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WickmNich ersideinm drei Nummern. Pränameralione - P«i« 22j SUt'trgr. (j Ld!r.) vierieliädrliid, Z Ldlr. für da» gaaze Iadr, ohne ErhShung, in aUen LbeUen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Bei« u. Comp., Iägerstraße Nr. 25), so wie von allen König!. Post-AmUern, angenommen. Literatur des Auslandes. 1/ 124 Berlin, Dienstag den 15. Oktober 1844. England. Ueber den Zustand der Musik in England. sPrivat-Mitlheilung aus Landon.) Aufschwung der Künste in England. — Hullah'S Musik-Klassen für das Volk. — Mendelssohn - Bartholdy. — Thalberg. — Englische Sängerinnen. — Franz und I. B. Cramer. London, Oktober I8ss. Wir schreiben Ihnen zu einer Periode, wo sich nur wenig Bemerkens- werthes in der musikalischen Welt darbictet; es möchte aber gerade jetzt von Interesse seyn, die Ursachen der vermehrten Thcilnahme zu entwickeln, deren sich hier die Tonkunst seit einiger Zeit zu erfreuen beginnt und die sich wäh rend der vergangenen Saison auf eine überraschende Weise kundgab. Wir be merken mit Genugthuung, daß in England die Liebe zur Kunst in beständigem Fortschritt begriffen ist, der nicht nur in einzelnen Erscheinungen sich äußert, sondern auch auf das soziale Leben im Allgemeinen einwirkt. Das Parlament hat zu wiederholten Malen Geldsummen zur Beförderung der Kunst ausgesetzt, und eine Kommission, die aus den ersten Rotabilitälen des Landes besteht und von dem Gemahle der Königin präfidirt wird, tritt zusammen, um sich über die 'Verwendung jener HülfSmittcl zu bcrathen, während Reich und Arm sich im edlen Wetteifer zu Kunstgenüssen hindrängt, um einen edleren Gegenstand der Huldigung zu entdecken, als das alte goldene Kalb der kommerziellen Welt. Obgleich nun diese Bewegung sich eher auf die verwandten Künste der Malerei und Skulptur als auf die Musik selbst erstreckt, so ist sie doch auch auf diese nicht ohne wesentlichen Einfluß geblieben, da eine Nation, die das Schöne in einer Kunstform würdigen lernt, es auch in einer anderen nicht verkennen wird. So hat man z. B. neuerdings die schönste und originellste Musik, deren sich die englische Schule rühmen kann, Purcells King ärtkur, in Scene gesetzt, und obwohl man zugeben muß, daß die prachtvollen Decorationcn dieser Oper nicht wenig zu ihrem Erfolge beitrugen, so spricht doch schon ihre Aufführung und der ununterbrochene Beifall, mit dem sie ausgenommen wurde, für den vorgeschrittenen musikalischen Geschmack unseres Publikums. Auch war dies kein alleinstehendes Beispiel; unter den Auspizien desselben thätigen Entrepreneurs wurden auch Händel's „AciS und Galatea" und sein „ComuS" aufgeführt, und zwar mit unerhörtem Erfolg, obgleich diese Musik zu einer Klasse gehört, die man früher als weit über dem Bereich deS gewöhn lichen Theater-PublikumS sich befindend betrachtete. Eine solche Erscheinung ließ auf eine gänzliche Revolution im Geschmacke des Volks, insofern er sich auf die Kunst bezieht, schließen, und diese Meinung ist durch die jetzt zu Ende gehende Saison bestätigt worden. Der erste Schritt zur Entwickelung des eben sich bildenden National geschmacks war die Auffindung eines Mittels, dem Volke eine mehr praktische und individuelle Bekanntschaft mit der Tonkunst beizubringcn. Dieses ist zum Theil durch die Musik-Klaffen des Herrn Hull ah erreicht worden, und die Schnelligkeit, mit der sie ins Leben getreten sind, beweist, daß sie einem fühl baren Bedürfnisse cntgegenkamen. Die Veröffentlichung seiner Pläne, ihre Billigung und eifrige Unterstützung von Seiten des Gouvernements und die Aufnahme zahlreicher Schüler erfolgte in kürzerer Zeit, als man ehedem dar auf verwendet hätte, die Ausführbarkeit deck Entwurfs zu untersuchen. Schon die Idee, eine Maßregel zu befördern, die dem Volke neue Quellen des öffent lichen und Privat-Genusses eröffnete, war der englischen Regierung neu und ungewohnt, und ihr Erfolg war nicht weniger unerwartet, als die Schnellig keit, mit der man sie ins Werk setzte. Wir gehen nun zur letzten Saison über, die, wenn auch nicht so befrie digend, wie wir eck von den künftigen erwarten, sich doch so weit über alle vorhergehende erhob, daß wir sie mit Recht als glänzend betrachten können, und da sic nur ein Glied in der Kette allmäliger Fortschritte bildet, so können wir auch zuversichtlich auf eine fernere progressive Verbesserung rechnen. Das Haupt- oder vielmehr das einzige Ereigniß der Saison war die Erscheinung Mendclssohn'S unter unS; eine Erscheinung, die keinen so allgemeinen EntbusiaSmuck erregt, keine so herzliche Bewunderung eingeflößt haben würde, wenn die letzten Jahre das Publikum nicht vorbereitet hätten, seinen erhabenen Genius °) zu verstehen. Selten oder nie hat