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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.06.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-06-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120615020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912061502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912061502
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-06
- Tag 1912-06-15
-
Monat
1912-06
-
Jahr
1912
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V-It»ch««»«to Leipzig 83«. s lNachteuschluh) «.inkironta- 1 «W -yanoeiszelttlng. , Amtsökatt des Aales und des Nolizeiamlcs der Ltadt Leipzig. ripMer T ageblaü Handelszeitung Anzeigen-Prei- fiir Inserat» au» Leiozta und Umgebung di« lspaltige Petitzetl« APf^dteNerla««. zeit« 1 ML von au»wärt« So Ps^ Neklamen IM Mk. Inserate von Behörden im amt- lichen Teil die Petitzetl» S0 Ps. S«schäst»anzrigen mit Platzvorschriften im Preise erhöht Nabat» »ach Taris. Beilagegebilhr Ersamt- ouslag» S Mk. ». Tausend erkl. Postgebühr. Teildeilag» Höher. Festerteilt« Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Für da» Erscheine» an bestimmten Tage» und Plötzen wird kein« Garantie übernommen. Anzeigen »Annahme: I»k»»«i»»«tz« 8. bet sämtlichen Filialen u. allen Annonce«» Lzpeditionen de» In» und Au»lande». Druck u«d Verla, »«» Fischer ck Xstrst«, Inhaber: Paul Kilrst«^ tztedaktion u»d tbeschästistell«: Iohanni»gasse 8. Haupt < Filiale Dr»»d«n: Seenratze 4, l (Telephon «6211. Sonnabenü, üen l5. Juni ldl2. Nr. 302. Die vorliegende Ansqade musaßl w Leuen. Das Wichtigste. * Matrosen der französischen Kriegsmarine sind zum Ersatz derstreikendenfranzösischcn Seeleute auf Handelsschiffe abkommandierc worden. sS. bes. Art.) * Krankreich wird dieses Jahr leine großen Marinemanöver abhalren. (Siehe Ausland.) * Die Studiengesellschaft für den Bau der trans- perfischen Bahn hat sich in Paris gebildet. tS. Ausl.) Politik unü Sornzuluhr in Gnglsnü. Die Möglichkeit einer Störung seiner Korn zufuhr beherrscht nicht nur Englands Stellung zum Seekriegsrecht, sondern seine ganze Politik. Das ist erklärlich genug: wenn die Ge fahr einer Hungersnot droht, müssen alle Bedenken hintangesetzt werden, um sie abzuwehren. Das Ge spenst der Hungersnot vergrößert sich sogar fort während, weil die Einwohnerzahl des Inselreiches alljährlich um 376 000 Personen zunimmt, für die kein Halm, kein Weizenkorn im Lande selbst wächst. Zur Beschaffung der Lebensmittel in Friedens zeiten hat die große Mehrheit der englischen Be völkerung immer noch den Freihandel als das richtige Mittel befunden. Jetzt steht aber nicht die Friedens zeit in Frage, man sorgt sich vielmehr um die Sicher heit der Zufuhr in Kriegszeiten. Die Furcht, daß feindliche Kreuzer auf britische und — unter dem Vorwande, daß Lebensmittel Kriegskonterbande seien — selbst auf neutrale Getreideschiffe Jagd machen könnten, ist sehr verbreitet. Sie hat dazu geführt, die Londoner Seerechtsdeklaration abzu lehnen und eine außerordentliche Flottenoerstärkung oorzunehmen, sie hat auch den Marokkooertrag mit Frankreich, den zentralafiatischen Vertrag mit Ruß land und dann die Entente mit Frankreich herbei geführt. Aus ihr ging 1911 die Gefahr für den Weltfrieden hervor, sie ist die Quelle, aus der die Gerüchte über die Vorbereitung eines förmlichen Bündnisses mit Frankreich stammen. Wir Deutschen können nur bedauern, daß uns so ganz ohne Grund feindliche Absichten zugetraut werden. Der ganze Komplex damit verbundener Tatsachen ist auch für uns sehr