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Weißerih-Ieidmg. Amts- und Anzeige-Matt der Königlichen Gerichts-Ämter nnd Stadträthe zu Dippoldiswalde und /raueusteiu. vrrantwortlichkr Redakteur: Carl Frhne m Dippoldiswalde. Erscheint Dienstagsund Freitags. Zu beziehen durch alle Postanstalten. Preis pro Quartal 10 Ngr. Inserate die Spalten-Zeile 8Pfg. Ta gesgeschichte. Dippoldiswalde, den 13. Juli. Wieder einmal ist eö den Dippoldiswaldern geglückt, ihre „große Woche" (wenn's eigentlich auch nur ein halbe ist) un gestört feiern zu können. Bor den Gluthpfeilen der Julisonne schützten ja die herrlich schattigen Baumkronen unserer Aue, und vor der Qual des Verdurstens die unerschöpflichen Stoffquellen unserer großen und kleinen „Restaurants!" Schon Sonnabend Abend hatte sich während des Freiconcertes bei Zetzsche eine kleine Gesellschaft von Kennern eingefunden, welche dem verzapften Stoff, indem sie ihn einer gewissenhaften Prüfung unterwarfen, ein günstiges Prognosticon stellten, das auch, der Menge entleerter Tonnen nach zu schließen, vollständig in Er füllung gegangen ist. Die Restaurationen zur „Schützen halle" und zum „Schießhaus," bei„Kittner" und „Franke" fanden gleichfalls in ihren künstlichen Birkenwäldchen oder natürlichen Lindenlauben Besucher in Menge. Den Appetit unserer Jugend reizten massenhaft auS- gebotene Kirschen, Kuchen von allerlei Farbe und Con- sistenz, Pfefferkuchen, Zuckermännel u. dergl. Der Schaulust war durch das Sommertheater der Becker- schen Gesellschaft, die am Sonntag und Montag je zwei Mal spielte, sowie durch verschiedene Veranstal tungen des Festcomitös hinreichende Nahrung geboten. Die Production eines auf das norddeutsche Exercitium dressirten Bären und eines auf gleicher Höhe der Aus bildung stehenden Affen erregte viel Heiterkeit; von vorzüglichem Effect war der am Montag Abend bei Fackelbeleuchtung ausgeführte Umzug einer aus 14 Paaren bestehenden Throler-Gesellschaft, die, nachdem vor der Schützenhalle eine feierliche Begrüßung derselben stattgefunden hatte, später durch muntere Tänze im Freien und im Saale durchaus den Beweis liefern zu wollen schienen, daß eine Temperatur von 30" im Schatten und eine von 35—40° im Lampenlichte einen lustigen Throlersbua und sein Dirndel keineswegs aus der Fassung zu bringen vermögen; nicht minder inter essant war die Velocipöde-Wettfahrt am Dienstag, bei welcher der eine Mitfahrende, trotzdem er anfangs wesentlich zurückblieb und dann einmal aus dem Sattel kam, doch von dem Gegner nur so wenig überholt wurde, daß manchem Zuschauer das Resultat zweifelhaft er scheinen mochte. Stangenklettern, sowie 3 Caroussels, machten der muntern Jugend viel Vergnügen. Das Velocipvde-Caroussel des Hrn. Kögel war durch seine ungünstige Aufstellung offenbar im Nachtheile; es hätte sich einen auffälligeren, mitten im Verkehr liegenden Platz sichern sollen. Von den Produktionen dressirter Kanarienvögel, die sich ohne schattengebende Decke in der Sonnengluth alle die bekannten unnatürlichen Proce- duren gefallen lassen mußten, wollen wir lieber schweigen, der Verein gegen Thierquälerei sollte Schritte thun, dergleichen Unfug entgegen zu wirken. — Ein photo graphisches Atelier — eine Commandite von Hanfstängl wahrscheinlich nicht — sorgte dafür, für spätere Zeiten zu constatiren, wie „Er" oder „Sie" während des Dippolviswalder Vogelschießens rmiio 70 ausgesehen hatten. — Gegen Abend kurze Zeit einfallender Regen, sowie andere Umstände, hinderten übrigens das Fest- comits an Ausführung mehrerer bereits vorbereiteter, auch angekündigter „ Ueberraschungen" am Dienstag. Was nun die Hauptthätigkeit unserer Schützen- Mitbürger betrifft, so ging dieselbe nach der nöthigen Stärkung durch ein allgemeines und diverse Privat frühstücke, bei denen der JokuS seine Schwingen oft recht ergötzlich entfaltet haben soll, sowie nach dem solennen Auszuge, recht glücklich von statten. Die Königswürde bekleiden nun, nachdem bei dem Feuerwerke die „ver flossenen" Majestäten in einem brillanten Doppel-L verpufft sind, bei dem Vogel Hr. Zimmermann Müller und bei der Scheibe Hr. Bäckermeister Ebert; Mar schälle sind Hr. Briefträger Körbs und Hr. Schneid-V- meister Schubert. Das Damenschießen war zahlreich ' besucht u :d gab Gelegenheit, manche norddeutsche Schützen schwester zu beobachten, die ins Schwarze zu treffen wußte. — Heute, am Tage nach dem beendeten Schieß feste, hängt der Himmel voll grauer Wolken, und ein mitunter recht dichter gemüthlicher Sprühregen erfrischt das durstende Land und die von Hitze und Festgenuß Mattgewordenen zur Arbeit nach der Freude. — Die nach dem Vogelschießen wieder begonnenen Theatervorstellungen werden hoffentlich zahlreichen Besuch finden; es möge dies namentlich am Freitag der Fall sein, wo der beliebte Komiker Hr. Rieck sein Benefiz hat, worauf wir hierdurch aufmerksam machen. — Das am Sonntag Nachmittag stattgehabte Ge witter ist für einen großen Theil des Landes sehr schlimm gewesen. Im Gebirge ist Altenberg und Nassau, besonders Colmnitz und die Umgegend von Frauen st ein, sowie einige um Dippoldiswalde ge legene Dörfer, durch Schloßen und Hagel geschädigt worden. Dagegen ist Dresden, besonders Meißen, Lommatzsch, Döbeln, Leisnig rc. sehr hart be troffen; der Himmel verfinsterte sich, als ob es tiefe Nacht wäre; überall sind zahlreiche Bäume, darunter in Meißen die große, vor der Albrechtöburg stehende Linde, entwurzelt worden: auf der Meißner Brücke hat der Sturm das eiserne Geländer umgebogen, Trottoir platten abgehoben; viele Gartenzäune sind umgeriffen rc.