sich London eines solchen Zusam menflusses der ersten musikalischen Talente rühmen können, aber diejenigen, die ') n>, trau»<:«»s«ot x-uiu, schreibt unser in englischer Sprache berichtender Korrespondent. noch vor einem Jahre die allgemeine Begeisterung auf den höchsten Punkt ge trieben hätten, betraten und verließen die Arena, ohne daß man sie bemerkte oder vermißte. Wir hörten zufällig, als wir aus einem überfüllten Mendels- sohnschen Konzert gingen, daß Thalberg abgereist sep. Wenige Monate vorher hätte sein Abschied die musikalische Welt in Trauer versetzt und ihm ein gefülltes Haus gesichert, aber in diesem Augenblick ging die Kunde fast unbemerkt vorüber; glücklicherweise hat er sich schon so glänzende Lorbeern errungen, daß er eine solche Widerwärtigkeit verschmerzen und sich mit Ehren vor dem magischen Einflüsse McndelSsohn's zurückziehen konnte. Wir wollten über engliche Musik, englische Komponisten und englische Sänger berichten, aber in dieser Saison hatten wir hierin den Deutschen so viel zu verdanken, daß unsere Tonkünstler eher die Erfolge Anderer beobach teten, als eigene zu erringen strebten. Dieses bescheidene, kontemplative Ge fühl scheint die Mehrzahl unserer Komponisten veranlaßt zu haben, in die Fußstapfen jeder Schule zu treten, die gerade an der Tagesordnung war, um sich die schwierige Aufgabe der Originalität zu ersparen. Die Kunst, mochten wir glauben, hatte alle ihre Schätze an die Meister der Vergangenheit ver schwendet; Beethoven, Gluck, Händel, Haydn, Mozart, Weber u. A. hatten uns keine Idee übrig gelassen, die wir zu einer nationalen und originellen Schule verarbeiten konnten, und statt daher nach einer solchen zu streben, nähr ten wir unS demüthig von den Brosamen, die von den Tischen der deutschen und italiänischen Meister fielen. Und inmitten dieses ewigen Geschreis, daß es nichts Neues unter der Sonne gäbe, steigt Mendelssohn, ein neuer Kunst- Genius aus Ihrem Lande der Begeisterung empor und wählt sich seinen eigenen Pfad — einen so kühnen und originellen, als den irgend eines seiner Vor gänger. Natürlicherweise ist er dadurch zum Leitstern der gegenwärtigen Kunst richtung in England geworden. Wir werden in unseren künftigen Mittheilun- gcn einige Notizen über unsere Komponisten geben, die, wie man gestehen muß, der unglücklichen Bescheidenheit znm Trotze, die sie abhält, eine größere Ori ginalität und GeistcStiefe zu entwickeln, Vieles geleistet haben, was Beachtung und Lob verdient. Wenn die Namen unserer Tonsetzer kein sehr glänzendes Register bilden, so ist die Liste unserer Sänger und Virtuosen ersten Ranges noch ärmlicher, und wir müßten Staudigl, Joachim und einige Andere naturalisircn, um sie auch nur einigermaßen auözufüllen. Von unseren Sängerinnen könnten wir mit größerem Stolze reden, wenn nicht unglücklicherweise so viele von ihnen (und zwar gerade die begabtesten) die Bühne verlassen und sich ins häus liche Leben zurückgezogen hätten. Clara Novello und Adelaide Kemble haben sich verheiratet, Miß Stephens gleichfalls, und es bleibt uns nur übrig, unsere Verluste zu beklagen, die in der That unersetzlich scheinen. Selbst Miß Birch hat von uns Abschied genommen, um sich in Mailand für das Theater auszubilden; sie wurde von einer Miß Bassano begleitet, deren schöne Stimme und musikalisches Talent ihr großen Erfolg verhießen. ES dürste hier auch der Ort seyn, den Abgang Franz Cram er'S zu erwähnen, der lange unser bester Kapellmeister gewesen ist. Das Publikum erinnerte sich mit Dank barkeit seiner vieljährigen ausgezeichneten Dienste und trennte sich ungern von ihm; sein Abschieds-Konzert erfreute sich eines zahlreichen Besuchs und wurde durch die Mitwirkung seines Bruders, I. B. Cramer, verherrlicht, der eigens zu diesem Zweck nach London zurückgekchrt war. Sie werden bemerken, daß wir bis jetzt eher über Hoffnungen und Aus sichten als über wirkliche Leistungen zu berichten haben. Es beginnt hier aber gleichwohl eine nationale Schule sich zu bilden, über deren Productionen wir uns ausführlichere Mitteilungen Vorbehalten. Unterdessen müssen Sie nicht schlimmer vou uns denken, wenn jeder neue Name, den die deutsche Tonkunst ihrer Neihcfolge unsterblicher Meister zufügt, in uns nur den glühenden Wunsch hcrvorrust, daß auch England einen Beethoven, einen Weber, einen Mendelssohn erzeuge, der eck seiner bisherigen Apathie entreißen und ihm das Bürgerrecht in dem Reiche der Musik erwerben möge. Spanien. Gibraltar und seine Bevölkerung. (Fortsetzung.) Bald indeß wurde ich durch den Schall einer kriegerischen Musik dicht unter meinen Fenstern gestört. Ich ging hinunter und stellte mich an die Thür. Ein militairisches Musik-Corps war auf dem kleinen Platze vor der Börse auf-