untersuchenswert. Gin militärischer Mitarbeiter der „Times" be handelt die Angelegenheit jetzt unter einem neuen Gesichtspunkte. Er untersucht den Lauf der ver schiedenen Ströme, aus denen die Eetreidezufuhr nach Großbritannien fließt, und kommt dabei zu folgenden Ergebnissen: Aus den Vereinigten Staaten und Kanada kommen 5,4 Millionen Tonnen im Werte von 20,5 Millionen Pfund Sterl., wobei er hätte hinzufügen können, daß gerade diese Zufuhr hauptsächlich nach Liverpool und Glasgow geht und daher feindlichen Angriffen am wenigsten ausgesetzt ist, während er die Sache so behandelt, als ginge die ganze Zufuhr nach Kanalhäfen und London. Aus Südamerika werden 2,4 Millionen Tonnen im Werte von 8,25 Millionen Pfund Sterl., aus Australien und Neuseeland und Kap der k:ten Hoffnung 1,.i Millionen Tonnen im Werte von 6,25 Millionen Pfund Sterl. eingcführt, Ost indien sendet 2,5 Millionen Tonnen im Werte von 10,25 Millionen Pfund Sterl. durch den Suez kanal. Das größte Kontingent liefern aber Süd- rußland und Rumänien vom Schwarzen Meer aus mit 6,4 Millionen Tonnen im Wert« von 21,25 Millionen Pfund Sterl. Insgesamt werden 18,2 Mil lionen Tonnen Korn für 66,5 Millionen Pfund Sterl. 1356 Millionen Mark über See bezogen. Der Verfasser schildert dann, wie sich die beiden von Osten kommenden Ström«, di« d«r Menge nach zu sammen schon mehr als die Hälfte (dem Werte nach wegen der vielen Futtergerste etwas weniger) aus machen, bei Malta vereinigen. Beide haben den langen Weg durch das Mittelmeer zu machen, dessen maritime und strategische Sicherstellung daher von der allergrößten Bedeutung sein sollte. Zweihundert Jahre lang, seit der Eroberung von Gibraltar, hat es England als seine dringendste Aufgab« ange sehen, hier so stark zu bleiben, daß keine fremde Macht es mit ihm aufnehmen könne. Gestützt auf Malta und Gibraltar, hat es eine unangefochtene Herrschaft im Westbccken d«s Mittelmeeres aufrecht erhalten. Im Osten hat cs erst den Suezkanal, dann Znpern, zuletzt ganz Aegypten erworben. Namentlich hat es geglaubt, allezeit auf dem Wacht posten stehen zu müssen, um den Bosporus und die Dardanellen vor einer Besitznahme durch Rußland zu bewahren, das sonst zum Herren über den wichtigsten Kriegshafen der Erde und damit zum Beherrscher der Levante und des Suezkanals gemacht würde. Auch im Westen des Mittelmeers verfolgte es die Entwicklung der französischen See macht mit argwöhnischen Blicken. Jetzt vollzieht sich ein Umschwung, auf dessen politische Seite hier nicht weiter eingegangen werden soll. Dem Verfasser des „Times"-Artikels scheint es klar geworden zu sein, daß Rußland nicht nur militärische Machtmittel habe, um England in Verlegenheit zu bringen, sondern auch wirtschaft liche. Wenn es ein Ausfuhrverbot für Brot- und Futtergetreide erließe, könnte das für manche Länder recht lästig sein, auch für Rußland selbst, dessen Hauptgeldquelle eben die Getreideausfuhr ist. England würde aber, wenn die Sperre einige Zeit andauerte, in den Zustand eine» peinlichen Manuls an Nahrung für Mensch und Vieh verätzt w«rLen. Es handelt sich um Mengen, di« selbst das gesamte Ausland nicht leicht ausoringen könnte, jedenfalls nicht ohne eine ganz bedeutende Steigerung der Ge treidepreise. Vielleicht ist es dieser Gedankengang, der den militärischen Mitarbeiter des Londoner Blattes dazu veranlaßt, den guten Willen Rußlands noch weit höher einzuschätzen, als sonst wohl geschieht. Nicht einmal dagegen will er mehr Widerspruch er heben, daß Rußlands Schwarzmcerflotte erlaubt werde, ins