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Sonntag. Ee^pzig. Dl« Zeitung er schein« täglich zwei mal un» wird a»«gegeben in L«iP»ig Bormittag« l» Uhr, Abend» r Uhr j in !vr«»»«u Abend» S Uhr, Vormittag« 8 Uhr. »r«i» für da, Nirrt.ljahr > Thlr.; jede «injeln« Num mer l Ngr. Vormittag 11 Uhr. 20. April 18SL. —- Nr. 2«3. -— Deutsche Allgemeine Zeitung. Zu beziehen durch alle Post ämter de« In- und Au«lande», sowie durch die Erpeditionen in Leipzig (Querstraße Nr. 8) und wr«»d«u (bei E. Höckner, Neustadt, An der Brücke, Nr. 8). «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» InsertlonSgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Deutschland. DaS berliner Correspondenz-Bureau vom 19. April schreibt: Man ist davon unterrichtet, daß Oesterreich alsbald nach Eröffnung deS Bun destags die Constituirung einer deutschen CentralsicherheitSbe- hörde betreibe» wird. ES sollen nach der österreichischen Intention die ser Centralpolizeibehörde sehr ausgedehnte Befugnisse beigelegt werden, zu denen nach einer vorwaltenden Ansicht auch die Unterordnung der Bundeötruppen gefügt werden soll. Diese Behörde soll provisorisch inS Leben gerufen werden und bis zur Einsetzung einer definitiven Central - und Exekutivgewalt fortbestehen. Daß Oesterreich eine Reconstituirung der Bundeswehrverfas sung beabsichtigt, haben wir früher schon mitgetheilt. Einen Theil die ses Planes bildet das Aufhörenlaffen der kleinern BundeStruppencontin- gente. Die kleinern Staaten sollen für diese Befreiung vom Wehrdienst einen verhältnißmäßig größern Geldbeitrag dem Bunde leisten und die ser zur Stellung der nothwendigen Garnison verpflichtet sein. Es war Absicht, daß die Schließung der Dresdener Conferen- zen feierlich und durch den Fürsten Schwarzenberg in Person erfolgen sollte. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen hat man jedoch endlich beschlossen, davon abzustehen. — DaSDresdenerJonrnal stellt in Abrede, daß Sachsen im Verein mit Balern und Württemberg die Fortverhandlung am Bundestage of- ficiell von dem Aufhören der Dresdener Konferenzen abhängig ge macht hätte. — Der Allgemeinen Zeitung schreibt man auö Dresden vom 15. April: Die gewärtigte vollständige Reactivirung deSBundeStagS hat die Männer von der äußersten Rechten, oder richtiger von der überspannten Rechten mit erneuter Rührigkeit erfüllt. Sie hoffen von der bevorste henden Rückkehr des Fürsten Metternich nach Oesterreich und Wien ganz Unerhörtes, dürften sich aber in dieser letzter» Beziehung zuver lässig verrechnen. Der Fürst wird sich nicht als Firma für extreme Be strebungen misbrauchen lassen. ES sucht diese extreme Partei übrigens auch noch Anknüpfungspunkte hier in Sachsen. Gebricht es nicht an einzelnen Persönlichkeiten, die dazu dienen können, so hat man doch hier die schmerzlichsten Erfahrungen darüber gemacht, wohin extreme Richtun gen führen, und längst begriffen, daß gerade diese tranrigen Consequen zen das unter allen Umständen Gemeinsame der Extreme sind. So wer den denn die Herren sich vergeblich bemühen, was uns betrifft. — Dem Vernehmen nach gehen die Verhandlungen der General- Zollconferenz, mit der Aussicht auf seinen vollständig günstigen Er folg, ihrem Ende entgegen. (Frkf. I.) Berlin, 19. April. Der König hat die Leitung deS Ministeriums deS königlichen HauseS interimistisch dem wirklichen Geheimrath