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Wochenblatt für für Mittag 12 Nbr. bis Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag Abonnement-Preis vierteljährlich 1 Mark Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf Jnseratenannahme Montags u. DoanerStags bi- Mittag 18 «hr. ^Erscheint wöchentlich 2 Ma! Dienstag und Freitag.) Abonnementspreis vierteljährlich l Mark. Eine einzelne Nummer ksste^O Pf. Jnseratenannahmc Montags u. Donnerstags Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden nr die Kölligl. Amtshauptmanuschast zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Dreiun-vierzigster Jahrgang. Nr. Z. Dienstag, den 15. Januar 1883. Bekanntmachung. Sonnabend, den W. Januar 1883, Vormittags 9 Uhr findet im hiesigen Berhandlungssaale öffentliche Sitzung des Bezirksausschusses Statt. Die Tagesordnung ist aus dem Anschläge in hiesiger Hausflur zu ersehen. Meißen, am 10. Januar 1883. Königliche Amtshauptmannschaft. v. Bosse. Ein ausländisches Unheil über Deutschland. Zu den Untugenden der Deutschen hat, zumal in früheren Jahren, oft ein geringes nationales Selbstdewußtsein gehört. Freilich lag dies nicht gerade an den Deutschen und an ihrem mangelnden Patrio tismus, sondern die Ursache an dem Mangel eines größeren nationalen Stolzes nnd Vertrauens war in den ehemals so unerquicklichen poli tischen Zuständen Deutschlands, dann aber auch in dem kritisirenden und viel denkenden und überlegenden Geiste der Deutschen selbst zu suchen, wodurch sie vielmehr als z. B. die leichtlebigen romanischen Nationen sich ihrer Fehler nnd Gebrechen bewußt wurden und das Haupt nicht so stolz erhoben. In den beiden verflossenen Jahrzehnten ist es nun mit dem nationalen Bewußtsein der Deutschen auf Grund großer Errungenschaften allerdings ganz anders geworden, aber vielen unserer Landsleute steckt theils aus alter Gewohnheit, theils aus Kurz sichtigkeit doch noch häufig die Kleinmüthigkeit und Schwarzseherei in den Gliedern, weshalb wir zur Aufmunterung und Ermahnung in folgenden kurzen Umrissen das Urtheil des früheren Gesandten der Vereinigten Staaten in Berlin, Herrn Andrew White, über Deutsch land wiedergeben wollen. Das Urtheil des Herrn White über Deutsch land gleicht einer Lobeserhebung und würde, wenn es aus dem Munde eines Deutschen käme, uns schlecht zu Gesichte stehen, da das Lob aber von einem ausländischen Staatsmanne herrührt, der einige Jahre in Deutschland Gesandter war und sich berufsmäßig mit der Beobachtung des Deutschthums beschäftigt. hat, fo dürfen wir sein Urtheil schon hören lassen. Das deutsche Erziehungs- und Verwaltungssystem schildert White als einzig dastehend und nennt deshalb die Deutschen die moralischste Nation der Welt. Obwohl das Regiernngssystem in Deutschland monarchische Form und Spitze habe, so sei es doch in seiner Hand habung durchaus demokratisch und republikanisch, d. h. dem Wohle des Staates unter Theilnahme des ganzen Volkes gewidmet. Kein deutscher Beamter sei von einer Partei auf seinen Posten gehoben und diene auch keiner Partei, sondern schaffe nur für den Gesammt- staat, was in Amerika und den meisten anderen Ländern, wo es par teiisch und despotisch bezüglich der Verwaltung zugehe, nicht der Fall fei. Das deutsche Verwaltungssystem sei auch sehr sparsam, geschäfts mäßig und auf höheres Streben gerichtet, während in Amerika die Verwaltung kostspielig, parteiisch und die Beamten vielfach corrum- pirend