Mittelmeer zu gehen, ihm ist das Mittelmoer „vom Standpunkte der kriegeri schen Operationen aus jetzt ein Theater zweiten Ranges, aber keineswegs hinsichtlich der Nah rungsmittelzufuhr und der allgemeinen Reichsinteresse n." Eine Lufttüritt-Uevungsvorlchrllt Mr üss Seer. Die diesjährigen Frühjahrsübungen der deutschen Heereslustschifse in Köln a. Rh., die mit einer großen kriegsmäßigen Fahrt des „2 II" rheinaufwärts bis Mannheim abgeschlossen wurden, haben u. a. zur Ausarbeitung eines eigenen Exerzier-Regle ments für 2-Le n klu ftjchiffe geführt. Zu diesem Zwecke war eine Sonderkommission vo» Offi zieren eingesetzt worden, zu der die Luftschiffkapitäne und mehrere Ingenieure der Zeppelinwerft zugezogen waren. Nach der neuen Vorschrift ist während der letzten Luftübungen bereits gearbeitet worden. Sie soll sich vorzüglich bewährt haben. Die Kölner llebungen selbst dienten, neben der Ausbildung der Mannschaften in der Bedienung, in erster Linie dazu, volle Klarheit zu gewinnen, inwie weit die Verwendungsmöglichkeit der drahtlosen Telegraphie für Lenkballons aller Systeme bei der Lösung militärischer Aufklä- runqsausgatcn besteht. Deshalb waren alle in Köln stationierten Mili- tärlustschiffc mit RaLiostationen für mittlere und große Reichweiten ausgerüstet. Es hat sich gezeigt, daß die drahtlose Verbindung selbst auf weite Ent fernungen möglich ist. So war unter anderem „2 II" auf Uebungsfahrten mit kriegsmäßiger Be satzung, die cs zur Ausführung größerer taktischer Aufträge bis Paderborn und an das Scnnelager so wie gegen Düren und den Truppenübungsplatz Elsen- born unternahm, und bei denen es sich stets inkriegs- mäßigen Höhen von 1300 bis 1400 Meter hal ten mußte, in steter wechselseitiger Verbindung mit Köln. Metz, Straßburg, Koblenz und Karlsruhe. Von gutem Erfolge waren auch di« während der Uebuligeiahrten vorgenommenen photographi schen Aufnahmen und astronomischen Orts- b e st i m m u n g e n begleitet, die sehr gut gelangen. Eine englische Stimme zur Milchehenkrsge. Im Iuniheft des „United Empire", der Monats schrift des Königlichen Kolonial-Jnftitut (Noyal Co lonial Institute Journal), herausgegeben von Archi bald R. Lolquhoun, findet sich eine interessante Notiz zur Mischehenfrage. Der Verfasser vergleicht die De batten über die Mischehenfrage, die beinahe gleich zeitig im Deutschen Reichstage und in dem südafrika nischen Parlamente stattfcmden. Bei uns wurde be kanntlich mit 203 gegen 133 Stimmen eine Entschlie- ljmrg angenommen, die die verbündeten Regierungen ersucht, durch Gösetz die Mischehen zwischen Weißen und Farbigen in allen deutschen Schutzgebieten zu legitimieren. Am Tage darauf, am 9. Mai. brachte der Führer der Opposition im südafrikanischen Parla ment, Sir Thomas Smartt, dort einen Antrc^ oin, der angesichts der zunehmenden Angriffe Farbiger auf weiße Frauen die Regierung ersuchte, eine Kom mission zur Behandlung der Angelegenheit einzu setzen. „Die politische Atmosphäre", schreibt das „United Empire", „der zwei Parlamente könnte schwerlich verschiedenartiger sein. In Deutschland wurde die Debatte geführt unter dem Einfluß einer falschen Sentimentalität, die auch bei uns in Eng land nicht allzu unbekannt ist. In dem südafrikani schen Parlament war kaum ein Mitglied, dem nicht das volle Verständnis der Eingeborenenfrage, wie sie rn Afrika wirklich aussieht, aufgegangen wäre und der nicht durchdrungen wäre von der Notwendigkeit, die Reinheit und damit auch das Uebergewicht der weißen Rasse aufrechtznerhalten. In dem Deutschen