Bereits vor Tagesanbruch ver ließ er das Haus. Er wollte Gertrud nicht sehen, fürchtend derselben seine rachsüchtigen Pläne mitzutheilen, von denen ihn abzubringen, sie dann trachten würde. Sylvester schämte sich der Schwäche, daß er sich am Abend vorher durch Beggas Worte hatte dahin bringen lassen, ihr zu glauben. Er wollte allein, ganz allein mit seinen Racheplänen sein; er glaubte das Recht nicht mehr zu besitzen, ihr vergeben zu dürfen, wenn er das seiner Frau wegen wirklich hätte thun wollen. Er wollte Rechenschaft fordern seines Namens wegen, den er be fleckt glaubte. Als die Zeit nahte, in welcher die Richter zu sprechen waren, begab er sich zum Gerichtshouse. Dort be fand sich ein Richter, der alle Anklagen, die dort gemacht wurden, anhörte und dann entschied, ob die Sache weiter ver folgt werden solle oder nicht. In seiner Nähe standen ver schiedene Männer und Frauen, die niedergedrückt wurden unter der Last ihres Unglückes, des Verdrusses oder der Schande. Einige machten ^Mittheilungen von häuslichen Streitigkeiten, andere heischten Bestrafung wegen erfahrenen Unrechtes, wieder andere schleppten sich mit Mühe fort, die deutlichsten Spuren von Schlägereien an sich tragend. Der Richter hörte jeden au, untersuchte die Sache nach allen Seiten, und wenn er sie ernstlich befand, setzte er einen Tag zur Verhandlung fest. Bleich, unbeweglich und mit zusammen gezogenen Augenbraunen stand dec Waffenschmied unter der Menge, wartend, bis die Reihe an ihn kommen würde, vor den Richter zu treten. Im Anfänge bebte ec bei jedem Worte, das er zu dem Richter sprach, als er aber die Bestrafung s iner Schwägerin forderte, da blitzten feine Augen auf voll Feuer und seine Stimme klang fest und sicher. „Also," frug der Richter kühl, „wollen sie als Ankläger gegen Begga, die Frau ihres Bruders Hubert auftreten? Sie wollen sich an ihr rächen?" „Ich heische mein Recht. Sehen Sie, Herr Richter, ein heiliger Eid wurde geschworen und gebrochen . . . Die Frau meines Bruders konnte dessen sterbliche Ueberreste nicht finden, weil er in die Maas geworfen worden und sie konnte ihre Pflichten vergessen. Hat sie sich vergangen, dann muß sie verurtheilt und bestraft werden." „Sie sind strenge," sagte der Richter. „Wenn jemand mich einer Missethat beschuldigen kann, dann kann er auch meine Verurtheilung beantragen." „Gut," antwortete der Richter, „Begga soll vor Gericht gezogen werden." Erhobenen Hauptes und mit langsamen Schritten verließ Sylvester den Richter. Je näher er jedoch seiner Wohnung kam, e>n um so ängstlicheres Gefühl erfaßte sein Herz. Konnte Gertrud nicht wie Gott den Kain, fragen: „Was hast Du meiner Schwester gethan?" War das, was er gethan hatte nicht einem Todeöurtheil gleich? Gertrud aber hatte auch nicht die geringste Ahnung von dem was in den letzten Stunden ge schehen. Als Sylvester sie gestern Abend verlassen, hatte er ihr von einer Bestellung gesprochen, die ihn die ganze Nackt und den folgenden Morgen in Anspruch nehmen würde. Sie glaubte ihm dieses und frug ihn mit einem zufriedenen Lächeln um den Mund, als sic ihn bleich und entstellt eintreten sah: „Bist Du noch nicht fertig mit der Arbeit?" Der Waffenschmied antwortete nicht, setzte sich an den Lifch und leerte eine dort stehende Schale Milch. Einen Augenblick später verließ er das Haus wieder und begab sich zu Beggas Wohnung. In demselben Augenblicke erschienen Gerichtsdiener an deren geschloffener Hausthüre: Begga öffnete dieselbe und erbleichte, als sie sah, wer vor derselben stand; sie ergriff den neben ihr stehenden kleinen Ludwig, als wollte sie ihn wie einen Schild vor sich halten. ,,Sie müssen uns folgen, Begga," sagte der Aeltere der