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Ein verhängnisvolles Mervieiv Brünings „Deutschland denkt nicht an Revision" Paris, 14. Okt. Reichskanzler Brüning äußerte sich in einer Unterredung mit einem Sonderberichterstatter der „Volants" Über innen- und außenpolitische fragen. Auf die Krage, ob er mit einer Mehrheit im Reichstag rechne, ant wortete der Reichskanzler, daß dies von der Haltung der Sozialdemokratie abhänge. Bezüglich des Aoung- planes betonte er, daß Deutschland zur Zeit nicht an eine Revision dieses Plaues denke und auch nicht die Absicht habe» um ein Moratorium zu bitten. Deutschland habe im?)vungplan nicht die Erleichterungen er fahren, die es erhofst hätte. Wenn die deutschen Zahlungen auch um 7Ü0 Millionen Mark ermäßigt worden seien, so sei l>as deutsche Volk doch heute gezwungen, 1>s Milliarden Mark mehr Steuern zu zahlen. Er hoffe, daft die Reorganisierung der Finanzen gelingen werde. Wenn aber die Wirtschafts krise andauere, so könne er selbst nicht vorauösehen, was dann eintreten werde. Brüning ging sodann auf die Außenpolitik über und betonte, dah er sehr wohl die Gründe kenne, die Frankreich zu seiner Nervosität und Unzufriedenheit ver- anlahten. Die Nhelnlanüräumung habe nicht die Ent spannung mit sich gebracht, wie von französischer Seite erwartet worden sei. Das liege vielleicht daran, das; man in Deutschland viel eher mit dieser Räumung gerechnet halte. Sicherlich kenne man in Frankreich auch nicht alle Schwierig keiten der jetzigen deutschen Lage. Berlin und Köln machten aus den Fremden vielleicht einen eleganten Eindruck, aber aus dem flachen Lande gebe es Leute, die seit zw e i Jahren kein Fletsch mehr gegessen hätten. Um eine deutsch fran zösische Annäherung herbcizufiihrcn, sei es vor allem not wendig, das, Frankreich das deutsche Elend kenncnlerne. Frankreich dürfe auch nicht bei dem leisesten Alarm seine Kredite zurückziehen und sich auch nicht dnrch die in einer der nächsten Reichstagssitzungcn zur Abstimmung gestellten Anträge über die Zurückweisung des Aoungplanes beeindrucken lasten. Denn diese Anträge würden im Reichstag keine Mehrheit finden. Man müsse vielmehr, wie er. der Lage mit Ruhe ins Auge sehen. Er betonte zum Schluß, daß er eine Zusammen arbeit mit Frankreich wünsche. Wenn die Erklärung des Kanzlers so abgegeben wurde, wie sie die „Volonts" hier wtedergibt, dann ist sie das Un erhörteste. was je ein Nachkrtegskanzler unserem geduldigen Volke bieten durfte. Ein Kanzler, besten Koalition am Aus- einanderbrechen ist und dessen Politik durch die Neuwahlen von der Mehrheit unseres Volkes so heftig abgelehnt mor den ist. wie noch nie die Politik eines Kanzlers, ein Mann, der statt der versprochenen Aoungerleichterungen soeben ein Sanierungsprogramm neuer drückender Belastungen und neuer Schuldknechtschast an bas Ausland eingebracht hat, wagt es, unserem bösartigsten Gegner Frankreich gegenüber zu erklären, Deutschland denke nicht an Revi» siondesNoungplanes. Er wagt das in dem Augen blick zu sagen, in dem der Einmütigkeit des Volkes sich sogar die früher so ersüllungsberetten sozialdemokratischen Gewerkschaften nicht versagen können und auch ihrerseits Revision verlangen. Jetzt, wo das Ausland bis aus Frank reich nach den Protestwahlen des 14. September einen deutschen RevtsionSvorstotz erwartet hat, jetzt, wo man im ganzen Ausland bis auf Frankreich Verständnis für diesen notwendigen Schritt gehabt hätte, erlaubt sich dieser Kanzler, die NevisionSsorderungen des deutschen Vol kes, die aus der furchtbaren Not der Zeit erwachsen sind, als Bagatelle hinzustellen. Das Ausland hat am 14. Sep tember aufgehorcht. Engländer. Amerikaner, Italiener haben diesen Widerstandswillen begrüßt und zu verstehen gegeben, baß sie einer Revision, die unvermeidlich ist, wenn die Welt wirtschaft gesunden soll, nicht abgeneigt seien. Was werden sie nun sagen? Wahrscheinlich werden sie wie so oft in den letzten Jahren resigniert die Achseln zucken und mit dem englischen Außenminister Henberson im Haag die für uns so beschämenden Worte sprechen: „Sollen wir deutscher als die Deutschen sein." Man erinnere sich daran, wie Mussolini uns nach den Wahlen sichtbar die Hand entgegenstreckte, und nun biedert sich Brüning ausgerechnet wieder in einer Weise an Frankreich an. die, um es milde auSzudrÜckcn, einfach skandalös ist. Und dabei hat sich gezeigt, daß Frankreich von rechts bis ganz links zu