Reichstage hat die Mehrzahl der Leute, die für eine Legalisierung der Mischehen eintraten, niemals mit eignen Augen die Schäden einer Ehegemeinschaft l06. Jahrgang. zwischen farbigen und weißen Nachbarn gesehen. In jenem Parlament hatte jedes Mitglied einen Be griff von der Schwierigkeit und Vielseitigkeit der Frage, und ist weit davon entfernt, farbige Ehen mit der wrhluollcnoen Billigkeit anzuiehen wir Bernar- din de Saint-Pierre und van der Kemp. Leider ver mischen sich weiß und schwarz, wo sie Zusammenstößen, zweifellos bis zu einem gewissen Grad miteinander, aber es muß als strengste Pflicht jeder Regierung, der die Wohlfahrt beider Rass-n am Herzen liegt, aufgefaßt werden, sochen Verbindungen jegliches Hin dernis entgegenzustellen. Dr. Sols, der Staatssekre tär des Rcichskolonialamts, bemerkte, als er der schleckst begründeten Entschließung der deutschen Hu- manitälsdusler sich entgegensetzte, daß Völker, die lange schon Kolonialpolitik treiben, doch nicht eine Lösung dieses Problems erreicht hätten, und wies auf die Zustände in den Vereinigten Staaten hin, wo die Mehrzahl der elf Millionen farbiger Bürger Mischblütler sind und bezeichnet das als ein Mene tekel für alle kolonisierenden Nationen." Der Artikel des „United Empire" klingt aus in den Satz: „M i ß- verstandene Humanität und ein unwür diges Hinabgleiten auf das Niveau der niederen Rassen trägt den Keim des Verfalles in si ch." Der Lonüoner Sskensrbeiter- ltreik oar üem Lutte. Der Londoner Hafenarbeiterstreik nähert sich an scheinend seinem Zusammenbruch. Der Streikausk<buß erklärt, daß der erst kürzlich eingesetzte Notausscyutz mit der Regierung berät, um ein Ende für den Streik zu finden. Der Geldmangel scheint in den Streikkassen auf das höchste gestiegen zu sein. Da gestern an Königs Geburtstag Feiertag war. ruhte dis Arbeit im Hafen fast ganz. Ungefähr tausend Mann der eben gegründeten Transportardeiterpolizei marschierten mit Fahne und klingendem Spiel zum Tower Hill. Eine vom Lordmayor einbcrufcne Ver sammlung der Reeder. Kaufleute und der Hafen, behörde berät darüber, ob es nicht angebracht wäre, die für die Leichtermänncr bestehenden Privi legien abzuändern und den Staatssekretär' des Innern Mac Kenn« zu derartigen Aenderungen aufzufordern. Durch Einstellung Arbeitswilliger könnte dann di« Arbeit sofort wieder ausgenommen werden. Die Hafenbehörde ist entschlossen, ihrerseits, so weit ihre Macht reicht, für diesen Zweck geeig nete Schritte zu tun. Der fran;öslsche Serleutestreik. Paris, 15. Juni. Im Auftrag« des Marine ministers wurden von Brest 203, von Loricnt 80 und von Cherbourg 60 Matrosen der Kriegsflotte nach Havre abgesandt, um die ausständigen Mannschaften de« Postdampfers „Provence" zu ersetzen. Die „Provence" wird heute abgehen. Vie Lage in Marokko. Ruhe am Muluyaflusse. Paris, 15. Juni. Wie aus Oran gemeldet wiro, ist die Lage am Muluyafluß ruhiger geworden. Die Marokkaner siird gegenwärtig mit der Ernte be schäftigt, und man glaubt, daß sie sich mindestens bis zum August jedes Angriffs enthalten werben. y Wer bitt üu? Roman von Marie Vier«. „Warum bindest du die Schürze ab. Else? Bist du fertig mit dem Pflanzen?" „Nein, Mama." „Nun denn, bitte." Sie tat, als sei Wolf gar nicht da. „Herr Doktor Eggers ist auf der Durchreise", er klärte Else sehr verlegen. „Er hat «ine Vertretung in Hinterpommern." „So. „Ja, gnädige Frau, und danach denke ich mir eine eigene Praxis zu gründen." Wolf sagte dies nicht ohne schlingelhaft« Absicht. Beiß an, Mamachen! dachte er. Zu ihrem