v. Mas- sow übertragen. — Die Neue Preußische Zeitung sagt: Nachrichten auS London mel den als ziemlich gewiß, daß der Ritter Bunsen um Abberufung von seinem bisherigen Posten als preußischer Gesandter in London nachge sucht habe. Hier spricht man davon, der Wirkliche Geheime Rath^Frhr. v. Schleinitz werde den Ritter Bunsen in London ersetzen. — Die Kölnische Zeitung macht vom Niederrhein die bestimmte Mit- theilung, daß die diesjährigen Landwehrübungen mit Einschluß der Schießübungen für den ganzen Staat ausfallen. — Der Kölnischen Zeitung schreibt man auS Berlin vom 16. April: Die Freisprechung der mit Beschlag belegten „Vier Monate aus wärtiger Politik" wird schon mehre Tage vergebens erwartet. Der Staatsanwalt, dem die Führung des ProcesseS übertragen war, hat sie der Regierung zurückgeschickt mit der Erklärung, daß er keine Gründe auSmitteln könne, auf. die eine Anklage mit Erfolg zu basiren wäre. Der Polizei ist diese Erklärung natürlich auch bekannt, aber trotzdem wird die Broschüre nicht freigegeben. Im Gegentheil, man wendet alle Mittel an, um den Staatsanwalt zu einer andern Meinung zu bewe gen, und eS ist nicht zu hoffen-, daß das Publicum Ane so schlagende Broschüre in die Hände bekommt. Die Leiter der auswärtigen Ange-- legenheiten wünschen die Anklage, nicht um die Behauptungen, die in der Broschüre enthalte» sind, zu widerlegen — das möchte ihnen wol sehr schwer werden —, sondern um Kenntniß von den Quellen, aus welchen der Verfasser sein reiches Material geschöpft hat, zu erlangen. Sie vermuthen, daß dieser, um sich selbst zu retten, die Leute, die ihn tnformirt. haben, denunciren werde; und da sie mit Bestimmtheit anneh men, daß diese nur Beamte seien, hoffen sie, ihrem Aerger an den un getreuen Dienern Luft machen zu können. Sie werden sich mit ihren Berechnungen täuschen, da sie den Verfasser nur nach eigenem Maßstabe beurthetlen. — Gestern wurde von einem neuerdings stattgefundenen hef tigen Auftritte zwischen der allerhöchsten Person und dem Minister präsidenten sehr viel gesprochen. Letzterer soll sich über Communica- tionen, die ohne sein Wissen mit anSwärtigen Gesandten stattfanden, in gerade nicht hofartiger Sprache beklagt und eine sehr unangenehme Ant wort empfangen haben. Die Sache macht einiges Aufsehen, und man erwartet, daß sie dementirt wird. — AuS Berlin gehen den Hamburger Nachrichten Mittheilungen über die Wirksamkeit des kürzlich verstorbenen Fürsten von Wittgenstein zu. ES war das Jahr 1819, heißt eS, in welchem Preußen, und dem zufolge daS ganze übrige Deutschland die in den Freiheitskriegen betre tene nationale Bahn deö Fortschritts verließ, in welchem jene Tendenz politik begann, welche von da an fortdauerte, biö sie den preußischen Staat auS den Händen deS Fürsten Metternich der berliner Straßen demokratie als Spielball zuwarf. Der Mann aber, welcher den größ ten Einfluß auf jene Katastrophe des JahreS 1819 übte, die durch den Austritt deS Hrn. v. Humboldt und seiner Freunde aus dem Ministerium bezeichnet wurde, war der Fürst Wittgenstein. Er war es, der dann durch seinen fortgesetzten vertrauten Briefwechsel mit dem Fürsten Met ternich (die Briefe wurden zeitweise fast täglich gewechselt) einerseits und durch seine nahe Verbindung mit Friedrich Wilhelm III. andererseits daö Werkzeug wurde, durch welches der Fürst Metternich idle Politik Preu