Hcrriot nicht im geringsten an eine Erleichterung der Lasten Deutschlands denkt. Will uns denn der Kanzler vor dem vernünftigen Ausland zu einem tzrbärmttcher» Helotemeolk stempeln, da» für die Qualen, die ihm der französische Sadismus zuteil werden läßt, auch noch seinem Peiniger untertänigst die Schuhe leckt. So sieht der peinliche Eindruck dieses verhängnisvollen Interviews aus. Er kann nur wieder gutgemacht werden, wenn sich diejenigen nationalen Parteien, die an -er Regierung beteiligt sind, so fort vom Kanzler distanzieren. Nur so kann der schwere Schaden, den Deutschlands Ansehen durch das Interview er litten hat, notdürftig repariert werden. Agitation und Wirklichkeit! Der schreiende Gegensatz l dieser feindlichen Mächte kam gleich zu Beginn der heutigen Landtagssitzung zum Ausdruck in den Arbeitobeschassungs- anträgen der Linksparteien aus der einen Seite und der Ab wehr des Ftnanzmintsters auf der anderen. Den Zahlen, die die Regierung ausmarschieren ließ, um den Landtag in die Schranken der Vernunft zu verweisen, ist nichts hinzu zufügen. Sie reden ihre eigene Sprache. Die Parteien können Anträge stellen, so viel sie wollen, deswegen bleibt cs doch dabei, daß da, wo nichts ist, auch das Parlament sein Recht verloren hat. Das war öle Quintessenz der Aus führungen, die Finanzministcr Dr. Hedrich als Wortführer einer ihrer Verantwortung bewußten Negierung vorgetragen hat. Seine Schilderung der sächsischen Finanzlage ist düster, wenn auch nicht hoffnungslos. Die Einnahmen sind auf Grund der Wirtschaftslage im Zurttckgehen, der Etat bereits überzogen. Von auswärts ist keine Hilfe zu erwarten,- im Gegenteil, das Finanzprogramm der Ncichsrcgicrung wird die Länder schwerer als bisher belasten. Und vom Anleihe markt ist nichts zu holen, selbst wenn man die Politik des Schuldenmachens noch weiter verantworten wollte. Der Landtag mag daher seiner Bewilligungsfreude die Zügel schieße» lassen, die Negierung wird sich dadurch nicht von ihren Grundsätzen abbrtngen lassen: strengste Sparsamkeit, Zusammenhalten der vorhandenen Mittel, Anpassung an die Erfordernisse der Zeit. So dient sie in der Tat dem Lande besser als die Abgeordneten, die Ausgaben in Höhe von 341 Millionen im Handumdrehen beschließen und sich den Teufel darum kümmern, wo der Goldstrom Herkommen soll. Sie sächsischen Minister verzichten aus L« Prozent ihrer Malter Wie wir erfahren, haben sich analog dem Vorgehen des badischen Kabinetts die Mitglieder des sächsischen Ge sa m t in i n i st e r i u m s bereits für die Zeit vom 1. Oktober d. I. ab entschlossen, für ihre Person das ihnen nach der Besoldungsordnnug zustehcnde Grundgehalt nur in Höhe eines um 20 Prozent gekürzten Betrages in Anspruch zu nehmen. Bekanntlich hatte das Kabinett Schieck schon in seiner Programmrede vor einigen Monaten die Herabsetzung der Ministcrgehälter in Aussicht genommen. Der Sitzungsbericht Dresden, 14. Okt. 1930. Aus der Tagesordnung der heutigen Landtagssitzung stehen als wichtigste Punkte die zweite Beratung einiger von den Linksparteien gestellten Anträge über Arbeits beschaffung usw. Nach den Berichten des Prüfungsausschusses werden so. dann die Lanbtagswahlen vom 22. Juni in den drei sächsischen Wahlkreisen für gültig erklärt. Die Abg. Fra« Thümmel sSoz.j gibt den Bericht des Haushaltausfchuffes ^ zu dem Anträge ihrer Partei über die Schwangerenskaatsbeihilfe. In diesem Anträge war die Regierung beauftragt worden, die Staatsbeihilfe für Schwangere allen Versicherten zu gewähren, die nach der Reichsversicherungsordnung Anspruch auf Wochenhilfe haben und hinsichtlich der Höhe und Dauer der Beihilfen die Regelung wieder ctnzufiihrcn, die bis zum 31. Januar 1830 in Kraft war. Der Ausschuß schlägt die Annahme des Antrages vor. AmanzmüMer Dr. He-rich nimmt nunmehr das Wort zu einer bedeutungsvollen Rede, in der er u. a. folgendes ausführt: Ihnen liegen heute die von Ihren beiden HanshaltauS- schüssen gefaßten Beschlüsse zur Entschließung vor, Beschlüsse, die unseren Hanshaltplan in ganz ungeheuerlicher Weise belasten würden, und zwar sowohl den für das Rech nungsjahr 1888 ausznstcllcnden Etat als auch die darauf folgenden Etats -er nächsten neu» Jahre. Bei einigen dieser Blick in den neuen ^Reichstag während der Eröffnung S««S ltut« u» BUb« bt, d» be«,«»* K«ob Emst« Mahnung »es MMrn NnammlMers Bcdkutiame Rete vor »ein Landtag wer »te Nnanzlage im» gegen flnnlofe Agtlatlvnsanlräge