Unglück — denn keiner kann über seinen eigenen Schatten springen — blieb diese Eröffnung, an dieser Stelle und unter diesen Veryältnissen ge macht. nicht ohne sichtliche Wirkung auf sie. Wenn er das so sagte, so lagen doch vielleicht reelle Ab sichten vor! „So? Na, wenn Ihnen das nur so schnell glückt. Aerzt« haben wir mehr, als wir mögen. Wo ist denn Ihre Vertretung, zu d«r Sie reisen?" „Der Ort heißt Wüstewalde, er wird nicht die Ehre haben, von gnädiger Frau gekannt zu sein. Eine eigene Praxis könnte ich aber schon morgen haben. Herr Doktor Michels hat mir die seine an geboten." Else stieß «inen kleinen Schrei aus und wurde dann aus Schreck darüber glühendrot. Auch Frau Pastor konnte ihre große Ueberraschung nicht zurück halten. „Unser alter Doktor Michels?" „Jawohl. Frau Pastor. Unser alter Michels." „Herrgott, dann würden Si« ja unser Arzt." „Wenn ich es annehme, allerdings." „Aber wollen Sie es denn nicht annehmen? Michel» hat doch «ine brillante Praxis." „Brillant ist Ansichtssache. Frau Pastor. Ich stelle an das Wort brillant eigentlich noch ander« An- sprüche. Wenn ich noch «twas warte, eröffnen sich mir Aussichten, die sich mit der hiesigen Praxis doch nicht aut vergleichen lassen." „Mer warum wollen Sie denn warten in aller Welt? Das ist doch nur ein phantastisches Höher wollen. Hier hätten Sie Ihr ausgezeichnetes Aus kommen, einen festen und soliden Patientenkreis, sind bekannt —" Sie brach plötzlich ab. Auf ein Haar hätte sie gesagt: und ich brauche Else nicht so weit fortzulassen. Gott sei ewig Dank, daß ihr das noch einfiel. Aber weiß der Kuckuck, wie diese Nachricht sie gepackt hatte. Solch ein Schlingel, was auch hinter dem noch alles steckte! „Ich werde mir Ihre Worte merken. Frau Pastor", sagte Wolf mit todernstem Gesicht. Else sah ihn ängstlich an. Spottete er etwa ihrer Mutter? Aber da mitten in ihrer Angst und Sorge flog ihr ein Blick zu aus seinen hellgrauen Augen, die wieder vor lauter Lust und Leben zu springen schienen, so ein Blick, wie er Abgründe von Not und verweinten Nächten in einem Nu vernichtet, wie er all« Welt umher, Vergangenheit und Zukunft, in Sonne und Seligkeit taucht und in seiner bloßen Er innerung noch glücklich machen kann. Sie empfing diesen Blick, zu überwältigt, um auch nur einen Eegenblick dafür zu haben. Nun war alles gut, alles selig, alles sicher. Nun mochte er immerhin gehen, er gehört« ihr ja doch! „Jetzt muß iw zur Station . sagte Wolf. „Meine Zeit ist genau abgepaßt." „Sonst könnte Else Ihnen ja noch schnell ein Täßchen Kaffee machen", sagte Frau Pastor. „Ich dachte, Else müßte pflanzen? sagten Wolfs übermütige Augen. Aber er verbeugte sich nur dankend, gab beiden die Hand und war mit einem Sprung über die Erbsenbeete. Im Fortgehen schwenkte er noch einmal seinen weichen Fiizhut. Dann verschwand er um di« Ecke. Els« band sich die Schürze wieder fest, ihre Hände bebten. / „Laß nur jetzt, Tlsing", sagte die Mutter. „Komm mit ins Haus." Si« war bewegt und verwirrt, wie die Tochter si« nie gesehen hatte. Seufzend sagte sie: „Wenn man nur ganz sicher wäre, wie man mit ihm dran ist — Else lächelte. Nun geht er beim Schulzenhdf' vorbei — dacht« sie. Da blieb die Mutter mitten im Steig stehen und legte ihr plötzlich beid« Arme um den Nacken. „Kind!" rief sic. mit Tränen ringend. „Ich gönnte es dir ja auch. Ach, und denke: hier in der Nähe und die Praxis von Doktor Michels!" * * 4 In der nächsten Zeit kamen öfter Karten von Wolf Eggers ins Pfarrhaus, lustige Stimmungs oerschen oder flüchtig hrngeworfen« kleine