fei. Gleiche Vorzüge wie das staatliche Verwaltungssystem besitze auch die Gemeindeverwaltung in Deutschland und sö komme es, daß in den deutschen Städten größere Ordnung, Reinlichkeit und mehr Prachtbauten und Museen zu finden seien wie in den amerikanischen, obwohl im Durchschnitt die amerikanische Verwaltung zehn mal mehr koste, wie die deutsche. Gewaltige Fortschritte mache auch die geistige Fortbildung Deutschlands in Folge der guten Schulen und Universi täten und die Industrie und technischen Künste hätten durch Fachschulen und permanente Ausstellungen einen ganz bedeutenden Aufschwung er fahren. Auch die deutsche Gerechtigkeitspflege sei beachtenswerth, da sie unparteiisch geübt werde und den Verbrecher nicht durch die Masche» des Gesetzes entschlüpfen laste, wie es in Amerika oft vorkomme. An genehm berühre es auch, daß die deutfchen Zeitungen wenig Freude au Skandalgeschichten hätten, und trotzdem Männer wie Frauen in Deutschland Bier und Wein tränken, habe White in Deutschland während feines vierjährigen Aufenthaltes nicht fv viel Betrunkene gesehen als in Amerika manchmal an einem einzigen Tage die Straßen unsicher machten. Des ist das Urtheil des Herrn White über Deutschland, woraus jedenfalls hervorgeht, daß es sich in unserem Vaterlande recht gut leben läßt und der Glanz und Schimmer Amerikas verschiedene dunkle Punkte besitzt, an denen kein ehrlicher Mann Freude haben kann. Tngesgefchlchte. Berlin, 11. Januar. Die Bewilligung von 600 000 Mark für die nothleidenden Ueberschwemmten aus dem Dispositionsfond des Kaisers wird allgemein den besten Eindruck machen. Indem das Oberhaupt des Reiches einen so großen Theil des ihm etatsmäßig zur Verfügung gestellten Fonds jenem Zwecke widmet, wird einerseits die Dringlichkeit der Hilfe anerkannt, andererfeits aber auch >— und darauf möchten wir ein Hauptgewicht legen —, daß bei Kalamitäten, wie wir sie jetzt erlebt haben, das Reich einzutreten hat, daß gemein same Hilfe fordert. Die Privatwohlthätigkeit hat stets demgemäß ge handelt und nie nach Grenzen und Staatszugehörigkeit gefragt, und sie wird gewiß fortan, wenn sie auch die staatlichen Faktoren von demselben Geiste beseelt finden, noch reger mit denselben wetteifern. ! Die Zuwendung des Kaisers wird darum eine kräftige Wirkung auf das ganze Reich ausüben, und Bundestag wie Reichstag werden dar aus den Jmpnls schöpfen, der Frage näher zu treten, ob und in wel cher Weise die Reichsgesetzgebung einzutreten haben wird, um künftigen Gefahren des Hochwassers entgegenzutreten. Als Fürst Bismarck dem Kaiser den Nothstandsgesetz-Entwurf vorlegte, sagte der Kaiser: Es sei ihm ein unerträglicher Gedanke, daß, während er im warmen Zimmer sitze, die so schwer Heimgesuchten frieren und hungern müßten. Sei er auch nicht im Stande, das Un glück an sich zu heben, so wolle er wenigstens fein Möglichstes thun, die Armen vor Frost und Hunger zu schützen und damit machte er aus der 5 eine 6, fo daß die Ueberschwemmten 100000 Mark mehr erhielten. Bei der kürzlich stattgehabten Abgeordnetenkonferenz beim Fürsten Bismarck äußerte dieser, daß ihm unter den sozialpolitischen Vorlagen ganz besonders das Unfallversicherungsgesetz am Herzen liege. Als die Rede auf die großen Schwierigkeiten der Durchführung kam, warf Bismarck ein: wenn er auch noch so hungrig fei, fo könne er doch nur efsen, was er habe. Wir wünschen, daß das Gesetz so zur Ver wirklichung kommt, daß es dem Fürsten