ßens dirigirte. ES geschah unter Friedrich Wilhelm III. kein Schritt in der auswärtigen Politik und in Sachen, in die sich die absolutistische Tendenzpolitik hineintragen ließ, worüber nicht der Fürst Wittgenstein den österreichischen Staatskanzler vorher consultiren mußte. Und leider galten die Antworten des Letztem regelmäßig als unverbrüchliche Nor men des Handelns. Nach jener Katastrophe, welche den Fortschritt in Preußen in einen permanenten Rückschritt verwandelte, nahm der Fürst Wittgenstein eine Reihe von Jahren hindurch die Leitung der Polizei unmittelbar in seine Hände. Von den Verfolgungen der Demagogen, „den Umtrieben gegen die Demagogen" war in letzter Instanz er die Seele. Selbst von der Furcht vor der „Revolution" ganz dominirt, verfolgte er überall freiheitlichen und nationalen Sinn, wie der Meister in Wien eS nur wünschen konnte. Die Herabdrückung deS öffentlichen Geistes in Preußen zum flachsten Nihilismus war vorzüglich sein Werk. Wir fügen dieser Schilderung eine andere auS der Allgemeinen Zei tung an. Hier heißt eS unter Anderm: Der Fürst ist im Jahre 1793 iir preußische Dienste gekommen; man erzählt, er sei in den Laufgräben von Mainz gefangen genommen worden und habe sich damals in den seltsamsten Verwickelungen mit der Revolution befunden. Später ist er eine zeillang der Gefangene des Marschalls Neh gewesen. Zuverlässig ist, daß er ein Mann von dem schärfsten Verstände, von der gewandte sten Hofpolitik und voll kaustischen Witzes war; aber es läßt sich auch nicht bestreiten, daß er in sittlicher Beziehung dem Ende des 18. Jahr hunderts und seinen (namentlich in Preußen) sehr gelockerten Zuständen angehörte. Was in dieser Hinsicht die allgemeine Gerüchtstimme sagt, möge der Sargdeckel hier ewig abschließeu. Der Fürst war entschieden in politischen wie in Privatbeziehungen der nächste Vertraute Friedrich Wilhelm'S III. ES wird behauptet, daß er z, B. allein der Mitwisser deS HeirathSprojectS deö verstorbenen Königs mit. der Fürstin Liegnitz gewe sen. Soviel wenigstens ist gewiß, daß die andern nächsten Vertrauensmän ner, z. B. der damals allgeltende General Witzleben, nichts davon wußte, Hat eö Staatö- und Privatgeheimnisse deS Königs gegeben, die bisjetzt nicht enthüllt worden/ so hat der Fürst Wittgenstein entschieden den voll ständigsten Schatz derselben mit ins Grab genommen. Viel gab lange Jahre hindurch eine Whistpartie zu sprechen, die zu sehr hohem Satz alle Abend von mehren der wichtigsten Gesandten beim Fürsten gespielt wurde. Man behauptete, das hohe Spiel werde von den resp. Kaiser- und Kö- nigSkassen getragen, weil man wünschte, daß die Gesandten stets in den vertrautesten Beziehungen zu dem Fürsten bleiben sollten; ebenso lebendig soll dieSseit der Wunsch gewesen sein, daß der Fürst in steter Verbindung mit den Gesandten der Großmächte bleibe. Wir lassen dem Gerücht seinen Theil; wahr ist indeß, daß die sehr hohe Partie allabendlich ge spielt wurde. Obwol der Fürst an Altersschwäche (80/r Jahr) gestorben ist, so behielt er doch seine Geisteskräfte und seine Heiterkeit bis zum letzten Tage (da verließ ibn daö Bewußtsein) bei. Er sah den Tod, schien ihn jedoch nicht zu fürchten. Er war der Mann der alten Po litik; sie hatte nicht so liberale Grundsätze, nicht so beglückende Phrasen als die neue; allein in der Praxis war sie milder als wir jemals di