Zeich nungen an Else, an Frau Pastor, an 55errn Pastor. Am hübschesten aber waren die an Else. Anfangs waren sie alle nur voll non einer knaben haften, unbändigen Lustigkeit. Dann kamen satirische Klagen über das Kleinstadtleben dort, humoristisch übertriebene Ausbrüche der Langeweile und Ver zweiflung. In den Karten an Else zitterte es wie «in leises, verhaltenes Klingen der Sehnsucht. Es war wenig, was sie hatte, und war doch viel. Die Träume helfen ja so gern den lückenhaften Bau einer allzu flüchtigen Wirklichkeit ausfüllen und höher führen. Und wie willig ist das liebende H«rz bereit, zu entschuldigen, zu erklären, aus dem Schlimmen selbst das Gute zu folgern, ja das Schlimme als Grund und Notwendigkeit des Guten zu sehen und zu lieben. Antworten durfte sic ihm nicht und wollte es auch gar nicht. Was antwortet man denn aus solche lau nische Kärtchen? „Seine Art gefällt mir den ganzen Tag noch nicht", sagte Minna Bärenwender zu ihrem Mann. „Einem Mädchen, das man achtet, muß man sich anders nähern." „Ach, Kind", sagte Adolf, der große Träumer, „er ist junger Wein. Er muß sich erst ausgären." Aber selbst ihm, wenn er sein verwandeltes Kind ansah. wollte es beinahe angst werden um die kommende Zeit. „Meine Hoffnung ist nur, daß sie in der Nähe bleiben", sagt« Frau Pastor. Nach etwa sechs Wochen hörten Wolfs Karten plötzlich auf. Else sah fieberhaft jedem Kommen des Briefträgers entgegen, sogar aus d«r Dachluke, ihr« Arbeit versäumend, spähte sie nach der bunten Mütze aus. Es vergingen zwei Wochen, drei Wochen, vier Wochen — „Da haben wir s ja!" sagte Frau Pastor, als hätte sie dies von Anfang an gewußt, während sie doch schon die Gedecke für Elsens Ausstattung ab gezählt und sich in Zukunftsbildern gewiegt hatte, wie Else jedesmal, wenn ihr Mann in Klähnen seine Patienten besuchte, mitkommen könnte. Ja, in kleine zapplige Doktorstindcr hatte sie sich hineingeträumt und alle ihre wohldurchlebten, sieben fach erhärteten Erfahrungen hervorgcsucht. Da gegen durfte dann selbst der werte Herr Schwieger sohn mit all seinem Theorienkram nichts sagen. Nun aber! — Ja, ging denn das einfach? Brauchte man sich das gefallen zu lassen? Elsens Gesicht am Mittagstisch war ja kaum an zusehen. Das Mädchen konnte jetzt ihren Ausdruck kaum mehr beherrschen. Und dieser alberne, eingebildete, dumme Junge aus Holzhagen, den sie immer gering geschätzt hatte, der durfte mit einem Male durch seine ungezogenen Launen ihren ganzen wohlgefügten, unabhängig ge regelten Haushalt durcheinander werfen? Plötzlich bekam sic eines Tages einen Brief, auf dessen Kuvert sie die wohlbekannte — leider wohl bekannte! — Handschrift sah. Else stand neben ihr und dem Briefträger. „Mutter —" schrie sie unwill» kürlich auf und griff danach. Frau Pastor wandte sich kurz um und ging mit dem Brief in die Stube. Das fehlte auch noch, den Briefträger zum Vertrauten zu machen! Aber auch iHr Herz schlug, und ihre Hände zitterten. Zur Sicherheit sah sie noch einmal auf den Stempel. „Wüstcwalde." Allen Sündern s«i vergeben — ging es ihr durch den Sinn. , Ja, der Brief war an sie — wie seltsam vom wilden Wolf — Sie wischte noch einmal die Hand an der Küchen schürze ab und nahm ein Scherchen von ihrem Näh tisch. Else war ihr nachgekommen. „So geh doch fort —" sagte sie ungeduldig. Aber EU« hört« nichts, sah nichts, fühlte nicht» — al» diesen Brief, der jetzt seiner Hülle entstieg. O diese tausendmal geliebte Schrift! (Fortsetzung in der Morgenausgabe !
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