Bismarck und uns Allen mundet und die Versicherten die Aussicht haben, dabei eine gutbesetzte Tafel zu finden. Der Reichstagsabgeordnete v. Vollmar ist auf der Reise von Zürich nach Berlin nicht unbedenklich erkrankt. Wiesbaden, 10. Januar. Wie bei den früheren Nothständen in Ostpreußen, Oberfchlesien und Thüringen hat aus Veranlassung der dermalen ani Rhein und feinen Nebenflüssen durch die Hochwasser überfluthungen herdeigeführten schweren Schädigungen Dr. Schulze- Delitzsch die deutchen Genossenschaften zu einer Beihilfe aufgefordert. Die infolge dieser Anregung auf gestern Abend einberufene General versammlung des hiesigen Vorschußvereins E. G. bewilligte zu diesem Zwecke 3000 M. aus dem Reingewinn des Jahres 1882 vorweg zu entnehmen. Der Ausschuß der Vereins hatte nur 1000 M. beantragt. Frankenthal, 9. Januar. Nach amtlicher Feststellung vom 3. Januar sind infolge der Ueberfchwemmung im Bezirksamt Frankenthal folgende Häufer eingestürzt: Studernheim 20, Oppau 185, Edigheim 100, Mörsch 60, Roxheim 149, Bobenheim 90, Frankenthal 10, zu sammen 614. Nach einer neueren Zählung durch den Bezirksbau- fchaffner vom 6. Januar waren in Edigheim bereits 147 Häuser zu sammengefallen. Wenn man nun den Einsturz in Oggersheim mit ca. 20 und in Friesenheim mit ca. 120 Häusern dazunimmt, so dürften außer Zweifel in dem Ueberschwemmungsgebiet von Ludwigshafen bis Worms bis jetzt etwa 900 Gebäude eingestürzt sein. Die Zahl der Gebäude, schreibt man dem „Frankft. I.", welche vermöge theils ihrer solideren Bauart, bis jetzt Stand gehalten haben, aber gleichwohl fuß- und meterhoch über der Erdoberfläche mehrere Tage lang dem Durchgang der Fluth ausgefetzt waren, überwiegt bei weitem die Zahl der bereits zusammengestürzten. Der Frost von 6 Grad C., welchen wir in der verflossenen Nacht hatten, ist ausreichend, die genäßten Mauern und Wände zu dnrchfrieren. Lehm- und Kalkmörtel wird der Einwirkung des Frostes unterliegen. Nach Eintritt milder Witterung werden die Wirkungen hervortreten. Die auseinandergetriebenen, als dann zerbröckelnden Fundamente werden in häufigen Fällen das Ge wicht nicht tragen können. Neue massenhafte Einstürze stehen bevor, wenn solchem Unheil nicht rechtzeitig vorgebeugt wird. Aus Köln wird gemeldet daß die Rheinschifffahrt wieder er öffnet fei. München, 9. Januar. Se. Maj. der König hat an das StaatS- ministerium des Innern nachstehendes Handschreiben gerichtet: „Da Mir Alles daran liegt, daß der vom Hochwasser am schwersten be troffenen Pfalz jede nur mögliche Hilfe zu theil werde, so verfüge Ich, 1) daß mein Minister des Innern sich sofort nach der Pfalz begiebt, um über die Nothstandsverhältnisse und das nöthige Maß der Staats hilfe im Vernehmen mit dem Regierungspräsidenten und dem Land- rathsausschusse Erhebungen zu pflegen; 2) daß aus der staatlichen allgemeinen Reserve für unvorhergesehene und unabweisbare Ausgabe die nöthigen Mittel zur Beseitigung von Nothständen disponibel ge macht werden; 3) daß die nöthigen Maßnahmen gegen weitere Be schädigungen, insbesondere durch Wiederherstellung der Dämme getroffen werden. Hiernach hat im Einvernehmen mit den"anderen einschlägigen Ministerien das Weitere zu geschehen. Hohenschwangau, den 8. Ja nuar 1883. Ludwig." Wien, 9. Januar. Die Stadt Raab ist das Opfer einer furcht baren Ueberfchwemmung geworden. Die Vorstadt und ein Theil der Stadt bieten ein schreckliches Bild der Verwüstung. Alle öffentlichen